Nervenschmerzen gehören zu den Hauptursachen chronischer Schmerzen. Oft entstehen diese Schmerzen ohne akutes Trauma, was in der Behandlung häufig auf chronische psychische Belastung zurückgeführt wird. Spezialisten von Lumedis Orthopäden Frankfurt beraten Sie gerne, wenn Sie unter Nervenschmerzen leiden oder eine Zweitmeinung wünschen. Dr. Bela Braag, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie und Spezialist für komplexe orthopädische Erkrankungen bei Lumedis, hat diesen Artikel aktualisiert.
Was sind Nervenschmerzen?
Nervenschmerzen entstehen durch Schädigungen oder Beeinträchtigungen der Nerven, die Signale zwischen Gehirn, Rückenmark und Körperteilen übertragen. Diese Schädigungen können vielfältige Ursachen haben.
Der Zusammenhang zwischen psychischem Stress und Nervenschmerzen
Psychischer Stress hat erhebliche Auswirkungen auf den Körper, einschließlich des Nervensystems. Anhaltender Stress kann Nervenkrankheiten und Nervenschäden beeinflussen.
Stressbedingte Verspannungen und Nervenkompression
Chronischer psychischer Stress führt oft zu Muskelverspannungen, besonders im Bereich der Wirbelsäule und der Extremitäten. Diese Verspannungen können Druck auf Nerven ausüben und Nervenreizungen oder Kompressionssyndrome verursachen. Ein typisches Beispiel ist das Karpaltunnelsyndrom, bei dem Stress zu vermehrter Spannung in den Handgelenksmuskeln beiträgt, was den Medianusnerv einengt.
Entzündungsfördernde Wirkung
Psychischer Stress kann die Ausschüttung von entzündungsfördernden Botenstoffen im Körper begünstigen.
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Beeinträchtigung der Schmerzverarbeitung
Stress kann die zentrale Schmerzverarbeitung im Gehirn verändern. Dies kann dazu führen, dass Betroffene Schmerzen intensiver und chronischer wahrnehmen, auch wenn die ursprüngliche Nervenschädigung gering ist.
Psychische Komorbiditäten
Anhaltender Stress kann Angstzustände und Depressionen auslösen oder verstärken. Diese psychischen Belastungen können wiederum körperliche Symptome wie Nervenschmerzen verstärken und die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen.
Wie erkennt man psychisch bedingte Nervenschmerzen?
Die Feststellung, ob Nervenschmerzen rein auf psychische Faktoren zurückzuführen sind, ist komplex, da oft verschiedene Ursachen für Schmerzen vorliegen können.
Polyneuropathie: Eine häufige neurologische Erkrankung
Die Polyneuropathie gehört zu den häufigsten neurologischen Krankheiten. Trotz diagnostischer Fortschritte bleibt die Ursache in vielen Fällen unklar ("idiopathische Neuropathie"), sodass Ärzte oft nur die Symptome behandeln können. Typische Symptome sind Kribbeln, Brennen und Taubheit, die anfangs an beiden Füßen und Beinen auftreten. Diese Gefühlsstörungen haben ihren Ursprung in den langen Nerven, die Muskeln, Haut und Organe mit dem Gehirn verbinden. Schäden an den Nerven führen dazu, dass die Weiterleitung von Informationen zwischen Gehirn, Rückenmark und dem Rest des Körpers gestört ist. Je nachdem, welche Nerven betroffen sind, können unterschiedliche Beschwerden im Vordergrund stehen.
Diagnostische Verfahren
- Messung der Nervenleitgeschwindigkeit: Hierbei wird Strom durch die Nervenbahnen geschickt.
- Prüfung des Vibrationsempfindens: Der Neurologe verwendet eine Stimmgabel, um das Vibrationsempfinden zu prüfen.
- Quantitative Sensorische Testung (QST): Durch sieben verschiedene Gefühlstests an der Haut werden 13 Werte ermittelt, um zu erkennen, welche Nervenfasern geschädigt sind und wie stark die Schädigung fortgeschritten ist.
- Thermode: Computergesteuerte Temperaturreize kommen zum Einsatz, um das Temperaturempfinden exakt zu messen.
- Nerv-Muskel-Biopsie: Eine Gewebeprobe aus dem Schienbein wird entnommen und feingeweblich untersucht, um festzustellen, ob der Schaden an der Hüllsubstanz des Nerven (Myelin) oder am Nerven selbst entstanden ist. Bei bestimmten Ursachen finden sich Entzündungszellen oder Amyloid-Ablagerungen.
- Hautbiopsie: Bei Small-Fiber-Neuropathien, bei denen insbesondere die dünnen, kleinen Nervenfasern der Haut betroffen sind, kann eine Gewebeprobe aus der Haut unter dem Mikroskop untersucht werden. Die Nervenleitgeschwindigkeit ist dann oft unauffällig.
Ursachen der Polyneuropathie
Polyneuropathie kann erblich bedingt oder im Laufe des Lebens erworben sein, wobei erworbene Formen häufiger sind. Schädigungen an den peripheren Nerven können durch Entzündungsprozesse im Körper als Folge einer Autoimmunerkrankung oder einer Infektion mit bestimmten Viren bzw. Bakterien auftreten. Bekannte Erkrankungen sind Borreliose, Diphtherie oder Gürtelrose. Daraus resultieren Entzündungen, die die empfindliche Schutzschicht des Nervenzellfortsatzes, die Myelinschicht, angreifen können. Oft steht die Polyneuropathie im Zusammenhang mit einer Diabeteserkrankung (diabetische Polyneuropathie), bei der ein dauerhaft zu hoher Blutzuckerspiegel die Nerven schädigt. Eine weitere häufige Ursache ist Alkoholabhängigkeit aufgrund der nervenschädigenden Wirkung bei langjährigem hohen Konsum.
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Weitere Ursachen können sein:
- Erkrankungen der Leber
- Mangelernährung, z.B. bei Zöliakie
- Vitaminmangel, z.B. Vitamin B12
- Autoimmunerkrankungen wie das Guillain-Barré-Syndrom oder rheumatoide Arthritis
- Einnahme bestimmter Medikamente wie Nitrofurantoin oder Metronidazol
- Kontakt mit giftigen Substanzen, etwa Schwermetalle
- HIV-Infektionen
- Erkrankungen, die auf Infektionen beruhen: Borreliose oder Syphilis
- Krebserkrankungen, beispielsweise Brustkrebs oder Blutkrebs
- Hormonelles Ungleichgewicht, zum Beispiel ausgelöst durch eine Schilddrüsenunterfunktion
- Erbliche Veranlagung (hereditäre Neuropathien)
Auch Stress kann bei der Bildung einer Polyneuropathie eine gewisse Rolle spielen. Zwar verursacht ein dauerhaft hoher Stresspegel keine Nervenschädigungen selbst, jedoch kann dieser das Risiko für weitere stressbedingte Folgeerkrankungen erhöhen, die dann als Auslöser (Trigger) wirken. Ein Beispiel dafür sind etwa ruhende Viren, die unter Stress erneut ausbrechen - beispielsweise das Epstein-Barr-Virus (Auslöser des Pfeifferschen Drüsenfiebers), das Varizella-Zoster-Virus (Auslöser von Gürtelrose) oder auch Herpes-simplex (möglicher Auslöser für entzündlich-bedingte Nervenschmerzen). Seltener sind Nervenschädigungen genetisch bedingt. So gibt es verschiedene angeborene Erkrankungen, die von einer Polyneuropathie begleitet werden. Dazu zählt etwa die HMSN (hereditäre motorisch-sensible Neuropathie), von der es mehrere Unterformen gibt. Bei rund 20 Prozent aller Patienten bleibt die Ursache der Polyneuropathie jedoch ungeklärt (idiopathische Polyneuropathie). Wenn Nervengifte wie Alkohol, Schwermetalle oder Medikamente die Nerven schädigen, handelt es sich um eine "toxische Polyneuropathie".
Was hilft bei psychisch bedingten Schmerzen?
Entspannungstechniken
Entspannungstechniken wie Meditation und Yoga können helfen, Stress abzubauen und die Auswirkungen von Nervenschmerzen zu mildern. Durch regelmäßige Praxis können diese Methoden den Körper entspannen und das Wohlbefinden verbessern.
Psychotherapie
Psychotherapie kann als ergänzende Maßnahme bei der Behandlung von Nervenschmerzen dienen, insbesondere wenn psychische Faktoren die Schmerzen verstärken.
Bewegung
Durch Bewegung werden Endorphine freigesetzt, die das Wohlbefinden steigern und Stress reduzieren. Sogar moderate Aktivitäten wie Spaziergänge oder Tanzen können dabei helfen, Stress zu bewältigen und das allgemeine Wohlbefinden zu steigern.
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Schlafhygiene
Ein gesunder Schlaf ist für Menschen mit Nervenschmerzen von großer Bedeutung. Reduzierter Schlaf geht einher mit höheren Entzündungswerten im Körper und einer empfindlicheren Schmerzgrenze.
Achtsamkeitsbasierte Therapien
Achtsamkeitsbasierte Therapien nutzen Achtsamkeitspraktiken wie Meditation und bewusste Gegenwärtigkeit, um Stress zu reduzieren und Schmerzen, einschließlich Nervenschmerzen, zu behandeln.
Mikronährstoffe
Nahezu jeder Mikronährstoffmangel kann Auslöser einer Polyneuropathie sein. Bei jeder Form der Polyneuropathie ist es sinnvoll, den Mikronährstoffstatus überprüfen zu lassen.
- Vitamin B1: Wichtig für den Kohlenhydrat-Stoffwechsel und die Energieversorgung der Nervenzellen sowie für die Aufrechterhaltung der Myelinscheiden. Ein Thiamin-Mangel ist bei Diabetikern und bei Menschen mit hohem Alkoholkonsum sehr häufig.
- Vitamin B6: Wesentliches Coenzym im Stoffwechsel der Proteine und Aminosäuren und für die Bildung von Neurotransmittern.
- Vitamin B12: Spielt eine wichtige Rolle für den Nervenstoffwechsel. Ein Mangel kann hämatologische, neurologische und psychiatrische Störungen hervorrufen.
- Folsäure: Wichtig für den Nervenstoffwechsel.
- Vitamin E: Eine Supplementierung hat einen nachweisbaren, aber eher bescheidenen günstigen Effekt in der Prävention von Chemotherapie-induzierten Polyneuropathien.
- Vitamin D: Ein Mangel förderte die Entstehung und Entwicklung einer diabetischen Neuropathie bei Kaukasiern.
- Vitamin K2: Eine Supplementierung kann nachweislich die Symptome eine diabetische Polyneuropathie reduzieren.
- Eisen: Wichtig für die Myelinsynthese und für die Bildung von Neurotransmittern sowie für den Energiestoffwechsel der Nervenzellen.
- Kupfer: Ebenfalls an der Myelinsynthese beteiligt.
- Zink: Eine Zinktherapie verbesserte die Blutzuckerkontrolle und Symptome einer diabetischen Polyneuropathie.
- Chrom: Spielt für die Blutzuckerregulation eine wichtige Rolle.
- Glutamin: In einigen Studien hatte eine Supplementierung einen günstigen Effekt bei Polyneuropathien infolge Chemotherapie.
- N-Acetylcystein (NAC): Als adjuvante Therapie zu Pregabalin die klinischen Symptome einer schmerzhaften diabetischen Neuropathie deutlich effektiver verbesserte als ein Placebopräparat.
- Arginin: Die Ausgangssubstanz für die Bildung von Stickstoffmonoxid (NO), das für die Endothelfunktion und Durchblutungsregulierung eine zentrale Rolle spielt.
- Glutathion: Das wichtigste intrazelluläre Antioxidans und spielt auch eine bedeutende Rolle für den antioxidativen Schutz der Nervenzellen.
- Acetyl-L-Carnitin: Eine Metaanalyse von vier randomisierten kontrollierten Studien zeigte, dass Acetyl-L-Carnitin zu einer signifikanten Schmerzverminderung führte.
Medikamente
Bestimmte Antidepressiva (z.B. Amitriptylin) oder Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRIs) (z.B. Duloxetin) werden manchmal zur Behandlung von Nervenschmerzen eingesetzt. Einige Antikonvulsiva (z.B. Gabapentin oder Pregabalin) werden ebenfalls verwendet. Benzodiazepine können kurzfristig helfen, sollten aber nicht als primäre Behandlung eingesetzt werden. Die Verwendung von Medikamenten sollte immer von einem Arzt verschrieben und überwacht werden.
Weitere Therapieansätze
- Capsaicin-Pflaster: Capsaicin, verantwortlich für die Schärfe der Chilischoten, hat sich in Studien als erfolgversprechendes Mittel gegen Polyneuropathie erwiesen. Es betäubt nicht nur den schmerzenden Bereich und steigert die Durchblutung, sondern scheint sogar die Neubildung kleiner Nervenfasern anzuregen.
- Elektrotherapie (TENS): Die Nerven werden durch Impulse aus einem speziellen Gerät so stimuliert, dass Erkrankte statt Schmerzen ein leichtes Kribbeln spüren.
- Physiotherapie: Gleichgewichtstraining wirkt der fortschreitenden Gangunsicherheit entgegen.
- Akupunktur: Wie die gezielten Reize die Nerven beleben, ist noch ungeklärt.
Die Therapien müssen dauerhaft durchgeführt werden, da eine Pause den Behandlungserfolg beeinträchtigen kann.
Wann sollte man einen Arzt/Therapeuten aufsuchen?
Bei unklaren Nervenschmerzen, insbesondere wenn sie mit Stress in Verbindung stehen, ist ein Arztbesuch ratsam.
Prävention und Tipps für mehr Lebensqualität
- Blutzucker kontrollieren: Menschen mit Diabetes sollten regelmäßig ihren Blutzucker kontrollieren und ärztlich verordnete Medikamente einnehmen.
- Füße kontrollieren: Eine Polyneuropathie an Beinen oder Füßen erhöht das Risiko für Fußgeschwüre - eine regelmäßige Kontrolle auf Wunden ist also wichtig.
- Bewegen: Menschen mit Polyneuropathie können bei Schmerzen und Missempfindungen von verschiedenen Angeboten wie Aquagymnastik oder Gehtraining profitieren.
- Ernährung: Es ist ratsam, den Alkoholkonsum einzuschränken und auf die richtige Ernährung zu achten, einschließlich der Zufuhr fehlender Vitamine.
- Rehabilitation: Verbessert die Beweglichkeit, die Stabilität und die Fähigkeit, normalen täglichen Aktivitäten nachzugehen.
- Kurbehandlung: Die Möglichkeiten sollten mit dem behandelnden Arzt besprochen werden.
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