Polyneuropathie in Beinen und Füßen: Ursachen, Symptome und Behandlung

Die Polyneuropathie ist eine Erkrankung des peripheren Nervensystems, die durch Schädigung mehrerer Nerven gekennzeichnet ist. Diese Schädigung kann zu einer Vielzahl von Symptomen führen, die vor allem die Beine und Füße betreffen. Typische Symptome sind Kribbeln, Brennen, Taubheit und Schmerzen. Die Ursachen der Polyneuropathie sind vielfältig, und die Behandlung richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache.

Was ist Polyneuropathie?

Der Begriff "Polyneuropathie" stammt aus dem Griechischen und bedeutet "Erkrankung mehrerer Nerven". Es handelt sich um eine Erkrankung des peripheren Nervensystems, das alle Nerven außerhalb des Gehirns und des Rückenmarks umfasst. Das periphere Nervensystem steuert Muskelbewegungen und Empfindungen wie Kribbeln oder Schmerz. Auch das vegetative Nervensystem ist Teil des peripheren Nervensystems. Seine Nervenstränge koordinieren automatisch ablaufende Körperfunktionen wie Atmen, Verdauen oder Schwitzen. Bei einer Polyneuropathie sind diese Nerven geschädigt, was zu einer Vielzahl von Symptomen führen kann.

Fachleute unterscheiden vier Formen, je nach Ausprägung der Nervenschäden und der Körperstelle:

  • Symmetrische Polyneuropathie: Die Schäden an den Nervenbahnen betreffen beide Körperhälften.
  • Asymmetrische Polyneuropathie: Die Erkrankung beeinträchtigt eine Seite des Körpers.
  • Distale Polyneuropathie: Die Nervenschädigung zeigt sich in Körperteilen, die von der Körpermitte entfernt sind, wie Hände, Beine und Füße.
  • Proximale Polyneuropathie: Bei dieser seltenen Form konzentrieren sich die Nervenschäden auf rumpfnahe Körperbereiche.

Ursachen der Polyneuropathie

Es gibt über 300 bekannte Ursachen für Polyneuropathie. In etwa 35 % der Fälle in Deutschland ist Diabetes mellitus (Zuckererkrankung) die Ursache, und in etwa 20 % ist Alkoholkonsum verantwortlich. Bei etwa einem Viertel aller Polyneuropathien bleibt die Ursache auch nach ausführlicher Abklärung ungeklärt ("idiopathische Neuropathie").

Weitere mögliche Ursachen sind:

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  • Stoffwechselerkrankungen: Diabetes mellitus, Schilddrüsenüber- oder -unterfunktion, Nierenversagen, Lebererkrankungen
  • Entzündliche Erkrankungen: Borreliose (Zeckenbisserkrankung), Gefäßentzündungen (Vaskulitis), HIV/AIDS, Autoimmunerkrankungen
  • Vitaminmangel: Mangel an Vitamin B1, B2, B6, B12 oder E
  • Schwermetallvergiftung: Blei, Arsen, Thallium, Quecksilber, Gold
  • Medikamente: Bestimmte Chemotherapeutika, Interferone, Virustherapeutika bei HIV
  • Genetische Faktoren: Es sind mehrere genetisch bedingte Polyneuropathien bekannt.

Symptome der Polyneuropathie

Die Symptome einer Polyneuropathie können vielfältig sein, je nachdem, welche Nerven betroffen sind. Typische Symptome sind:

  • Sensible Symptome:
    • Kribbeln, Brennen, Stechen, Elektrisieren
    • Taubheitsgefühle, Pelzigkeitsgefühl
    • Gefühl des Eingeschnürtseins, Schwellungsgefühle
    • Gefühl, wie auf Watte zu gehen
    • Verändertes Temperaturempfinden (z. B. kalte Füße)
    • Eingeschränktes Schmerzempfinden
  • Motorische Symptome:
    • Muskelschwäche, Muskelschwund
    • Muskelzuckungen, Muskelkrämpfe
    • Gangunsicherheit, Schwanken, Schwindel
  • Autonome Symptome:
    • Blasenlähmung, Darmträgheit
    • Mangelnde Regulation des Herzschlages bei Anstrengung

Die Symptome beginnen meist an den Füßen und breiten sich dann nach oben aus. In einigen Fällen können auch die Hände betroffen sein.

Diagnose der Polyneuropathie

Die Diagnose der Polyneuropathie umfasst mehrere Schritte:

  1. Anamnese: Der Arzt erfragt die Krankengeschichte und die aktuellen Beschwerden.
  2. Klinisch-neurologische Untersuchung: Der Arzt untersucht die Reflexe, die Sensibilität und die Muskelkraft. Mit einer Stimmgabel prüft der Neurologe das Vibrationsempfinden.
  3. Elektrophysiologische Untersuchungen:
    • Nervenleitgeschwindigkeitsmessung (NLG): Strom wird durch die Nervenbahnen geschickt, um die Nervenleitgeschwindigkeit zu messen.
    • Elektromyographie (EMG): Elektrische Aktivität der Muskeln wird gemessen.
  4. Quantitative Sensorische Testung (QST): Durch sieben verschiedene Gefühlstests an der Haut werden 13 Werte ermittelt. Sie helfen zu erkennen, welche Nervenfasern genau geschädigt sind und wie stark die Schädigung fortgeschritten ist. Um das Temperaturempfinden exakt zu messen, kommen bei der sogenannten Thermode computergesteuerte Temperaturreize zum Einsatz.
  5. Laboruntersuchungen: Blutuntersuchungen können Hinweise auf mögliche Ursachen wie Diabetes, Vitaminmangel oder Entzündungen liefern.
  6. Nervenwasseruntersuchung (Liquoruntersuchung): Bei Verdacht auf eine entzündliche Erkrankung wird das Nervenwasser untersucht.
  7. Bildgebende Verfahren: Eine Kernspintomographie der Lendenwirbelsäule oder Halswirbelsäule ist erforderlich, wenn gleichzeitig dort eine zusätzliche Erkrankung z.B. ein enger Spinalkanal vermutet wird.
  8. Nervenbiopsie: In seltenen Fällen wird eine Gewebeprobe aus einem Nerv entnommen und unter dem Mikroskop untersucht, um die Ursache der Polyneuropathie zu finden. Dazu wird eine sogenannte Nerv-Muskel-Biopsie aus dem Schienbein entnommen und feingeweblich untersucht. Hierbei wird festgestellt, ob der Schaden an der Hüllsubstanz des Nerven (Myelin) oder am Nerven selbst entstanden ist. Bei bestimmten Ursachen finden sich zum Beispiel Entzündungszellen oder Amyloid-Ablagerungen.
  9. Hautbiopsie: Bei Verdacht auf eine Small-Fiber-Neuropathie kann eine Gewebeprobe aus der Haut (Hautbiopsie) unter dem Mikroskop untersucht werden.

Behandlung der Polyneuropathie

Das primäre Ziel der Behandlung ist die Beseitigung der Ursache der Polyneuropathie. Die Behandlung richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache der Polyneuropathie.

  • Diabetes: Optimale Einstellung des Blutzuckerspiegels
  • Alkohol: Vollständige Abstinenz
  • Medikamente: Absetzen oder Wechsel der Medikamente, die die Polyneuropathie verursachen
  • Entzündungen: Cortison-Infusionen, Plasmapherese (Blutwäsche) oder die Gabe von Immunglobulinen
  • Vitaminmangel: Ausgleich des Vitaminmangels durch Ernährungsumstellung oder Nahrungsergänzungsmittel

Zusätzlich zur Behandlung der Ursache können verschiedene Maßnahmen ergriffen werden, um die Symptome zu lindern:

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  • Schmerztherapie: Antidepressiva, Antikonvulsiva, Capsaicin-Pflaster
  • Physiotherapie: Gleichgewichtstraining, Muskelkräftigung
  • Elektrotherapie: Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS)
  • Neural-Akupunktur: Kann bei Missempfindungen und Schmerzen helfen.
  • Hilfsmittel: Orthesen zur Unterstützung bei Muskelschwäche

Medikamentöse Schmerztherapie

  • Antidepressiva: Können bei neuropathischen Schmerzen helfen, indem sie die Schmerzwahrnehmung im Gehirn beeinflussen.
  • Antikonvulsiva: Ursprünglich zur Behandlung von Epilepsie eingesetzt, können diese Medikamente auch bei neuropathischen Schmerzen wirksam sein, indem sie die Erregbarkeit der Nerven reduzieren.
  • Capsaicin-Pflaster: Capsaicin ist der Wirkstoff in Chilischoten und kann bei lokaler Anwendung auf der Haut schmerzlindernd wirken. Es betäubt nicht nur den schmerzenden Bereich und steigert die Durchblutung, sondern scheint sogar die Neubildung kleiner Nervenfasern anzuregen.

Weitere Therapien

  • Physiotherapie: Kann helfen, die Muskelkraft zu verbessern, die Koordination zu schulen und Gangunsicherheiten zu reduzieren.
  • Ergotherapie: Kann helfen, den Alltag besser zu bewältigen und die Selbstständigkeit zu erhalten.
  • Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS): Bei der Elektrotherapie werden die Nerven durch Impulse aus einem speziellen Gerät so stimuliert, dass Erkrankte statt Schmerzen ein leichtes Kribbeln spüren. Von außen lässt sich dieses durch ein TENS-Gerät erreichen.
  • Akupunktur: Wie die gezielten Reize der Akupunktur die Nerven beleben, ist noch ungeklärt.

Prognose der Polyneuropathie

Die Prognose der Polyneuropathie hängt von der Ursache und dem Ausmaß der Nervenschädigung ab. In einigen Fällen kann die Polyneuropathie geheilt werden, insbesondere wenn die Ursache frühzeitig erkannt und behandelt wird. In anderen Fällen ist die Polyneuropathie chronisch und erfordert eine langfristige Behandlung zur Linderung der Symptome und zur Verhinderung weiterer Schäden.

Tipps für den Alltag mit Polyneuropathie

  • Regelmäßige Fußpflege: Achten Sie auf Druckstellen, Verletzungen und Veränderungen an den Füßen. Nutzen Sie professionelle Fußpflege.
  • Bequemes Schuhwerk: Tragen Sie Schuhe, die gut passen und ausreichend Platz bieten. Meiden Sie Druck.
  • Regelmäßige Bewegung: Fördern Sie die Durchblutung und stärken Sie die Muskeln. Empfohlen werden 150 Minuten Ausdauersport pro Woche (z. B. Walking, Radfahren, Schwimmen).
  • Gesunde Ernährung: Achten Sie auf eine ausgewogene Ernährung mit ausreichend Vitaminen und Nährstoffen.
  • Vermeidung von Alkohol: Wenn Alkohol die Ursache der Polyneuropathie ist, ist eine vollständige Abstinenz erforderlich.
  • Blutzuckerkontrolle: Bei Diabetes ist eine gute Blutzuckereinstellung entscheidend.
  • Regelmäßige ärztliche Kontrollen: Lassen Sie sich regelmäßig von Ihrem Arzt untersuchen, um den Verlauf der Polyneuropathie zu überwachen und die Behandlung anzupassen.
  • Hilfsmittel: Nutzen Sie Hilfsmittel wie Gehstöcke oder Orthesen, um die Mobilität zu erhalten und Stürze zu vermeiden.

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