Polyneuropathie ist eine Erkrankung, die durch Schädigung oder Funktionsstörung mehrerer peripherer Nerven gekennzeichnet ist. Dies führt zu einer Vielzahl von Symptomen, die von Kribbeln und Taubheitsgefühl bis hin zu Schmerzen, Muskelschwäche und Koordinationsproblemen reichen können. Die Behandlung von Polyneuropathie ist oft komplex und erfordert einen integrativen Ansatz, der sowohl konventionelle medizinische Verfahren als auch alternative Therapien wie die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) berücksichtigt.
Was ist Polyneuropathie?
Der Begriff „Polyneuropathie“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet „Erkrankung vieler peripherer Nerven“. Das periphere Nervensystem umfasst alle Nerven, die außerhalb des Gehirns und des Rückenmarks liegen. Diese Nerven sind für die Übertragung von Signalen zwischen dem Gehirn und dem Rest des Körpers verantwortlich. Eine Schädigung dieser Nerven kann eine Vielzahl von Symptomen verursachen, abhängig davon, welche Nerven betroffen sind.
Ursachen von Polyneuropathie
Die Ursachen für Polyneuropathie sind vielfältig. Zu den häufigsten Ursachen gehören:
- Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit): Diabetes ist eine der Hauptursachen für Polyneuropathie. Hohe Blutzuckerspiegel können die Nerven schädigen und zu peripherer Neuropathie führen.
- Alkoholmissbrauch: Übermäßiger Alkoholkonsum kann ebenfalls die Nerven schädigen und zu Polyneuropathie führen.
- Vitaminmangel: Ein Mangel an bestimmten Vitaminen, insbesondere Vitamin B12, kann Polyneuropathie verursachen.
- Toxische Substanzen: Die Exposition gegenüber bestimmten toxischen Substanzen, wie z. B. Schwermetallen oder Lösungsmitteln, kann die Nerven schädigen.
- Medikamente: Einige Medikamente, insbesondere Chemotherapeutika, können als Nebenwirkung Polyneuropathie verursachen.
- Infektionen: Bestimmte Infektionen, wie z. B. Borreliose oder HIV, können die Nerven schädigen.
- Autoimmunerkrankungen: Autoimmunerkrankungen wie Lupus erythematodes oder rheumatoide Arthritis können ebenfalls Polyneuropathie verursachen.
- Erbliche Faktoren: In einigen Fällen kann Polyneuropathie erblich bedingt sein.
Symptome von Polyneuropathie
Die Symptome von Polyneuropathie können je nach Ursache und betroffenem Nerv variieren. Zu den häufigsten Symptomen gehören:
- Kribbeln und Taubheitsgefühl: Dies sind oft die ersten Symptome der Polyneuropathie. Sie treten typischerweise in den Füßen und Händen auf und können sich allmählich nach oben ausbreiten.
- Schmerzen: Schmerzen können brennend, stechend oder pochend sein. Sie können konstant sein oder kommen und gehen.
- Muskelschwäche: Muskelschwäche kann zu Schwierigkeiten beim Gehen, Greifen oder anderen alltäglichen Aktivitäten führen.
- Koordinationsprobleme: Koordinationsprobleme können zu Gangunsicherheit und Stürzen führen.
- Verlust des Temperaturempfindens: Betroffene können Schwierigkeiten haben, Wärme und Kälte zu unterscheiden.
- Autonome Neuropathie: In einigen Fällen können auch die Nerven betroffen sein, die die inneren Organe steuern. Dies kann zu Symptomen wie Verdauungsproblemen, Herzrhythmusstörungen und Problemen mit der Blasenkontrolle führen.
Diagnose von Polyneuropathie
Die Diagnose von Polyneuropathie umfasst in der Regel eine körperliche Untersuchung, eine neurologische Untersuchung und verschiedene Tests. Zu den Tests, die zur Diagnose von Polyneuropathie eingesetzt werden können, gehören:
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- Nervenleitgeschwindigkeitsstudien (NLG): Diese Tests messen, wie schnell elektrische Signale durch die Nerven wandern.
- Elektromyographie (EMG): Dieser Test misst die elektrische Aktivität der Muskeln.
- Bluttests: Bluttests können durchgeführt werden, um nach Ursachen für Polyneuropathie zu suchen, wie z. B. Diabetes, Vitaminmangel oder Infektionen.
- Nervenbiopsie: In einigen Fällen kann eine Nervenbiopsie erforderlich sein, um die Diagnose zu bestätigen.
Konventionelle Behandlung von Polyneuropathie
Die konventionelle Behandlung von Polyneuropathie konzentriert sich in erster Linie auf die Behandlung der zugrunde liegenden Ursache und die Linderung der Symptome. Zu den gängigen Behandlungen gehören:
- Behandlung der Grunderkrankung: Wenn die Polyneuropathie durch eine Grunderkrankung wie Diabetes oder Vitaminmangel verursacht wird, ist die Behandlung dieser Erkrankung entscheidend.
- Medikamente: Verschiedene Medikamente können zur Linderung von Symptomen wie Schmerzen und Kribbeln eingesetzt werden. Dazu gehören Schmerzmittel, Antidepressiva und Antikonvulsiva.
- Physiotherapie: Physiotherapie kann helfen, die Muskelkraft und Koordination zu verbessern.
- Ergotherapie: Ergotherapie kann helfen, alltägliche Aktivitäten zu erleichtern.
- Orthopädische Hilfsmittel: Orthopädische Hilfsmittel wie Schuheinlagen oder Orthesen können helfen, die Füße zu stützen und die Beschwerden zu lindern.
TCM-Ansatz zur Behandlung von Polyneuropathie
Die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) bietet einen ganzheitlichen Ansatz zur Behandlung von Polyneuropathie. Im Gegensatz zur westlichen Medizin, die sich oft auf die Behandlung der Symptome konzentriert, zielt die TCM darauf ab, die zugrunde liegenden Ungleichgewichte im Körper zu korrigieren, die zur Erkrankung beitragen.
Chinesische Diagnostik
In der TCM basiert die Diagnose auf einer umfassenden Beurteilung des Patienten, einschließlich seiner Krankengeschichte, Symptome, Zungen- und Pulsdiagnose. Die Zunge wird als Spiegelbild des inneren Zustands des Körpers betrachtet, und die Pulsdiagnose gibt Aufschluss über den Zustand der Organe und Meridiane.
Chinesische Diagnose der Polyneuropathie
Aus Sicht der chinesischen Medizin ist die Hauptursache einer Polyneuropathie eine Ansammlung von Schleim (Tan). Als Schleim werden hierbei alle Substanzen des Körpers bezeichnet, die sich in pathologischer Art und Weise angesammelt und den physiologischen Körperprozessen der Verarbeitung und Ausscheidung entzogen haben. Dies kann mehrere Ursachen haben, oft ist aber eine deutliche Überlastung des Funktionskreises Magen/Milz (Pi Wei) zugrunde liegend. Dies ist sehr häufig durch eine langfristige Fehl- oder Mangelernährung bedingt.
Durch die zunehmende Überlastung des Körpers beginnt der Schleim nach unten in Richtung der Beine abzusinken und sich dort anzusammeln. Dies wiederum führt dann auch zu Stauungen im Blut (Xue - im erweiterten Sinne die stofflich gewordene Form von Qi), welche dann die Unterversorgung der Nerven und daraus resultierenden Symptome wie Missempfindungen, Schmerzen etc. bedingen. Im ungünstigsten Fall können diese Stauungen und Ablagerungen auch Schleim-Hitze erzeugen, ein Zustand, bei dem Entzündungen entstehen.
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TCM-Therapien
Die TCM bietet eine Vielzahl von Therapien zur Behandlung von Polyneuropathie, darunter:
- Akupunktur: Akupunktur ist eine der bekanntesten TCM-Therapien. Dabei werden feine Nadeln in bestimmte Punkte entlang der Meridiane eingeführt, um den Energiefluss (Qi) zu regulieren und Blockaden zu lösen. Bei Polyneuropathie werden häufig Punkte verwendet, die die Durchblutung fördern, Schmerzen lindern und die Nervenfunktion verbessern.
- Chinesische Arzneimitteltherapie: Die chinesische Arzneimitteltherapie verwendet eine Kombination aus Kräutern, Mineralien und anderen natürlichen Substanzen, um die zugrunde liegenden Ungleichgewichte im Körper zu korrigieren. Die Rezepturen werden individuell auf die Bedürfnisse des Patienten zugeschnitten.
- Ernährungsberatung (Diätetik): Die TCM legt großen Wert auf die Ernährung. Eine ausgewogene Ernährung, die auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten abgestimmt ist, kann helfen, die Gesundheit zu verbessern und die Symptome der Polyneuropathie zu lindern.
- Tuina: Tuina ist eine Form der chinesischen Massage, die zur Entspannung der Muskeln, zur Verbesserung der Durchblutung und zur Linderung von Schmerzen eingesetzt wird.
- Qigong und Taiji: Qigong und Taiji sind sanfte Bewegungsübungen, die helfen, den Energiefluss im Körper zu harmonisieren und die Gesundheit zu verbessern.
Akupunkturpunkte bei Polyneuropathie
Bei der Behandlung von Polyneuropathie werden häufig folgende Akupunkturpunkte genutzt:
- Ma 36 (Zusanli): Stützt und stärkt die Funktionskreise Milz und Magen, wirkt Stagnationen entgegen und harmonisiert Qi und Xue.
- Ma 40 (Fenglong): Wandelt Schleim um und treibt Schleim aus dem Körper, bewegt das Qi der Funktionskreise Milz und Magen und wirkt damit Stagnationen entgegen.
- Mi 6 (Sanyinjiao): Verbindungspunkt der 3 Yin-Leitbahnen am Fuß, kräftigt den Funktionskreis Milz, wandelt Nässe um, steigert die Verteilung der Säfte im Körper.
- Mi 9 (Yinlingquan): Leitet Nässe aus, reguliert den Fluss, bringt Qi in die unteren Extremitäten.
- Ni 3 (Taixi): Stärkt das Qi der Funktionskreise Niere und Leber, kühlt Hitze, kräftigt den unteren Rückenbereich und die Knie.
- Le 3 (Taichong): Kühlt Xue, reguliert dessen Fluss und wirkt damit Stagnationen entgegen, senkt Yang ab, unterstützt die Funktionskreise Leber und Gallenblase.
- Gb 34 (Yanglingquan): Stärkt die Funktionsbereiche Leber, Gallenblase, Milz und Niere, entspannt die Sehnen, eliminiert Schleim und Hitze.
- EX 10 (Bafeng): Wandelt Hitze-Nässe um und leitet sie aus dem Körper hinaus, wird eingesetzt bei Schmerzen in den Füßen, bei Schwächegefühl und Sensibilitätsstörungen in den Füßen.
Chinesische Arzneimitteltherapie
In der Traditionellen Chinesischen Medizin stellt die Behandlung mit Pharmakotherapie eine wichtige Basis dar. Hierfür werden vor allem pflanzliche Heilmittel wie z. B. Blüten und Rinden benutzt. Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang Yi Yi Ren (Hiobstränensamen), die von den Patient*innen auch gerne in die Ernährung mit eingebaut werden können, und Ku Shen.
In Deutschland werden die unterschiedlichen Einzelmittel und ihre Zusammensetzungen in speziell auf den Patienten abgestimmten Rezepturen nur über Apotheken abgegeben. Dadurch sind die Qualität und Herkunft der Heilmittel gesichert. Es besteht auch die Möglichkeit der Therapie mit fertig hergestellten Tabletten, die nach höchsten Qualitätsstandards produziert werden und einer ständigen EU-Kontrolle unterliegen.
Durch die Behandlung mit chinesischen Arzneimitteln ist es vor allem möglich, energetische Mangelzustände im Körper zu beheben, einen gleichmäßigen Fluss von Qi zu gewährleisten und pathogene Faktoren akut und dauerhaft auszuleiten.
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Ernährungsberatung (Diätetik)
In China war man sich schon zu sehr früher Zeit bewusst, dass eine ausgewogene Ernährung eine wichtige Voraussetzung für die Gesundheit ist. Man betrachtete daher Nahrungsmittel als mild wirkende Medikamente und setzte sie gezielt im Alltag ein. Sie können wärmend oder kühlend wirken, stabilisierend und erhaltend oder auch ausleitend sein. Zudem erhalten die Patienten dadurch die großartige Möglichkeit, selbst an der Wiederherstellung und auch Erhaltung ihrer Gesundheit zu arbeiten und diese langfristig auch gewährleisten zu können.
Bei Patienten, die unter einer Polyneuropathie leiden, bietet sich eine Ernährung mit stärkenden Lebensmitteln an. Diese sollten möglichst keinen weiteren Schleim erzeugen. Grundsätzlich ist darauf zu achten, dass man dreimal am Tag in Ruhe isst. Hierbei sollten möglichst alle Mahlzeiten warm verzehrt werden. Vor allem ein warmes, stärkendes Frühstück wie z. B. ein Congee (chinesischer Reisbrei) oder ein Porridge sind sehr zu empfehlen. Auf kalte und zu fettige Nahrungsmittel sollte möglichst verzichtet werden. Auch Milchprodukte sind in diesem Zusammenhang zu meiden.
Abends kann man beispielsweise warmes Gemüse oder auch Suppen genießen.
Lebensführung
Die Lebensführung hat in China einen sehr hohen Stellenwert und ist zur Erhaltung der Gesundheit in der chinesischen Kultur tief verwurzelt. Die Vermeidung von Krankheiten (die häufig auch tödlich enden konnten) und die Stärkung des Körpers war für die Menschen in der ursprünglichen Zeit das wichtigste Werkzeug, um lange zu überleben. Die Menschen führten daher regelmäßig geistige und auch körperliche Betätigungen wie zum Beispiel Qigong oder Taiji durch und bereiteten auch entsprechend ihres körperlichen und geistigen Zustandes ihre Nahrung zu.
Wichtig sind vor einer Behandlung einer Polyneuropathie immer die Abklärung und Diagnosestellung durch einen Facharzt für Neurologie. Die Verdachtsdiagnose wird hierbei schon aufgrund der neurologischen Untersuchung gestellt, bei der sich z. B. eine verminderte Sensibilität der Nerven der Füße oder auch eine deutliche Gleichgewichtsstörung und Gangunsicherheit zeigt. Häufig beschreiben die Patienten in der Anamnese bereits ein ungewohntes Kribbeln, das Gefühl, als „ob sie ständig Socken anhätten“, oder sie berichten von häufigen Stürzen. Bestätigt wird die Diagnose dann durch die Durchführung einer elektrophysiologischen Untersuchung, bei der mithilfe von kurzen Stromintervallen die Leitgeschwindigkeiten der Nerven gemessen werden.
Auch für die TCM-Behandlung der Polyneuropathie sollte ein erfahrener TCM-Arzt aufgesucht werden.
Fallbeispiel aus der Praxis
Ein 50-jähriger Patient stellte sich mit Kribbeln in den Zehen vor, das seit etwa 1,5 Jahren bestand. Er hatte in den letzten 2 Jahren viel gegessen und getrunken, stark an Gewicht zugenommen und deutlich weniger Sport gemacht. Die neurologische Untersuchung ergab eine leichte sockenförmige Hypästhesie an beiden Füßen. Die Laborkontrolle zeigte einen erhöhten HbA1c und Nüchternzuckerwert. Die elektrophysiologische Untersuchung bestätigte die Diagnose einer beidseitigen, symmetrischen Polyneuropathie.
In der chinesischen Diagnostik wurden ein ausgeprägter Qi-Mangel in den Funktionskreisen Milz und Magen sowie ein ausgeprägter Schleimbefund deutlich.
Der Patient wurde über 15 Wochen mit Akupunktur und chinesischen Arzneimitteln behandelt, um den Schleim auszuleiten und den Funktionskreis Magen/Milz zu stärken. Zudem erhielt er Tipps zur Ernährungsumstellung und begann mit Ausdauertraining. Im Laufe der 15 Wochen konnte er über 10 kg abnehmen.
In der Kontrolluntersuchung nach 15 Wochen war elektrophysiologisch eine deutliche Besserung erkennbar, die Blutzuckerwerte waren im Normbereich und der HbA1c nur noch minimal erhöht.
Was Betroffene selbst tun können
Neben der medizinischen Behandlung können Betroffene auch selbst viel tun, um ihre Beschwerden zu lindern und ihre Lebensqualität zu verbessern. Dazu gehören:
- Fußpflege: Achten Sie auf eine gute Fußpflege, um Hauttrockenheit, Risse und Infektionen vorzubeugen. Verwenden Sie milde Seifen und Cremes, und tragen Sie bequeme Schuhe.
- Bewegung: Regelmäßige Bewegung kann helfen, die Durchblutung zu verbessern und die Muskelkraft zu erhalten. Geeignete Sportarten sind z. B. Gehen, Schwimmen oder Radfahren.
- Ernährung: Achten Sie auf eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse und Vollkornprodukten. Vermeiden Sie übermäßigen Alkoholkonsum und Rauchen.
- Stressmanagement: Stress kann die Symptome der Polyneuropathie verschlimmern. Versuchen Sie, Stress abzubauen, z. B. durch Entspannungsübungen, Meditation oder Yoga.
- Unterstützung suchen: Sprechen Sie mit Ihrem Arzt, Ihrer Familie oder Freunden über Ihre Beschwerden. Der Austausch mit anderen Betroffenen kann ebenfalls hilfreich sein.
Integration von TCM und konventioneller Medizin
Die Kombination von TCM und konventioneller Medizin kann bei der Behandlung von Polyneuropathie sehr wirksam sein. Die konventionelle Medizin kann helfen, die zugrunde liegende Ursache zu behandeln und die Symptome zu lindern, während die TCM dazu beitragen kann, die zugrunde liegenden Ungleichgewichte im Körper zu korrigieren und die Selbstheilungskräfte zu aktivieren.
Es ist wichtig, dass Sie sich von einem erfahrenen Arzt oder Heilpraktiker beraten lassen, bevor Sie mit einer TCM-Behandlung beginnen.
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