Porsche, Pop und Parkinson Krankheit: Das Leben des Matthias Holtmann

Matthias Holtmann, die "Kultstimme des Südens", ist eine Medienpersönlichkeit, die ganze Generationen über das Radio begleitet hat. Er erzählt aus seinem schillernd-bewegten, gehörig intensiven Leben. In typisch trocken-witziger, manchmal auch ironisch-selbstironischer Manier surft der Radiomann durch Brecher und Wellentäler: Abschweifungen, Eingebungen, Erinnerungen, Glücksmomente, Niederlagen und Visionen auch. In offener bis schonungsloser Nabelschau nimmt er ein deutlich konturiertes Profil an, das den Menschen hinter der Stimme greifbar werden lässt. Seine Erzählungen sind mehr als nur eine Promi-Biografie - und verbreiten auch Nachdenklichkeit, Solidarität und Zuversicht.

Ein Leben im Rampenlicht

Holtmann wurde 1950 in Kamen/Westfalen geboren. Von Kindheit an faszinierte ihn das Radio. Er nahm die Musik über das Mikrofon eines Tonbandgeräts auf und studierte das Musikprogramm. Worte im Radio sind für ihn "unvergängliche Spuren einer Tätowiernadel auf der blanken Haut". Auch aus seinem Lebenslauf ist das Medium nicht wegzudenken. Holtmann machte Karriere beim damaligen Süddeutschen Rundfunk (SDR) und war Musikchef beim Sender SWR3. Er entwickelte sowohl Radio- als auch Fernsehformate, dazu initiierte er die Kultkampagne "Radio für den Wilden Süden". 2005 wechselte Holtmann zu SWR1.

In Interviews und Begegnungen mit Rock- und Popstars, in Testfahrten auf rasanten Rennstrecken, in vielfältigen Comedy-Rollen und Vorträgen durchaus auch ernsthafter Art steckt der Stoff für das spannende Drehbuch dieser "Live-Doku", die ungebremst auch mit der Parkinson-Erkrankung konfrontiert. Eine große Leidenschaft von Holtmann sind außerdem schnelle Autos, die Beherrschung von 400 oder 500 PS gibt ihm den Kick, ab und an fährt er auf dem Nürburgring seine Runden.

"Porsche, Pop und Parkinson": Eine Autobiografie

2014 erschien seine Autobiografie "Porsche, Pop und Parkinson". Wie die Erzählweise in Holtmanns Buch, die an ein Roadmovie erinnert, kann sein Leben beschrieben werden: zuerst ein Leben mit hohem Tempo auf der Überholspur, dann von einer Krankheit gebremst, aber dabei trotzdem nicht aus der Rennbahn fiel. So wie er zu seinem ganzen Leben steht. Den Höhen und den Tiefen. Was da dazugehört, hat Matthias Holtmann jetzt in einem Buch aufgeschrieben. In „Porsche, Pop und Parkinson“ gibt der für seine Schlagfertigkeit bekannte Holtmann Einblick in seine bunte Welt. Er schreibt über seine Schulzeit, seine Liebe zur Musik. Über die Zeit mit der Band „Triumvirat“, seine Sendungen, seine Autotests für Porsche und seine vielen umjubelten Auftritte. Aber er schreibt auch offen über seine Erkrankung Parkinson.

Die Diagnose Parkinson

Die Schock-Diagnose bekam Holtmann 2006. Er berichtet: „Nach Computertomographie, Kernspin und nuklearmedizinischen Untersuchungen bei meinem Stuttgarter Neurologen Dr. Holtmann weiter: „Ich merkte sehr bald, dass Parkinson im Bewusstsein und in der Wahrnehmung durch die Gesellschaft negativ besetzt ist. Die Krankheit betrifft das Stammhirn. Das Denken, das Gedächtnis sind nicht betroffen. Nie! Doch Holtmann ist keiner, der mit seinem Schicksal hadert: Er besorgte sich erst einmal einen Behindertenausweis und kaufte sich ein neues Auto, einen Dodge Challenger SRT/8. „Mit dem Ausweis kann ich überall parken. An jedem verkaufsoffenen Adventssonntag, auf jedem Behindertenparkplatz in jeder Stadt in Deutschland. Er spricht offen und ungewohnt ernst über seine Krankheit, gleichzeitig zeigt er jedoch Humor im Umgang damit. In seiner Biografie bezeichnet Holtmann die Krankheit als „Pech und ein großer Mist“, trotzdem versucht er das Beste daraus zu machen und sein Leben weiterhin zu genießen.

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Erste Anzeichen und Verdrängung

Im Jahr 2006 bemerkt er die ersten Anzeichen: Er hat Schwierigkeiten mit der Handschrift, kann später nicht mehr richtig Klavier und Schlagzeug spielen. Da merkte ich, dass meine sonst so schwungvolle Schrift klein und murkelig geworden war.“ Holtmann gesteht: „Ich bin nicht zum Arzt, habe alle Anzeichen verdrängt, sogar schon morgens Rotwein gesoffen, um zu vergessen, was mich beunruhigte.“ Erst als er immer wieder komisch angeguckt worden sei, wagte er sich zum Arzt. Holtmann: „Nach endlosen Tests wurde bestätigt, was ich eh schon ahnte. Aber als ich die Gewissheit hatte, war das schon ein Schock. Er schweigt: „Ich dachte, das würde schon keiner merken und ging nicht zum Arzt. Ich machte viel Sport, ging laufen und schwimmen.“ Es gebe nichts, wovor er sonst im Leben Angst hat. Aber was Arztbesuche angeht, sei er „ein totaler Schisser“. Vor seiner damaligen Frau und einem guten Freund kann er seine Krankheit nicht lange verheimlichen. Schließlich geht er doch zum Arzt. Über ein Jahr hatte er gezögert: „Heute ärgere ich mich darüber. Das war dumm.“ Inzwischen habe ich die Krankheit aber angenommen.

Leben mit Parkinson

Trotzdem versucht er, so lange wie möglich am normalen Leben im gewohnten Umfeld teilzunehmen und sich den Spaß nicht verderben zu lassen. Jeden Abend ist seine vertraute Stimme auf SWR 1 zu hören, wenn er die Sendung „Guten Abend Baden-Württemberg“ moderiert. Er tritt weiter bei der Musikwerkstatt Würth auf und fährt Bestzeiten auf dem Nürburgring. So als wäre nichts geschehen.

Allerdings nimmt die Krankheit den Körper des Patienten doch zunehmend in Beschlag. Holtmann schildert es in seinem Buch „Porsche, Pop und Parkinson“ so: „Morbus Parkinson hat bei mir dazu geführt, dass die Muskeln zur Verhärtung neigen. Meine Haltung hat sich dadurch verändert und meine Mimik ist starr geworden.“ Zwar habe er manchmal Krämpfe in den Füßen, dafür aber keine zittrigen Hände. Auch der Alltag ist schwieriger geworden. Knöpfe von Oberhemden bekommt er nur noch schwer zu. Münzgeld im Portemonnaie kann er schwer greifen, Geldscheine nicht einsortieren, Papier nicht falten. Und dann kommen noch diese Nebenwirkungen der Medikamente. Holtmann: „Irgendwann habe ich plötzlich dunkelrot gepinkelt. Holtmann weiter ganz offen: „Bei mir ist auch eine deutliche Veränderung der Libido spürbar.

Jeder Tag verlaufe anders, mal besser mal schlechter. Aber Holtmann will weitermachen und sich nicht unterkriegen lassen. Er lebt inzwischen alleine. Er fährt meistens auch alleine zu seinen Auftritten. Ihm sei es wichtig, selbstständig zu bleiben.

Aufklärung und Solidarität

Seine Mission: „Ich möchte aufklären. Die meisten Menschen wissen nicht, was Parkinson ist. Viele glauben, ich sei betrunken oder auf Droge“. Vielen sei nicht klar, dass Parkinson das Stammhirn angreift und damit vor allem den Bewegungsapparat einschränkt. „Die Leute denken manchmal, ich bin bekloppt. Aber kognitive Fähigkeiten und Intelligenz werden nicht beeinträchtigt.“

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„Vorurteile treiben die Betroffenen oft in die Isolation“, bestätigt Guntram Deichsel. Als Leiter der Selbsthilfegruppe hat er die Lesung organisiert. Gemeinsam mit seiner Frau, die an Parkinson leidet, ist er der Gruppe beigetreten. Ziel der Lesung ist es, auch in der Öffentlichkeit mehr Verständnis für diese noch immer unheilbare Krankheit zu gewinnen.

Holtmann liest im Stehen. Sein Rücken ist leicht gekrümmt, sein Kopf nach vorne gebeugt. Seine Hände sind zittrig, sein Gesichtsausdruck ist starr. Doch immer wieder stellt er seinen Zuhörern kurze Fragen oder sorgt mit trockenen Kommentaren für Schmunzler und Lacher. In diesen Momenten hat man das Gefühl, Holtmann wird lockerer. Er blickt auf, seine Augen strahlen und ein breites Grinsen ziert sein Gesicht. Seine Krankheit ist ihm anzusehen, rückt so aber in den Hintergrund.

Behandlung und Therapie

Deichsel sieht die Krux vor allem darin, dass Parkinson nicht heilbar ist. Die Ursachen für die Krankheit sind in den meisten Fällen unklar. Aber es gibt verschiedene Therapiemöglichkeiten. Auch Holtmann geht regelmäßig zum Logopäden und macht Sport. Vor einer Behandlungsmethode schreckt er jedoch zurück: Die „Tiefe Hirnstimulation“. In einer Operation bekommt der Patient Mikroelektroden ins Gehirn implantiert. Mit schwachen Stromstößen hemmen diese bestimmte Hirnregionen und beugen dadurch den Bewegungsstörungen vor. „Ich will mir nicht im Gehirn rumfummeln lassen, da ist das Risiko zu groß“, sagt Holtmann.

Holtmann als Vorbild

Gerade durch den offenen Umgang mit seinen eignen Schicksalsschlägen sind Matthias Holtmanns Erzählungen mehr als nur eine Promi-Biografie - und verbreiten auch Nachdenklichkeit, Solidarität und Zuversicht. Er liefert ein Beispiel dafür, wie das gelingen kann. Nachdem er entsprechende Symptome mehr als ein Jahr lang zu verdrängen versuchte, erhielt er 2009 die Diagnose Parkinson. Dennoch führte er die von ihm ins Leben gerufene Konzertreihe „Pop und Poesie“ bis bis heute fort. „Ich bin eine Rampensau. Ich stehe gern im Mittelpunkt und berausche mich an der Droge Adrenalin und daran, die Menschen glücklich zu machen“, sagte er 2016 in einem SZ-Interview zu seinem Antrieb.

Holtmann ist ein Vorbild für viele Menschen mit Parkinson. Er zeigt, dass man auch mit dieser Krankheit ein erfülltes Leben führen kann. Er macht Mut und gibt Hoffnung. Sein offener Umgang mit seiner Erkrankung trägt dazu bei, Vorurteile abzubauen und das Verständnis für Parkinson zu fördern.

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Babyglück im höheren Alter

Trotz Parkinson-Krankheit wurde Matthias Holtmann mit 63 noch einmal Vater. Zusammen mit seiner Lebensgefährtin Annette (44) hat der Musikmann noch einen Sohn bekommen. Julius Theodor heißt das Butzele und macht sein Buben-Quartett komplett.

Matthias Holtmann stolz: „Der Kleine sieht aus wie ich früher. Der Arzt, der das Kind zur Welt befördert hat, meinte kurz nach der Geburt, dass es aussieht wie Kojak. Wir haben ihn mit zweitem Namen trotzdem nicht Kojak, sondern Theodor getauft. Schon mein Ur-Großvater hieß Julius Theodor.“

Holtmann verschmitzt: „Naja, ich hätte das in meinem Alter jetzt nicht mit Vehemenz betrieben. Viele sagen auch, Du musst doch in diesem Alter kein Kind mehr zeugen. Aber meine Annette wollte das unbedingt. Es war geplant und ich stehe zu meinem Baby!“

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