Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederholte unprovozierte Anfälle gekennzeichnet ist, die durch plötzliche, abnormale elektrische Aktivität im Gehirn verursacht werden. Diese Anfälle können sich auf unterschiedliche Weise manifestieren, von kurzen Bewusstseinsaussetzern bis hin zu schweren Krämpfen mit Bewusstseinsverlust. Die Ursachen für Epilepsie sind vielfältig und können von genetischen Faktoren über Hirnschäden bis hin zu Stoffwechselstörungen reichen.
Was ist primär generalisierte Epilepsie?
Die primär generalisierte Epilepsie (PGE) ist eine Form der Epilepsie, bei der die Anfälle von Anfang an das gesamte Gehirn betreffen. Im Gegensatz zu fokalen Anfällen, die in einem bestimmten Bereich des Gehirns beginnen, breitet sich die elektrische Aktivität bei generalisierten Anfällen sofort auf beide Hemisphären aus.
Ursachen der primär generalisierten Epilepsie
Die Ursachen der PGE sind vielfältig und oft nicht vollständig geklärt. Es gibt jedoch einige Faktoren, die als Risikofaktoren oder Auslöser für diese Art von Epilepsie gelten:
Genetische Faktoren
Eine genetische Veranlagung spielt bei der Entstehung der PGE eine wichtige Rolle. Es gibt verschiedene Gene, die mit einem erhöhten Risiko für Epilepsie in Verbindung gebracht werden. In einigen Fällen können einzelne Gendefekte die Ursache für die Erkrankung sein (monogenetische Epilepsien), während in anderen Fällen eine Kombination verschiedener genetischer Faktoren und Umwelteinflüsse eine Rolle spielt (polygenetische Epilepsien).
Bei idiopathischen generalisierten Epilepsien (IGE) handelt es sich meist um polygenetische Erkrankungen, bei denen das Erkrankungsrisiko von verschiedenen genetischen Suszeptibilitätsfaktoren und Umwelteinflüssen abhängt. Zu den IGE gehören die kindliche und juvenile Absence-Epilepsie (CAE und JAE), die juvenile myoklonische Epilepsie und Epilepsieformen mit ausschließlich generalisierten tonisch-klonischen Anfällen.
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Stoffwechselstörungen
Stoffwechselstörungen können ebenfalls eine Ursache für PGE sein. Dazu gehören beispielsweise Störungen des Aminosäurestoffwechsels, Hypoparathyreoidismus, Hämochromatose, Porphyrie, Pyridoxin-abhängige Epilepsie (PDE), Hyponatriämie beim Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH), Urämie, Hyper-/Hypoglykämie und zerebraler Folsäuremangel.
Immunologische Ursachen
In seltenen Fällen kann eine autoimmun vermittelte Entzündung des zentralen Nervensystems (ZNS) zu einer PGE führen. Hierzu gehören vor allem die Kalium-Kanal-Antikörper (LGI1)-bedingte limbische Enzephalitis und die NMDA-Rezeptor-Antikörper assoziierte Enzephalitis (NMDA = N-Methyl-D-Aspartat).
Weitere Faktoren
Neben den genannten Ursachen können auch andere Faktoren eine Rolle bei der Entstehung der PGE spielen, wie z. B.:
- Schlafmangel
- Alkoholkonsum und Alkoholentzug
- Giftstoffe
- Fieber (insbesondere bei Kindern)
- Bestimmte Medikamente
Symptome der primär generalisierten Epilepsie
Die Symptome der PGE können je nach Anfallsform variieren. Zu den häufigsten Anfallsformen bei PGE gehören:
Absence-Anfälle
Absence-Anfälle, auch bekannt als "Petit Mal", sind kurze Bewusstseinsaussetzer, die meist nur wenige Sekunden dauern. Betroffene halten in ihrer Bewegung inne, sind abwesend und reagieren nicht auf Ansprache. Oftmals treten Blinzeln oder Mund- und Kopfbewegungen auf. Nach dem Anfall setzen die Betroffenen ihre Tätigkeit abrupt fort und erinnern sich nicht an die Bewusstseinspause. Absence-Anfälle treten häufig im Kindes- und Jugendalter auf.
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Myoklonische Anfälle
Myoklonische Anfälle sind kurze, unwillkürliche Zuckungen eines Muskels oder einer Muskelgruppe. Betroffene bleiben bei Bewusstsein und der Anfall dauert nur wenige Sekunden.
Klonische Anfälle
Klonische Anfälle sind rhythmische Zuckungen von Muskelgruppen, meist am Rumpf. Betroffene stürzen oft und können sich dabei verletzen. Die Anfälle dauern mehrere Minuten an.
Tonische Anfälle
Tonische Anfälle sind plötzliche Verkrampfungen der Muskulatur ohne Zuckungen. Betroffene verlieren das Bewusstsein und können stürzen. Die Anfälle dauern nur wenige Augenblicke und können auch im Schlaf auftreten.
Tonisch-klonische Anfälle
Tonisch-klonische Anfälle, auch bekannt als "Grand Mal", sind die bekannteste Form epileptischer Anfälle. Sie beginnen mit einem plötzlichen Bewusstseinsverlust, gefolgt von einer Verkrampfung des gesamten Körpers (tonische Phase) und anschließenden Zuckungen (klonische Phase). Während des Anfalls kann es zu Speichelfluss, unkontrolliertem Wasserlassen und Einkoten sowie einer bläulichen Verfärbung der Haut aufgrund von Sauerstoffmangel kommen. Nach dem Anfall sind die Betroffenen oft benommen, müde und verwirrt und leiden an Muskelkater. Sie haben keine Erinnerung an den Anfall.
Diagnose der primär generalisierten Epilepsie
Die Diagnose der PGE basiert auf einer sorgfältigen Anamnese, einer körperlichen Untersuchung und verschiedenen diagnostischen Tests:
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Anamnese
Der Arzt erfragt die Krankengeschichte des Patienten und erkundigt sich nach den genauen Umständen der Anfälle. Dabei sind Informationen über die Anfallsart, die Häufigkeit der Anfälle, mögliche Auslöser und familiäre Vorbelastungen wichtig. Fotos oder Videos der Anfälle können bei der Diagnose hilfreich sein.
Körperliche Untersuchung
Bei der körperlichen Untersuchung wird das Nervensystem des Patienten mit verschiedenen Tests geprüft, um neurologische Auffälligkeiten festzustellen.
Elektroenzephalografie (EEG)
Das EEG ist eine wichtige Untersuchung zur Diagnose der PGE. Dabei werden die Hirnströme des Patienten gemessen, um epileptische Potenziale (Spike-Wave-Komplexe) nachzuweisen, die typisch für generalisierte Epilepsien sind. Ein EEG sollte idealerweise innerhalb von 24 Stunden nach einem Anfall durchgeführt werden, da es dann aufschlussreicher ist. In einigen Fällen kann ein Schlaf-EEG erforderlich sein, um epileptische Aktivität nachzuweisen, die im Wach-EEG nicht sichtbar ist.
Magnetresonanztomografie (MRT)
Eine MRT des Gehirns kann durchgeführt werden, um strukturelle Ursachen für die Epilepsie auszuschließen, wie z. B. Tumore, Narben oder Fehlbildungen.
Blutuntersuchung
Eine Blutuntersuchung kann durchgeführt werden, um Stoffwechselstörungen oder Entzündungen als Ursache für die Epilepsie auszuschließen.
Lumbalpunktion
In seltenen Fällen kann eine Lumbalpunktion erforderlich sein, um die Hirn-Rückenmarksflüssigkeit zu untersuchen und eine Entzündung im Gehirn oder eine Hirnhautentzündung als Auslöser der epileptischen Anfälle auszuschließen.
Behandlung der primär generalisierten Epilepsie
Die Behandlung der PGE zielt darauf ab, die Anfälle zu kontrollieren und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Die wichtigsten Behandlungsmethoden sind:
Medikamentöse Therapie
Antiepileptika sind die wichtigsten Medikamente zur Behandlung der PGE. Sie wirken, indem sie die Erregbarkeit der Nervenzellen im Gehirn verringern und so das Auftreten von Anfällen verhindern. Es gibt verschiedene Antiepileptika, die bei PGE eingesetzt werden können, wie z. B. Valproinsäure, Lamotrigin, Levetiracetam, Topiramat und Ethosuximid (bei Absence-Anfällen). Die Wahl des geeigneten Medikaments hängt von der Anfallsform, dem Alter des Patienten, möglichen Begleiterkrankungen und individuellen Faktoren ab.
Die medikamentöse Therapie wird in der Regel als Monotherapie begonnen, d. h. mit einem einzigen Medikament. Wenn die Anfälle mit einem Medikament nicht ausreichend kontrolliert werden können, kann eine Kombinationstherapie mit zwei oder mehreren Medikamenten erforderlich sein.
Die Antiepileptika müssen in der Regel über einen längeren Zeitraum eingenommen werden, oft mehrere Jahre. Nach einer längeren Anfallsfreiheit kann in Absprache mit dem Arzt versucht werden, die Medikamente langsam zu reduzieren und abzusetzen.
Nicht-medikamentöse Therapien
Neben der medikamentösen Therapie können auch nicht-medikamentöse Therapien zur Behandlung der PGE eingesetzt werden:
- Ketogene Ernährung: Die ketogene Ernährung ist eine spezielle Diät, die reich an Fett und arm an Kohlenhydraten ist. Sie kann bei einigen Patienten mit PGE, insbesondere bei Kindern, die Anfallshäufigkeit reduzieren.
- Vagusnervstimulation (VNS): Die VNS ist eine Methode, bei der ein kleiner Generator unter die Haut im Brustbereich implantiert wird, der elektrische Impulse an den Vagusnerv im Hals sendet. Dies kann bei einigen Patienten mit PGE die Anfallshäufigkeit reduzieren.
- Chirurgische Behandlung: In seltenen Fällen kann eine chirurgische Behandlung in Betracht gezogen werden, wenn die Anfälle mit Medikamenten nicht ausreichend kontrolliert werden können und eine lokalisierte Ursache im Gehirn gefunden wird.
Erste Hilfe bei einem epileptischen Anfall
Wenn Sie Zeuge eines epileptischen Anfalls werden, können Sie folgende Maßnahmen ergreifen, um dem Betroffenen zu helfen:
- Bewahren Sie Ruhe.
- Sorgen Sie für eine freie Atemwege, indem Sie beengende Kleidung lockern und den Kopf des Betroffenen zur Seite drehen, um Speichelfluss oder Erbrechen zu erleichtern.
- Entfernen Sie harte oder scharfe Gegenstände aus der Umgebung, um Verletzungen zu vermeiden.
- Legen Sie eine weiche Unterlage unter den Kopf des Betroffenen.
- Versuchen Sie nicht, den Betroffenen festzuhalten oder seine Bewegungen zu unterdrücken.
- Bleiben Sie bei dem Betroffenen, bis der Anfall vorbei ist und er wieder vollständig bei Bewusstsein ist.
- Rufen Sie den Notruf (112), wenn der Anfall länger als fünf Minuten dauert, wenn der Betroffene sich verletzt hat oder wenn mehrere Anfälle kurz hintereinander auftreten, ohne dass er zwischendurch das Bewusstsein wiedererlangt.
Leben mit primär generalisierter Epilepsie
Mit der richtigen Behandlung und Unterstützung können Menschen mit PGE ein erfülltes und aktives Leben führen. Es ist wichtig, sich über die Erkrankung zu informieren, die Medikamente regelmäßig einzunehmen, Auslöser zu vermeiden und regelmäßige Kontrolluntersuchungen beim Arzt wahrzunehmen. Auch der Austausch mit anderen Betroffenen in Selbsthilfegruppen kann hilfreich sein.
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