Die rechte Gehirnhälfte: Funktionen, Mythen und wissenschaftliche Erkenntnisse

Das menschliche Gehirn ist ein komplexes Organ, das unseren Körper steuert und es uns ermöglicht, die Welt um uns herum wahrzunehmen, zu denken und zu fühlen. Es besteht aus zwei Hälften, der linken und der rechten Gehirnhälfte, die durch ein dickes Bündel aus Nervenfasern, dem Balken, miteinander verbunden sind. Obwohl beide Hälften zusammenarbeiten, um eine optimale Gehirnleistung zu erzielen, sind sie auf unterschiedliche Funktionen und Fähigkeiten spezialisiert.

Das Gehirn: Eine Einführung

Das Gehirn steuert unseren Körper und ermöglicht es uns, mit den fünf Sinnen (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten) alles wahrzunehmen, was um uns herum geschieht. Über Nervenleitungen werden Informationen an das Gehirn gesendet und dort in Gedanken und Gefühle umgewandelt. Das Großhirn, der obere und größte Teil unseres Gehirns, ist für Sprechen und Denken zuständig. Das Kleinhirn im Hinterkopf ist für Bewegungen verantwortlich, und der Hirnstamm zwischen Großhirn und Rückenmark regelt lebenswichtige Funktionen wie Atmen und den Blutkreislauf.

Die zwei Hälften des Großhirns

Unser Großhirn besteht aus zwei Hälften mit unterschiedlichen Spezialisierungen. Die linke Hirnhälfte steuert die rechte Körperseite und umgekehrt. Menschen, bei denen die rechte Gehirnhälfte stärker ist, gelten als kreativer und emotionaler, während Menschen mit einer stärkeren linken Gehirnhälfte eher zu den Denkern gehören. Besonders klug sind Menschen, bei denen beide Hälften gut zusammenarbeiten und sich ergänzen.

Aufgaben der rechten Gehirnhälfte

Die rechte Gehirnhälfte ist zuständig für:

  • Körpersprache: Sie kontrolliert Mimik und Gestik.
  • Bildersprache: Sie verarbeitet Informationen ganzheitlich.
  • Intuition: Sie ist kreativ und spontan.
  • Bewegung und physische Aktivität: Sie steuert Bewegungen und physische Aktivität sowie künstlerische Leistungen und Erlebnisse wie Musik, Zeichnen und Malen.
  • Räumliche und kreative Funktionen: Sie verarbeitet Informationen ganzheitlich und intuitiv.

Die rechte Gehirnhälfte steuert mehr die Intuition, Kreativität, Symbole und Gefühle. Diese Gehirnhälfte wird durch Metaphern aktiviert, durch die beim Zuhörer eigene, dazu passende Bilder, Symbole, Melodien oder Gerüche entstehen können.

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Mythen und Fakten über die rechte Gehirnhälfte

Um die rechte Gehirnhälfte ranken sich viele Mythen. Besonders verbreitet ist die Theorie einer "left-brained" versus "right-brained" Persönlichkeit. Das meiste davon ist nicht wissenschaftlich fundiert. Neurowissenschaftler untersuchen funktionelle Asymmetrien der Gehirnhälften, sogenannte Lateralisierungen, und messen die Dominanz einer Seite für eine bestimmte Funktion. Es ist wichtig zu beachten, dass beide Gehirnhälften immer aktiv sind und Gehirntraining von nur einer Hirnhälfte ein Mythos ist.

Der Ballerina-Test

Ein Beispiel für einen solchen Test ist der sogenannte 2-Sekunden-Test mit einer sich drehenden Ballerina. Wenn sie sich im Uhrzeigersinn dreht, wird der rechten Gehirnhälfte der Vorzug gegeben. Diese Personen sind eher kreativ, intuitiv und emotional. Wenn sich die Tänzerin gegen den Uhrzeigersinn dreht, dominiert die linke Gehirnhälfte, was zu einem strukturierten, logisch-analytischen Denken führt. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Dominanz einer Gehirnhälfte nicht immer eindeutig ist und sich im Laufe des Lebens ändern kann.

Tatsächlich ist die Animation intensiv untersucht in neurowissenschaftlichen Studien. Sie zeigen, dass die rechte Gehirnhälfte stärker involviert ist in die Verarbeitung von menschlichen Bewegungen als die linke. Das könnte erklären, wieso die Drehung von vielen als Rechtsdrehung (d.h., im Uhrzeigersinn) wahrgenommen wird. Diese Interpretation ist allerdings umstritten.

Außerdem wurde gezeigt, dass einige Menschen bewusst beeinflussen können, ob sich die Ballerina für sie links- oder rechtsherum dreht. Die wahrgenommene Drehrichtung sagt also nichts darüber aus, ob jemand "mehr links oder rechts denkt". Die rechte Hirnhälfte aktiviert sich bei den meisten Menschen verstärkt, egal in welche Richtung sich die Tänzerin dreht. Forscher haben entdeckt, dass diese Momente des Richtungswechsels mit spezifischen Fluktuationen in der Aktivität des rechten Scheitellappens zusammenfallen. Sie könnten erklären, woher die plötzliche Änderung unserer Wahrnehmung kommt.

Emotionen und die rechte Gehirnhälfte

Es gibt eine wissenschaftliche Diskussion über einen Zusammenhang zwischen einer Dominanz der rechten Hirnhälfte und Emotionen - allerdings nur negativer Emotionen! Auf der Suche nach der Ursache für Depressionen haben Forscher die Valenzhypothese vorgeschlagen. Die Idee ist, dass eine Hyperaktivität der rechten Gehirnhälfte dazu führe, dass negative Gefühle stärker verarbeitet werden, pessimistische Gedanken auftauchen und unkonstruktive Denkmuster entstehen. Aktivität in der rechten Hirnhälfte sei außerdem verknüpft mit Selbstreflektion, die bei depressiven Patient:innen häufig intensiver ist als bei gesunden Menschen. Die rechte Hirnhälfte spielt auch eine wichtige Rolle bei der Anpassung unseres Erregungszustands. Das könnte erklären, wieso depressive Menschen häufig an Schlafproblemen leiden.

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Neglect: Wenn die rechte Gehirnhälfte ausfällt

Eine Schädigung der rechten Hirnhälfte, meist am Scheitellappen, kann zu einem sogenannten Neglect führen. Bei diesem Krankheitsbild wird die linke Hälfte der Welt normal wahrgenommen, aber kaum verarbeitet und deshalb ignoriert. Die rechte Gehirnhälfte ist hauptverantwortlich für einen Großteil der Wahrnehmung von linksseitigen Sinneseindrücken und Bewegung unserer linken Körperhälfte. Daher führt eine Schädigung in der rechten Hirnhälfte zu Beeinträchtigungen in der Aufmerksamkeit für die linke Hälfte der Umwelt, genannt linksseitiger Neglect.

Zusammenarbeit und Vernetzung der Gehirnhälften

Um exzellente und kreative Denkleistungen zu erbringen, müssen beide Gehirnhälften des Großhirns gut zusammenarbeiten und sich ergänzen. Einige Wissenschaftler vermuten, dass erfolgreiche und kreative Menschen besonders gut zwischen der linken und der rechten Gehirnhälfte kommunizieren können. Um die Zusammenarbeit und Synchronisation beider Gehirnhälften zu stärken, gibt es verschiedene Möglichkeiten:

  • Multisensorische Aktivitäten: Durchführen von Tätigkeiten, die mehrere Sinne ansprechen und somit beide Gehirnhälften gleichzeitig aktivieren.
  • Kinesiologische Übungen: Übungen, die die Koordination zwischen beiden Gehirnhälften verbessern sollen.

Es ist wichtig zu beachten, dass Übungen, die angeben, lediglich eine Gehirnhälfte zu trainieren, wissenschaftlich nicht fundiert sind. Bei jeglicher Art von Gehirntraining werden immer beide Hälften aktiv, jedoch in unterschiedlicher Form.

Die Bedeutung der Lateralisierung

Obwohl das Gehirn in zwei Hälften geteilt ist, ist es nicht genau spiegelbildlich. Manche Funktionen werden eher auf der linken Seite verarbeitet, andere eher auf der rechten - und das bei jedem Menschen ein bisschen anders. Die beiden Hemisphären sind auf unterschiedliche Funktionen spezialisiert. So wird beispielsweise die Aufmerksamkeit bei den meisten Menschen überwiegend in der rechten Hemisphäre verarbeitet, die Sprache überwiegend in der linken. Der Grund: Die Arbeit kann besser auf beide Hälften verteilt werden - und das Aufgabenspektrum damit insgesamt erweitert.

Funktionsaufteilung von Mensch zu Mensch verschieden. Doch diese so genannte Lateralisation, also die Tendenz, dass Hirnregionen Funktionen eher in der linken oder rechten Hirnhälfte verarbeiten, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich ausgeprägt - und zwar nicht nur bei den wenigen, bei denen das Gehirn spiegelverkehrt zu dem der Mehrheit spezialisiert ist. Selbst bei diejenigen, bei denen die Funktionen im Gehirn prinzipiell klassisch angeordnet sind, ist die Asymmetrie unterschiedlich stark ausgeprägt. Frühere Studien hatten gezeigt, dass sich das wiederum auf die Fähigkeiten selbst auswirken kann. Zu wenig asymmetrisch ausgebildete Sprachareale auf der linken Hirnseite werden zum Beispiel als eine mögliche Ursache für Legasthenie vermutet. Auch bei Krankheiten wie Schizophrenie und Autismus-Spektrum-Störungen oder Hyperaktivität bei Kindern wird mit einer zu schwachen Aufgabenteilung zwischen den beiden Hirnhälften in Zusammenhang gebracht.

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