Das sogenannte Wohlstandsevangelium, auch bekannt als "Erfolgsevangelium" oder kritischer als "Gesundheits- und Wohlstandsevangelium", ist eine theologische Auffassung, die besagt, dass jeder Mensch Wohlstand, Erfolg und Gesundheit von Gott erhalten kann. Diese Vorstellung hat in den letzten Jahrzehnten weltweit an Popularität gewonnen und beeinflusst zunehmend das Gesicht des Christentums.
Ursprünge und Verbreitung
Die Wurzeln des Wohlstandsevangeliums liegen in den USA des frühen 20. Jahrhunderts, insbesondere in den Kreisen der Pfingstbewegung. Es verbreitete sich rasch über die Grenzen der charismatischen und Pfingstkirchen hinaus und fand auch in evangelikalen Gemeinden Anklang. Heute ist es eine globale Bewegung mit Anhängern in den USA, Afrika, Asien und Lateinamerika.
Im amerikanischen "Time"-Magazine konnte man nachlesen: Laut einer Umfrage bekennt sich knapp jeder fünfte (17%) der US-amerikanischen Christen zum prosperity-gospel. Mehr als die Hälfte (61%) glauben, dass Gott für jeden Menschen Wohlstand will. Und ein Drittel (31%) ist sich sicher: Wenn jemand sein Geld Gott gibt, wird Gott ihn mit umso mehr Geld segnen.
Kernlehren des Wohlstandsevangeliums
Im Zentrum des Wohlstandsevangeliums steht die Idee, dass Gott eine Art "Schatztruhe" bereithält, gefüllt mit Wohlstand, Erfolg und Gesundheit. Der Schlüssel zu dieser Truhe ist der Glaube. Anhänger des Wohlstandsevangeliums glauben, dass sie durch ihren Glauben und positive Affirmationen diese Segnungen von Gott "abrufen" können.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Konzept des "Säens und Erntens". Gläubige werden ermutigt, in Gottes Reich zu investieren, insbesondere durch finanzielle Spenden, in der Erwartung, dass Gott sie dafür reichlich belohnen wird. Das Motto lautet: "Gib Gott etwas, aus dem er etwas machen kann. Was du säst, wirst du vielfach von Gott zurückbekommen." So sät man 10 Dollar, bekommt man 100 zurück. Sät man 100, bekommt man 1000 Dollar zurück usw.
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Kritische Auseinandersetzung
Das Wohlstandsevangelium ist in verschiedenen christlichen Kreisen auf Kritik gestoßen. Kritiker bemängeln vor allem die folgenden Punkte:
- Materialismus: Das Wohlstandsevangelium wird oft als materialistisch kritisiert, da es den Fokus auf irdischen Reichtum und Erfolg legt und somit von den eigentlichen Werten des christlichen Glaubens ablenkt.
- Ablasshandel: Die Praxis des "Säens und Erntens" wird von einigen als moderner Ablasshandel kritisiert, bei dem finanzielle Spenden als Mittel zur Erlangung göttlicher Gunst dargestellt werden.
- Falsches Gottesbild: Kritiker argumentieren, dass das Wohlstandsevangelium ein verzerrtes Gottesbild vermittelt, das Gott als eine Art "Wunscherfüller" darstellt, der immer bereit ist, die Bedürfnisse seiner Anhänger zu befriedigen.
- Mangelnde Berücksichtigung von Leid und Ungerechtigkeit: Das Wohlstandsevangelium bietet wenig Trost oder Erklärung für Menschen, die unter Leid, Armut oder Ungerechtigkeit leiden. Es suggeriert, dass diese Probleme auf mangelnden Glauben zurückzuführen sind, was zu Schuldgefühlen und Verzweiflung führen kann.
Reinhard Bonnke: Ein prominenter Vertreter
Reinhard Bonnke war ein deutscher Evangelist, der vor allem in Afrika bekannt war. Er füllte bei seinen Evangelisationen ganze Stadien und erreichte Millionen von Menschen. Bonnke predigte eine Botschaft des Glaubens und der Heilung, die viele Menschen anzog.
Allerdings wurde auch Bonnke für seine Nähe zum Wohlstandsevangelium kritisiert. Seine Kritiker warfen ihm vor, den Fokus zu sehr auf materielle Segnungen zu legen und die sozialen und politischen Probleme Afrikas zu vernachlässigen.
Auswirkungen auf Afrika
Das Wohlstandsevangelium hat in Afrika eine große Anhängerschaft gefunden, insbesondere in den Pfingstkirchen. Viele Menschen sehen in dieser Lehre eine Möglichkeit, aus Armut und Hoffnungslosigkeit auszubrechen.
Allerdings gibt es auch Bedenken hinsichtlich der negativen Auswirkungen des Wohlstandsevangeliums auf die afrikanische Gesellschaft. Kritiker argumentieren, dass es zu einer Kommerzialisierung des Glaubens führt, die Ausbeutung der Armen fördert und die Entwicklung des Kontinents behindert.
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Eine differenzierte Betrachtung
Obwohl das Wohlstandsevangelium viele negative Aspekte hat, gibt es auch einige positive Aspekte, die nicht übersehen werden sollten:
- Offener Umgang mit Geld: In den Gemeinden des Wohlstandsevangeliums wird offen über Geld, Armut und finanzielle Probleme gesprochen. Dies kann dazu beitragen, Scham und Stigma abzubauen und Menschen zu ermutigen, ihre finanzielle Situation zu verbessern.
- Ermutigung zur Eigeninitiative: Das Wohlstandsevangelium kann Menschen dazu anspornen, ihr Leben in die Hand zu nehmen und ihre Ziele zu verfolgen. Es vermittelt die Botschaft, dass auch die Ärmsten etwas beitragen können und dass Erfolg möglich ist.
- Gemeinschaft und Solidarität: Viele Gemeinden des Wohlstandsevangeliums bieten ihren Mitgliedern eine starke Gemeinschaft und Unterstützung. Dies kann besonders für Menschen in schwierigen Lebenssituationen von Bedeutung sein.
Fazit
Das Wohlstandsevangelium ist ein komplexes Phänomen mit sowohl positiven als auch negativen Aspekten. Es ist wichtig, diese Lehre kritisch zu hinterfragen und sich ihrer potenziellen Gefahren bewusst zu sein. Gleichzeitig sollte man aber auch die positiven Aspekte anerkennen und versuchen, aus ihnen zu lernen.
Letztendlich sollte der Fokus des christlichen Glaubens nicht auf irdischem Reichtum und Erfolg liegen, sondern auf der Liebe zu Gott und dem Nächsten. Eine Gemeinschaft, die bescheiden und selbstlos bleibt, scheint immer noch die beste Medizin gegen den Virus des Evangeliums vom Plaudern und Plündern zu sein.
Ergänzende Informationen
Es gibt eine Vielzahl von Ressourcen, die sich kritisch mit dem Wohlstandsevangelium auseinandersetzen. Dazu gehören Bücher, Artikel, Dokumentarfilme und Online-Diskussionen. Es lohnt sich, diese Ressourcen zu nutzen, um sich ein umfassendes Bild von diesem komplexen Thema zu machen.
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