Wenn ein Mensch an Demenz erkrankt, sind Angehörige oft mit der Organisation und Bewältigung des Alltags überfordert. Es ist wichtig, sich frühzeitig mit den rechtlichen und finanziellen Aspekten auseinanderzusetzen, um die bestmögliche Versorgung und Lebensqualität für den Betroffenen zu gewährleisten. Ein wichtiger Punkt ist der Rentenantrag, der unter bestimmten Voraussetzungen auch bei Demenz möglich ist.
Vollmacht und rechtliche Betreuung
Angehörige, die Aufgaben für Menschen mit Demenz übernehmen, sollten bevollmächtigt oder vom Gericht als rechtliche Betreuer eingesetzt sein. Nur dann können sie rechtswirksam in deren Sinne handeln. Je früher eine Vollmacht erteilt wird, desto sicherer ist ihre Anerkennung, da der Betroffene zum Zeitpunkt der Ausstellung geschäftsfähig sein muss. Dies kann durch eine ärztliche oder anwaltliche Bestätigung erfolgen. Banken erkennen oft nur eigene Formulare an, daher ist es ratsam, diese zusätzlich zu hinterlegen.
Die Frage, wie sich Menschen mit Demenz ihre medizinische und pflegerische Betreuung vorstellen, ist ebenfalls wichtig für die Zukunftsvorsorge. Es sollte frühzeitig über Wünsche, Erwartungen und Unterstützungsmöglichkeiten gesprochen werden. Wer die Pflege übernimmt, sollte sich über die damit verbundenen Pflichten im Klaren sein.
Reform des Betreuungsrechts
Seit dem 1. Januar 2023 gilt das reformierte Betreuungsrecht, das das Selbstbestimmungsrecht der betreuten Person stärker hervorhebt. Der Betreuer hat eine Unterstützungsfunktion und soll dem Betroffenen ein selbstbestimmtes Handeln ermöglichen. Pflichtverletzungen des Betreuers können besser erkannt und sanktioniert werden.
Notvertretungsrecht für Ehegatten
Das Notvertretungsrecht ermöglicht es Ehegatten, in Not- und Akutsituationen vorübergehend Entscheidungen zur Gesundheitssorge zu treffen, wenn der andere Ehegatte aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Bewusstseinstrübung nicht handlungsfähig ist. Dies setzt eine ärztliche Bestätigung voraus. Das Notvertretungsrecht tritt nicht in Kraft, wenn eine andere Person durch Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht bevollmächtigt wurde.
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Betreuungsmöglichkeiten für Menschen mit Demenz
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Vertrauenspersonen mit der Regelung der Angelegenheiten zu betrauen:
- Vorsorgevollmacht: Erfordert Geschäftsfähigkeit zum Zeitpunkt der Ausstellung.
- Betreuungsverfügung: Hält Wünsche für den Fall einer späteren rechtlichen Betreuung fest, ohne dass Geschäftsfähigkeit erforderlich ist.
- Gesetzliche Betreuung: Kann beim Betreuungsgericht angeregt werden, wenn keine Vorsorgevollmacht vorliegt. Das Gericht schlägt üblicherweise Ehepartner oder nahe Angehörige als Betreuer vor.
Das Gericht weist dem Betreuer bestimmte Aufgabenkreise zu, z. B. die Verwaltung des Einkommens und Vermögens.
Pflichten von Angehörigen und Betreuern
Betreuer sind verpflichtet, die Wünsche und Bedürfnisse des Betroffenen im Rahmen der zugewiesenen Aufgabenkreise umzusetzen. Der natürliche Wille des Menschen mit Demenz muss berücksichtigt werden, auch wenn die Geschäftsfähigkeit eingeschränkt ist. Zwangsmaßnahmen sind nur mit Genehmigung des Betreuungsgerichts erlaubt.
Bevollmächtigte, Betreuer oder Haushaltsmitglieder sind aufsichtspflichtig und haften unter Umständen für Schäden, die der Mensch mit Demenz verursacht. Es kann jedoch nicht erwartet werden, dass Angehörige den Betroffenen jede Minute überwachen. Bei Bekanntwerden der Diagnose Demenz sollte die Haftpflichtversicherung informiert werden.
Unterhalt bei Pflegebedürftigkeit
Angehörige können zur Finanzierung der Pflege herangezogen werden. Ehegatten und Verwandte ersten Grades sind gesetzlich verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. Kinder sind ihren Eltern zum Unterhalt verpflichtet, wenn deren Jahresbruttoeinkommen 100.000 Euro übersteigt. Schwiegertöchter und -söhne sind nicht zum Unterhalt verpflichtet. Gerichtsurteile schränken die Unterhaltspflicht unter Umständen ein, z. B. wenn Kinder ihre pflegebedürftigen Eltern betreuen.
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Rechtliche Betreuung bei Demenz
Eine rechtliche Betreuung kann erforderlich sein, wenn Menschen mit Demenz ihre Angelegenheiten nicht mehr selbstständig regeln können und keine Vorsorgevollmacht vorliegt. Die Anregung einer Betreuung ist erst bei tatsächlichem Hilfebedarf möglich. Jede Person kann eine Betreuung anregen. Das Gericht holt ein fachärztliches Gutachten ein und führt ein persönliches Gespräch mit dem Betroffenen. In dringenden Fällen kann eine vorläufige Betreuung angeordnet werden.
Ehegatten, Lebenspartner und Verwandte bis zum dritten Grad können gegen die Entscheidung des Betreuungsgerichts Beschwerde einlegen.
Aufgabenkreise der rechtlichen Betreuung
Ziel des Betreuungsrechts ist es, dem Betroffenen so viel Selbstbestimmung wie möglich zu lassen. Der Betreute bleibt geschäftsfähig, es sei denn, es wird ein Einwilligungsvorbehalt richterlich festgelegt. Betreuer dürfen nur für die Aufgaben bestellt werden, in denen eine Betreuung tatsächlich erforderlich ist. Übliche Aufgabenkreise sind z. B. die Vermögensverwaltung, die Gesundheitssorge und die Wohnungsangelegenheiten.
Rente für pflegende Angehörige
Pflegende Angehörige können unter bestimmten Voraussetzungen Rentenansprüche erwerben. Dies gilt, wenn sie eine Person mit mindestens Pflegegrad 2 nicht erwerbsmäßig pflegen. Voraussetzung ist, dass die Pflege mindestens zehn Stunden pro Woche umfasst und auf regelmäßig mindestens zwei Tage verteilt in der häuslichen Umgebung erfolgt. Die Pflegekasse zahlt in diesem Fall Beiträge zur Rentenversicherung.
Voraussetzungen für die Rentenbeitragszahlung
- Nicht erwerbsmäßige Pflege: Die Pflegetätigkeit darf nicht entgeltlich sein. Das Pflegegeld, das der Pflegebedürftige von der Pflegekasse erhält, gilt nicht als Bezahlung.
- Mindestpflegeaufwand: Die Pflege muss mindestens 10 Stunden pro Woche an mindestens zwei Tagen erfolgen.
- Pflegegrad: Die zu pflegende Person muss mindestens Pflegegrad 2 haben.
- Häusliche Pflege: Die Pflege muss in der häuslichen Umgebung des Pflegebedürftigen stattfinden.
Höhe der Rentenbeiträge
Die Höhe der Rentenbeiträge hängt vom Pflegegrad des Pflegebedürftigen und der Art der bezogenen Pflegeleistung (Pflegegeld, Kombinationsleistung, Pflegesachleistung) ab. Die Beiträge werden anhand von fiktiven Einnahmen berechnet, die sich an der Bezugsgröße orientieren.
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Flexirente für pflegende Rentner
Auch Rentner können durch die Pflege von Angehörigen ihre Rentenansprüche weiter erhöhen. Dafür müssen sie von der Vollrente in eine Teilrente wechseln. Die Flexirente ermöglicht es, die Rentenzahlungen um einen bestimmten Prozentsatz zu reduzieren und dabei weiterhin Rentenansprüche zu sammeln. Die Teilrente kann auf bis zu 99,99 Prozent festgesetzt werden.
Antragstellung und Verfahren
Der Antrag auf Pflegeleistungen sollte so früh wie möglich gestellt werden, sobald der Pflegefall eintritt. Die Pflegekasse prüft, ob die Voraussetzungen für die Rentenbeitragszahlung erfüllt sind.
Mehrfachpflege und Additionspflege
Wenn sich mehrere Personen die Pflege eines Pflegebedürftigen teilen, werden die Rentenansprüche entsprechend dem zeitlichen Anteil am gesamten Pflegeaufwand aufgeteilt. Werden mehrere Personen gepflegt, können die Pflegezeiten addiert werden, um den Mindestumfang für die Rentenansprüche zu erreichen.
Unterbrechungen der Pflege
Kurzzeitige Unterbrechungen der Pflege, z. B. durch Krankenhausaufenthalte oder Urlaub, führen in der Regel nicht zum Verlust der Rentenansprüche. Bei längeren Unterbrechungen sollte die Pflegekasse informiert werden.
Ende der Versicherungspflicht
Die Rentenversicherungspflicht endet, wenn eine der Voraussetzungen nicht mehr erfüllt ist, z. B. wenn der Pflegeaufwand unter 10 Stunden pro Woche sinkt oder die zu pflegende Person auf Pflegegrad 1 herabgestuft wird.
Sozialhilfe und Grundsicherung
Reichen die Leistungen der Pflegeversicherung und die eigenen finanziellen Mittel nicht aus, um eine angemessene Pflege zu gewährleisten, können Menschen mit Demenz ergänzend Sozialhilfe oder Grundsicherung beantragen. Das Sozialamt übernimmt beispielsweise Kosten für Unterkunft und Verpflegung in einem Pflegeheim, aber auch weitergehende Betreuungskosten. Die Höhe der Unterstützung ist von der jeweiligen Situation des Bedürftigen abhängig.
Grundsicherung
Die Grundsicherung ist eine Leistung der Sozialhilfe, die den Lebensunterhalt einer Person gewährleistet, wenn diese es aufgrund ihres Alters oder ihrer Gesundheit nicht mehr kann. Sie richtet sich an Menschen ab 65 Jahren und an voll erwerbsgeminderte Menschen. Voraussetzung ist, dass diese Personen bedürftig sind und ihren Lebensunterhalt nicht durch ihr Einkommen oder ihr Vermögen bestreiten können.
Umfang der Grundsicherung
Die Grundsicherung soll die notwendigen "Leistungen zum Lebensunterhalt" einer Person decken. Diese Leistungen werden nach dem sogenannten Regelsatz bemessen, der alle monatlichen Kosten für Ernährung, Körperpflege, Kleidung, Hausrat und persönliche Bedürfnisse abdecken soll. Darüber hinaus übernimmt die Sozialhilfe im Rahmen der Grundsicherung im ersten Jahr des Leistungsbezugs die tatsächlich anfallenden Kosten für Wohnung und Heizung.
Vermögensfreibetrag
Grundsicherung erhält in der Regel nur, wer weniger als 10.000 Euro Vermögen besitzt. Der Freibetrag für Ehegatten oder Lebenspartner beträgt ebenfalls 10.000 Euro.
Hilfe zur Pflege
Menschen mit Demenz, die Hilfestellungen bei der Pflege benötigen, aber nicht über die notwendigen finanziellen Mittel verfügen, haben unter Umständen Anspruch auf „Hilfe zur Pflege“ durch den Sozialhilfeträger. Dies gilt für die ambulante Hilfe im häuslichen Bereich ebenso wie für die teilstationäre Hilfe in einer Tagespflegestätte und für die vollstationäre Pflege in einem Heim.
Voraussetzungen für die Hilfe zur Pflege
- Pflegegrad: Es muss mindestens Pflegegrad 2 vorliegen.
- Nachrangigkeit: Hilfe zur Pflege setzt erst ein, wenn die Leistungen aus anderen Rechtsvorschriften (z. B. SGB XI) ausgeschöpft sind und wenn die Leistungen nicht von Personen aus dem nähren Umfeld erbracht werden können.
- Bedürftigkeit: Einkommen und Vermögen dürfen nicht ausreichen, um die Kosten der Pflege zu decken.
Fallbeispiele
Fallbeispiel: Heimunterbringung - Alleinstehend
Herr W. ist alleinstehend und hat Pflegegrad 4. Er erhält eine Rente von monatlich 1.410 Euro und verfügt über ein Sparkonto, auf dem sich 12.000 Euro befinden. Die monatlichen Gesamtkosten für den Platz im Pflegeheim betragen 4.900 Euro. Da Herr W. den Gesamtbetrag nicht von seiner Rente finanzieren kann, muss er Hilfe zur Pflege beim Sozialamt beantragen. Für die 2.783,25 Euro an monatlichen Pflegeheimkosten muss Herr W. zunächst sein gesamtes Einkommen, bis auf den Barbeitrag (Taschengeld) in Höhe von 152,01 Euro einsetzen. Die noch offenen 1.525,26 Euro der Pflegeheimkosten übernimmt dann das Sozialamt. Da Herr W. auf seinem Sparkonto über 12.000 Euro verfügt, muss Herr W. zunächst die 2.000 Euro für die Heimkosten einsetzen, die über dem Vermögensfreibetrag liegen.
Fallbeispiel: Heimunterbringung - Verheiratet
Ehepaare sind sich grundsätzlich gegenseitig zum Unterhalt verpflichtet. Der Unterhalt für die Partnerin oder den Partner hat Vorrang vor den Forderungen des Pflegeheimes. Frau Thon verfügt über kein eigenes Einkommen. Ihr Mann hat eine Rente von 1.900 Euro, sodass das monatliche Gesamteinkommen 1.900 Euro beträgt. Sie zahlen eine Miete von 600 Euro zuzüglich 100 Euro Heizkosten. Auf dem Sparkonto befinden sich 2.220 Euro. Die Berechnung der Kostenübernahme durch das Sozialamt ist kompliziert und erfolgt in mehreren Schritten.
Fallbeispiel Pflegegrad 2
Herr Zinser ist 78 Jahre alt und hat Pflegegrad 2. Ein Pflegedienst unterstützt ihn fortan mehrmals pro Woche, unter anderem bei der Körperpflege. Den Entlastungsbetrag nutzt Herr Zinser für eine Betreuungskraft - sie macht wöchentlich Gedächtnisübungen mit ihm.
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