Risperidon bei Demenz: Absetzen und Rückfallrisiko

Psychosen, Agitiertheit und Aggressivität sind häufige Symptome bei Alzheimer-Patienten, die sowohl für die Betroffenen als auch für ihre Betreuer eine erhebliche Belastung darstellen. Antipsychotika wie Risperidon können diese Symptome lindern, sind aber mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden. Daher ist eine Dauereinnahme unerwünscht, und Risperidon ist bei Alzheimer-Demenz nur für eine Kurzzeitbehandlung von maximal sechs Wochen indiziert. Die Frage, ob und wann Risperidon abgesetzt werden kann, ist daher von großer Bedeutung.

Problematik der Langzeitbehandlung mit Antipsychotika

Antipsychotika können zwar psychotische Symptome reduzieren, haben jedoch erhebliche Nebenwirkungen. Dazu gehören Sedierung, extrapyramidale Symptome (Bewegungsstörungen), Spätdyskinesien, Gewichtszunahme und metabolisches Syndrom. Gerade bei älteren Menschen mit Demenz können diese Nebenwirkungen die Lebensqualität weiter beeinträchtigen und das Risiko für Stürze und andere Komplikationen erhöhen. Daher sollte die Einnahme von Antipsychotika so kurz wie möglich gehalten werden.

Die ADAD-Studie: Rückfallrisiko nach Absetzen von Risperidon

Um das Risiko für einen Rückfall nach Absetzen einer erfolgreichen Risperidon-Behandlung zu untersuchen, wurde die multizentrische ADAD-Studie (Antipsychotic Discontinuation in Alzheimer's Disease) durchgeführt. In dieser Studie wurden 180 Patienten im Alter von 50 bis 95 Jahren mit Alzheimer-Demenz und psychotischen Symptomen oder Agitiertheit/Aggressivität zunächst 16 Wochen lang mit Risperidon behandelt.

Studiendesign

Die Patienten erfüllten die Demenz-Kriterien des DSM-IV und die Kriterien für eine wahrscheinliche Alzheimer-Erkrankung des National Institute of Neurological and Communicative Disorders and Stroke - Alzheimer’s Disease and Related Disorders Association. Zusätzlich mussten sie auf den Subskalen für Wahnvorstellungen oder Halluzinationen und Agitation/Aggression des Neuropsychiatrischen Inventars (NPI) einen Wert von 4 oder mehr Punkten aufweisen. Ihr MMSE-Score (Mini-Mental State Examination) lag zwischen 5 und 26 Punkten.

Nach 16-wöchiger offener Behandlung mit Risperidon (durchschnittliche Dosis 0,97 mg täglich) sprachen 112 Patienten auf die Therapie an. Diese wurden anschließend randomisiert in drei Gruppen eingeteilt:

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  • Gruppe 1: Fortsetzung der Risperidon-Einnahme für 32 Wochen (n=32)
  • Gruppe 2: Fortsetzung der Risperidon-Einnahme für 16 Wochen, danach Placebo für 16 Wochen (n=38)
  • Gruppe 3: Placebo für 32 Wochen (n=40)

Der primäre Endpunkt war die Zeit bis zum Rückfall der psychotischen Symptome. Ein Ansprechen auf die Behandlung in Phase A wurde definiert als eine Reduktion um ≥30% auf der NPI-Skala (Summe der Subskalen für Agitation/Aggression, Halluzinationen und Wahnvorstellungen) und ein Wert von 1 (extrem verbessert) oder 2 (sehr verbessert) Punkten auf der Clinical Global Impression of Change (CGI-C)-Skala bei allgemeiner Psychose oder Agitation. Ein Rückfall in Phase B wurde definiert als eine Zunahme um ≥30% auf der NPI-Skala oder eine Zunahme um 5 Punkte bis zum Ende der Phase A und ein Wert von 6 (viel schlechter) oder 7 (extrem schlechter) Punkte auf der CGI-C-Skala.

Ergebnisse der Studie

In den ersten 16 Wochen der Phase B war die Rückfallrate in der Placebo-Gruppe (Gruppe 3) signifikant höher als in den Risperidon-Gruppen (Gruppe 1 und 2) (60% vs. 33%; p=0,004). In den darauffolgenden 16 Wochen war die Rückfallrate in Gruppe 2, die verzögert auf Placebo umgestellt wurde, höher als in Gruppe 1, die weiterhin Risperidon einnahm (48% vs. 15%; p=0,02). Die Rate unerwünschter Arzneimittelwirkungen unterschied sich nicht signifikant zwischen den Gruppen.

Interpretation der Ergebnisse

Die Ergebnisse der ADAD-Studie zeigen, dass bei Alzheimer-Patienten, die erfolgreich mit Risperidon behandelt wurden, das Rückfallrisiko nach Absetzen der Medikation deutlich erhöht ist. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Risperidon grundsätzlich nicht abgesetzt werden sollte. Vielmehr müssen die potenziellen Vorteile einer anhaltenden Behandlung (Kontrolle der psychotischen Symptome) gegen die Risiken von Nebenwirkungen abgewogen werden.

Individuelle Risikofaktoren für einen Rückfall

Eine weitere Analyse der ADAD-Daten deutete darauf hin, dass bestimmte Patientengruppen ein höheres Rückfallrisiko haben könnten als andere. Insbesondere Patienten mit Halluzinationen oder starker Reizbarkeit zu Beginn der Behandlung schienen nach Absetzen von Risperidon häufiger einen Rückfall zu erleiden. Bei diesen Patienten sollte eine besonders sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen, bevor Risperidon abgesetzt wird.

Empfehlungen für die Praxis

Basierend auf den verfügbaren Daten und klinischen Erfahrungen lassen sich folgende Empfehlungen für das Absetzen von Risperidon bei Demenz ableiten:

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  1. Indikation überprüfen: Vor dem Absetzen von Risperidon sollte die Indikation für die Behandlung kritisch überprüft werden. Sind die psychotischen Symptome oder die Agitiertheit/Aggressivität weiterhin vorhanden und beeinträchtigen sie die Lebensqualität des Patienten erheblich? Wenn die Symptome abgeklungen sind oder nur noch gering ausgeprägt sind, kann ein Absetzversuch in Erwägung gezogen werden.
  2. Nicht-pharmakologische Maßnahmen ausschöpfen: Vor und während des Absetzversuchs sollten nicht-pharmakologische Maßnahmen zur Behandlung von Verhaltensauffälligkeiten eingesetzt werden. Dazu gehören beispielsweise:
    • Anpassung der Umgebung (z.B. Vermeidung von Reizüberflutung)
    • Beschäftigungsangebote (z.B. Spaziergänge, Musiktherapie)
    • Kommunikationstechniken (z.B. validierende Kommunikation)
    • Ergotherapie und Bewegungstherapie
    • Kognitive Stimulation
  3. Ausschleichen: Risperidon sollte nicht abrupt abgesetzt werden, sondern schrittweise ausgeschlichen werden, um Absetzsymptome und ein Wiederauftreten der psychotischen Symptome zu vermeiden. Eine Reduktion der Dosis in kleinen Schritten (z.B. 25% pro Woche) ist empfehlenswert.
  4. Engmaschige Überwachung: Während des Absetzversuchs sollte der Patient engmaschig auf ein Wiederauftreten der psychotischen Symptome oder Agitiertheit/Aggressivität überwacht werden. Angehörige und Pflegekräfte sollten über mögliche Warnzeichen informiert werden.
  5. Individuelle Abwägung: Die Entscheidung, ob Risperidon abgesetzt werden soll oder nicht, sollte immer individuell getroffen werden, unter Berücksichtigung des Schweregrades der Symptome, des Risikoprofils des Patienten und seiner persönlichen Präferenzen.
  6. Besondere Vorsicht bei Hochrisikopatienten: Bei Patienten mit Halluzinationen oder starker Reizbarkeit zu Beginn der Behandlung ist besondere Vorsicht geboten. Bei diesen Patienten sollte das Rückfallrisiko besonders sorgfältig abgewogen werden.
  7. Alternative Behandlungen: Wenn Risperidon abgesetzt wird und die psychotischen Symptome wieder auftreten, sollten alternative Behandlungen in Erwägung gezogen werden. Dazu gehören andere Antipsychotika (z.B. Quetiapin, Clozapin) sowie Antidepressiva (z.B. Citalopram) bei begleitenden depressiven Symptomen. Bei der Lewykörperchen-Demenz und der Parkinsondemenz soll der Einsatz von Antipsychotika gänzlich vermieden werden. Wirksamkeitsnachweise für die Behandlung von Halluzinationen bei diesen Patienten liegen für Rivastigmin vor. Falls keine andere therapeutischen Optionen bestehen, soll Clozapin oder Quetiapin eingesetzt werden.
  8. Regelmäßige Überprüfung: Auch wenn Risperidon nicht abgesetzt wird, sollte die Indikation für die Behandlung regelmäßig überprüft werden. Ziel sollte es sein, die niedrigste wirksame Dosis zu finden und die Behandlung so kurz wie möglich zu halten.

Weitere Aspekte der Demenzbehandlung

Die Behandlung von Demenz umfasst neben der medikamentösen Therapie auch psychosoziale Interventionen. Die kognitive Stimulation mit Aktivierung von Altgedächtnisinhalten, die insbesondere im häuslichen Umfeld durchgeführte Ergotherapie und die körperliche Aktivierung werden alle in der Behandlung von Patienten mit Demenz empfohlen. Im Vergleich zu der ersten Auflage der Leitlinie liegen für diese drei Verfahren neue, deutlich aussagekräftigere Studien vor, die entsprechende Empfehlungen rechtfertigen.

Die aktualisierte S3-Leitlinie zur Diagnostik, Behandlung und Prävention von Demenzen der DGPPN und DGN betont die Bedeutung einer frühen Diagnostik und ätiologischen Ursachenklärung. Die diagnostischen Maßnahmen und möglichen Konsequenzen hieraus für eine Therapie erfordern vorherige Aufklärung des Betroffenen und gegebenenfalls der Angehörigen. Hierbei ist auf das Vorliegen der Einwilligungsfähigkeit des Patienten zu achten, und falls erforderlich, sind Maßnahmen zu ergreifen, um eine rechtlich verbindliche Vertretungssituation zu schaffen.

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