Die Rolando-Epilepsie, auch bekannt als benigne partielle Epilepsie mit zentrotemporalen Spikes (BECTS), ist eine häufige Form der Epilepsie bei Kindern im Schulalter. Sie zeichnet sich durchAnfälle aus, die vor allem im Schlaf auftreten. Die Rolando-Epilepsie ist in der Regel gutartig und selbstlimitierend, das bedeutet, dass sie mit dem Erwachsenenalter von selbst verschwindet.
Einführung
Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederholte epileptische Anfälle gekennzeichnet ist. Ein epileptischer Anfall entsteht durch eine plötzliche, synchrone Aktivierung von Nervenzellen im Gehirn. Die Anfälle können sich auf vielfältige Art und Weise äußern, von kurzzeitigen Bewusstseinsstörungen bis hin zu tonisch-klonischen Anfällen mit Muskelkrämpfen und Bewusstseinsverlust.
Definition der Rolando-Epilepsie
Die Rolando-Epilepsie ist eine idiopathische, fokale Epilepsieform, die typischerweise im Kindesalter zwischen dem 3. und 13. Lebensjahr auftritt. Sie ist durch Anfälle gekennzeichnet, die vor allem im Schlaf auftreten und sich durch sensomotorische Symptome im Gesichtsbereich äußern. Im EEG zeigen sich typische zentrotemporale Spikes.
Symptome der Rolando-Epilepsie
Die Symptome der Rolando-Epilepsie sind vielfältig, aber typischerweise auf den Gesichtsbereich beschränkt. Die Anfälle treten meist im Schlaf auf und dauern in der Regel nur wenige Minuten. Typische Symptome sind:
- Zuckungen im Gesicht: Die Zuckungen können auf einer Seite des Gesichts oder auf beiden Seiten auftreten. Sie betreffen vor allem die Mundwinkel, die Zunge und die Wangen.
- Sprechstörungen: Die Kinder können während des Anfalls nicht sprechen (Anarthrie) oder nur verwaschen sprechen (Dysarthrie).
- Missempfindungen: Die Kinder verspüren ein Kribbeln, Taubheitsgefühl oder Brennen an der Wangeninnenseite, den Lippen, der Zunge, dem Gaumen oder dem Zahnfleisch.
- Vermehrter Speichelfluss: Durch die Muskelkrämpfe können die Kinder nur schwer schlucken, was zu vermehrtem Speichelfluss und gurgelnden oder röchelnden Geräuschen führen kann.
- Krampfanfall am ganzen Körper: In manchen Fällen kann sich der Anfall auf den ganzen Körper ausbreiten und zu einem generalisierten tonisch-klonischen Anfall führen.
Ursachen der Rolando-Epilepsie
Die genauen Ursachen der Rolando-Epilepsie sind noch nicht vollständig geklärt. Es wird jedoch vermutet, dass eine genetische Veranlagung eine Rolle spielt. Häufig haben Familienmitglieder der Betroffenen ebenfalls eine Neigung zu Krampfanfällen oder Epilepsie.
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Diagnose der Rolando-Epilepsie
Die Diagnose der Rolando-Epilepsie basiert auf den Schilderungen der Anfälle durch die Eltern oder das Kind sowie auf den Ergebnissen einer Elektroenzephalografie (EEG). Im EEG zeigen sich typische zentrotemporale Spikes, die als Rolando-Fokus bezeichnet werden.
EEG-Befunde bei Rolando-Epilepsie
Im EEG zeigen sich bei der Rolando-Epilepsie typische Muster, die als Spikes, Sharp Waves oder Sharp-and-slow-waves bezeichnet werden. Diese Muster treten vor allem im zentrotemporalen Bereich auf, also im Bereich der Elektroden, die mittig und seitlich am Kopf angebracht sind. Der Rolando-Fokus kann sowohl während eines Anfalls als auch in anfallsfreien Phasen auftreten. Schlaf und Müdigkeit begünstigen das Auftreten der Anfälle, daher wird in der Regel ein Schlaf-EEG durchgeführt.
Differentialdiagnose
Die Rolando-Epilepsie kann ähnliche Symptome wie andere Epilepsieformen im Kindesalter aufweisen. Daher ist eine sorgfältige Differentialdiagnose wichtig, um andere Erkrankungen auszuschließen. Dazu gehören unter anderem das Lennox-Gastaut-Syndrom, die Absence-Epilepsie des Schulkindalters und das Pseudo-Lennox-Syndrom.
Krankheitsverlauf und Prognose
Die Rolando-Epilepsie ist in der Regel eine gutartige Erkrankung mit einer günstigen Prognose. Die meisten Kinder haben nur wenige Anfälle, und die Anfälle enden in der Regel mit dem Erwachsenenalter von selbst. In manchen Fällen können jedoch Teilleistungsstörungen im Bereich der Sprache und des schulischen Lernens auftreten.
Behandlung der Rolando-Epilepsie
Die Behandlung der Rolando-Epilepsie richtet sich nach der Häufigkeit und Schwere der Anfälle. In vielen Fällen ist keine medikamentöse Behandlung erforderlich, da die Anfälle selten auftreten und von selbst verschwinden. Wenn eine medikamentöse Behandlung erforderlich ist, werden Antiepileptika eingesetzt.
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Medikamentöse Therapie
Antiepileptika können die Anfallshäufigkeit reduzieren oder die Anfälle ganz verhindern. Die Wahl des geeigneten Medikaments richtet sich nach dem individuellen Fall und den Begleitumständen. Häufig verwendete Antiepileptika bei der Rolando-Epilepsie sind Carbamazepin, Oxcarbazepin und Levetiracetam.
Nicht-medikamentöse Therapieansätze
Neben der medikamentösen Therapie können auch nicht-medikamentöse Therapieansätze hilfreich sein, um die Anfallshäufigkeit zu reduzieren. Dazu gehören unter anderem:
- Regelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus: Ein regelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus kann helfen, Anfälle zu vermeiden.
- Vermeidung von Auslösern: Mögliche Auslöser von Anfällen, wie z. B. Stress, Schlafmangel oder Flackerlicht, sollten vermieden werden.
- Ergotherapie und Logopädie: Bei Kindern mit Teilleistungsstörungen können Ergotherapie und Logopädie hilfreich sein, um dieDefizite auszugleichen.
Forschungsergebnisse zur Beeinflussung der Hirnaktivität im Schlaf
Ein Forschungsteam der Universität und des Universitätsklinikums Tübingen unter der Leitung von Dr. Hong-Viet Ngo und Professor Jan Born hat herausgefunden, dass durch im Schlaf vorgespielte kurze Laute die für die Epilepsie charakteristischen, in der Hirnaktivität messbaren Ausschläge teilweise unterdrückt werden können. Diese Erkenntnisse könnten die Grundlage für künftige Forschungen an Therapien für diese Epilepsieform bilden.
In der Studie zeichnete das Forschungsteam die elektrische Hirnaktivität von sieben an Rolando-Epilepsie erkrankten Kindern sowie sieben jeweils altersgleichen gesunden Kontrollpersonen während des Schlafs nichtinvasiv in Elektroenzephalogrammen (EEG) auf. Dabei stellten sie fest, dass es bei den kleinen Patienten im Schlaf Unterschiede in der Hirnaktivität gegenüber gesunden Kindern gibt. Dies betrifft insbesondere die sogenannten Schlafspindeln, ein Aktivitätsmuster, das wichtig für die Verarbeitung von Gedächtnis im Schlaf ist.
Im Schlaf und in ruhigen Wachphasen wurden außerdem die zu erwartenden epileptischen Entladungen gemessen, die als Ausschlag der Kurve im EEG aufgezeichnet werden. Die Forscher vermuten, dass von der Rate und Stärke dieser Entladungen, die sie als Spikes bezeichnen, abhängt, wie stark ausgeprägt die Beeinträchtigung der Entwicklung der Kinder ist.
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Die Forscher führten Experimente mit Lauten im Schlaf durch, da der wahrscheinliche Ursprungsort der Spikes die Verbindungen zwischen dem Zwischenhirn und der Großhirnrinde sind. Da diese Verbindungen sowohl an der Entstehung von Spikes als auch von Schlafspindeln beteiligt sind und aus früheren Untersuchungen bekannt war, dass sich Schlafspindeln durch Laute stimulieren lassen, vermuteten die Forscher, dass sich so auch die epileptischen Entladungen beeinflussen lassen könnten.
Tatsächlich stellte sich heraus, dass die leise abgespielten Laute bei den an Rolando-Epilepsie erkrankten Kindern sowohl die Spikefrequenz verminderten als auch die Intensität der darauffolgenden Spikes. In Folge der Laute traten die gewünschten Schlafspindeln im EEG auf, ein Indikator dafür, dass plastische Prozesse im Gehirn ablaufen, die zur Festigung von Gedächtnisinhalten führen.
Leben mit Rolando-Epilepsie
Für Kinder mit Rolando-Epilepsie und ihre Familien ist es wichtig, sich umfassend über die Erkrankung zu informieren und sich mit anderen Betroffenen auszutauschen. Eine offene Kommunikation mit dem Arzt ist ebenfalls wichtig, um die bestmögliche Behandlung zu gewährleisten.
Schulbesuch und Freizeitaktivitäten
Kinder mit Rolando-Epilepsie können in der Regel eine normale Schule besuchen und an den meisten Freizeitaktivitäten teilnehmen. Es ist jedoch wichtig, dass die Lehrer und Betreuer über die Erkrankung informiert sind und wissen, wie sie im Falle eines Anfalls reagieren müssen.
Fahrtauglichkeit
Personen, die unter Epilepsie mit Krampfanfällen leiden, sind grundsätzlich in ihrer Fahrtauglichkeit eingeschränkt und können keinen Pkw-Führerschein machen. Unter bestimmten Bedingungen, wie z. B. Anfallsfreiheit über einen bestimmten Zeitraum, kann jedoch eine Ausnahme gemacht werden.
Zusammenfassung
Die Rolando-Epilepsie ist eine häufige und in der Regel gutartige Form der Epilepsie bei Kindern. Die Anfälle treten vor allem im Schlaf auf und äußern sich durch sensomotorische Symptome im Gesichtsbereich. Die Diagnose wird anhand der Anfallsschilderung und des EEG gestellt. In vielen Fällen ist keine medikamentöse Behandlung erforderlich, da die Anfälle von selbst verschwinden. Wenn eine Behandlung erforderlich ist, werden Antiepileptika eingesetzt. Mit einer optimalen Therapie können viele betroffene Kinder Anfallsfreiheit erreichen und ein normales Leben führen.
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