Demenz, oft als chronische Verwirrtheit bezeichnet, ist ein fortschreitender, unumkehrbarer Verlust der geistigen Fähigkeiten, der durch körperliche Ursachen bedingt ist. Sie beeinträchtigt das Gedächtnis, das Denken, die Wahrnehmung und führt zu Persönlichkeitsveränderungen. Demenz ist keine normale Alterserscheinung, sondern eine komplexe Erkrankung mit unterschiedlichen Ursachen. In Deutschland leben fast zwei Millionen Demenzkranke, wobei die meisten älter als 65 Jahre sind, aber auch etwa 100.000 jüngere Menschen betroffen sind. Aufgrund der demografischen Entwicklung wird geschätzt, dass die Demenzrate bis 2050 auf etwa 2,7 Millionen Betroffene steigt.
Symptome und Leitbeschwerden der Demenz
Die Symptome der Demenz sind vielfältig und entwickeln sich bei jedem Menschen individuell. Zu den häufigsten Leitbeschwerden, die über mindestens sechs Monate bestehen müssen, gehören:
- Denkstörungen: Gedächtnisstörungen, die zunächst das Kurzzeitgedächtnis betreffen, beeinträchtigtes Urteils- und Problemlösungsvermögen, zeitliche und räumliche Orientierungsstörungen, das Nichterkennen von Personen und Sprach- und Wortfindungsstörungen.
- Stimmungsänderungen: Passivität, Interesselosigkeit, Angst, Ängstlichkeit und unangemessene Emotionen wie Aggression oder Traurigkeit.
- Verhaltensänderungen: Reizbarkeit, Unruhe, Rückzugsverhalten, Sammelleidenschaft, Verstecken von Gegenständen, Wiederholen von Fragen, Bewegungsdrang und Inkontinenz.
Ursachen von Demenz
Die Demenz ist keine einheitliche Erkrankung, sondern ein Syndrom mit verschiedenen Ursachen. Die häufigsten Formen sind:
Alzheimer-Demenz
Die Alzheimer-Demenz ist mit etwa 60-70 % aller Fälle die häufigste Form der Demenz. Veränderungen im Gehirn entwickeln sich schon Jahre oder Jahrzehnte vor den ersten Beschwerden. Sie beginnen in den Hirnarealen, die für Gedächtnisbildung und Sprache zuständig sind, und breiten sich dann aus. Ursächlich sind Ablagerungen von Tauproteinen und Beta-Amyloid in und um die Nervenzellen, was zum Absterben von Nervenzellen und zur Schrumpfung des Gehirns führt. Die Ursachen der Alzheimer-Demenz sind noch unklar, aber genetische Faktoren spielen eine Rolle. Mutationen der Gene APP, PSEN1 und PSEN2 verursachen bei den Trägern fast immer eine Alzheimer-Erkrankung. Auch Menschen mit einer bestimmten Variante des Apolipoprotein E haben ein erhöhtes Risiko.
Vaskuläre Demenz
Etwa 10-20 % der Demenzen sind vaskulär bedingt. Ursächlich sind Gefäßerkrankungen wie die Multiinfarkt-Demenz, die durch viele kleine Schlaganfälle verursacht wird, einzelne Schlaganfälle, die wichtige Stellen im Gehirn treffen, oder die Binswanger-Erkrankung, bei der langjähriger Bluthochdruck zur Schädigung kleinster Arterien im Gehirn führt.
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Andere Demenzformen
Nur etwa 10 % der Demenzkranken leiden an anderen Demenzformen, wie z. B. der frontotemporalen Demenz (Pick-Krankheit), der Lewy-Körperchen-Demenz, der Parkinson-Krankheit, der Huntington-Krankheit und der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit.
Risikofaktoren für Demenz
Es gibt zahlreiche Faktoren, die die Entwicklung einer Demenz begünstigen. Zu diesen Risikofaktoren gehören:
- Vorangeschrittenes Alter: Das Demenzrisiko steigt mit dem Alter.
- Vererbung: Demenz in der Familie erhöht das Risiko.
- Geringe Bildung und wenig geistige Anregung: Mangelnde geistige Aktivität kann das Risiko erhöhen.
- Übermäßiger Alkoholkonsum und Rauchen: Diese Faktoren schädigen das Gehirn.
- Bewegungsmangel und Übergewicht: Ein ungesunder Lebensstil erhöht das Risiko.
- Diabetes, Fettstoffwechselstörungen, Arteriosklerose: Diese Erkrankungen beeinträchtigen die Durchblutung des Gehirns.
- Depressionen: Depressionen können das Demenzrisiko erhöhen.
- Hörverlust und Sehverlust: Sensorische Beeinträchtigungen können die kognitive Reserve verringern.
- Soziale Isolation und Einsamkeit: Mangelnde soziale Kontakte können das Risiko erhöhen.
- Kopfverletzungen: Wiederholte Schädeltraumata können das Demenzrisiko erhöhen.
- Luftverschmutzung: Umweltfaktoren können ebenfalls eine Rolle spielen.
Einteilung in Schweregrade
Die Demenz lässt sich grob in drei Schweregrade unterteilen:
- Beginnende Demenz: Erhaltene Selbstständigkeit im Alltag, Störungen des Kurzzeitgedächtnisses, Fehlbeurteilung komplexer Situationen, Orientierungsprobleme, Wortfindungsstörungen, Stimmungsschwankungen und Antriebsarmut.
- Fortgeschrittene Demenz: Zunehmende Hilfsbedürftigkeit im Alltag, massive Vergesslichkeit, fortschreitende Orientierungsstörungen, gestörter Tag-Nacht-Rhythmus, Unruhe und Aggressivität.
- Schwere Demenz: Unfähigkeit zu einfachen Alltagstätigkeiten, Kontrollverlust über Körper und Sprache, kompletter Orientierungsverlust und Pflegebedürftigkeit.
Diagnose von Demenz
Die Diagnose von Demenz umfasst verschiedene Schritte:
- Anamnese und körperliche Untersuchung: Die Ärztin/der Arzt erfragt die Symptome und den Alltag der Betroffenen und führt eine körperliche Untersuchung durch.
- Gedächtnis-Tests: Standardisierte Tests wie der Mini-Mental-Status-Test (MMST) oder der Uhren-Test objektivieren Gedächtnis und Denkvermögen.
- Weiterführende Diagnostik: Blutuntersuchungen, Urinuntersuchungen, EKG und CT bzw. Kernspin des Kopfs schließen andere Ursachen aus.
- Differenzierung von Demenztypen: Bildgebende Verfahren und Liquoruntersuchungen helfen, die Form der Demenz zu bestimmen.
- Liquoruntersuchung: Die kombinierte Bestimmung von Amyloid- und Tau-Proteinen hilft, eine Alzheimer-Demenz von anderen demenziellen Erkrankungen abzugrenzen.
- Ultraschall der Halsgefäße: Diese Untersuchung kann wichtige Hinweise auf eine vaskuläre Ursachen der Demenz geben.
- Magnetresonanztomografie und Computertomografie: Diese Verfahren zeigen je nach Erkrankung spezifische Muster im Gehirn.
- Positronenemmissionstomogramm (PET): Bei dieser Untersuchung werden radioaktiv markierte Substanzen in die Vene gespritzt, die sich je nach Stoffwechselaktivität im Hirngewebe anreichern.
- Gentests: Bei sehr früher Demenz oder familiärer Häufung wird ein Gentest auf Mutationen in den Alzheimer-Genen durchgeführt.
- Bluttests: Bluttests können die Diagnostik unterstützen, sind aber noch nicht Standard.
Differenzialdiagnose
Die wichtigste Differenzialdiagnose ist die Altersvergesslichkeit. Eine beginnende Demenz könnte vorliegen, wenn:
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- die Gedächtnisstörungen "anders" sind als früher
- weitere Auffälligkeiten hinzukommen
- die Störungen den Alltag beeinträchtigen.
Auch Demenz und Depression sind schwer voneinander zu trennen.
Behandlung von Demenz
Die Demenz wird mit einer Kombination aus medikamentösen und nichtmedikamentösen Maßnahmen behandelt. Das Ziel ist, die Selbstständigkeit der Betroffenen möglichst lange zu erhalten und die Lebensqualität zu verbessern.
Medikamentöse Therapie
- Antidementiva: Die klassischen Antidementiva können den Verlust der Nervenzellen nicht aufhalten, aber in einigen Fällen die Symptome lindern.
- Acetylcholinesterasehemmer (AChE-Hemmer): Vermindern den Acetylcholinabbau und erhöhen so die Acetylcholinkonzentration im Gehirn. Zugelassen sind Donepezil, Galantamin und Rivastigmin.
- Memantin: Beeinflusst den Glutamatstoffwechsel im Gehirn.
- Krankheitsmodifizierende Wirkstoffe:
- Lecanemab: Wurde 2025 als erstes krankheitsmodifizierendes Medikament für die Alzheimertherapie in der EU zugelassen. Es bindet gezielt lösliches Amyloid-Beta-Protein und vermindert dadurch die Ablagerung von Amyloid-Beta-Plaques im Gehirn.
- Donanemab: Steht kurz vor der Zulassung und scheint etwas stärker zu wirken als Lecanemab, geht aber auch mit etwas mehr Nebenwirkungen einher.
- Medikamente zur Behandlung der Begleitbeschwerden: Depressionen, Aggressionen usw.
Nichtmedikamentöse Therapie
- Früh informieren: Angehörige sollten sich rechtzeitig über den Krankheitsverlauf informieren.
- Milieutherapie: Anpassung des Umfelds an die Bedürfnisse der Betroffenen.
- Kognitive Trainings- und Aktivierungstherapie: Förderung der geistigen Fähigkeiten.
- Ergotherapie, Gymnastik, Denk- und Gedächtnisübungen: Unterstützung der körperlichen und geistigen Funktionen.
- Soziale Aktivitäten: Teilnahme an Gruppenaktivitäten, Singen, Tanzen usw.
- Musiktherapie: Aktivierung von Emotionen und Erinnerungen durch Musik.
- Biografiearbeit: Erinnerungen an die Vergangenheit wachrufen.
- Validation: Akzeptanz der Gefühle und Bedürfnisse der Betroffenen.
Umgang mit Demenz
Der Umgang mit Demenz erfordert viel Geduld, Verständnis und Einfühlungsvermögen. Angehörige sollten:
- ruhig reagieren
- Fehler übergehen
- positive Leistungen loben
- sich in Angehörigengruppen austauschen
- sich rechtzeitig Hilfe von außen suchen.
Vorbeugung von Demenz
Es gibt Hinweise, dass eine fett- und cholesterinarme, kalorienarme Ernährung, Sport, Tanzen, Singen und soziale Aktivitäten schützend vor Alzheimer wirken können. Wer Zeit seines Lebens geistig aktiv war, hat mehr neue Synapsen aufgebaut.
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