Das Rückenmark: Anatomie, Funktion und mögliche Erkrankungen

Das Rückenmark (lateinisch: Medulla spinalis) ist ein wesentlicher Bestandteil des zentralen Nervensystems (ZNS) und stellt eine wichtige Verbindung zwischen Gehirn und Körperperipherie dar. Es verläuft innerhalb des knöchernen Wirbelkanals der Wirbelsäule und ist von schützenden Rückenmarkshäuten umgeben. In diesem Artikel werden wir den Aufbau, die Funktion und mögliche Erkrankungen des Rückenmarks detailliert betrachten.

Was ist das Rückenmark?

Das Rückenmark bildet zusammen mit dem Gehirn das zentrale Nervensystem. Über die komplexen Nervenbahnen des Rückenmarks werden Signale zwischen dem Gehirn und dem restlichen Körper (Peripherie) hin und her geleitet. Das Rückenmark ist rund 45 Zentimeter lang und hat einen Durchmesser von etwa einem Zentimeter.

Wo liegt das Rückenmark?

Das Rückenmark liegt im Wirbelkanal (Spinalkanal). Das ist ein knöcherner Kanal innerhalb der Wirbelsäule.

Aufbau des Rückenmarks

Das Rückenmark besteht aus Nervengewebe, genauer gesagt aus Nervenzellkörpern und -fasern. Diese bilden ein komplexes Gebilde aus aufsteigenden sensiblen und absteigenden motorischen Nervenbahnen.

Nervenbahnen

  • Sensible Bahnen: Diese Bahnen leiten Signale aus der Körperperipherie ans Gehirn weiter, also von unten nach oben (daher aufsteigend genannt). Wenn beispielsweise Sensoren in der Haut eine Berührung wahrnehmen, gelangt dieser Reiz über angeschlossene periphere Nerven zu den Spinalnerven und weiter über die Hinterwurzeln ins Rückenmark. Dieses leitet das Signal über sensible Nervenbahnen ins Gehirn.
  • Motorische Bahnen: Diese Bahnen übermitteln Signale des Gehirns an die Muskulatur, also von oben nach unten (daher absteigend genannt). Befiehlt das Gehirn zum Beispiel, die Hand auszustrecken, gelangt dieses Signal über absteigende motorische Nervenbahnen im Rückenmark an die Körperperipherie: Die motorischen Nerven treten an der sogenannten Vorderwurzel als motorische Nervenfasern aus dem Rückenmark aus. Sie übermitteln den Befehl über die zugehörigen Spinalnerven an periphere Nerven, die ihrerseits die entsprechende Muskeln «informieren». Die größte vom Gehirn durch das Rückenmark absteigende Bahn ist die Pyramidenbahn (siehe auch Kapitel "Funktionelle Systeme").

Nervenwurzeln und Spinalnerven

Das Rückenmark ist außen mit Nervenwurzeln „gespickt“. Die eingehenden Nerven aus der Körperperipherie gelangen über die sogenannten Vorderwurzeln ins Rückenmark und weiter über die sensiblen Nervenbahnen ins Gehirn. Signale aus dem Gehirn werden durch die motorischen Nervenbahnen über sogenannte Hinterwurzeln aus dem Rückenmark heraus geleitet. Die Fasernerven aus Vorder- und Hinterwurzeln vereinen sich paarweise und bilden die Spinalnerven. Diese stellen die Verbindung zu den Nerven der Körperperipherie her. Sie markieren den Übergang zwischen zentralem Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) und peripherem Nervensystem (alle anderen Nerven im Körper).

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Die Paare aus vorderen und hinteren Nervenwurzelfasern ragen rechts und links zwischen den Wirbeln aus dem Rückenmark heraus. Sie gliedern das Rückenmark in Segmente, die den verschiedenen Körperregionen zugeordnet sind. Insgesamt gibt es 31 bis 33 dieser Segmente:

  • acht Halssegmente
  • zwölf Brustsegmente
  • fünf Lendensegmente
  • fünf Kreuzbeinsegmente
  • ein bis drei Steißbeinsegmente

Beim Menschen zählt man in der Regel 31 Spinalnervenpaare, die jeweils seitlich aus dem Wirbelsäulenkanal austreten. Der Spinalnerv enthält alle Fasern, aufsteigende (afferente) wie absteigende (efferente), und geht in Nerven des peripheren Nervensystems über [peripheres Nervensystem‎]. Im Spinalnerv, also kurz vor Eintritt ins / Austritt aus dem Rückenmark, erfolgt die Aufteilung in die Fasern der auf- und absteigenden (afferenten und efferenten) Bahnen.

Graue und weiße Substanz

Der Rückenmark-Aufbau lässt sich im Querschnitt genauer erkennen. Unter dem Mikroskop sieht man die sogenannte graue Substanz sowie die weiße Substanz.

  • Graue Substanz: Die graue Substanz liegt schmetterlingsförmig mittig im Rückenmark und wird von der weißen Substanz umhüllt. Sie besteht vor allem aus Nervenzellkörpern. Ihre Aufgabe ist es, Reize aus Hirn und Peripherie aufzunehmen und zu verarbeiten. Die graue Substanz gliedert sich in drei Abschnitte, die jeweils spezifische Aufgaben bei der Reizaufnahme und -verarbeitung haben: Hinterhorn (der hinten gelegene Schmetterlingsflügel), Zwischenhorn und Vorderhorn (der vorn gelegene Flügel). Die beiden Seiten der grauen Substanz, die zum Bauch (ventral) zeigen, werden als Vorderhorn bezeichnet. Die andere Seite des Schmetterlings, die nach hinten zum Rücken (dorsal) zeigt, bildet das Hinterhorn des Rückenmarks.
  • Weiße Substanz: Die weiße Substanz im Rückenmark besteht hauptsächlich aus Axonen. Das sind lange Nervenzellfortsätze. Sie leiten die Nervenimpulse aus dem Gehirn oder der Peripherie weiter. In der weißen Substanz befinden sich aufsteigende und absteigende Nervenbahnen. Die aufsteigenden (afferenten) Bahnen laufen vom Rückenmark zum Gehirn und leiten Signale aus der Umwelt oder deinem Körper ins Gehirn. vom Gehirn zurück zum Rückenmark zuständig.

Rückenmarkshäute

Das Rückenmark wird von drei bindegewebigen, dünnen Schichten umhüllt: den Rückenmarkshäuten. Von außen nach innen sind dies:

  • die harte Außenhülle namens Dura mater spinalis
  • die weichere Zwischenhaut namens Arachnoidea spinalis
  • die zarte Innenhaut namens Pia mater spinalis

Zwischen der mittleren und der inneren Rückenmarkshaut liegt ein spaltförmiger Raum, der mit Nervenwasser (Liquor) gefüllt ist. Mediziner nennen ihn Subarachnoidalraum.

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Ende des Rückenmarks und Cauda equina

Das Rückenmark ist etwas kürzer als die Wirbelsäule. Deshalb verlaufen die Spinalnerven unterhalb des Rückenmarks als Fasergeflecht durch den Wirbelkanal, ähnlich einem Pferdeschwanz. Diesen untersten Rückenmarksabschnitt nennen Mediziner deshalb auch «Cauda equina» (lateinisch für «Pferdeschwanz»). Am unteren Ende verjüngt sich das Rückenmark zum Conus medullaris und endet als dünner Strang (Filum terminale). Beim Menschen reicht das Rückenmark beim Ungeborenen vom Foramen magnum des Schädels noch bis zum Kreuzbein, beim Säugling bis zu den unteren Lendenwirbeln, beim Erwachsenen endet es auf Höhe des ersten bis zweiten Lendenwirbelkörpers (L1-L2).

Funktion des Rückenmarks

Das Rückenmark hat die Aufgabe, Signale zwischen Gehirn und Körperperipherie weiterzuleiten. Es fungiert somit als Verbindungsapparat zwischen dem Gehirn und der Peripherie des Körpers. Die Funktion der Spinalnerven, die dem Rückenmark an 31 Stellen entspringen, besteht aus der Innervation des Körpers.

Weiterleitung von Signalen

  • Von der Peripherie zum Gehirn: Wenn beispielsweise Sensoren in der Haut eine Berührung wahrnehmen, gelangt dieser Reiz über angeschlossene periphere Nerven zu den Spinalnerven und weiter über die Hinterwurzeln ins Rückenmark. Dieses leitet das Signal über sensible Nervenbahnen ins Gehirn.
  • Vom Gehirn zur Peripherie: Befiehlt das Gehirn zum Beispiel, die Hand auszustrecken, gelangt dieses Signal über absteigende motorische Nervenbahnen im Rückenmark an die Körperperipherie: Die motorischen Nerven treten an der sogenannten Vorderwurzel als motorische Nervenfasern aus dem Rückenmark aus. Sie übermitteln den Befehl über die zugehörigen Spinalnerven an periphere Nerven, die ihrerseits die entsprechende Muskeln «informieren».

Reflexe

Manche Körperreaktionen werden vom Rückenmark selbstständig ausgelöst, ohne Beteiligung des Gehirns. Es handelt sich dabei um Reflexe. Wenn etwa die Hand versehentlich die heiße Herdplatte berührt, zuckt sie reflexartig zurück. Diese schnelle Reaktion ist möglich, weil der Schmerzreiz nicht zuerst an das Gehirn weitergeleitet wird. Anderenfalls wäre die Reaktionszeit zu lang, und die Hand schon verbrannt, bevor der Befehl des Gehirns, die Hand zurückzuziehen, bei den Handnerven ankommt. Reflexe werden bei jeder körperlichen Untersuchung geprüft. Bei einem Eigenreflex wird ein Muskel durch einen sachten Schlag auf eine Sehne kurz gedehnt. Durch diese Reizung wird der oben beschriebene Reflexbogen ausgelöst, der die betroffene Rückenmarksebene nicht verlässt. Bei der Prüfung der Eigenreflexe wird unter anderem die Stärke dieser Muskelanspannung bewertet. Bei einem Fremdreflex gehören Reizempfänger und Reizbeantworter verschiedenen Organsystemen an. Es werden Sinneszellen in der Haut gereizt und dadurch ein Reflexbogen ausgelöst, der sich über verschiedene Höhen des Rückenmarks (des Hirnstamms) ausbreitet.

Rückenmark: Mögliche Krankheiten

Das Rückenmark kann bei verschiedenen Krankheiten und Verletzungen in Mitleidenschaft gezogen werden. Der medizinische Fachbegriff für eine Schädigung des Rückenmarks jeglicher Ursache lautet Myelopathie. Es zählen dazu zum Beispiel:

  • Entzündliche Myelopathie: Eine Entzündung des Rückenmarks (Myelitis) kann etwa durch Viren oder Bakterien verursacht werden.
  • Vaskuläre Myelopathie: Bedingt durch Erkrankungen oder Verschlüsse der versorgenden Gefäße, z.B. Blutung im Wirbelkanal oder Rückenmarksinfarkt.
  • Kompressionsmyelopathie: Quetschung des Rückenmarks, etwa durch einen Bandscheibenvorfall, eine Spinalkanalstenose oder einen Tumor.
  • Traumatische Myelopathie: Z.B. bei einem Genickbruch oder einer Rückenmarksprellung (Contusio spinalis).
  • Stoffwechselbedingte (metabolische) Myelopathie: Z.B. funikuläre Myelose.
  • Toxische Myelopathie: Z.B. bei Lathyrismus (chronische neurologische Erkrankung infolge regelmäßiger Zufuhr bestimmter Hülsenfrüchte mit nervenschädigenden Eiweißbausteinen).

Welche Symptome eine Myelopathie hervorruft, hängt davon ab, in welcher Höhe und in welchem Ausmaß das Rückenmark geschädigt ist. Möglich sind zum Beispiel Missempfindungen wie Kribbelgefühle (etwa in den Händen und Armen), Lähmungen (bis hin zur Querschnittslähmung) sowie Probleme beim Wasserlassen und Stuhlgang.

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Eine komplette spinale Querschnittslähmung kann zum Beispiel durch einen Tumor im Rückenmark ausgelöst werden, der durch sein Ausmaß den Querschnitt eines gesamten Rückenmarksabschnittes schädigt, so dass alle auf- und absteigenden Bahnen unterbrochen werden. Entsprechend kann eine Schädigung im hohen Halsmark, das heißt in Höhe des ersten bis vierten Halswirbelkörpers, die Erregungsleitung von und zu allen darunter liegenden Körpersegmenten wie Zwerchfell, Armen, Beinen, Blase und Mastdarm unterbrechen. Dies führt zu Atemlähmung, Lähmungen und Gefühlsausfällen aller vier Gliedmaßen und der Blasen- und Mastdarmfunktion führt.

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