Rückenschmerzen: Neurologe oder Orthopäde – Welcher Arzt ist der Richtige für Sie?

Rückenschmerzen sind ein weit verbreitetes Leiden, das Menschen aller Altersgruppen betrifft. Die Ursachen können vielfältig sein, von Muskelverspannungen bis hin zu komplexeren Problemen wie Bandscheibenvorfällen oder Nervenreizungen. Angesichts dieser Vielfalt stellt sich oft die Frage: Welcher Arzt ist der richtige Ansprechpartner bei Rückenschmerzen - ein Neurologe oder ein Orthopäde? Dieser Artikel soll Ihnen helfen, diese Frage zu beantworten und den Weg zum passenden Spezialisten zu finden.

Ursachen von Rückenschmerzen

Rückenschmerzen sind ein Symptom, keine eigenständige Erkrankung. Die Ursachen können vielfältig sein:

  • Muskuläre Verspannungen: Fehlhaltungen, einseitige Belastungen oder Stress können zu Verspannungen der Rückenmuskulatur führen.
  • Nervenreizungen oder -entzündungen: Eingeklemmte Nerven, beispielsweise durch einen Bandscheibenvorfall, können starke Schmerzen verursachen.
  • Bandscheibenvorfälle: Hierbei tritt Bandscheibengewebe aus und drückt auf Nervenwurzeln.
  • Gelenkverschleiß (Arthrose): Degenerative Veränderungen der Wirbelgelenke können Schmerzen und Bewegungseinschränkungen verursachen.
  • Entzündliche Erkrankungen: Rheumatische Erkrankungen wie Morbus Bechterew können ebenfalls Rückenschmerzen verursachen.
  • Weitere Ursachen: Seltener können auch Nierenerkrankungen, Tumore oder Verletzungen Rückenschmerzen verursachen.

Wann sollten Sie zum Arzt gehen?

Obwohl Rückenschmerzen in den meisten Fällen harmlos sind und von selbst wieder abklingen, gibt es Situationen, in denen ein Arztbesuch ratsam ist. Das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) empfiehlt, einen Arzt aufzusuchen, wenn:

  • Die Schmerzen plötzlich und ohne erkennbaren Grund auftreten.
  • Die Schmerzen wiederkehren oder sich verschlimmern.
  • Die Schmerzen länger als mehrere Wochen anhalten.

Zusätzlich sollten Sie einen Arzt aufsuchen, wenn folgende Begleiterscheinungen auftreten (IQWiG):

  • Blasen- oder Darmprobleme
  • Taubheitsgefühle
  • Gliederschmerzen
  • Fieber oder Schüttelfrost
  • Appetitlosigkeit oder Gewichtsverlust

Diese Symptome könnten auf eine ernsthaftere Erkrankung hinweisen.

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Der erste Ansprechpartner: Der Hausarzt

In den meisten Fällen ist der Hausarzt der beste erste Ansprechpartner bei Rückenschmerzen. Er kann eine erste Untersuchung durchführen, die Krankengeschichte erheben und entscheiden, ob eine Überweisung an einen Spezialisten erforderlich ist. Viele Rückenprobleme, insbesondere muskuläre Verspannungen, können bereits vom Hausarzt behandelt werden.

Orthopäde, Neurologe oder Neurochirurg - Wer behandelt was?

Die Wahl des Facharztes hängt von der vermuteten Ursache der Rückenschmerzen ab. Hier eine Übersicht über die Zuständigkeitsbereiche:

Orthopäde

Der Orthopäde ist Spezialist für den Bewegungsapparat, also Knochen, Muskeln, Sehnen und Bänder. Er behandelt Beschwerden wie:

  • Gelenkschmerzen und -verschleiß (Arthrose)
  • Versteifungen
  • Sportverletzungen
  • Fußfehlstellungen
  • Wirbelsäulenerkrankungen, die den Knochenbau betreffen

Der Orthopäde kann manuelle Medizin (Therapie mit speziellen Handgriffen) einsetzen, um Blockaden zu lösen und die Beweglichkeit zu verbessern. Eine orthopädische Rehabilitation ist nach operativen Eingriffen am Bewegungsapparat (z. B. Hüft- oder Kniegelenksersatz, Wirbelsäulenoperationen, Knochen- und Sehnenverletzungen) sowie zur konservativen Behandlung chronischer Erkrankungen wie Arthrose, Rückenschmerzen oder Muskel-Sehnen-Probleme sinnvoll.

Neurologe

Der Neurologe ist Spezialist für das Nervensystem. Er behandelt Beschwerden, die durch eingeklemmte oder beschädigte Nerven verursacht werden, wie:

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  • Lähmungserscheinungen
  • Unsicherheiten im Gangbild
  • Gleichgewichtsstörungen
  • Bewegungsstörungen wie Versteifungen
  • Nervenschmerzen (z.B. Ischias)

Eine neurologische Rehabilitation ist besonders wichtig nach einem Schlaganfall, einer Hirnverletzung, bei Multipler Sklerose oder anderen neurologischen Erkrankungen.

Neurochirurg

Der Neurochirurg ist ein operativ tätiger Spezialist, der sich mit Erkrankungen des Nervensystems befasst, die eine Operation erfordern. Dazu gehören:

  • Bandscheibenvorfälle, die konservativ nicht behandelbar sind
  • Rückenmarksverletzungen
  • Tumore in der Wirbelgegend
  • Spinalkanalstenosen (Verengung des Wirbelkanals)

Neurochirurgen führen Operationen an der Wirbelsäule häufig minimalinvasiv mikrochirurgisch durch, um Schmerzen zu lindern und die Funktion wiederherzustellen.

Rheumatologe

Der Rheumatologe ist Spezialist für entzündliche Erkrankungen des Bewegungsapparates und des Bindegewebes. Er behandelt:

  • Chronisch-entzündliche Rückenschmerzen (z.B. Morbus Bechterew)
  • Gelenkschwellungen
  • Autoimmunerkrankungen, die Rückenschmerzen verursachen können

Weitere Spezialisten

In einigen Fällen können auch andere Fachärzte in die Behandlung von Rückenschmerzen einbezogen werden:

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  • Physiotherapeuten: Sie können durch gezielte Übungen und manuelle Techniken die Muskulatur stärken, die Beweglichkeit verbessern und Schmerzen lindern.
  • Chiropraktiker: Sie behandeln Blockaden und Fehlstellungen der Wirbelsäule mit speziellen Handgriffen.
  • Psychotherapeuten: Bei chronischen Schmerzen können psychische Faktoren eine Rolle spielen. Eine Psychotherapie kann helfen, Schmerzbewältigungsstrategien zu entwickeln und das Schmerzgedächtnis zu beeinflussen.

Die Rolle der interdisziplinären Zusammenarbeit

Die Behandlung von Rückenschmerzen erfordert oft eine interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Fachrichtungen. So kann beispielsweise ein Orthopäde die Diagnose stellen und eine Physiotherapie verordnen, während ein Neurologe bei Nervenreizungen die medikamentöse Behandlung übernimmt. In komplexen Fällen kann ein Team aus Orthopäden, Neurologen, Neurochirurgen, Schmerztherapeuten und Physiotherapeuten zusammenarbeiten, um den bestmöglichen Behandlungsplan zu entwickeln.

Diagnostik bei Rückenschmerzen

Um die Ursache der Rückenschmerzen zu ermitteln, stehen verschiedene diagnostische Verfahren zur Verfügung:

  • Körperliche Untersuchung: Der Arzt untersucht die Beweglichkeit, Haltung und Reflexe des Patienten. Er tastet die Wirbelsäule und die umliegende Muskulatur ab, um Schmerzpunkte und Verspannungen zu erkennen.
  • Anamnese: Der Arzt befragt den Patienten ausführlich nach seinen Beschwerden, Vorerkrankungen, Lebensumständen und Medikamenteneinnahme.
  • Bildgebende Verfahren:
    • Röntgenaufnahmen: Sie können knöcherne Veränderungen wie Arthrose oder Frakturen darstellen.
    • Magnetresonanztomographie (MRT): Sie ermöglicht eine detaillierte Darstellung von Weichteilgeweben wie Bandscheiben, Nerven und Muskeln.
    • Computertomographie (CT): Sie kann knöcherne Strukturen noch detaillierter darstellen als Röntgenaufnahmen.
  • Neurologische Untersuchungen: Bei Verdacht auf Nervenschädigungen können neurologische Untersuchungen wie Elektromyographie (EMG) und Nervenleitgeschwindigkeitsmessungen durchgeführt werden.
  • Blutuntersuchungen: Sie können Hinweise auf Entzündungen oder andere Erkrankungen liefern.

Therapie von Rückenschmerzen

Die Therapie von Rückenschmerzen richtet sich nach der Ursache und der Schwere der Beschwerden. Es gibt eine Vielzahl von Behandlungsmöglichkeiten:

  • Konservative Therapie:
    • Schmerzmittel: Sie können helfen, die Schmerzen zu lindern.
    • Entzündungshemmende Medikamente: Sie können bei entzündungsbedingten Schmerzen eingesetzt werden.
    • Muskelrelaxantien: Sie können Verspannungen lösen.
    • Physiotherapie: Sie umfasst Übungen zur Stärkung der Muskulatur, Verbesserung der Beweglichkeit und Haltungsschulung.
    • Wärme- oder Kälteanwendungen: Sie können Schmerzen lindern und Verspannungen lösen.
    • Manuelle Therapie: Sie umfasst Techniken zur Lösung von Blockaden und zur Verbesserung der Gelenkfunktion.
    • Injektionen: In bestimmten Fällen können Injektionen mit Schmerzmitteln oder Kortison in die Nähe von Nervenwurzeln oder Gelenken erfolgen (PRT, Facetteninfiltration).
  • Operative Therapie:
    • Eine Operation ist nur in seltenen Fällen erforderlich, beispielsweise bei schweren Bandscheibenvorfällen, Spinalkanalstenosen oder Tumoren.
    • Es gibt verschiedene operative Verfahren, die je nach Ursache der Rückenschmerzen eingesetzt werden können.

Was Sie selbst tun können

Neben der ärztlichen Behandlung können Sie selbst einiges tun, um Rückenschmerzen vorzubeugen oder zu lindern:

  • Bewegung: Regelmäßige Bewegung stärkt die Muskulatur und verbessert die Beweglichkeit. Geeignete Sportarten sind beispielsweise Schwimmen, Walking, Yoga oder Pilates.
  • Ergonomie: Achten Sie auf eine ergonomische Gestaltung Ihres Arbeitsplatzes und auf eine gute Körperhaltung im Alltag.
  • Gewichtsmanagement: Übergewicht belastet die Wirbelsäule. Eine gesunde Ernährung und regelmäßige Bewegung können helfen, das Gewicht zu reduzieren.
  • Stressmanagement: Stress kann zu Muskelverspannungen führen. Entspannungstechniken wie autogenes Training oder progressive Muskelentspannung können helfen, Stress abzubauen.
  • Vermeidung von Fehlbelastungen: Heben Sie schwere Gegenstände richtig (aus den Beinen, nicht aus dem Rücken) und vermeiden Sie einseitige Belastungen.

Spritzen gegen Rückenschmerzen: Hoffnung oder Irrweg?

Spritzen gegen Rückenschmerzen, insbesondere die periradikuläre Therapie (PRT), sind ein umstrittenes Thema. Bei der PRT werden Medikamente (Lokalanästhetika und Kortison) direkt an die Nervenwurzel injiziert, um Schmerzen und Entzündungen zu lindern.

Die internationalen Leitlinien sind sich einig, dass die PRT eher bei spezifischen Rückenschmerzen in Frage kommt, also solchen, bei denen eine klare körperliche Ursache vorliegt, insbesondere bei Bandscheibenvorfällen mit Nervenwurzelreizung.

Bei nicht-spezifischen Rückenschmerzen, bei denen keine eindeutige Ursache festgestellt werden kann, ist der Nutzen von Spritzen umstritten. Einige Studien haben gezeigt, dass Injektionen bei chronischen Rückenschmerzen, die nicht mit Krebserkrankungen oder entzündlichen Gelenkerkrankungen in Zusammenhang stehen, nicht wirksam sind. Andere Fachverbände sehen interventionelle Verfahren wie epidurale Injektionen als wichtigen Bestandteil eines multimodalen Ansatzes zur Behandlung von spezifischen Wirbelsäulenschmerzen.

Es ist wichtig zu beachten, dass Spritzen gegen Rückenschmerzen auch Nebenwirkungen haben können. Daher sollte die Indikation für eine solche Behandlung sorgfältig geprüft und mit dem Arzt besprochen werden.

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