Rückwärtslaufen: Wirkung auf Gehirn, Körper und Gelenke

Rückwärtslaufen, auch bekannt als Reverse Running oder Backward Running, ist mehr als nur eine ungewöhnliche Trainingsmethode. Es ist eine effektive Möglichkeit, den Körper auf neue Weise herauszufordern, die Muskeln zu stärken, die Gelenke zu schonen und sogar die Gehirnfunktion zu verbessern. Studien haben gezeigt, dass bereits zehn Minuten Rückwärtslaufen täglich messbare positive Effekte erzielen können.

Was ist Rückwärtslaufen?

Rückwärtslaufen ist, wie der Name schon sagt, das Laufen in entgegengesetzter Richtung. Was zunächst seltsam anmutet, ist in der Sportwelt keine Neuheit. Im Reha-Bereich wird es beispielsweise zur Behandlung von Bein- oder Fußverletzungen sowie nach Schlaganfällen eingesetzt. Auch im Laufsport findet es Anwendung, sei es als Aufwärmübung oder als Teil des Trainingsprogramms. Es gibt sogar ambitionierte Sportler, die im Rückwärtslaufen Weltrekorde aufstellen.

Körperliche Vorteile des Rückwärtslaufens

Rückwärtslaufen fordert den Körper auf einzigartige Weise heraus. Im Vergleich zum Vorwärtslaufen werden andere Muskelgruppen aktiviert, und der Körper muss sich an die ungewohnte Bewegung anpassen:

  • Muskelstärkung: Besonders die Muskeln in den Beinen, der Hüfte und dem Rumpf werden beim Rückwärtslaufen stärker beansprucht. Vor allem die Oberschenkelrückseite und das Gesäß müssen intensiver arbeiten. Auch die tieferliegenden Muskeln im unteren Rücken werden gezielt aktiviert.
  • Gelenkschonung: Beim Rückwärtsgehen verlagert sich der Druck auf die Gelenke, wodurch diese entlastet werden. Der Bewegungsradius ist kleiner, und die Belastung wird besser verteilt. Dies kann besonders für Menschen mit Rückenschmerzen oder Knieproblemen von Vorteil sein. Studien deuten darauf hin, dass Rückwärtslaufen die Schmerzen und Bewegungseinschränkungen bei Kniearthrose reduzieren kann.
  • Verbesserte Haltung: Rückwärtslaufen fördert eine aufrechtere Körperhaltung, da man automatisch aufmerksamer ist und den Blick nach hinten richtet. Dies stärkt die Rückenmuskulatur und kann Haltungsschäden entgegenwirken.
  • Erhöhter Kalorienverbrauch: Rückwärtsgehen ist anstrengender als normales Gehen. Der Energieaufwand ist fast doppelt so hoch. Dies macht es zu einer effektiven Methode zur Gewichtsreduktion oder zur Steigerung der Fitness.
  • Verbesserte Propriozeption und Gleichgewicht: Rückwärtslaufen kann die Propriozeption (Tiefensensibilität) verbessern, also die Fähigkeit, die Position und Bewegung des Körpers im Raum wahrzunehmen. Dies führt zu einem besseren Körpergefühl und einem verbesserten Gleichgewichtssinn.

Auswirkungen auf das Gehirn

Rückwärtslaufen hat nicht nur positive Auswirkungen auf den Körper, sondern auch auf das Gehirn:

  • Gesteigerte Konzentration und Koordination: Da Rückwärtslaufen eine ungewohnte Bewegung ist, erfordert es eine hohe Konzentration und Koordination. Die Sinne sind geschärft, und das Gehirn muss sich stärker anstrengen, um die Bewegung zu steuern. Dies trainiert das Koordinationsvermögen und die Selbstwahrnehmung.
  • Aktivierung des präfrontalen Kortex: Studien haben gezeigt, dass Rückwärtsgehen den präfrontalen Kortex aktiviert, also die Gehirnregion, die für Planung, Konzentration und Gedächtnis zuständig ist.
  • Verbessertes Gedächtnis: Einige Studien deuten darauf hin, dass Rückwärtsgehen das Kurzzeitgedächtnis und das Erinnerungsvermögen verbessern kann. Es wird vermutet, dass dies damit zusammenhängt, dass Rückwärtsbewegung das Gehirn dazu anregt, sich an Vergangenes zu erinnern. In einem Experiment der Londoner University of Roehampton zeigten Probanden bessere Leistungen bei einem Gedächtnistest, wenn sie zuvor rückwärtsgegangen waren.
  • Neuroplastizität: Schon die bloße Vorstellung, rückwärts zu gehen, kann messbare Effekte auf das Gehirn haben. Forscher vermuten, dass diese mentale Bewegung ähnliche Netzwerke im Gehirn aktiviert wie echte körperliche Aktivität. Entscheidend ist dabei die sogenannte Neuroplastizität - also die Fähigkeit des Gehirns, flexibel zu bleiben und neue Verknüpfungen zu bilden. Diese Fähigkeit lässt mit dem Alter nach - kann aber gezielt trainiert werden.

Wer kann vom Rückwärtslaufen profitieren?

Rückwärtslaufen eignet sich grundsätzlich für alle, die körperlich fit sind und eine gewisse Gehsicherheit besitzen. Besonders profitieren können:

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  • Menschen mit Rücken- oder Knieschmerzen: Rückwärtslaufen kann die Gelenke entlasten und die Muskulatur stärken, was zu einer Linderung der Beschwerden führen kann.
  • Sportler zur Leistungssteigerung: Rückwärtslaufen kann die Laufökonomie verbessern und die Beinmuskulatur stärken, was zu einer besseren Performance beim normalen Laufen führen kann.
  • Ältere Menschen zur Sturzprophylaxe: Rückwärtslaufen verbessert den Gleichgewichtssinn und die Koordination, was das Sturzrisiko verringern kann.
  • Menschen, die ihr Gedächtnis trainieren möchten: Rückwärtslaufen kann die Gehirnfunktion anregen und das Gedächtnis verbessern.
  • Personen in der Rehabilitation: Rückwärtslaufen wird in der Rehabilitation eingesetzt, um die Mobilität und das Gleichgewicht nach Verletzungen oder Schlaganfällen wiederherzustellen.

Allerdings gibt es auch Personengruppen, denen vom Rückwärtslaufen abzuraten ist:

  • Menschen mit instabilem Sprunggelenk: Sie haben ein erhöhtes Risiko, beim Rückwärtslaufen zu stolpern und sich zu verletzen.
  • Personen mit Problemen mit der Halswirbelsäule oder Beschwerden im Schulter-Nacken-Bereich: Das häufige Kopfwenden beim Rückwärtslaufen kann die Beschwerden verstärken.
  • Menschen mit Gleichgewichtsstörungen: Das Risiko, die Balance zu verlieren, ist hoch.
  • Personen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Die ungewohnte Belastung kann zu Problemen führen.
  • Menschen mit Osteoporose oder anderen Erkrankungen, die das Sturzrisiko erhöhen: Hier ist Vorsicht geboten.

Tipps für den Einstieg ins Rückwärtstraining

Wenn Sie mit dem Rückwärtslaufen beginnen möchten, sollten Sie folgende Tipps beachten:

  • Sicherheit geht vor: Wählen Sie eine ebene, hindernisfreie Strecke, die Sie gut kennen. Am besten ist ein leerer Flur in der Wohnung, eine Wiese oder ein Laufband.
  • Langsam anfangen: Beginnen Sie mit dem Rückwärtsgehen und steigern Sie das Tempo allmählich.
  • Aufmerksam bleiben: Konzentrieren Sie sich auf Ihre Bewegungen und achten Sie auf Ihre Umgebung. Werfen Sie ab und zu einen Blick über die Schulter, um die Strecke abzuschätzen.
  • Nicht übertreiben: Beginnen Sie mit kurzen Trainingseinheiten von wenigen Minuten und steigern Sie die Dauer und Intensität langsam.
  • Geeignetes Schuhwerk: Tragen Sie Laufschuhe mit flexiblen Sohlen, die Ihren Füßen Halt geben.
  • Dehnübungen: Planen Sie Dehnübungen vor und nach dem Rückwärtslaufen ein, um Muskelzerrungen vorzubeugen.
  • Trainingspartner: Suchen Sie sich einen Trainingspartner, der Sie begleitet und die Strecke absichert.

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