Schizophrenie ist eine komplexe psychische Erkrankung, die durch eine Vielzahl von Symptomen wie Halluzinationen, Wahnvorstellungen, Denkstörungen und kognitive Beeinträchtigungen gekennzeichnet ist. Die Ursachen der Schizophrenie sind vielfältig und noch nicht vollständig geklärt. Es wird angenommen, dass ein Zusammenspiel von genetischen, umweltbedingten und biographischen Faktoren zur Entstehung und Aufrechterhaltung der Krankheit beiträgt. In den letzten Jahren hat die Forschung zunehmend die Rolle von Entzündungen im Gehirn bei der Entstehung und dem Verlauf der Schizophrenie in den Fokus gerückt.
Mögliche Ursachen und Risikofaktoren
Genetische Veranlagung
Die Schizophrenie ist eine komplexe, multifaktorielle Erkrankung, deren Entstehung durch das Zusammenspiel von genetischen und Umweltfaktoren bedingt ist. Schätzungen zufolge wird etwa 80 % des Risikos für die Entwicklung von Schizophrenie durch genetische Faktoren beeinflusst. Menschen mit Verwandten, die an Schizophrenie erkrankt sind, haben nachweislich ein höheres Erkrankungsrisiko. Etwa 50% der Kinder von Menschen, die an Schizophrenie erkrankt sind, zeigen psychische Auffälligkeiten, und 12% erkranken an einer Schizophrenie (gegenüber einem Lebenszeit-Erkrankungsrisiko von ca. 0,5 bis 1% in der Allgemeinbevölkerung). Familien-, Adoptions- und Zwillingsstudien weisen darauf hin, dass die Anfälligkeit für Schizophrenie zumindest zum Teil auf genetischer Veranlagung beruht. So nimmt die Wahrscheinlichkeit, an Schizophrenie zu erkranken, mit steigendem Verwandtschaftsgrad zum Erkrankten zu. Sind beide Eltern an Schizophrenie erkrankt, liegt das Schizophrenie-Risiko für ihr Kind bei ca. 40%. Auch bei Zwillingen ist die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass beide Geschwister erkranken: sie liegt bei zweieiigen Zwillingen bei ca. 15%, bei eineiigen Zwillingen bei 50%. Dass dieser Wert bei eineiigen Zwillingen zwar hoch ist, aber nicht 100% beträgt, zeigt aber auch, dass die genetischen Faktoren nicht die alleinige Ursache für Schizophrenie sein können. Vermutlich trägt auch nicht ein Gen, sondern eine Vielzahl unabhängiger Mutationen zur Entstehung bei. Vererbung spielt auch nicht die wichtigste Rolle bei der Entstehung der Schizophrenie.
Umweltfaktoren und Vulnerabilität
Das Vulnerabilitäts-Stress-Coping-Modell nach Zubin und Nücherlein bietet einen Erklärungsansatz für die Entstehung der Schizophrenie. Dieses Modell geht davon aus, dass die genetische Veranlagung (Vulnerabilität) eine Person anfälliger für die Entwicklung der Erkrankung macht. Stressfaktoren und eine verminderte Fähigkeit, mit Belastungen umzugehen (Coping), tragen dazu bei, dass die Krankheit ausbricht. Menschen, die an einer Schizophrenie erkranken, sind vermutlich empfindsamer gegenüber Innen- und Außenreizen. Bereits vor Beginn der Erkrankung besteht bei ihnen eine geringere Toleranz gegenüber seelischen, körperlichen und biografischen Belastungsfaktoren. Diese besondere Verletzlichkeit (Vulnerabilität) spielt bei der Auslösung und Aufrechterhaltung der Störung eine Rolle.
Infektionen des zentralen Nervensystems (ZNS)
Die Frage, ob Infektionserkrankungen das Auftreten schizophrener Störungen verursachen, beschäftigt die Psychiatrie schon seit Jahrzehnten. Da bei der Schizophrenie eine Entwicklungsstörung des Gehirns angenommen wird, erscheint eine Beteiligung neurotroper Erreger plausibel, etwa im Rahmen kindlicher Entzündungen.
Eine Forschergruppe vom Karolinska-Institut in Stockholm untersuchte, ob unter Patienten, die in ihrer Kindheit wegen Meningitiden und Enzephalitiden im Krankenhaus behandelt wurden, häufiger schizophrene und andere nicht affektive Psychosen auftraten als bei Personen ohne kindliche ZNS-Entzündungen. Tatsächlich bestand eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für die seelische Störung, soweit die Patienten als Kinder an Mumps- und Cytomegalievirus-Infektionen des Gehirns erkrankt waren (Risikoverhältnis: 2,7 [95-%-Konfidenzintervall: 1,2-6,1] und 16,6 [95-%-KI: 4,3-65,1]). Die Ergebnisse sind kontrolliert für andere Psychose-Risikofaktoren wie männliches Geschlecht, Alter, Familienbelastung und Aufwachsen in städtischer Umgebung. Bakterielle und andere virale Erkrankungen des Gehirns - genauso wie virale ZNS-Erkankungen insgesamt - waren nicht signifikant mit Psychosen assoziiert.
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Eine weitere Studie analysierte die Blutseren von Soldaten und fand bei schizophrenen Patienten einen um 24 % höheren IgG-Titer für Toxoplasma gondii („hazard ratio“: 1,24; p < 0,01). Die Assoziation mit T. gondii blieb auch bestehen nach Kontrolle für andere Schizophrenie-Risikofaktoren wie Geschlecht, Alter, ethnische Zugehörigkeit oder neurotrope virale Erreger. Diese Studien legen einen Einfluss von ZNS-Infektionen auf die Entwicklung von Schizophrenien nahe. Allerdings ist er vermutlich klein: Insgesamt hatten nur sieben Prozent aller schizophrenen Soldaten überhaupt IgG gegen T. gondii. Und: Solche Antikörper kann man bei 20 Prozent aller Amerikaner nachweisen, die übergroße Mehrheit dieser Gruppe entwickelt jedoch keine Psychose.
Neurotransmitter-Ungleichgewicht und veränderte Gehirnstrukturen
Das Gehirn besteht aus Milliarden von Nervenzellen, die durch komplizierte Stoffwechselprozesse miteinander in Verbindung stehen. An diesen Stoffwechselvorgängen sind eine Reihe von chemischen Substanzen (Botenstoffe) beteiligt. Ein Ungleichgewicht dieser Botenstoffe und damit verbundene Störungen in der Informationsverarbeitung verursachen vermutlich zusammen mit anderen Faktoren die Symptome der Schizophrenie. Eine der wichtigsten chemischen Substanzen in Bezug auf schizophrene Erkrankungen ist das Dopamin. Neuere Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass auch weitere Botenstoffe (vor allem Glutamat) an der Erkrankung beteiligt sind. Der aus dem Gleichgewicht geratene Stoffwechselvorgang im Gehirn ist auch der Ansatzpunkt für die medikamentöse Behandlung. Neben diesen Stoffwechselstörungen im Gehirn weisen Betroffene auch veränderte Gehirnstrukturen (z.B. Auffälligkeiten im limbischen System, welches u.a. für emotionales Verhalten verantwortlich ist und eine geringere Anzahl von Neuronen, die im Gehirn Reize/Impulse weiterleiten) gegenüber gesunden Menschen auf. Dies belegen zahlreiche Studien mit unterschiedlichsten bildgebenden Untersuchungen des Gehirns (z.B. Reduktion des Volumens von Hippocampus und Amygdala: Der Hippocampus ist eine zentrale Schaltstation im limbischen System, das für die Verarbeitung von Emotionen und das Triebverhalten verantwortlich ist. Die Amygdala, ebenfalls Teil des limbischen Systems, ist wesentlich an der Angstentstehung beteiligt. Die Rolle von Neurotransmittern in der Pathogenese der Schizophrenie wird intensiv diskutiert, aber es gibt widersprüchliche Befunde. Ein möglicher Faktor könnte ein GABA-Mangel (Gamma-Amino-Buttersäure) sein. GABA ist der wichtigste hemmende Neurotransmitter im Gehirn und spielt eine entscheidende Rolle bei der Regulierung neuronaler Erregbarkeit.
Die Rolle von Entzündungen im Gehirn
Entzündungsreaktionen im Gehirn scheinen bei der Entstehung kognitiver Symptome, die bei Schizophrenie auftreten, eine Rolle zu spielen. Menschen mit Schizophrenie leiden oft auch an kognitiven Störungen. Dazu zählen Beeinträchtigungen der Selbstkontrolle, der Aufmerksamkeit und Konzentration sowie der Gedächtnisleistung. Einem Wissenschaftsteam ist es nun erstmals gelungen, diese Mechanismen an lebenden, menschlichen Zellen nachzuverfolgen.
Forschungsergebnisse zu Entzündungsprozessen
Ein Forschungsteam aus Reutlingen und Tübingen hat eine Methode entwickelt, den Ursachen von Schizophrenie auf den Grund zu gehen, ohne Nervenzellen von lebenden Menschen zu entnehmen: Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nutzten stattdessen Hautzellen von Menschen, die an Schizophrenie erkrankt sind. Die Hautzellen wurden unter der Leitung von Prof. Dr. Andreas Fallgatter an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Tübingen von Patienten entnommen. Das Team um Prof. Dr. Hansjürgen Volkmer am NMI in Reutlingen, hat die Zellen anschließend in Stammzellen umprogrammiert. Aus diesen Stammzellen konnten Nervenzellen (Neuronen) und Mikroglia-Zellen ausdifferenziert werden. Mikroglia sind die Immunzellen des Gehirns, auch Fresszellen des Gehirns oder Gehirn-Makrophagen genannt. Es stellte sich heraus, dass die Mikroglia-Zellen von Erkrankten aktiviert sind und durch entzündliche Prozesse die Neuronen schädigen. „Sie zerstören Synapsen, was nahelegt, dass aktivierte Mikroglia die Funktion neuronaler Netzwerke einschränkt und dadurch kognitive Störungen hervorruft“, erklärt Prof. Dr. Hansjürgen Volkmer vom NMI. „Dass Entzündungsreaktionen bei manchen an Schizophrenie Erkrankten eine Rolle spielen könnte, ist seit ein paar Jahren bekannt. Bislang gab es aber keine Möglichkeit, solche Mechanismen experimentell zu untersuchen. Gleichzeitig haben die Forschenden festgestellt, dass Neuronen die mikroglialen Zellen geradezu anfeuern. Beide Zelltypen beeinflussen sich also gegenseitig negativ - ein Teufelskreis! Die gute Nachricht: Die Aktivität der Mikroglia konnte durch die Vorbehandlung mit Minocyclin, einem entzündungshemmenden Medikament, reduziert werden. Das verringerte den Synapsenverlust.
Klinische Relevanz und therapeutische Ansätze
Die Ergebnisse helfen, die individuellen Ursachen von Schizophrenie besser nachzuvollziehen. Zu verstehen, wie eine Erkrankung entsteht, ist der erste Schritt, sie zu behandeln. Mit dieser Forschung möchte man einen Beitrag zu neuen Therapien bei Schizophrenie leisten, bei denen die Behandlung von Entzündungsmechanismen einbezogen wird“, erklärt Prof. Dr. Andreas Fallgatter von der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Tübingen.
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In einigen Fällen von schizophrenieähnlichen Symptomen konnte eine Entzündung des Gehirns als Ursache identifiziert und erfolgreich behandelt werden. Ein Beispiel ist die NMDA-Rezeptor-Enzephalitis, bei der Immun-Antikörper im Gehirn eine Andockstelle des Botenstoffs NMDA blockieren und zu einer Entzündung führen. Eine hochdosierte Kortisontherapie und weitere Immuntherapien können die Entzündung zurückdrängen und die Symptome verbessern.
Diagnose und Behandlung
Die Schizophrenie ist eine schwere Erkrankung der Psyche, die für die Betroffenen, aber auch für ihre Angehörigen, eine massive Belastung darstellt und unbehandelt sogar zum Selbstmord des Patienten führen kann. Wird eine Schizophrenie frühzeitig diagnostiziert, verbessern sich die Behandlungsmöglichkeiten und damit der klinische Verlauf deutlich. Die ersten Symptome einer schizophrenen Psychose sind jedoch meist sehr unspezifisch, weshalb die Krankheit in der Regel häufig erst mehrere Jahre nach Erkrankungsausbruch erkannt wird.
Frühzeitige Erkennung durch Neuroimaging
Ein internationales Forscherteam konnte mithilfe der Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT) bereits im Frühstadium der Erkrankung Muster im Gehirn sichtbar machen, die nur bei Schizophrenie-Patienten auftreten. Durch den Blick in das Gehirn des Patienten können wir bereits im Frühstadium Muster erkennen, die auf eine Schizophrenie hindeuten. Damit wird eine Behandlung bereits möglich, bevor die Erkrankung ausbricht. So kann der Arzt den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen.“ Ein späterer Ausbruch der Schizophrenie, der mit Wahnerleben, Halluzinationen und Denkstörungen einhergeht, könne durch eine frühzeitige Therapie verhindert oder zumindest abgemildert werden.
Therapieansätze
Die Therapie einer Schizophrenie setzt sich aus einer individuell abgestimmten Kombination von medikamentöser Therapie, Psychotherapie und anderen therapeutischen Verfahren (Ergotherapie, Soziotherapie etc.) zusammen. Die Kombination dieser Methoden kann den Betroffenen ermöglichen, besser mit der Erkrankung umzugehen und ein weitgehend normales Leben zu führen.
Symptome der Schizophrenie
Die Leitsymptome für Schizophrenie sind (nach ICD-10):
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- Gedankenlautwerden, -eingebung, -entzug, -ausbreitung.
- Kontroll- oder Beeinflussungswahn; das Gefühl, Körperbewegungen, Gedanken, Tätigkeiten oder Empfindungen seien fremdgesteuert; Wahnwahrnehmungen.
- Kommentierende oder dialogische Stimmen.
- Anhaltender, kulturell unangemessener oder völlig unrealistischer Wahn.
- Anhaltende Halluzinationen jeder Sinnesmodalität.
- Gedankenabreißen oder -einschiebungen in den Gedankenfluss.
- Symptome wie Erregung, Haltungsstereotypien, Negativismus oder Stupor (Erstarrung).
- Negative Symptome wie auffällige Apathie (Teilnahmslosigkeit), Sprachverarmung, verflachter oder inadäquater Affekt (Gemütsbewegung).
Die Symptome, unter denen Menschen mit Schizophrenie leiden, lassen sich in folgende Gruppen einteilen:
- Positiv-Symptome: Halluzinationen, Wahnvorstellungen, Ich-Störungen, Denkstörungen
- Negativ-Symptome: sozialer Rückzug, abnehmende Interessen, Antriebslosigkeit und Vernachlässigung des Äußeren.
- Kognitive Beeinträchtigungen: Beeinträchtigungen der Aufmerksamkeit, des Gedächtnisses und der Konzentration.
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