Das Bobath-Konzept: Ein umfassender Ansatz zur Rehabilitation nach einem Schlaganfall

Das Bobath-Konzept ist ein weltweit anerkanntes und angewandtes bewegungstherapeutisches Konzept, das speziell für Menschen mit neurologischen Erkrankungen und Schädigungen des zentralen Nervensystems (ZNS) entwickelt wurde. Es findet vor allem Anwendung bei Patienten nach einem Schlaganfall, kann aber auch bei anderen Erkrankungen wie Multipler Sklerose, Morbus Parkinson oder Zerebralparese eingesetzt werden. Ziel des Bobath-Konzeptes ist es, die Selbstständigkeit und Lebensqualität der Betroffenen im Alltag wiederherzustellen oder zu verbessern. Dieser Artikel beleuchtet die Definition, die zentralen Prinzipien, die Anwendungsbereiche und die aktuellen Entwicklungen des Bobath-Konzepts.

Definition des Bobath-Konzepts

Das Bobath-Konzept, benannt nach der Physiotherapeutin Berta Bobath und ihrem Mann, dem Neurologen Dr. Karl Bobath, wurde in den 1940er Jahren entwickelt. Es ist ein umfassender Pflege- und Therapieansatz, der sich an Menschen mit Störungen des zentralen Nervensystems richtet. Im Kern handelt es sich um einen problemlösenden Ansatz, der darauf abzielt, motorische Einschränkungen, Spastizität und Gleichgewichtsstörungen durch individuelle und alltagsintegrierte Maßnahmen zu verbessern.

Die von der IBITA (International Bobath Instructors Training Association) entwickelten theoretischen Annahmen stellen das Prinzip des selbstständigen Problemlösungsprozesses des Patienten in den Vordergrund der Behandlung. Grundlage für die praktische Anwendung sind aktuelle Erkenntnisse über motorische Kontrolle, motorisches Lernen, neuronale und muskuläre Plastizität sowie Biomechanik.

Die zentralen Prinzipien des Bobath-Konzepts

Das Bobath-Konzept beruht auf mehreren grundlegenden Prinzipien, die in der Therapie berücksichtigt werden:

  1. Ganzheitlichkeit: Der Patient wird in seiner Gesamtheit betrachtet, wobei die Wechselwirkungen zwischen senso-motorischen, perzeptiv-kognitiven und sozio-emotionalen Fähigkeiten beachtet werden.
  2. Wechselwirkung zwischen Befund und Behandlung (Clinical Reasoning): Beobachtung und Befunderhebung finden während der Behandlung statt. Therapeuten passen sich fortlaufend an Veränderungen an und entwickeln neue Fragestellungen und Hypothesen über Zusammenhänge zwischen Haltung und Bewegung.
  3. Dialogisches Prinzip: Die Therapie ist eine Interaktion zwischen Patient und Therapeut, wobei Ziele, Wünsche und Pläne des Patienten in die Therapieplanung einbezogen werden. Die Zusammenarbeit mit Angehörigen, dem sozialen Umfeld und anderen Berufsgruppen ist von großer Bedeutung.
  4. Alltagsorientierung: Ziele, Schwerpunkte und Vorgehensweisen orientieren sich an der Gegenwart und der Brauchbarkeit für den Alltag des Patienten. Das Bestreben nach Eigenständigkeit und die bestmögliche Teilhabe am Leben stehen im Vordergrund.

Ziele des Bobath-Konzepts

Die Ziele des Bobath-Konzepts sind vielfältig und individuell auf den Patienten zugeschnitten. Im Allgemeinen lassen sich folgende Hauptziele nennen:

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  • Verbesserung der motorischen Funktionen: Durch gezielte Übungen und Aktivitäten sollen verloren gegangene oder beeinträchtigte Bewegungsfähigkeiten wiedererlangt oder verbessert werden.
  • Förderung der Selbstständigkeit: Der Patient soll in die Lage versetzt werden, alltägliche Aufgaben und Aktivitäten so selbstständig wie möglich auszuführen.
  • Vermeidung von Folgeschäden: Durch die Behandlung sollen Gelenkeinschränkungen, Spastiken und Schmerzen möglichst vermieden oder reduziert werden.
  • Verbesserung der Lebensqualität: Durch die Wiederherstellung von Fähigkeiten und die Förderung der Selbstständigkeit soll die Lebensqualität des Patienten verbessert werden.
  • Förderung der sozialen Integration: Der Patient soll aktiv am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können.

Anwendungsbereiche des Bobath-Konzepts

Das Bobath-Konzept findet Anwendung bei Menschen mit verschiedenen neurologischen Erkrankungen und Schädigungen des zentralen Nervensystems, wie zum Beispiel:

  • Schlaganfall (Apoplex): Nach einem Schlaganfall kommt es häufig zu Lähmungen,Sensibilitätsstörungen und Koordinationsproblemen. Die Bobath-Therapie kann helfen, verlorene Fähigkeiten wiederzuerlangen und die betroffene Körperhälfte aktiv in den Alltag einzubeziehen.
  • Multiple Sklerose (MS): MS ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die zu vielfältigen Symptomen wie Lähmungen,Sensibilitätsstörungen, Koordinationsproblemen und Müdigkeit führen kann. Die Bobath-Therapie kann helfen, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern.
  • Morbus Parkinson: Parkinson ist eine neurodegenerative Erkrankung, die vor allem motorische Fähigkeiten beeinträchtigt. Die Bobath-Therapie kann helfen, die Beweglichkeit zu erhalten und die Symptome zu lindern.
  • Zerebralparese: Zerebralparese ist eine Bewegungsstörung, die durch eine Schädigung des Gehirns vor, während oder kurz nach der Geburt verursacht wird. Die Bobath-Therapie kann helfen, die motorischen Fähigkeiten zu verbessern und die Selbstständigkeit zu fördern.
  • Schädel-Hirn-Trauma (SHT): Nach einem SHT kann es zu vielfältigen neurologischen Ausfällen kommen. Die Bobath-Therapie kann helfen, verlorene Fähigkeiten wiederzuerlangen und die Selbstständigkeit zu fördern.
  • Rückenmarksverletzungen: Verletzungen des Rückenmarks können zu Lähmungen und Sensibilitätsstörungen führen. Die Bobath-Therapie kann helfen, die verbleibenden Fähigkeiten zu optimieren und die Selbstständigkeit zu fördern.

Die Bobath-Therapie in der Praxis

Die Bobath-Therapie ist ein individueller und alltagsbezogener Ansatz. Im Gegensatz zu anderen Therapiekonzepten gibt es keine standardisierten Übungen. Stattdessen werden die Therapieeinheiten bezüglich Umfang, Zeit und Intensität individuell geplant und an die Bedürfnisse und Fähigkeiten des Patienten angepasst.

Ein wichtiger Bestandteil der Bobath-Therapie ist die Befundaufnahme. Der Therapeut beobachtet den Patienten in verschiedenen Alltagssituationen und analysiert seine Bewegungsmuster. Dabei werden sowohl die Stärken als auch die Schwächen des Patienten berücksichtigt.

Auf Grundlage der Befundaufnahme entwickelt der Therapeut einen individuellen Therapieplan. Dieser beinhaltet Übungen und Aktivitäten, die darauf abzielen, die motorischen Fähigkeiten des Patienten zu verbessern, seine Selbstständigkeit zu fördern und Folgeschäden zu vermeiden.

Die Bobath-Therapie findet in der Regel in einer interdisziplinären Umgebung statt. Ärzte, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden, Neuropsychologen und Pflegekräfte arbeiten zusammen, um den Patienten bestmöglich zu betreuen.

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Wichtige Elemente der Bobath-Therapie

  • Handling: Der Therapeut unterstützt den Patienten bei Bewegungen und Positionswechseln, um ihm ein Gefühl für normale Bewegungsabläufe zu vermitteln. Die Hände des Therapeuten unterstützen den Patienten nur soweit nötig, um die Eigenaktivität des Patienten zu ermöglichen, zu fordern und zu fördern.
  • Fazilitation: Durch gezielte Stimulation werden Muskelgruppen aktiviert und Bewegungen erleichtert.
  • Inhibition: Durch bestimmte Techniken werden Spastiken und unphysiologische Bewegungsmuster gehemmt.
  • Alltagsbezug: Die Übungen und Aktivitäten sind eng an den Alltag des Patienten angelehnt. Ziel ist es, dass der Patient die erlernten Fähigkeiten in seinem täglichen Leben anwenden kann.
  • 24-Stunden-Konzept: Die Prinzipien des Bobath-Konzepts sollen nicht nur während der Therapie, sondern auch im gesamten Tagesablauf berücksichtigt werden.

Beispiele für Bobath-Übungen

Die Bobath-Therapie beinhaltet eine Vielzahl von Übungen und Aktivitäten, die individuell auf den Patienten zugeschnitten sind. Einige Beispiele sind:

  • Gleichgewichtsübungen: Der Patient übt, sein Gleichgewicht in verschiedenen Positionen zu halten und zu verlagern.
  • Koordinationsübungen: Der Patient übt, verschiedene Bewegungen miteinander zu koordinieren.
  • Übungen zur Verbesserung der Körperwahrnehmung: Der Patient übt, seinen Körper und seine Bewegungen besser wahrzunehmen.
  • Übungen zur Anbahnung von Bewegungen: Der Patient übt, bestimmte Bewegungen auszuführen, die ihm schwerfallen.
  • Alltagsbezogene Aktivitäten: Der Patient übt, alltägliche Aufgaben wie Anziehen, Essen oder Waschen selbstständig auszuführen. Zum Beispiel wird der Patient wieder an alltägliche Tätigkeiten herangeführt, um sie zunehmend selbstständig auszuführen.

Lagerung nach Bobath

Ein wichtiger Aspekt des Bobath-Konzepts ist die Lagerung des Patienten. Die Lagerung dient dazu, eine optimale Ausgangsposition für die Patienten zu schaffen, um eine bessere Kontrolle über die eigenen Bewegungen zu ermöglichen. Je nach Bedürfnis der betroffenen Person können Therapeuten den Fokus dabei auf eine symmetrische Ausrichtung des Körpers, eine Entlastung oder die Neutralstellung der Gelenke achten. Hierzu stehen ihnen verschiedene Stützen und Hilfen zur Verfügung, welche eine stabile und komfortable Position für die Patienten gewährleisten sollen.

Es gibt verschiedene Lagerungstechniken, die im Bobath-Konzept angewendet werden:

  • Lagerung auf der betroffenen Seite: Der Auflagedruck stimuliert die beeinträchtigten Körperpartien, während die nicht betroffene Seite aktiv benutzt werden kann.
  • Lagerung auf der nicht betroffenen Seite: Der Muskeltonus kann sich entspannen, und die betroffenen Personen fühlen sich meist wohler, weil sie ihre Lage aktiv mitgestalten können.
  • Stabiles Sitzen im Bett: Hilft Menschen mit geringer Rumpfstabilität, wieder ein Gefühl für den eigenen Körper zu bekommen und den Kreislauf zu trainieren.
  • Sitzen im Stuhl am Tisch: Stabilisiert Muskeltonus und Kreislauf und ist ein wichtiger Schritt zurück in ein soziales Leben.

Bei jeder Lagerung sollte die Unterlage relativ hart sein, weil dann der Auflagedruck stärker stimuliert.

Waschung nach Bobath

Eine weitere Technik dieser Behandlungsmethode ist die Waschung nach Bobath. Diese soll dabei helfen, die sensorische Wahrnehmung sowie die Durchblutung der Haut zu verbessern. Hierzu wendet man bei der Waschung der Patienten sanfte Berührungen und Massagebewegungen an, welche die Haut stimulieren sollen. Die Waschung nach Bobath ist in der Regel Bestandteil einer umfassenden Behandlungssitzung und sollte immer auf die individuellen Bedürfnisse und Ziele der Betroffenen angepasst werden.

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Mobilisation nach Bobath

Die Mobilisation nach Bobath, auch Transfer nach Bobath genannt, zielt darauf ab, die Patienten aktiv in sämtliche Positionswechsel mit einzubeziehen. Es beginnt mit einfachen unterstützenden Bewegungsabläufen, zum Beispiel dem Aufsetzen im Bett.

Wer wendet das Bobath-Konzept an?

Das Bobath-Konzept darf nur von zertifizierten Physiotherapeuten, Logopäden und Ergotherapeuten durchgeführt werden. Diese Therapeuten haben eine spezielle Bobath-Ausbildung absolviert und die entsprechenden Lehr- und Lernzielkontrollen erfolgreich abgeschlossen.

Aktuelle Trends und Entwicklungen im Bobath-Konzept

Das Bobath-Konzept ist ein lebendiges Konzept, das sich ständig weiterentwickelt. Aktuelle Trends und Entwicklungen sind:

  • Integration von Technologie: Neue Technologien wie Virtual Reality und Robotik werden in die Therapie integriert, um den Rehabilitationsprozess zu verbessern und Patienten auf neue Weise einzubeziehen.
  • Evidenzbasierte Praxis: Es wird verstärkt Wert auf Forschung und evidenzbasierte Praxis gelegt, um die Wirksamkeit des Bobath-Konzepts zu belegen und die Therapie weiter zu verbessern.
  • Weltweite Akzeptanz: Das Bobath-Konzept erfreut sich weltweit zunehmender Anerkennung als wertvoller Ansatz in der Neurorehabilitation. Therapeuten aus verschiedenen Ländern übernehmen diesen Ansatz und tragen so zu seiner weltweiten Akzeptanz bei.

Bobath-Konzept vs. Vojta-Therapie

Das Bobath-Konzept und die Vojta-Therapie sind zwei verschiedene Ansätze in der Physiotherapie und Rehabilitation, die auf die Behandlung von neurologischen und muskulären Problemen abzielen. Der Unterschied von Bobath zu Vojta ist, dass Vojta darauf ausgerichtet ist, das Gehirn so anzuregen, dass angeborene Bewegungsmuster wieder aktiviert werden, während beim Bobath-Konzept darauf ausgerichtet ist, neue Verknüpfungen im Gehirn zu schaffen (Neuroplastizität). Vojta soll angeborene Bewegungsmuster aktivieren, Bobath schafft neue Verknüpfungen im Gehirn.

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