Die Chirotherapie, insbesondere das sogenannte "Hals einrenken", wird millionenfach angewandt, um Kopfschmerzen und Verspannungen zu lindern. Viele Menschen vertrauen auf diese Behandlung und halten sie für harmlos. Doch die Realität sieht oft anders aus. Es gibt Risiken, die nicht ignoriert werden dürfen.
Der Fall Vera Milaszewski: Ein Leben verändert
Vera Milaszewski erlebte nach einem chiropraktischen Eingriff eine Tragödie. Wegen eines steifen Nackens, den sie sich beim Autofahren mit offenem Fenster zugezogen hatte, suchte sie einen Chirotherapeuten auf. Während der Behandlung, bei der ihr Kopf nach links und rechts gedreht wurde, verspürte sie sofort Schwindel, Übelkeit und Sprachstörungen. Die Diagnose im Krankenhaus war ein schwerer Schlaganfall. Der Arzt hatte beim Einrenken ihre Halsschlagadern verletzt.
Die Folgen waren verheerend. Vera Milaszewski ist seitdem gelähmt und auf einen Rollstuhl angewiesen. Ihr Leben hat sich grundlegend verändert, auch ihre Familie zerbrach an den Folgen.
Zunehmende Fälle von Schlaganfällen nach Chirotherapie
Prof. Gerhard Hamann, ein Schlaganfall-Experte am Klinikum Großhadern in München, beobachtet mit Sorge, dass immer mehr Patienten nach chiropraktischen Manipulationen am Hals behandelt werden müssen. Laut seinen Angaben erleiden jährlich etwa 50 bis 60 Patienten Schlaganfälle aufgrund von Gefäßeinrissen, wobei jeder dritte dieser Patienten, meist junge und zuvor gesunde Menschen, den Schlaganfall im Zusammenhang mit einer chirotherapeutischen Manipulation der Halswirbelsäule erleidet.
Wie es zu Schlaganfällen kommen kann
Durch den Eingriff können vor allem die hinteren Halsschlagadern verletzt werden, da sie durch Knochen laufen und daher sehr empfindlich sind. Das Ziehen und der Ruck können zu einem Riss in der Arterie führen. Es bildet sich ein Blutgerinnsel, das ins Gehirn wandert und eine Ader verstopft, was einen Schlaganfall zur Folge hat.
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Der Fall Alexandra Weber: Sprachstörungen und Lähmungen
Auch Alexandra Weber erlitt nach einer chiropraktischen Behandlung wegen Nackenverspannungen einen Schlaganfall. Unmittelbar nach dem Einrenken traten Sprachstörungen und Lähmungen auf. Sie lernt mühsam wieder Schreiben und kann ihren Beruf als Lehrerin wahrscheinlich nie mehr ausüben.
Die Haltung des Berufsverbandes der Chirotherapeuten
Dr. Hartmann vom Berufsverband der Chirotherapeuten will von dem Risiko eines Schlaganfalls nichts hören. Er glaubt nicht, dass es durch die Manipulation an einer gesunden Halswirbelsäule zu Gefäßverletzungen kommen kann. Diese Aussage steht jedoch im Widerspruch zu den Erfahrungen von Ärzten und den Ergebnissen von Studien.
Studien belegen das Risiko
Die Neurologin Eva Schielke von der Berliner Uniklinik Charité führte eine Untersuchung an allen deutschen Uni-Kliniken durch, die einen Zusammenhang zwischen chiropraktischen Eingriffen und nachfolgenden Schlaganfällen bestätigte. Insgesamt wurden 36 Fälle berichtet, bei denen ein eindeutiger Zusammenhang bestand. Die Ergebnisse bestätigten die Befürchtungen, dass das Risiko größer ist als bisher angenommen.
Mangelnde Aufklärung der Patienten
Trotz des bekannten Risikos klären viele Chirotherapeuten ihre Patienten nicht ausreichend über die Gefahr eines Schlaganfalls auf. Alexandra Weber wurde von ihrem Arzt nicht vorgewarnt und wusste nicht, was er vorhatte. Sie hatte keine Wahl und hätte niemals eingewilligt, wenn sie das Risiko gekannt hätte.
Ein Test in mehreren Praxen zeigte, dass das Risiko eines Schlaganfalls oft nicht erwähnt wird. Ein Arzt gab sogar zu, es vergessen zu haben. In einer anderen Praxis wich der Arzt der Frage nach Risiken aus und behauptete, dass bei jüngeren Patienten nichts passieren könne.
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Rechtliche Verpflichtung zur Aufklärung
Ärzte sind gesetzlich verpflichtet, über die Risiken solcher Eingriffe aufzuklären. Doch selbst der Berufsverband der Chirotherapeuten nimmt es offenbar nicht so genau. In seinem Infoblatt für Patienten heißt es lapidar, dass schwerwiegende Komplikationen extrem selten sind.
Der Fall Caitlin Jensen: Ein weiteres Beispiel für die verheerenden Folgen
Ein weiteres tragisches Beispiel ist der Fall von Caitlin Jensen, die nach einer chiropraktischen Behandlung an der Halswirbelsäule einen Schlaganfall, einen Herzinfarkt und einen zehnminütigen Herzstillstand erlitt. Die neurologischen Schäden sind immens, aber sie kämpft sich zurück ins Leben.
Chiropraktik: Umstrittene Behandlungsmethode
Die Chiropraktik ist eine alternativmedizinische Behandlungsmethode, die besonders bei Funktionsstörungen der Wirbelsäule helfen soll. Dabei werden angeblich verschobene Wirbel ruckartig eingerenkt. Diese These ist jedoch wissenschaftlich nicht bewiesen.
Risikobewertung und Empfehlungen
Eine systematische Überprüfung von Studien zum Thema Schlaganfall und Manipulation ergab, dass die Studien deutliche Schwächen aufweisen und keine verlässliche Aussage zu einer starken oder fehlenden Assoziation zwischen HWS-Manipulation und zervikaler Arteriendissektion getroffen werden kann. Die Autoren empfehlen jedoch eine Aufklärung der Patienten, dass es durch Manipulationen an der Halswirbelsäule zu einer seltenen Form von Schlaganfällen kommen kann, die jedoch auch bei anderen Bewegungen des Nackens auftreten könnte.
Das Risiko einer Arteriendissektion wird als gering bewertet, sofern alle bekannten Risikofaktoren und Kontraindikationen vor der Behandlung beachtet werden. Die Rotation in der Halswirbelsäule setzt die Vertebralarterien stärker unter Stress als andere Bewegungen, daher sollte diese vermieden werden.
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Schmerzensgeld für Schlaganfall nach Chiropraktik
Ein Schlaganfall nach einer chiropraktischen Behandlung kann einen Arzthaftungsfall darstellen. In einem konkreten Fall forderte ein Mandant 100.000 Euro Schmerzensgeld und 400.000 Euro Schadensersatz, nachdem er nach einem chiropraktischen Eingriff einen Schlaganfall erlitten hatte.
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