Schlaganfallrisiko und familiäre Veranlagung: Genetische Faktoren im Fokus

Ein Schlaganfall kann jeden treffen, unabhängig vom Alter, obwohl das Risiko mit zunehmendem Alter steigt. In Deutschland sind jährlich etwa 270.000 Menschen von einem Schlaganfall betroffen. Viele Schlaganfall-Risikofaktoren sind bekannt, einschließlich beeinflussbarer Faktoren wie Bluthochdruck, Rauchen und Übergewicht sowie nicht beeinflussbarer Faktoren wie Alter und genetische Ursachen. Die familiäre Veranlagung spielt eine wichtige Rolle, da das Risiko steigt, wenn bereits Familienmitglieder einen Schlaganfall erlitten haben.

Genetische Risikofaktoren und Schlaganfall

Wissenschaftler haben mithilfe genetischer Daten das Schlaganfallrisiko ähnlich präzise oder sogar besser vorhergesagt als etablierte Risikofaktoren. Das Risiko für einen ischämischen Schlaganfall wird sowohl durch genetische Faktoren als auch durch klassische Risikofaktoren wie Hypertonie und Diabetes bestimmt. Eine Studie unter der Leitung von Prof. Dr. med. Martin Dichgans hat gezeigt, dass genetische Daten aus einer einzigen Blut- oder Speichelprobe verwendet werden können, um Individuen mit einem 3-fach erhöhten Risiko für einen ischämischen Schlaganfall zu identifizieren.

Der genetische Risikoscore (GRS)

Dieser genetische Risikowert (GRS) hat eine ähnliche oder sogar eine bessere Vorhersagekraft als allgemein bekannte Risikofaktoren für Schlaganfälle. Die Wissenschaftler schließen zudem aus ihren Ergebnissen, dass Menschen mit einem hohen genetischen Risiko intensivere Präventivmaßnahmen zur Minderung des Schlaganfallrisikos benötigen könnten, als es die aktuellen Richtlinien empfehlen.

Datenabgleich mit Biobanken

Die Forscher verwendeten einen Machine-Learning-Ansatz, um umfangreiche, von verschiedenen Forschungsgruppen weltweit erhobene genetische Daten auf schlaganfallbezogene Risikogene hin zu analysieren und für jeden Probanden einen individuellen genetischen Risikowert zu ermitteln. Anschließend überprüften sie die Aussagekraft ihrer genetischen Risikoabschätzung mithilfe der in der britischen Biobank hinterlegten Daten von 420.000 Patienten.

Dabei zeigte sich, dass der neue genetische Risikowert die bisherigen Risikoscores übertrifft (Hazard-Ratio für ischämischen Schlaganfall 1,26; 95-%-KI: 1,22-1,31) und eine ähnliche Vorhersagekraft hat wie andere bekannte Risikofaktoren für Schlaganfälle, etwa der Raucherstatus oder der Body-Mass-Index. Auch im Vergleich zur Auswertung der Familiengeschichte konnten die Wissenschaftler das Risiko für einen zukünftigen ischämischen Schlaganfall signifikant besser vorhersagen - der genetische Risikowert ist so präzise, dass sogar vorhergesagt werden kann, welcher Proband zu den 0,25 % der Patienten gehört, deren Risiko 3-fach erhöht und damit besonders groß ist.

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Vorteile der genomischen Risikovorhersage

„Die genomische Risikovorhersage, die auf der einzigartigen DNA-Sequenz eines Individuums basiert, hat deutliche Vorteile gegenüber etablierten Risikofaktoren, da sie von Geburt an dazu genutzt werden kann, um das Risiko abzuschätzen. Sie kann daher die Einleitung von Präventionsstrategien ermöglichen, bevor die Patienten konventionelle Risikofaktoren für Schlaganfälle wie Bluthochdruck oder zu hohe Blutfettwerte entwickeln“, so Dichgans.

Integration in die klinische Praxis

„Die Sequenzierung des menschlichen Genoms hat viele Erkenntnisse gebracht. Bei häufigen Krankheiten wie Schlaganfall ist klar, dass die Genetik kein Schicksal ist. Allerdings hat jeder Mensch sein eigenes angeborenes Risiko für eine bestimmte Krankheit. Die Herausforderung besteht nun darin, wie wir diese Risikoinformationen am besten in die klinische Praxis integrieren, damit die Bevölkerung gesünder und länger leben kann“, sagt Dr. Michael Inouye.

Individuelle Frühintervention

Der neue genetische Risikoabschätzung ist so präzise, dass er selbst zwischen Personen innerhalb einer der von den aktuellen Richtlinien empfohlenen Risikofaktorstufen erhebliche Risikounterschiede aufzeigt. Deshalb könnten nach Ansicht der Wissenschaftler die aktuellen klinischen Richtlinien für Personen mit hohem genetischem Schlaganfallrisiko unzureichend sein, da diese Personen möglicherweise intensivere Interventionen benötigen. Der neue Ansatz könnte nicht nur bei der Einschätzung helfen, welche modifizierbaren Risikofaktoren eine Person vor dem Hintergrund ihres individuellen genetischen Risikos reduzieren sollte, um auf ein akzeptables Schlaganfallrisiko zu kommen, sondern auch zukünftig eine effektivere Frühintervention für Menschen mit hohem Risiko für Schlaganfälle und anderen Herz-Kreislauf-Erkrankungen ermöglichen.

Weitere Risikofaktoren für Schlaganfall

Neben der genetischen Veranlagung gibt es weitere Risikofaktoren, die das Schlaganfallrisiko beeinflussen. Diese lassen sich in beeinflussbare und nicht beeinflussbare Faktoren unterteilen.

Nicht beeinflussbare Risikofaktoren

  • Alter: Das Schlaganfallrisiko steigt mit zunehmendem Alter deutlich an.
  • Geschlecht: Männer haben ein höheres relatives Schlaganfallrisiko als Frauen. Allerdings erleiden in absoluten Zahlen mehr Frauen einen Schlaganfall, da sie eine höhere Lebenserwartung haben.
  • Familiäre Veranlagung: Wenn in der Familie bereits ein Schlaganfall aufgetreten ist, erhöht sich das Risiko, selbst einen Schlaganfall zu erleiden.

Beeinflussbare Risikofaktoren

  • Bluthochdruck: Der Bluthochdruck ist der Hauptrisikofaktor für einen Schlaganfall. Es gilt, den Blutdruck unbedingt in einen Bereich von unter 140/90 mmHg zu bringen.
  • Diabetes: Bei etwa jedem vierten Patienten, der einen Schlaganfall erlebt hat, ist Diabetes mellitus nachweisbar. Generell ist bei Diabetes das Schlaganfallrisiko zwei bis viermal erhöht. Bei diesen Patienten müssen Blutdruckwerte in einem Bereich von 130-139/80-85 mmHg erreicht werden, um das Risiko für einen Schlaganfall zu senken.
  • Herzrhythmusstörungen (Vorhofflimmern): Menschen mit Vorhofflimmern haben ein bis zu 5-fach erhöhtes Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden.
  • Fettstoffwechselstörungen: Besonders das sogenannte LDL-Cholesterin erhöht das Risiko für Schlaganfälle und Herzinfarkte.
  • Übergewicht und Bewegungsmangel: Übergewicht und Bewegungsmangel können einen Bluthochdruck oder einen Diabetes zur Folge haben.
  • Rauchen: Rauchen schädigt die Blutgefäße und senkt die Sauerstoffaufnahme im Blut. Raucher haben ein zwei- bis vierfach erhöhtes Schlaganfallrisiko.
  • Übermäßiger Alkoholkonsum: Alkohol in geringen Mengen hat keinen negativen Effekt auf das Schlaganfallrisiko. Im Gegenteil: Rotwein kann - in geringen Mengen konsumiert - sogar vor atherosklerotischen Gefäßveränderungen schützen und den Cholesterinspiegel senken.
  • Hormonelle Verhütung: Östrogenhaltige Pillen erhöhen das Schlaganfallrisiko.

Zusätzliche Risikofaktoren und ihre Auswirkungen

Die Risikofaktoren für den ischämischen Schlaganfall addieren sich nicht nur, sondern potenzieren sich: Diabetes mellitus erhöht das Risiko um den Faktor 2 bis 3, ebenso Rauchen. Bluthochdruck schlägt sogar mit dem Faktor 6 bis 8 zu Buche. Die absolute Arrhythmie bei Vorhofflimmern führt ebenfalls zu einem mindestens 5fach erhöhten Schlaganfallrisiko. Wenn neben dem Vorhofflimmern noch eine koronare Herzerkrankung oder eine Herzschwäche bestehen, erhöht sich das Risiko zusätzlich um den Faktor 2 bis 3. Viele Menschen sind von mehreren dieser Einflüsse gleichzeitig betroffen.

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Prävention und Risikominimierung

Vorbeugung ist der sicherste und beste Schutz vor einem Schlaganfall. Durch eine gesunde Lebensführung können bereits im Vorfeld einige Risikofaktoren gemindert bzw. ganz ausgeschlossen werden.

Gesunde Lebensweise

  • Eine bewusste Ernährung mit einem hohen Anteil an Obst, Gemüse, fett- und zuckerarmer Kost.
  • Regelmäßige Bewegung und Sport.
  • Eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme.
  • Raucherentwöhnung.
  • Geringer Alkoholkonsum.
  • Vermeidung von Stress.
  • Gewichtsabnahme bei Übergewicht.

Ärztliche Kontrollen

Wenn trotz gesunder Lebensführung Risikofaktoren vorhanden sind, oder der Verdacht gegeben ist, dass sie zu den Menschen gehören bei denen durch Vererbung ein erhöhtes Schlaganfall-Risiko besteht, sollten Sie Ihren Gesundheitszustand regelmäßig von Ihrem behandelnden Arzt kontrollieren lassen.

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