Jedes Jahr erleiden Tausende von Menschen einen Schlaganfall. Prävention kann einige Fälle verhindern, und in anderen Fällen können die Folgen gemildert werden, wenn Betroffene oder ihre Angehörigen schnell reagieren, so Dr. Robert Glumm, Chefarzt der Neurologischen Klinik am Sana Klinikum Hof. Dieser Artikel soll Ihnen helfen, Schlaganfälle zu erkennen, zu verhindern und im Notfall richtig zu handeln.
Was ist ein Schlaganfall?
Ein Schlaganfall ist eine plötzliche Durchblutungsstörung des Gehirns. Dies führt zu einer Unterversorgung der Gehirnzellen mit nährstoffreichem Blut, was zum Absterben von Gehirnzellen und zu Störungen oder Ausfällen von Gehirn- und Körperfunktionen führen kann. Pro Minute, die ein Hirngefäß verstopft ist, sterben etwa zwei Millionen Nervenzellen ab.
Auslöser und Risikofaktoren eines Schlaganfalls
Die Gefahr eines Schlaganfalls ist bei Menschen mit bestimmten Risikofaktoren besonders hoch:
- Bluthochdruck: Hoher Blutdruck kann die Blutgefäße schädigen und das Risiko eines Schlaganfalls erhöhen.
- Zuckererkrankung (Diabetes): Diabetes kann die Blutgefäße ebenfalls schädigen und das Risiko eines Schlaganfalls erhöhen. Diabetiker haben ein zwei- bis dreifach erhöhtes Schlaganfallrisiko.
- Vorhofflimmern: Diese Herzrhythmusstörung kann zur Bildung von Blutgerinnseln führen, die einen Schlaganfall auslösen können.
- Weitere Risikofaktoren: Rauchen, Übergewicht, Bewegungsmangel und Fettstoffwechselstörungen.
Neben diesen behandelbaren Risikofaktoren gibt es auch unvermeidbare Risikofaktoren wie hohes Lebensalter und männliches Geschlecht.
Auswirkungen eines Schlaganfalls
Ein Schlaganfall kann das Leben von Patienten und Angehörigen von einer Sekunde auf die andere massiv verändern. Er ist heute eine der häufigsten Ursachen für hochgradige Pflegebedürftigkeit. Je nach Ausprägung des Schlaganfalls und betroffener Hirnregion kann es zu folgenden Beeinträchtigungen kommen:
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- Lähmungserscheinungen (halbseitig)
- Sprachstörungen (Aphasie)
- Schwindel
- Koordinationsstörungen
- Orientierungsstörungen
- Sehstörungen
- Persönlichkeitsveränderungen
Symptome eines Schlaganfalls
Es ist extrem wichtig, beim Auftreten typischer Beschwerden schnell zu reagieren. Häufige Symptome eines Schlaganfalls sind:
- Lähmungen: Diese können das Gesicht (z.B. hängender Mundwinkel) oder eine Körperhälfte betreffen.
- Gefühlsstörungen: Halbseitige Gefühlsstörungen können sich als Taubheit oder Kribbeln äußern.
- Sprachstörungen: Bei Beteiligung des Sprachzentrums (meist linke Gehirnhälfte) kann es zu Schwierigkeiten beim Sprechen oder Verstehen von Sprache kommen.
- Sehstörungen: Halbseitige Gesichtsfeldausfälle oder plötzliche Blindheit auf einem Auge können auftreten.
- Schwindel und Gleichgewichtsstörungen: Schlaganfälle im Bereich des Kleinhirns oder Hirnstamms äußern sich oft durch plötzlich auftretenden Dauerschwindel mit Scheinbewegungen sowie Gang- und Standunsicherheit.
- Bewusstseinsstörungen: Große Infarkte und vor allem größere Hirnblutungen gehen oft mit Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma einher.
Der FAST-Test: Schlaganfall schnell erkennen
Mit dem FAST-Test können Sie innerhalb weniger Sekunden einen Schlaganfall feststellen:
- Face (Gesicht): Bitten Sie die Person, zu lächeln. Ist das Gesicht einseitig verzogen?
- Arms (Arme): Bitten Sie die Person, die Arme nach vorne zu strecken und dabei die Handflächen nach oben zu drehen. Können nicht beide Arme gehoben werden, sinken sie ab oder drehen sie sich?
- Speech (Sprache): Lassen Sie die Person einen einfachen Satz nachsprechen. Ist sie dazu nicht in der Lage oder klingt die Stimme verwaschen?
- Time (Zeit): Wählen Sie sofort die 112, sobald Symptome auftreten.
Auch wenn die Beschwerden wieder verschwinden, sollten Betroffene umgehend eine neurologische Klinik aufsuchen.
Was tun, wenn der Patient nicht reagiert?
Wenn eine Person, bei der Sie einen Schlaganfall vermuten, nicht reagiert, sind folgende Schritte wichtig:
- Notruf wählen (112): Schildern Sie die Symptome und den Zustand der Person.
- Erste Hilfe leisten:
- Lassen Sie den Betroffenen nach Möglichkeit nicht allein.
- Beruhigen Sie ihn und signalisieren Sie, dass Hilfe unterwegs ist.
- Lockern Sie beengende Kleidung.
- Bringen Sie den Betroffenen bei Bewusstlosigkeit in die stabile Seitenlage, um die Atemwege freizuhalten. Der Oberkörper sollte bei Bewusstlosigkeit nicht erhöht werden. Eine Erhöhung des Oberkörpers ist nur bei wachen Patienten zu empfehlen.
Behandlung im Krankenhaus: Die Stroke Unit
Schlaganfallpatienten werden am besten auf Spezialeinheiten, sogenannten Stroke Units, von einem Team aus neurologisch ausgebildeten Ärzten, Therapeuten und Pflegern behandelt. Auf diesen spezialisierten Stationen wird eine umfassende Diagnostik und Therapie durchgeführt.
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Lysetherapie und Thrombektomie
Innerhalb der ersten Stunden nach einem Schlaganfall kann eine hochwirksame Lysetherapie erfolgen, bei der geronnenes Blut medikamentös aufgelöst wird. Ist eine Lysetherapie nicht möglich oder nicht ausreichend, besteht die Möglichkeit, mittels eines Katheters mechanisch einzugreifen (Thrombektomie). Im Bereich der Thrombektomie gibt es tatsächlich Heilungserfolge, die an Wunderheilung grenzen können.
Rehabilitation nach dem Schlaganfall
Nach der Akutbehandlung beginnt die Rehabilitation, um verlorene Fähigkeiten wiederzuerlangen und die Lebensqualität zu verbessern. Die Rehabilitation umfasst in der Regel:
- Physiotherapie: Zur Verbesserung der Beweglichkeit und Koordination.
- Ergotherapie: Zur Förderung der Selbstständigkeit im Alltag.
- Logopädie: Zur Behandlung von Sprach- und Schluckstörungen.
- Neuropsychologie: Zur Behandlung von kognitiven Beeinträchtigungen und psychischen Problemen.
Die Rehabilitation kann stationär in einer Rehaklinik oder ambulant erfolgen. Wichtig ist, dass der Patient auch zu Hause übt, entweder alleine oder gemeinsam mit Angehörigen.
Leben mit den Folgen eines Schlaganfalls
Ein Schlaganfall kann das Leben von Betroffenen und Angehörigen nachhaltig verändern. Der Umgang mit den Folgen erfordert Geduld, Verständnis und Unterstützung.
Aphasie: Wenn die Sprache versagt
Eine häufige Folge eines Schlaganfalls ist die Aphasie, eine Sprachstörung. Es ist wichtig zu wissen, dass die oder der Betroffene nicht mehr sprechen oder Gesprochenes nicht mehr gut verstehen kann, bedeutet nicht, dass er nicht mehr denken kann! Die Aphasie hat viele verschiedene Gesichter, und die Auswirkungen können je nach Person variieren.
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Tipps für die Kommunikation mit Menschen mit Aphasie:
- Sorgen Sie für eine ruhige und entspannte Atmosphäre.
- Reden Sie langsam und deutlich.
- Verwenden Sie kurze Sätze und einfache Fragen.
- Geben Sie dem Betroffenen Zeit, sich auszudrücken.
- Achten Sie auf nonverbale Kommunikation (Gestik, Mimik, Körpersprache).
- Ermutigen Sie den Betroffenen, zu sprechen, auch wenn es schwerfällt.
- Korrigieren Sie Fehler nicht.
Neglect: Wenn eine Körperhälfte vergessen wird
Ein Neglect ist eine Aufmerksamkeitsstörung, bei der der Betroffene eine Körperhälfte vernachlässigt. Er nimmt Sinnesinformationen auf dieser Seite nicht mehr wahr, obwohl die Augen oder anderen Sinne funktionieren. Es gibt verschiedene Formen des Neglect, die unterschiedliche Sinne betreffen können:
- Visueller Neglect: Vernachlässigung einer Hälfte der räumlichen Umgebung.
- Personaler Neglect: Vernachlässigung einer Körperhälfte.
- Akustischer Neglect: Probleme, Geräusche zu lokalisieren.
- Somatosensibler Neglect: Keine Wahrnehmung von Berührungen auf der betroffenen Körperhälfte.
- Motorischer Neglect: Nicht vollständiger Einsatz von Arm und/oder Bein der betroffenen Seite.
Ein Neglect kann sich zurückbilden, aber bei etwa einem Drittel der Betroffenen bleibt er dauerhaft bestehen.
Unterstützung für Angehörige
Ein Schlaganfall ist nicht nur für den Patienten, sondern auch für die Angehörigen eine große Belastung. Es ist wichtig, die eigenen Grenzen zu erkennen und sich nicht vollkommen aufzuopfern. Suchen Sie sich Unterstützung in Selbsthilfegruppen oder bei Beratungsstellen.
Tipps für Angehörige:
- Versuchen Sie, Ruhe und Zuversicht auszustrahlen.
- Beziehen Sie die Angehörigen in die Therapie mit ein.
- Erkennen Sie ihre Grenzen und vernachlässigen Sie Ihre Freunde und Hobbys nicht.
- Informieren Sie sich über die Erkrankung und die Behandlungsmöglichkeiten.
- Nutzen Sie die Unterstützung des Sozialdienstes im Krankenhaus.
- Beantragen Sie frühzeitig eine Rehabilitation.
- Passen Sie das Wohnumfeld an die Bedürfnisse des Patienten an.
Pflege nach dem Schlaganfall
Viele Menschen sind nach einem Schlaganfall vorübergehend oder dauerhaft auf Unterstützung aus ihrem Umfeld angewiesen. Die Pflege nach Schlaganfall sollte immer individuell auf die betreffende Person angepasst werden. Typische Pflegetätigkeiten sind:
- Hilfe beim Ankleiden und bei der Mobilisation
- Körperpflege-Maßnahmen
- Nahrungszubereitung und Hilfe bei der Nahrungsaufnahme
- Begleitung zu Arztterminen und Mitgestaltung der Freizeit
Pflegestufen und Leistungen
Nach einem Schlaganfall kann ein Pflegebedarf entstehen. Die Pflegekasse begutachtet die Selbstständigkeit des Betroffenen und vergibt einen Pflegegrad (früher Pflegestufe). Je höher der Pflegegrad, desto mehr Leistungen stehen dem Patienten zu, wie z.B.:
- Pflegegeld
- Entlastungsbetrag
- Pflegesachleistungen
- Pflegehilfsmittel zum Verbrauch
Wohnumfeldanpassung
Um die häusliche Pflege zu erleichtern, kann das Wohnumfeld an die Bedürfnisse des Patienten angepasst werden. Die Pflegekasse kann Zuschüsse für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen gewähren.
Hilfsmittel
Es gibt eine Vielzahl von Hilfsmitteln, die die Selbstständigkeit des Betroffenen erhöhen und die Pflege erleichtern können, wie z.B.:
- Rollator
- Rollstuhl
- Pflegebett
- Badewannenlift
- Hausnotruf
- Spezielles Besteck
- Dosenöffner
- Greifzangen
Prävention: Schlaganfall vermeiden
Ein gesunder Lebensstil kann das Risiko eines Schlaganfalls deutlich senken:
- Blutdruck kontrollieren und behandeln: Ein optimaler Wert liegt bei maximal 135/85 mmHg.
- Nicht rauchen: Tabakkonsum erhöht das Schlaganfallrisiko.
- Diabetes behandeln: Diabetiker haben ein erhöhtes Schlaganfallrisiko.
- Übergewicht vermeiden: Eine nährstoffreiche, fleischarme und betont pflanzliche Ernährung kann helfen, Übergewicht zu verlieren und erhöhte Blutfette zu senken.
- Regelmäßige Bewegung: 20 bis 30 Minuten Bewegung pro Tag, bei der man leicht schwitzt, ist ideal.
- Gesunde Ernährung: Eine balancierte, ausgewogene, z.B. mediterrane Ernährung mit viel Gemüse, wenig Fleisch und wenig Alkohol ist empfehlenswert.
Forschung und Zukunftsperspektiven
Die Forschung im Bereich Schlaganfall konzentriert sich auf die Verbesserung der Akuttherapie, die Früherkennung und die Regeneration nach dem Schlaganfall. Ein Schwerpunkt liegt auf der Genetik des Schlaganfalls, um eine mögliche Veranlagung zu erkennen.