Sprachstörungen nach einem Schlaganfall können die Kommunikation und Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Diagnose und Therapiemöglichkeiten von Sprachstörungen nach einem Schlaganfall, um Betroffenen und Angehörigen ein umfassendes Verständnis zu ermöglichen.
Einführung
Eine plötzliche Sprachstörung ist immer ein Alarmsignal und sollte umgehend von einem Arzt untersucht werden. Ursache kann beispielsweise ein Schlaganfall sein, bei dem jede Minute zählt. Sprachstörungen können ein Symptom einer schwerwiegenden Erkrankung sein und sollten daher von einem Arzt untersucht werden, unabhängig davon, ob sie plötzlich auftreten oder sich schleichend einstellen.
Was sind Sprachstörungen?
Eine erworbene Sprachstörung, auch Aphasie genannt, ist die Folge einer Schädigung des Sprachzentrums im Gehirn. Die Sprach- und Verständnisprobleme der Betroffenen erschweren die Kommunikation mit anderen Menschen. Häufig ist auch die Lese- und Schreibfähigkeit eingeschränkt oder in schweren Fällen nicht mehr vorhanden.
Ursachen von Sprachstörungen nach einem Schlaganfall
In den meisten Fällen wird die Sprachstörung durch einen Schlaganfall verursacht, meist durch eine Durchblutungsstörung, seltener durch eine Hirnblutung. Auch entzündliche Erkrankungen des Gehirns (z. B. Enzephalitis), ein Schädel-Hirn-Trauma oder Vergiftungen können die Ursache sein. Tritt die Sprachstörung als Folge einer Störung auf, die nicht zu einer fortschreitenden Schädigung führt, verändert sie sich nicht und kann sich unter Therapie wieder bessern.
Eine Aphasie tritt nach Schädigungen oder Erkrankungen des Gehirns auf wie z.B.:
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- Schlaganfall (verursacht 80 Prozent der Aphasien)
- Schädel-Hirn-Trauma
- Tumoren
- Hirnblutungen
- Entzündungen
- weiteren Erkrankungen des zentralen Nervensystems
Formen von Sprachstörungen
Aphasie kann sich auf unterschiedliche Weise äußern und in verschiedenen Variationen auftreten. Bei der Einordnung spielen daher die individuellen Beeinträchtigungen eine besondere Rolle. Für viele Formen der Sprachstörung ist es typisch, dass Objekte umschrieben werden, weil sie nicht mehr direkt benannt werden können (Anomie).
Zu den häufigsten Formen der Aphasie gehören:
- Globale Aphasie: Die schwerste Form der Aphasie. Die Betroffenen können kaum oder gar nicht sprechen. Die Störung beeinträchtigt ebenso das Sprachverständnis und in der Regel auch die Fähigkeit zum Lesen und Schreiben.
- Broca-Aphasie (motorische Aphasie): Die Betroffenen können nicht flüssig sprechen und keine kompletten Sätze bilden. Typisch ist ein sogenannter „Telegrammstil“ der Sprache. Das Sprachverständnis ist dagegen in der Regel weitgehend ungestört.
- Wernicke-Aphasie: Der Redefluss ist gut erhalten, manchmal sogar gesteigert. Dagegen ist das Sprachverständnis und häufig auch das Störungsbewusstsein für die Sprachstörung stärker beeinträchtigt. Die Betroffenen verstehen häufig auch einfache Wörter nicht. Das bedeutet, sie können zwar flüssig sprechen, das Gesprochene aber nicht mit Inhalt füllen.
- Amnestische Aphasie: Hauptsymptom sind Wortfindungsstörungen. Die Betroffenen zeigen ein gutes Störungsbewusstsein und versuchen Fehler zu korrigieren. Häufig werden Statthalterwörter wie „Ding“, „das da“ oder „es“ verwendet.
Jede Aphasie ist jedoch individuell und anders ausgeprägt. Im klinischen und therapeutischen Alltag ist daher nicht allein das Syndrom entscheidend, sondern vielmehr die Art und Weise, wie und wieweit die Symptome der Sprachstörung die Betroffenen bzw. die Kommunikationsfähigkeit beeinträchtigen.
Diagnose von Sprachstörungen
Die Diagnose stellen erfahrene Experten der Neurologie und Logopädie nach einem ausführlichen Gespräch mit Ihnen und gegebenenfalls Ihren Angehörigen über Ihre Beschwerden und Ihre Krankengeschichte (Anamnese) sowie nach umfangreichen neurologischen Untersuchungen. Wichtig ist die Abgrenzung zu anderen Sprachentwicklungs- und Sprachfunktionsstörungen, die als Folge von Schwerhörigkeit, Fehlsichtigkeit oder Artikulationsstörungen in Form eingeschränkter motorischer Fähigkeiten beim Schreiben (Dysarthrie) auftreten können.
Eine bildgebende Untersuchung des Gehirns hilft, der Ursache für Ihre Sprachstörung auf den Grund zu gehen und das Ausmaß der Schädigung zu bestimmen. Eine Computertomografie und eine Magnetresonanztomografie mit oder ohne Darstellung der Arterien mithilfe von Kontrastmitteln (Angiografie) geben Aufschluss über die Art der Schädigung. Es kann sich um einen Infarkt, innere Blutungen (Hämorrhagie), eine sich entwickelnde Demenz oder um Tumore (Raumforderungen) handeln, deren Ausdehnung wir sichtbar machen können.
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Mithilfe spezieller Tests (wie dem Aachener Aphasie-Test, AAT) können wir Ihre Sprache analysieren und die Sprachstörung beurteilen. Dabei werden folgende Bereiche untersucht:
- Spontansprache: wird u. a. gemessen an der Flüssigkeit der gesprochenen Wörter und ihrer Anzahl, an Ausdrucksmerkmalen (Prosodie), Wortfindungspausen, spontanen Fehlern, Zögern.
- Benennung: wird gemessen an der Fähigkeit, Objekte direkt und ohne Umschreibungen zu benennen.
- Wiederholung: wird gemessen an der Fähigkeit, komplexe Sätze nachzusprechen.
- Verstehen: wird gemessen an der Fähigkeit, einfachen oder mehrstufigen Anweisungen zu folgen, auf einfache und komplexe Ja- oder Nein-Fragen zu antworten und auf vom Arzt genannte Objekte zu zeigen.
- Lesen und Schreiben: wird gemessen anhand des Leseverständnisses, der Rechtschreibung, des Schreibens nach Diktat, des spontanen Schreibens und des Vorlesens.
Therapie von Sprachstörungen
Ziel der Aphasietherapie ist es, die Kommunikationsfähigkeit so gut es geht zu verbessern und vorhandene Fähigkeiten zu fördern. Nach wissenschaftlichen Studien gilt auch für die Aphasietherapie: Je intensiver die Behandlung, desto effektiver ist das Ergebnis. Gerade in der akuten und subakuten Phase einer Aphasie hat sich gezeigt, dass vor allem eine intensive Sprachtherapie (IST) die Kommunikationsfähigkeit verbessern kann. Aber auch im Krankheitsverlauf, d.h. zu einem späteren Zeitpunkt, sind durch ein ausreichend intensives Training Besserungen der Symptome einer Aphasie möglich.
Sprach- und Sprechtherapie sind jedoch nur dann wirksam, wenn wesentliche Faktoren der Wirksamkeit in einem mehrdimensionalen Behandlungskonzept zusammenfließen. Eine intensive Sprachtherapie (IST) erfolgt daher vorzugsweise im Rahmen einer Rehabilitationsmaßnahme - in einer neurologischen Fachklinik (stationär oder teilstationär). Vorteil dabei ist, dass neben der intensiven Sprachtherapie die häufig vorhandenen neurologischen Begleitsymptome mitbehandelt werden können.
Die Rehabilitationsbehandlung der Aphasien kann folgende Therapiemodule umfassen:
- Sprachtherapie (Logopädie und/oder Linguistik) inkl. computerunterstützte Sprachtherapie
- Neuropsychologische Therapie (zur Verbesserung u. a. von Aufmerksamkeit und Gedächtnis)
- Physiotherapie (bei Lähmungen und Bewegungseinschränkungen)
- Ergotherapie (Übungen zum Wiedererlernen von Alltagsfähigkeiten)
- Physikalische Therapien (Elektrotherapie, Massage, Bäder)
Die Aphasie-Therapien finden in der Regel in Einzel- und Gruppentherapien statt. Ein wesentliches Ziel ist dabei, Aphasiker*innen wieder in die Lage zu versetzen, trotz eventueller Einschränkungen wieder möglichst selbstständig im Alltag zurechtzukommen. Im hierzu beispielsweise durchgeführten Real Life-Training können die Betroffenen lernen, während der Behandlung eingeübte Kommunikationsmuster in einer realen Alltagssituation anzuwenden (z.B. beim Einkaufen).
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Technische Hilfsmittel und Apps
Technische Entwicklungen erleichtern Therapeuten die Behandlung und Betroffenen ihren Alltag. Dazu gehören beispielsweise Sprachapps wie Neolexon, Constant Therapy, Tactus oder Lingraphica und spezielle Computerprogramme wie EvoCare, aphasiaware und Lingware. Studien wie die Big-CACTUS-Studie von 2019 zeigen, dass Patienten mit Sprachapps und Sprachsoftware zur Aphasie-Behandlung größere Fortschritte erzielen als ohne die Übungen. Auch durch Betroffene selbst gesteuertes Sprachtraining per Software konnte bei chronischer Aphasie die Wortfindung effektiv verbessern (auch das konnte die BigCACTUS-Studie zeigen).
Umgang mit Aphasie im Alltag
Wichtig ist immer, ein verständnisvolles Umfeld der Betroffenen zu fördern, um die ansonsten wirksamen natürlichen Sprach- und Sprechängste abbauen zu können. Dabei ist es hilfreich, wenn auch die Angehörigen frühzeitig in die Therapien eingebunden werden und durch Beratungen und Seminare das Verständnis für die Störung gefördert wird.
Tipps zum Umgang mit Aphasiker*innen
- Behandeln Sie den oder die Aphasiker*in als Gesprächspartner auf Augenhöhe.
- Nehmen Sie der aphasischen Person „nicht das Wort aus dem Mund“.
- Sprechen Sie nicht über sieihn, sondern mit ihrihm.
- Sprechen Sie in normaler Sprache und in einfachen Sätzen.
- Sprechen Sie langsam, klar und deutlich.
- Insbesondere bei den ausgeprägten Formen einer Aphasie versuchen Sie Fragen vorzugsweise so zu formulieren, dass sie mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden können.
- Korrigieren Sie nicht.
- Halten Sie Blickkontakt.
- Setzen Sie alle Mittel der Kommunikation ein: Gesten und Mimik, zeichnen oder schreiben Sie, wenn nötig, zeigen auf Gegenstände oder Abbildungen und motivieren gegebenenfalls auch dendie Betroffenen ebenfalls dazu.
- Warten Sie geduldig auf eine Antwort.
- Sorgen Sie im Gespräch für eine ruhige Umgebung und schalten Sie störende Geräuschquellen wie Radio oder TV möglichst aus.
- Wenn der*die Betroffene in einem Satz nicht weiterkommt, drängen Sie nicht. Gegebenenfalls ist es auch hilfreich, zunächst das Thema zu wechseln. Ein erneuter späterer Versuch ist oft erfolgreich.
- Manche Betroffene sind leichter gereizt oder haben Gefühlsschwankungen. Hierbei handelt es sich um häufige Begleitsymptome der Grunderkrankung. Versuchen Sie dennoch verständnisvoll und geduldig zu sein.
Selbsthilfe
Vielen Aphasiker*innen und ihren Angehörigen hilft der Austausch mit anderen Betroffenen, wir er beispielsweise in Selbsthilfegruppen möglich ist.
Weitere Sprach- und Sprechstörungen
Neben der Aphasie gibt es weitere Sprach- und Sprechstörungen, die nach einem Schlaganfall auftreten können:
- Dysarthrie: Eine motorische Sprechstörung, bei der die Steuerung und Ausführung von Sprechbewegungen beeinträchtigt ist.
- Sprechapraxie: Eine Störung der sprechmotorischen Programme, bei der die Planung von Sprechbewegungen gestört ist.
Dysarthrie im Detail
Bei einer Dysarthrie ist die Motorik, die die Stimm- und Lautbildung sowie die Artikulation ermöglicht, gestört. Diese Störung kann von Patient zu Patient ganz unterschiedlich ausgeprägt sein. Der am stärksten auffallende Effekt sind Einschränkungen bei der Bildung der Laute. Oft fehlt es an der koordinierten Atmung während des Sprechens, was die Probleme bei der Stimmbildung und mit der Geschwindigkeit, in der die Worte ausgesprochen werden können, verstärkt. Außerdem verändert sich bei den Patienten häufig die Sprachmelodie im Vergleich zu der Äußerungsfähigkeit vor dem Eintritt der Dysarthrie.
Ursachen der Dysarthrie:
- Schlaganfall
- Entzündungen im Gehirn
- Gehirntumor
- Schädel-Hirn-Trauma
- Morbus Parkinson
- Multiple Sklerose
- Autoimmunkrankheiten
- Intoxikationen
Therapie der Dysarthrie:
Mit gezielten Übungen wird die Koordination der Atmung beim Sprechen verbessert, die bewusste Artikulation geübt und die Stimmbildung unterstützt. Neben der Wahrnehmung der Behandlungstermine beim Logopäden ist es wichtig, dass der Patient seine „Hausaufgaben“ regelmäßig absolviert.
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