Schlaganfall bei Marcumar-Einnahme: Eine umfassende Betrachtung

Einführung

Antikoagulanzien, umgangssprachlich oft als "Blutverdünner" bezeichnet, spielen eine entscheidende Rolle in der Prävention von Schlaganfällen, insbesondere bei Patienten mit Vorhofflimmern. Diese Medikamente zielen darauf ab, die Bildung von Blutgerinnseln zu verhindern, die zu einem Schlaganfall führen können. Trotz ihrer Wirksamkeit können Schlaganfälle auch bei Patienten auftreten, die Antikoagulanzien einnehmen. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte von Schlaganfällen bei Marcumar-Einnahme, einschließlich der Risiken, Ursachen, Prävention und Behandlungsstrategien.

Marcumar und seine Rolle in der Antikoagulation

Marcumar®, dessen Wirkstoff Phenprocoumon ist, gehört zur Gruppe der Vitamin-K-Antagonisten (VKA). Diese Medikamente hemmen die Bildung von Vitamin-K-abhängigen Gerinnungsfaktoren in der Leber und reduzieren so die Gerinnungsfähigkeit des Blutes. Marcumar wird zur Vorbeugung und Behandlung von thromboembolischen Ereignissen eingesetzt, wie z.B. Schlaganfälle bei Patienten mit Vorhofflimmern, Thrombosen oder Lungenembolien.

Moderne Alternativen: NOAKs

In den letzten Jahren haben moderne nicht-Vitamin-K-orale Antikoagulanzien (NOAKs) zunehmend an Bedeutung gewonnen und werden oft als Alternative zu Marcumar eingesetzt. NOAKs bieten den Vorteil einer einfacheren Anwendung, da sie weniger Überwachung der Blutgerinnung erfordern.

Aktuelle Studienergebnisse: Marcumar vs. NOAKs

Eine großangelegte Real-World-Studie, die Patientendaten von 570.000 BARMER-Versicherten auswertete, hat überraschende Ergebnisse geliefert. Die Studie deutet darauf hin, dass Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die aufgrund eines Schlaganfall- oder Thromboembolie-Risikos auf eine vorbeugende Blutverdünnung angewiesen sind, mit dem Vitamin-K-Antagonisten Phenprocoumon geringere Komplikationsraten aufweisen könnten.

Überlebenswahrscheinlichkeit

Die Arbeitsgruppe um Prof. Holger Reinecke vom Universitätsklinikum Münster (UKM) fand heraus, dass der in Marcumar enthaltene Wirkstoff Phenprocoumon mit einer höheren Überlebenswahrscheinlichkeit verbunden ist als NOAKs. Diese Erkenntnisse könnten eine Kehrtwende in der Verordnung von Blutverdünnern in Deutschland bedeuten.

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Vorteile von Real-World-Studien

Der Vorteil dieser Real-World-Studie liegt darin, dass sie medizinische Ergebnisse von hunderttausenden Betroffenen analysiert und nicht auf eine beschränkte, meist jüngere und gesunde Probandengruppe beschränkt ist, wie es bei Zulassungsstudien oft der Fall ist.

Vorhofflimmern und Schlaganfallrisiko

Vorhofflimmern ist eine der häufigsten Herzrhythmusstörungen, von der in Deutschland rund 1,8 Millionen Menschen betroffen sind. Diese Patienten haben ein erhöhtes Risiko für Schlaganfall oder Demenz. Vorhofflimmern führt zu ungeordneten elektrischen Impulsen im Herzen, was zu einem unregelmäßigen und schnellen Herzschlag führt. Dies kann die Blutströmung im Herzen stören und die Bildung von Blutgerinnseln begünstigen, die ins Gehirn gelangen und einen Schlaganfall auslösen können.

Antikoagulanzien zur Schlaganfallprävention

Die Behandlung von Vorhofflimmern mit Gerinnungshemmern wie Marcumar und NOAKs ist entscheidend, um die Bildung von Blutgerinnseln zu verhindern und das Schlaganfallrisiko zu reduzieren.

Herausforderungen bei der Behandlung mit Gerinnungshemmern nach einem Schlaganfall

Die Behandlung von Patienten mit Vorhofflimmern nach einem Schlaganfall stellt Ärzte vor eine besondere Herausforderung. Es gilt, das Risiko eines erneuten Schlaganfalls gegen das erhöhte Blutungsrisiko durch die gerinnungshemmende Therapie abzuwägen. Insbesondere in den ersten Tagen nach dem Schlaganfall ist das Hirngewebe empfindlicher, was das Risiko von Einblutungen erhöht.

Zeitpunkt des Therapiebeginns

Laut Leitlinien liegt der optimale Zeitpunkt für den Beginn der Behandlung bei den meisten Betroffenen zwischen 4 und 14 Tagen nach dem Schlaganfall. Eine neue internationale Studie deutet jedoch darauf hin, dass ein früherer Behandlungsbeginn das Risiko für einen Folgeschlaganfall reduzieren kann, ohne das Risiko für Hirnblutungen zu erhöhen.

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Ursachen für Schlaganfälle trotz Marcumar-Einnahme

Es gibt verschiedene Gründe, warum ein Schlaganfall trotz der Einnahme von Marcumar auftreten kann:

  • Subtherapeutische Antikoagulation: Wenn die Blutgerinnung nicht ausreichend gehemmt wird (INR-Wert unterhalb des Zielbereichs), kann sich ein Blutgerinnsel bilden und einen Schlaganfall verursachen.
  • Non-Compliance: Eine unregelmäßige oder fehlerhafte Einnahme von Marcumar kann zu Schwankungen der Blutgerinnung und einem erhöhten Schlaganfallrisiko führen.
  • Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten oder Lebensmitteln: Bestimmte Medikamente und Lebensmittel können die Wirkung von Marcumar beeinflussen und die Blutgerinnung entweder verstärken oder abschwächen.
  • Andere Risikofaktoren: Auch bei optimaler Antikoagulation können andere Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Rauchen oder Arteriosklerose das Schlaganfallrisiko erhöhen.
  • Paradoxe Embolie: In seltenen Fällen kann ein Blutgerinnsel, das sich im Körper gebildet hat, durch ein offenes Foramen ovale (PFO) im Herzen ins Gehirn gelangen und einen Schlaganfall verursachen, selbst wenn die Blutgerinnung ausreichend gehemmt ist.

Risikofaktoren für einen erneuten Schlaganfall

Nach einem ersten Schlaganfall besteht ein erhöhtes Risiko für einen zweiten Schlaganfall. Zu den wichtigsten Risikofaktoren gehören:

  • Bluthochdruck: Ein erhöhter Blutdruck schädigt die Gefäßwände und begünstigt die Bildung von Blutgerinnseln.
  • Vorhofflimmern: Diese Herzrhythmusstörung erhöht das Risiko für die Bildung von Blutgerinnseln im Herzen, die ins Gehirn gelangen und einen Schlaganfall auslösen können.
  • Diabetes mellitus: Diabetes schädigt die Blutgefäße und erhöht das Risiko für Arteriosklerose und Blutgerinnselbildung.
  • Arteriosklerose: Ablagerungen an den Gefäßwänden (Plaques) können die Blutgefäße verengen und das Risiko für Blutgerinnselbildung erhöhen.
  • Rauchen: Rauchen schädigt die Gefäßwände und fördert die Bildung von Blutgerinnseln.
  • Übergewicht: Übergewicht erhöht das Risiko für Bluthochdruck, Diabetes und hohe Cholesterinwerte, die allesamt Risikofaktoren für einen Schlaganfall sind.
  • Erhöhter Cholesterinspiegel: Hohe Cholesterinwerte tragen zur Bildung von Plaques in den Blutgefäßen bei.
  • Schlafapnoe: Diese Schlafstörung ist mit einem erhöhten Risiko für Bluthochdruck, Vorhofflimmern und Schlaganfall verbunden.

Präventionsstrategien zur Vermeidung eines erneuten Schlaganfalls

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das Risiko für einen erneuten Schlaganfall zu senken:

  • Medikamentöse Therapie:
    • Plättchenhemmer: Medikamente wie ASS (Acetylsalicylsäure) oder Clopidogrel verhindern, dass sich Blutplättchen an den Gefäßwänden anlagern und Blutgerinnsel bilden.
    • Antikoagulanzien: Bei Vorhofflimmern werden Antikoagulanzien wie Marcumar oder NOAKs eingesetzt, um die Bildung von Blutgerinnseln im Herzen zu verhindern.
    • Blutdrucksenkende Medikamente: Die Senkung des Blutdrucks reduziert die Belastung der Gefäßwände und verringert das Risiko für einen Schlaganfall.
    • Cholesterinsenkende Medikamente (Statine): Statine senken den Cholesterinspiegel, stabilisieren die Gefäßwände und können so der Bildung von Blutgerinnseln vorbeugen.
  • Lebensstiländerungen:
    • Rauchstopp: Der Verzicht auf das Rauchen hat zahlreiche gesundheitliche Vorteile und senkt das Schlaganfallrisiko erheblich.
    • Ausgewogene Ernährung: Eine gesunde Ernährung mit viel Gemüse, Obst, Vollkornprodukten und wenig gesättigten Fetten kann den Blutdruck und den Cholesterinspiegel senken.
    • Regelmäßige Bewegung: Körperliche Aktivität stärkt das Herz-Kreislauf-System, senkt den Blutdruck und hilft, Übergewicht abzubauen.
    • Gewichtsabnahme: Bei Übergewicht kann eine Gewichtsabnahme das Risiko für Bluthochdruck, Diabetes und Schlaganfall reduzieren.
    • Begrenzung des Alkoholkonsums: Ein hoher Alkoholkonsum kann den Blutdruck erhöhen und das Schlaganfallrisiko steigern.
  • Operative Eingriffe:
    • Karotis-Endarteriektomie: Bei Verengungen der Halsschlagader (Karotisstenose) kann eine Operation durchgeführt werden, um die Ablagerungen zu entfernen und das Schlaganfallrisiko zu senken.
    • Stent-Implantation: In einigen Fällen kann ein Stent in die verengte Halsschlagader eingesetzt werden, um das Gefäß offen zu halten.
    • Verschluss des Foramen ovale (PFO): Bei Patienten mit einem offenen Foramen ovale kann ein Verschluss des Lochs das Risiko für einen Schlaganfall reduzieren.
    • Verschluss des linken Vorhofohrs: Bei Patienten mit Vorhofflimmern, bei denen eine Antikoagulation nicht möglich ist, kann ein Verschluss des linken Vorhofohrs in Betracht gezogen werden, um die Bildung von Blutgerinnseln zu verhindern.

Die Rolle des INR-Wertes bei Marcumar-Einnahme

Der INR-Wert (International Normalized Ratio) ist ein wichtiger Parameter zur Überwachung der Blutgerinnung bei Patienten, die Marcumar einnehmen. Er gibt an, wie lange das Blut benötigt, um zu gerinnen. Der Zielbereich für den INR-Wert liegt in der Regel zwischen 2,0 und 3,0. Regelmäßige INR-Kontrollen sind notwendig, um sicherzustellen, dass die Blutgerinnung ausreichend gehemmt ist, ohne dass ein zu hohes Blutungsrisiko besteht.

Faktoren, die den INR-Wert beeinflussen können

Verschiedene Faktoren können den INR-Wert beeinflussen, darunter:

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  • Ernährung: Eine erhöhte Aufnahme von Vitamin K, z.B. durch den Verzehr von grünem Gemüse, kann die Wirkung von Marcumar abschwächen und den INR-Wert senken.
  • Alkohol: Alkohol kann die Wirkung von Marcumar verstärken und den INR-Wert erhöhen.
  • Medikamente: Viele Medikamente können Wechselwirkungen mit Marcumar eingehen und den INR-Wert beeinflussen.
  • Erkrankungen: Bestimmte Erkrankungen, wie z.B. Lebererkrankungen oder Infektionen, können den INR-Wert verändern.

Nebenwirkungen von Marcumar

Die häufigste Nebenwirkung von Marcumar ist ein erhöhtes Blutungsrisiko. Dies kann sich in Form von Nasenbluten, Zahnfleischbluten, blauen Flecken oder längeren Blutungen nach Verletzungen äußern. In seltenen Fällen kann es zu schwerwiegenden Blutungen kommen, z.B. im Magen-Darm-Trakt oder im Gehirn.

Maßnahmen bei Blutungen unter Marcumar

Bei Auftreten von Blutungen unter Marcumar sollte umgehend ein Arzt konsultiert werden. Je nach Schweregrad der Blutung kann die Marcumar-Dosis reduziert oder das Medikament abgesetzt werden. In schweren Fällen kann eine Behandlung mit Vitamin K oder Gerinnungsfaktoren erforderlich sein, um die Blutgerinnung wiederherzustellen.

Neue Erkenntnisse zur Lysetherapie bei Schlaganfallpatienten unter Antikoagulation

Die Lysetherapie mit einem Tissue Plasminogen Activator (tPA) wie Actilyse ist eine wichtige Behandlungsmöglichkeit bei ischämischen Schlaganfällen. Allerdings ist die Lysetherapie bei Patienten kontraindiziert, die unter der antikoagulativen Wirkung von Vitamin-K-Antagonisten stehen, da ein erhöhtes Blutungsrisiko besteht.

Lysetherapie bei leicht verminderter Gerinnung

Eine Studie hat jedoch gezeigt, dass die Lysetherapie bei Patienten mit einer nur leicht verminderten Gerinnung (INR ≤ 1,7) sicher sein könnte. Diese Erkenntnisse könnten die Behandlung von Schlaganfallpatienten unter Antikoagulation verbessern.

Die Bedeutung der Patientenaufklärung und -Compliance

Eine umfassende Aufklärung der Patienten über die Risiken und Vorteile der Marcumar-Einnahme, die Notwendigkeit regelmäßiger INR-Kontrollen und die Bedeutung der Medikamenten-Compliance ist entscheidend für eine erfolgreiche Schlaganfallprävention. Patienten sollten über mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und Lebensmitteln informiert werden und bei Auftreten von Blutungen umgehend einen Arzt aufsuchen.

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