Ein Schlaganfall kann das Leben von einem Moment auf den anderen verändern. Neben den gesundheitlichen Folgen stehen Betroffene und ihre Angehörigen oft vor der Herausforderung, sich im System der Pflegeversicherung zurechtzufinden. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die wichtigsten Aspekte rund um das Thema Pflegegrad nach einem Schlaganfall.
Was ist ein Schlaganfall?
Ein Schlaganfall, medizinisch auch Apoplex genannt, tritt auf, wenn die Blutversorgung eines Gehirnbereichs unterbrochen wird und somit Hirnfunktionen ausfallen. Dies kann durch eine Blutgerinnselbildung (ischämischer Schlaganfall) oder eine Blutung (hämorrhagischer Schlaganfall) verursacht werden. Symptome können plötzliche Schwäche, Sprach- und Sehstörungen, Verwirrtheit und Lähmungen sein. Um einen Schlaganfall rechtzeitig zu erkennen, gibt es den sogenannten FAST-Test (Face, Arms, Speech, Time).
Risikofaktoren für Schlaganfälle sind u.a. hoher Blutdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Rauchen, ebenso wie eine familiäre Vorbelastung.
Die Bedeutung des Pflegegrads nach einem Schlaganfall
Die Feststellung des Pflegegrads spielt eine entscheidende Rolle für Schlaganfallpatienten, da er den Zugang zu finanziellen und pflegerischen Unterstützungen eröffnet, die für die Rehabilitation und die Sicherung der Lebensqualität unerlässlich sind. Der Pflegegrad bestimmt das Maß an Pflegeleistungen, die Betroffenen und Angehörigen zustehen.
Die Pflegegrade in Deutschland
In Deutschland ist das Pflegesystem in fünf Pflegegrade unterteilt, die darauf abzielen, Menschen mit Pflegebedürftigkeit finanzielle Unterstützung und Zugang zu notwendigen Pflegeleistungen zu bieten. Die Einstufung in einen Pflegegrad hängt maßgeblich von der individuellen Beeinträchtigung der Selbstständigkeit und den Fähigkeiten des Betroffenen im Alltag ab.
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- Pflegegrad 1: Geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit. Personen in diesem Grad erhalten vor allem präventive und fördernde Leistungen.
- Pflegegrad 2: Erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit. Betroffene haben Anspruch auf Pflegegeld oder Pflegesachleistungen.
- Pflegegrad 3: Schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit. Menschen mit Pflegegrad 3 brauchen umfassendere Unterstützung und haben Anspruch auf höhere Leistungen.
- Pflegegrad 4: Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit. Hier sind Personen zugeteilt, die fast rund um die Uhr auf Hilfe angewiesen sind und eine intensivere Betreuung beanspruchen können.
- Pflegegrad 5: Schwerste Beeinträchtigungen mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung. Dieser Pflegegrad kennzeichnet außergewöhnlich schwere Fälle, bei denen die Personen tagtäglich Hilfe bei fast allen grundlegenden und komplexen Lebensvorgängen benötigen.
Es ist wichtig zu erwähnen, dass nicht pauschal aufgrund eines Schlaganfalls ein Pflegegrad vergeben wird. Die Zuordnung zu einem spezifischen Pflegegrad erfolgt durch eine detaillierte Begutachtung der individuellen Situation des Betroffenen.
Pflegegrad nach Schlaganfall: Welche Grade gibt es?
Ein Schlaganfall kann vielfältige und tiefgreifende Auswirkungen haben, die von leichten Einschränkungen bis hin zu schweren Beeinträchtigungen reichen.
- Pflegegrad 1: Dieser könnte für Personen in Betracht kommen, die einen leichten Schlaganfall erlitten und nur leichte Beeinträchtigungen erfahren haben.
- Pflegegrad 2: Hier sind die Beeinträchtigungen bereits erheblicher. Personen mit diesem Grad haben nach einem Schlaganfall merkliche Schwierigkeiten, alltägliche Aufgaben selbstständig zu bewältigen.
- Pflegegrad 3: Dieser wird Personen zugeordnet, die schwere Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit erleiden, wie z.B. anhaltende Lähmungserscheinungen oder schwere kognitive Einschränkungen.
- Pflegegrad 4: Personen, die in Pflegegrad 4 eingestuft werden, leiden unter schwersten Beeinträchtigungen ihrer Selbstständigkeit und benötigen eine kontinuierliche, rund um die Uhr Betreuung.
- Pflegegrad 5: Dieser ist für Personen vorgesehen, die die intensivste Form der Pflege benötigen und unter außerordentlich schweren und permanenten Beeinträchtigungen leiden.
Die Bewertung berücksichtigt die körperlichen, geistigen und emotionalen Auswirkungen des Schlaganfalls und zielt darauf ab, den Betroffenen die bestmögliche Unterstützung und Pflege zu gewährleisten.
Welcher Pflegegrad wird typischerweise nach einem Schlaganfall vergeben?
Die Vergabe eines Pflegegrades basiert nicht auf einer spezifischen medizinischen Diagnose wie der Halbseitenlähmung, sondern auf dem Grad der Selbstständigkeit des Betroffenen. Pflegegrad 5 ist für Personen vorgesehen, die eine sehr intensive Pflege benötigen.
Wie beantragt man einen Pflegegrad?
Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Beantragung eines Pflegegrads
- Antragstellung: Zuerst muss bei der Pflegekasse des Betroffenen ein Antrag auf Pflegeleistungen gestellt werden. Die Pflegekasse ist bei der Krankenkasse angesiedelt, bei der der Betroffene versichert ist. Die formelle Antragstellung kann telefonisch oder schriftlich erfolgen. Viele Pflegekassen bieten auch Online-Formulare an. Es ist wichtig, alle geforderten Unterlagen sorgfältig und vollständig auszufüllen, um Verzögerungen im Prozess zu vermeiden.
- Terminvereinbarung: Nach Eingang des Antrags beauftragt die Pflegekasse den Medizinischen Dienst (MD) oder MEDICPROOF mit der Begutachtung. Die Gutachter vereinbaren einen Termin, um den Pflegebedarf zu Hause oder in der Einrichtung, in der der Betroffene lebt, zu ermitteln.
- Begutachtung: Während des Hausbesuchs wird der Grad der Selbstständigkeit bzw. der Pflegebedürftigkeit in verschiedenen Bereichen bewertet. Die Begutachtung erfolgt anhand eines standardisierten Neuen Begutachtungsassessments (NBA), bei dem aufgrund von Punkten der Grad der Selbstständigkeit in den genannten Bereichen bewertet wird. Es ist ratsam, eine Dokumentation über bisher benötigte Hilfeleistungen im Alltag zusammenzustellen und den Termin gut vorzubereiten.
- Ergebnis und Pflegegrad: Anhand des Ergebnisses der Begutachtung wird entschieden, in welchen Pflegegrad der Betroffene eingestuft wird. Die Pflegekasse teilt das Ergebnis dem Versicherten schriftlich mit. Kommt man zu dem Schluss, dass eine erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten vorliegt, wird einer der Pflegegrade 2 bis 5 zuerkannt. Bei geringerer Beeinträchtigung kann auch der Pflegegrad 1 in Betracht kommen.
- Widerspruch: Sollte man mit der Entscheidung der Pflegekasse nicht einverstanden sein, hat man das Recht, Widerspruch einzulegen. In diesem Fall wird der Fall erneut geprüft.
Detaillierte Schritte zur Beantragung
- Formular besorgen: Kontaktieren Sie die Pflegekasse und bitten Sie um den "Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung". Viele Versicherer bieten den Antrag auch online zum Download an.
- Informationen angeben: Füllen Sie das Formular sorgfältig aus und geben Sie alle nötigen Informationen an. Vergessen Sie Ihre Unterschrift nicht.
- Auf Anruf warten: Die Pflegekasse setzt sich mit dem Medizinischen Dienst (MD) in Verbindung, der einen Termin für die Pflegebegutachtung vereinbart.
- Post im Blick behalten: Nach spätestens 25 Arbeitstagen erhalten Sie einen Brief von der Pflegekasse mit der Mitteilung über den zugeteilten Pflegegrad.
- Widerspruch einlegen: Wenn Sie mit der Zuteilung des Pflegegrads nicht einverstanden sind, haben Sie einen Monat Zeit, schriftlich Widerspruch einzulegen.
Wer stellt den Pflegegrad-Antrag?
Den Antrag auf einen Pflegegrad muss die pflegebedürftige Person unterschreiben, denn nur sie ist gegenüber ihrer Pflegeversicherung leistungsberechtigt. Gesetzliche Betreuer oder Bevollmächtigte können diese Aufgabe auch übernehmen.
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Wann sollte man den Antrag stellen?
Grundsätzlich gilt: So früh wie möglich. Denn Ihr Anspruch gilt später rückwirkend ab dem Tag der Antragstellung. Einen Erstantrag auf einen Pflegegrad sollten Sie stellen, wenn Sie voraussichtlich für mehr als sechs Monate Unterstützung im Alltag benötigen.
Eilantrag stellen
In bestimmten Fällen ist ein Eilantrag möglich, z.B. wenn sich die pflegebedürftige Person aktuell im Krankenhaus oder einer stationären Rehabilitationseinrichtung befindet. In diesen Fällen muss die Begutachtung spätestens am fünften Tag nach der Antragstellung erfolgen.
Leistungen der Pflegeversicherung
Hat die Pflegekasse einen Pflegegrad genehmigt, stehen Pflegebedürftigen verschiedene Leistungen der Pflegeversicherung zu. Abhängig von den eigenen Bedürfnissen und dem Pflegegrad können Pflegebedürftige zwischen verschiedenen Formen der Pflege unterscheiden.
- Pflegegeld: Das erhalten pflegebedürftige Menschen, die privat von Angehörigen oder Freunden gepflegt oder betreut werden. Es steht Betroffenen ab Pflegegrad 2 zur Verfügung und kann frei verwendet werden.
- Pflegesachleistungen: Diese Leistungen umfassen eine Pflege, die von professionellen Pflegekräften erbracht wird. Die sogenannte „ambulante Pflege“ kommt ins Haus.
- Entlastungsbeitrag: Alle Pflegebedürftigen, die zu Hause gepflegt werden, haben Anspruch auf den sogenannten Entlastungsbeitrag der sozialen Pflegeversicherung.
- Teilstationäre Pflege: Diese Form wird von der Pflegeversicherung übernommen und die Mittel richten sich nach den Pflegegraden. Teilstationär bedeutet, dass der oder die Betroffene die Pflege entweder nur tagsüber oder nachts stationär benötigt und die restliche Zeit zu Hause gepflegt wird.
- Stationäre Pflege: Die stationäre Pflege wird auch Heimunterbringung genannt. Sie ist Bestandteil des Leistungskataloges der Pflegeversicherung und abhängig vom Pflegegrad.
- Verhinderungspflege: Wenn die pflegenden Angehörigen erkrankt oder Urlaub benötigen, können die Kosten für eine Ersatzkraft im Rahmen der Verhinderungspflege bei Ihrer Pflegeversicherung beantragt werden.
- Kurzzeitpflege: Die Kurzzeitpflege übernimmt die pflegebedingten Kosten für einen stationären Aufenthalt für bis zu acht Wochen im Jahr.
- Tages- und Nachtpflege: Die Tages- und Nachtpflege kann seit dem 1. Januar 2017 neben dem Pflegegeld voll beansprucht werden. Der monatliche Zuschuss richtet sich nach dem Pflegegrad.
- Wohnraumanpassung: Die Pflegekasse beteiligt sich mit bis zu 4.000 Euro an Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfelds.
Zusätzliche Leistungen
- Im akuten Pflegefall: Beschäftigte haben das Recht, sich bis zu zehn Arbeitstage freistellen zu lassen, um für einen nahen Angehörigen eine gute Pflege zu organisieren.
- Unabhängige Pflegeberatung: Diese wird seit 1998 kostenlos angeboten und ist unabhängig von der Pflegekasse.
Die Rolle von Hilfsmitteln und Therapie
Hilfsmittel spielen eine essentielle Rolle in der Pflege und Rehabilitation von Personen, die einen Schlaganfall erlitten haben. Sie sind nicht nur praktische Unterstützer im Alltag, sondern auch unverzichtbare Helfer auf dem Weg zurück in ein selbstbestimmtes Leben.
Ergotherapie, Physiotherapie, Logopädie und neuropsychologische Trainings sind wichtige Therapieoptionen, die darauf abzielen, die Lebensqualität betroffener Personen zu verbessern und ihre Selbstständigkeit so weit wie möglich wiederherzustellen.
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Unterstützung durch das Bundesweite Pflegenetzwerk (BWPN)
Das Bundesweite Pflegenetzwerk (BWPN) unterstützt Betroffene und deren Familien bei der Ermittlung des richtigen Pflegegrads und setzt sich dafür ein, dass die Pflegebedürftigkeit korrekt bewertet wird. Die unabhängigen Sachverständigen des BWPN analysieren die Gutachten gründlich und setzen sich mit Gegengutachten für eine faire Einschätzung ein.
Kann der Pflegegrad im Laufe der Zeit angepasst werden?
Ja, wenn sich der Gesundheitszustand verschlechtert und der aktuelle Pflegegrad nicht mehr angemessen erscheint, können Sie eine Höherstufung beantragen. Das Vorgehen ist ähnlich wie beim Erstantrag.
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