Schmerzassessment bei Demenz: Leitlinien für eine verbesserte Versorgung

Schmerzen sind ein häufiges Problem bei älteren Menschen, insbesondere bei solchen mit Demenz. Die Prävalenz von Schmerzen bei älteren Menschen in stationären Pflegeeinrichtungen kann über 80 % liegen. Kognitive Beeinträchtigungen können dazu führen, dass Schmerzen nicht mehr adäquat kommuniziert werden können, was die Schmerzbeurteilung erschwert. Um die Versorgung dieser vulnerablen Patientengruppe zu verbessern, wurde das Innovationsfondsprojekt „GeriPAIN“ ins Leben gerufen, das sich der Erstellung einer Leitlinie widmet, die sich den Besonderheiten des Schmerzmanagements geriatrischer Patient:innen annimmt, vom Schmerzassessment bis zur Evaluation der Schmerztherapie.

Hintergrund und Bedeutung

Geriatrische Patient:innen sind charakterisiert durch eine geriatrietypische Multimorbidität und ein höheres Lebensalter. Darunter wird das Vorliegen von mindestens zwei chronischen Erkrankungen mit sozialmedizinischer Relevanz im Sinne einer alltagsrelevanten Aktivitätsbeeinträchtigung verstanden. In einem höheren Lebensalter befinden sich in der Regel Menschen ab dem 70. Lebensjahr [16, 23]. Ab einem Lebensalter von 80 Jahren oder älter werden Patient:innen generell als geriatrisch betrachtet. Aufgrund altersphysiologischer Veränderungen sowie bestehender Schädigungen der Körperfunktionen und -strukturen sind die Reservekapazitäten eingeschränkt. Menschen ab dem 80. Lebensjahr sind daher besonders vulnerabel.

Schmerzen sind dabei auch Prädiktoren für die Entwicklung von Frailty (Gebrechlichkeit) und damit erhöhter Krankenhauseinweisungen, Pflegebedürftigkeit und Mortalität. Der Schmerzerkennung, -einschätzung und Therapie kommt damit eine wichtige Bedeutung zu. Sie muss gleichzeitig auf die Herausforderungen von Multimorbidität und Polypharmazie abgestimmt sein und die Lebensphase Alter, mit oft bestehenden Funktionseinbußen sowie Pflegebedürftigkeit, berücksichtigen. Arzneimittelwechselwirkungen und altersbedingte metabolische Veränderungen bedürfen einer angepassten analgetischen Therapie und Funktionseinbußen beeinflussen die Möglichkeit zur Durchführung nicht-medikamentöser Therapien. Kognitive und sensorische Defizite erschweren das Schmerzassessment und Pflegebedürftigkeit führt dazu, dass pflegende Angehörige sowie ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen in das Schmerzmanagement einbezogen werden müssen.

Ziele der GeriPAIN-Leitlinie

Ziel dieses Projektes war die Entwicklung einer Leitlinie, die das gesamte interprofessionelle Schmerzmanagement für alle geriatrischen Patienten in allen wesentlichen Settings abdeckt. Es nahm dabei die bestehenden S3-Leitlinie „Schmerzassessment in der vollstationären Altenhilfe“ (AWMF-Register-Nr. 145-001) auf und transformierte sie zu einer neuen Leitlinie. Abgedeckt werden sollten das Assessment und die Diagnosestellung sowie die medikamentöse und nicht-medikamentösen Therapie in dieser vulnerablen Patient:innengruppe und insbesondere Auswirkungen auf das Schmerzmanagement durch altersbedingte Besonderheiten, aber auch häufige Komorbiditäten (z.B. Demenz) sowie die geriatrietypische Multimorbidität und Frailty (Gebrechlichkeit) fokussieren.

Die Leitlinie richtet sich an alle an der Versorgung beteiligten Berufsgruppen und soll eine Ergänzung zum generellen Schmerzmanagement darstellen. Es werden die wissenschaftliche Fundierung verfügbarer Assessmentverfahren, schmerztherapeutische Ansätze sowie die Gestaltung der sektorenübergreifenden und interprofessionellen Zusammenarbeit gesichtet, bewertet und für die Versorgungspraxis interpretiert. Die gemeinsame Entscheidungsfindung („shared decision-making“) mit den Betroffenen und ihren Angehörigen soll gestärkt werden.

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Methodisches Vorgehen

Die Erstellung der Leitlinie wird durch den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses gefördert (Förderkennzeichen 01VSF22017). Die Konsortialführung hat die Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. inne, Konsortialpartner ist die evangelische Hochschule Dresden. Die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie e. V. und die Unabhängige Vereinigung aktiver Schmerzpatienten in Deutschland SchmerzLOS e. V. sind wesentliche Kooperationspartner sowie Mitantragstellende.

Die inhaltliche und redaktionelle Verantwortung für die Empfehlungen der Leitlinie liegt bei der Steuergruppe. Anwendungsgruppen sollen möglichst umfassend einbezogen werden. Insgesamt sind 32 Fachgesellschaften und Interessenvertretungen sowie zwei Patient:innenvereinigungen an der Leitlinienentwicklung beteiligt und bilden somit das Spektrum des Teams in der geriatrischen Versorgung sowie der verschiedenen Settings breit ab.

Zu Beginn der Leitlinienentwicklung legen alle beteiligten Personen ihre Interessenkonflikte offen. Mögliche Interessenkonflikte werden durch die Mitglieder der Steuergruppe auf Relevanz und Unbedenklichkeit hin geprüft. Die Prüfung möglicher Interessenkonflikte der Steuergruppe erfolgt durch das Präsidium der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. Alle Delegierten können sich an der inhaltlichen Entwicklung der Leitlinie durch die Arbeitsgruppen beteiligen.

Schlüsselfragen der Leitlinie

Die Steuergruppe entwickelte zur konstituierenden Sitzung klinisch relevante Schlüsselfragen. Es wurden neun Schlüsselfragen aus der S3-Leitlinie „Schmerzassessment bei alten Menschen in der vollstationären Altenhilfe“ übernommen und um das Setting der ambulanten und akutstationären Versorgung ergänzt. Vier Schlüsselfragen zu Besonderheiten der Diagnostik und der Therapie bei geriatrischen Patient:innen mit Schmerzen wurden formuliert, zwei Schlüsselfragen zur gemeinsamen Entscheidungsfindung und der Aufrechterhaltung der Versorgungskontinuität erarbeitet. Die Schlüsselfragen wurden bei der konstituierenden Sitzung angepasst und durch die Delegierten der Leitliniengruppe konsentiert.

Evidenzbasierung der Empfehlungen

Zunächst findet eine Suche zu (inter-)nationalen Leitlinien zu Schmerz über die Datenbank des Guideline International Network (G-I-N) statt. Identifizierte Quellleitlinien werden anschließend anhand des AGREE-II-Instruments bewertet und eine Synopse erstellt. Die Analyse der Leitlinien und der Übersichtsarbeiten wird durch die Software Covidence® unterstützt. Das Vorgehen zur Identifikation geeigneter Übersichtsarbeiten orientiert sich am Prisma-Schema. Es werden a priori Ein- und Ausschlusskriterien festgelegt. Die identifizierten Publikationen werden durch zwei unabhängige Mitglieder der Arbeitsgruppen zuerst anhand des Titels und Abstracts und im Anschluss anhand des Volltexts auf ihre Relevanz hin geprüft. Konflikte werden durch ein drittes Mitglied gelöst.

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Die methodische Bewertung der eingeschlossenen Publikationen erfolgt anhand von strukturierten Bewertungsinstrumenten. Für systematische Übersichtsarbeiten von Interventionsstudien wird AMSTAR‑2, für alle weiteren Übersichtsarbeiten das Instrument des Joanna Briggs Institute angewendet. Die Bewertung erfolgt durch die wissenschaftliche Mitarbeiterin. Es werden 10 % der Studien zufällig ausgewählt und durch ein zweites Mitglied der Steuergruppe bewertet. Die Ausweisung der Evidenz erfolgt anhand der Oxford-Klassifikation von 2011. Das Studiendesign sowie dessen interne Validität bestimmen dabei die primäre Zuordnung zu einem „level of evidence“ (LoE) von 1 bis 5.

Die Graduierung der Handlungsempfehlungen spiegelt wider, inwieweit erwünschte Konsequenzen gegenüber den negativen oder keinen Konsequenzen überwiegen. Die Graduierung erfolgt in „starke“, „schwache“ und „offene“ Empfehlungen (soll - sollte - kann), ggf. können bei fehlender Evidenz Empfehlungen im Expertenkonsens ausgesprochen werden.

Konsensusfindung und Veröffentlichung

Der Leitlinienentwurf wird zu einer externen Konsultation für den Zeitraum von sechs Wochen auf der Homepage der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. öffentlich zugänglich sein. Expert:innen, Anwender:innen sowie interessierte Personen werden eingeladen, Rückmeldungen zu geben. Im Anschluss an die Konsultationsphase werden Kommentare und Änderungsvorschläge durch die Steuergruppe geprüft und ggf. in Rücksprache mit den Arbeitsgruppen weitere Änderungen vorgenommen. Die Konsensuskonferenz ist für den Sommer 2024 geplant. Im Rahmen der Konsensuskonferenz findet eine strukturierte Konsensfindung mithilfe eines nominalen Gruppenprozesses statt. Die jeweils erreichten Konsensstärken werden in der Leitlinie ausgewiesen. Die Geltungsdauer der Leitlinie ist auf 5 Jahre begrenzt. Eine anlassbezogene frühere Aktualisierung ist möglich. Der Aktualisierungsbedarf wird regelhaft durch die Mitglieder des Arbeitskreises „Schmerz und Alter“ der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V.

Qualitätsindikatoren

Im Rahmen der Leitlinienentwicklung werden Qualitätsindikatoren anhand eines mehrstufigen Prozesses entwickelt. Zu Beginn werden die in den Quellleitlinien angegebenen Qualitätsindikatoren (QI) gelistet und einer ersten Sichtung unterzogen. Ebenso wird eine systematische Literaturrecherche nach (inter-)nationalen Qualitätsindikatoren durchgeführt. Nach der finalen Konsentierung der Leitlinienempfehlung werden des Weiteren die starken Empfehlungen gelistet und um die weiteren verfügbaren QI ergänzt. Darauf aufbauend wird ein Set an QI auf Grundlage der Relevanz, Wissenschaftlichkeit und Praktikabilität entwickelt.

Empfehlungen aus dem Leitlinienentwurf GeriPAIN

Prof. Dr. Erika Sirsch stellte auf dem Deutschen Schmerzkongress bereits einige der in der Leitliniengruppe konsentierten Empfehlungen vor, die mit dem stärksten Empfehlungsgrad, also als „Soll-Empfehlung“ belegt wurden, und zudem 4 „Sollte-Empfehlungen“. Bei Menschen mit kognitiven Einschränkungen sei es unter anderem wichtig, ergänzend zur Selbst- auch eine Fremdeinschätzung einzuholen, egal, ob die betroffene Person im Pflegeheim untersucht werde oder in der Notaufnahme eines Krankenhauses eintreffe. Der Gebrauch einer verständlichen Sprache gegebenenfalls mit Begriffen, die die betroffene Person selbst verwendet, etwa „Aua“ oder „Weh“, sei dann oft zielführend.

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Schmerzassessment bei Demenz

Ältere und insbesondere Menschen mit kognitiven Einschränkungen (z. B. Demenz) laufen Gefahr, dass ihre Schmerzen unzureichend erkannt und behandelt werden. Dabei besteht ein Zusammenhang zwischen der Schmerzintensität und einer verringerten Lebensqualität. Da geriatrische Patient:innen eine hohe Vulnerabilität aufweisen, ist ihnen ein besonderer Schutz zu gewährleisten.

Wie erkennt man Schmerzen bei Menschen mit Demenz und starken kognitiven Einschränkungen, wenn es einen Unterschied macht, aus welcher Kultur jemand kommt und ob man nach Schmerzen fragt oder ob es wo wehtut? Die kognitiven Einschränkungen oder der Verlust der Fähigkeit, sich verbal verständlich zu machen, bedürfen bei Menschen mit Demenz sowie auch im hohen Alter häufig eines anderen Zugangs, um Schmerzen zu beurteilen. Zielgruppenspezifische Schmerzbeobachtungen und Schmerzeinschätzungen sollen hierbei auf lautsprachliche, mimische, verhaltensbedingte und physische Äußerungen der Betroffenen eingehen können. Als Grundlage für eine differenzierte Entscheidungsfindung sollte das Team in jedem Fall eine effiziente Schmerzerfassung und ein darauf fußendes Schmerzmanagement leben. Denn mit einem guten Schmerzmanagement verringert sich die Zahl der Bewohner, die unruhig sind und herausforderndes Verhalten zeigen, erheblich.

Wie Menschen mit Demenz Schmerz erleben

Schmerzreize werden im Alter eher stumpf wahrgenommen, der Schmerzeintritt erfolgt langsamer. Die Schmerzschwelle ab der ein Reiz als schmerzvoll wahrgenommen wird und die Schmerztoleranz, sind je nach Demenzform unterschiedlich ausgeprägt. Ist die persönliche Schmerztoleranz überschritten, wird diese bei Menschen mit kognitiven Störungen weniger durch die körpereigene Hemmung unterdrückt, wodurch eine deutlichere Schmerzmimik im Vergleich gesunder gleichaltriger zu erkennen ist. Demenziell erkrankte Bewohner verlieren irgendwann das erlernte Wissen darüber, was ein Schmerz ist. Sie können den Schmerz nicht ihrem Körper, einem Organ oder einer Krankheit zuordnen. Sie zeigen ausgeprägte Mimik und vegetative Symptome. Durch den kognitiven Bedeutungsverlust, was ein Schmerz ist, könnten Demenzkranke zum Beispiel auch andere unangenehme Empfindungen oder Gefühle für sich als Schmerzen interpretieren und entsprechend darauf reagieren. Es kann vorkommen, dass sie laut „Aua“ rufen, wenn sie Angst haben, sich einsam fühlen oder zum Beispiel durch eine zu schnelle Bewegung erschrecken. Die Laute und die gemeinten Inhalte verlieren ihre Verbindung.

Allgemein erleben alte Menschen den Schmerz oft als eine Herausforderung, als Zeichen von Schwäche oder als Strafe für eine vermeintliche Schuld und wollen keinem zur Last fallen. Dabei tun sie sich oft schwer damit, erstens Schmerz als etwas zu begreifen, über das man spricht, und ihn zweitens dann auch noch exakt zu beschreiben. Das Wort Schmerz hat in vielen Sprachen somit unterschiedliche Bedeutungen und ist abhängig von der jeweiligen kulturellen wie religiösen Betrachtungsweise des Schmerzes. Das Phänomen Schmerz ist sprachlich nur schwer definierbar, da eine Vielzahl der Schmerzbegriffe zusätzlich Emotionen beinhalten. Schmerz ist somit nicht nur ein reiner Nervenimpuls, sondern ein komplexes und vielschichtiges Erlebnis. Es ist nicht nur der Schmerz, der das Leben bestimmt, sondern es ist auch das Leben, das die Intensität und die Bewertung des Schmerzes definiert.

Geeignete Instrumente zur Schmerzerfassung

Je nach Grad der kognitiven Beeinträchtigung empfehlen sich unterschiedliche Instrumente für ein Schmerzassessment. Grundsätzlich hat auch bei Menschen mit Demenz die Selbstauskunft zu Schmerzen Vorrang. Die Schmerzselbsteinschätzung sollte somit immer als Goldstandard angesehen werden und gegenüber allen Fremdeinschätzungen bevorzugt oder und parallel angewandt werden. Ausgeprägteres Schmerzverhalten bei einer Aktivität im Vergleich zur Ruhesituation weist sehr stark auf einen bewegungsabhängigen Schmerz hin. Achten Sie daher systematisch auf Verhaltensänderungen geachtet, etwa mittels BESD-Einschätzung. Auch herausfordernde Verhaltensweisen können auf Schmerzen hindeuten.

Sollte keine Selbstauskunft mehr möglich sein, gehen Sie folgendermaßen vor: Wenn eine üblicherweise schmerzhafte Erkrankung, Verletzung oder ein ebensolcher Eingriff vorliegt, können Sie davon ausgehen, dass der Betroffene Schmerzen hat. Beobachten Sie das übliche Verhalten des Bewohners, und achten Sie regelmäßig auf Verhaltensänderungen und prüfen Sie es auf Schmerzverhalten, vor allem auch während Aktivitäten. Nicht immer ist Schmerzverhalten erkennbar, oder Schmerzen äußern sich in demenztypischem, herausforderndem Verhalten. Wenn Sie Schmerzen vermuten, dann geben Sie versuchsweise ein Schmerzmittel (Initialbehandlung).

Schmerzeinschätzung durch Fachkräfte

Die Schmerzeinschätzung sollten Sie nur als ausgebildete Pflegefachkraft anwenden. Grundsätzlich sollte die pflegerische Diagnostik, zu der die Schmerzeinschätzung gehört, durch Pflegefachpersonen erfolgen. Aber natürlich ist es wichtig, dass alle an der Pflege Beteiligten, also auch Hilfskräfte, Angehörige oder andere, ihre Erkenntnisse in den diagnostischen Prozess einbringen. Daher können vor allem schmerzassoziierte Verhaltenseinschätzungen auch gut zu zweit oder dritt im Austausch beziehungsweise gemeinsam genutzt werden.

Empfehlungen der S3-Leitlinie

Die S3-Leitlinie „Schmerzassessment bei älteren Menschen in der vollstationären Altenhilfe“ (Stand 11. Juli 2017) gibt 62 weitere praxisnahe wie evidenzbasierte Empfehlungen zur Implementation eines zielgruppenspezifischen Schmerzmanagements für die vollstationäre Altenhilfe. Kernaussagen der Leitlinie:

  • Bei jedem Bewohner einer stationären Pflegeeinrichtung soll ein Screening auf mögliche Schmerzen durchgeführt werden.
  • Bei vorhandenem Schmerz (positives Screening) soll sich ein vertieftes Assessment anschließen, dessen Leitkriterium die Schmerzstärke ist. Außerdem sind der Mobilitätsstatus und die Auswirkungen des Schmerzes auf die Funktion zu überprüfen.
  • Eine regelhafte Verlaufserfassung soll durchgeführt werden, um zu prüfen, ob das Schmerzmanagement anzupassen oder weitere Diagnostik erforderlich ist.
  • Ist eine Selbstauskunft zu Schmerzen nicht möglich, soll vor allem geprüft werden, ob der Bewohner potenziell schmerzauslösende Erkrankungen hat und ob schmerztypische Verhaltensweisen auftreten.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Schmerzbehandlung

Die wichtigste Grundlage für eine erfolgreiche Schmerzbehandlung ist die vertrauensvolle interdisziplinäre Zusammenarbeit. Im Idealfall aus ausgebildeten Schmerzexperten (Pain Nurse, Algesiologische Fachassistenz), Schmerztherapeuten, Fachärzten, Psychologen, Physiotherapeuten, Angehörigen, Bezugspersonen und dem Bewohner selbst, um gemeinsam eine Strategie für mehr Lebensqualität erreichen zu können. Für eine gute Schmerzeinschätzung braucht es die Gefühlswahrnehmung und Intuition. Dies verlangt Erfahrung, Selbstbewusstsein und die Bereitschaft, mit Teamkollegen im Austausch zu bleiben sowie Zeit für die Reflexion freizuräumen.

Durch Erfahrungswerte Einzelner können subjektive Eindrücke gewonnen werden, die durch Erfahrung zu einer messbaren (Schmerz-)Größe und Parameter werden. Durch Konsens und Austausch im Team werden unsere subjektiven Sinneswahrnehmungen, Gefühlseindrücke und Erfahrungswerte zu einem Bild zusammengefügt. Fallbesprechungen sind daher ein adäquates Mittel für eine erfolgreiche Schmerzbehandlung. Dazu sollten sich alle Beteiligten darauf verlassen können, dass den Empfehlungen aller gefolgt wird, und gesundheitliche Veränderungen umgehend mitgeteilt werden.

Herausforderungen und Ausblick

Die schmerztherapeutische Versorgung betagter Menschen ist unzureichend systematisch untersucht. Die wenigen Studien, die es bislang dazu gibt, deuten auf eine eklatante Unterversorgung hin. Die Gründe für schmerztherapeutische Versorgungsdefizite bei älteren Menschen sind vielfältig. Eine Verbesserung der Situation ist nur möglich, wenn die an der Schmerzdiagnostik und -behandlung Beteiligten sich gut untereinander abstimmen und dabei eine Reihe altersbezogener Besonderheiten beachten.

Die Leitliniengruppe hat zu diesem Themenkomplex erste Empfehlungen erarbeitet, deren Konsentierung bei Redaktionsschluss noch ausstand:„Geriatrische Patientinnen und Patienten sowie ihre Angehörigen sollten in alle Aspekte des Schmerzmanagements einbezogen werden (mittelstarke Empfehlung, Expert:innenkonsens). Im Rahmen einer gemeinsamen Entscheidungsfindung sollen mit den Patienten der mögliche Nutzen und Schaden einer Therapie mit Analgetika und Ko-Analgetika im Vergleich zu anderen medikamentösen (…) und nichtmedikamentösen Therapieoptionen besprochen werden.“ (stärkste Empfehlung, Level of Evidence [LoE]* 3)Die Leitliniengruppe schlägt zudem im Interesse der Versorgungskontinuität vor, dass alle Gesundheitsprofis, die an der Versorgung geriatrischer Patientinnen und Patienten beteiligt sind, regelmäßige Schulungen zum Schmerzmanagement erhalten sollen (LoE 2).

Die S3-Leitlinie „Schmerzmanagement bei geriatrischen Patient:innen in allen Versorgungssettings“ bildet die Grundlage für eine hohe Versorgungsqualität bei dieser besonders vulnerablen Zielpopulation. Insbesondere Menschen mit Demenz sind einem hohen Risiko für eine Fehlbehandlung ausgesetzt. Eine evidenzbasierte Leitlinie, die sich den Besonderheiten des Schmerzmanagements bei geriatrischen Patient:innen vom Screening bis hin zur Therapie widmet und dabei die setting- wie professionenübergreifenden Herausforderungen berücksichtigt, bildet dafür ein wichtiges Fundament. Die Vertretung verschiedenster Disziplinen und Professionen in der Leitliniengruppe spiegelt die Versorgungsrealität von geriatrischen Patient:innen gut wider.

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