Nackenschmerzen, die in die Schulter und den Arm ausstrahlen, können ein Zeichen für einen eingeklemmten Nerv sein. Die Ursachen hierfür sind vielfältig und reichen von muskulären Verspannungen bis hin zu degenerativen Verschleißprozessen. Ein eingeklemmter Nerv kann sich durch Schmerzen, Taubheitsgefühle, Kribbeln und Bewegungseinschränkungen bemerkbar machen und den Alltag erheblich beeinträchtigen.
Was ist ein eingeklemmter Nerv?
Umgangssprachlich wird der Begriff "eingeklemmter Nerv" oft für plötzlich auftretende, stechende Schmerzen verwendet, die durch plötzliche Bewegungen entstehen. Medizinisch gesehen handelt es sich jedoch meist um eine Nervenkompression, bei der umliegende Strukturen wie Muskeln, Sehnen oder Gewebe Druck auf den Nerv ausüben. Dieser Druck kann die Funktion des Nervs beeinträchtigen und zu Reizungen, Entzündungen und den genannten Symptomen führen. Periphere Nerven sind Nerven, die außerhalb von Gehirn und Rückenmark liegen und das Gewebe im Körper versorgen. Nervenwurzeln gehören zum Rückenmark und sind von den Wirbeln knöchern geschützt.
Ursachen für einen eingeklemmten Nerv in Schulter und Arm
Ein eingeklemmter Nerv im Schulter- und Armbereich kann verschiedene Ursachen haben:
- Muskuläre Verspannungen: Muskelverspannungen im Nacken-, Schulter- und Rückenbereich können auf Nerven drücken und diese einklemmen. Diese Verspannungen können durch Fehlhaltungen, Überlastung, Stress oder Bewegungsmangel entstehen.
- Bandscheibenprobleme: Zwischen den einzelnen Wirbeln der Wirbelsäule befinden sich Bandscheiben, die als Puffer wirken und die Bewegungen der Wirbelsäule abfedern. Eine Bandscheibe besteht aus einem inneren gallertartigen Kern (Nucleus pulposus) und einer Hülle aus Faserknorpel (Anulus fibrosus). Im Alter lässt die Elastizität der Bandscheibenhülle nach und sie kann Risse bekommen. Man spricht dann von einer degenerierten Bandscheibe. Bei einer Bandscheibenprotrusion wölbt sich der Gallertkern der Bandscheibe in den Wirbelkanal vor. Der feste Faserring ist noch intakt, aber aufgrund von Verschleißprozessen geschädigt. Bei einem Bandscheibenvorfall (Diskusprolaps) durchbricht der Gallertkern den Faserring und tritt nach außen. Durch das Bandscheibenmaterial kann ein Spinalnerv oder das Rückenmark eingeengt werden. Am häufigsten von einem HWS-Bandscheibenvorfall sind die Halswirbelkörper C5 und C6 bzw. C6 und C7 betroffen.
- Arthrose der Wirbelsäule: Bei einer Spondylarthrose verschleißen die Zwischenwirbelgelenke, die die einzelnen Wirbel miteinander verbinden. Es handelt sich bei der Spondyl- oder Facettengelenksarthrose um eine der häufigsten Erkrankungen der menschlichen Wirbelsäule. Die Ursache liegt in einer verminderten Höhe eines Wirbelsäulenabschnittes aufgrund einer degenerierten Bandscheibe.
- Spinalkanalstenose: Bei einer Spinalkanalstenose ist der Spinalkanal, in dem das Rückenmark verläuft, verengt. Für den verringerten Durchmesser können ein Bandscheibenvorfall oder knöcherne Anbauten (Spondylophyten) verantwortlich sein. Die Verengung sorgt für eine Kompression des Rückenmarks oder des Spinalnerven, letztere meist einseitig.
- Verletzungen: Brüche (Frakturen) im Bereich der Halswirbel entstehen entweder durch Unfälle, Gewalteinwirkung oder durch eine Erkrankung, die die Knochensubstanz schädigt. Dazu zählen Knochenschwund (Osteoporose), Knochentumore und -metastasen. Aufgrund der Nähe zum Rückenmark sind Wirbelbrüche immer ein medizinischer Notfall und bedürfen sofort einer ärztlichen Untersuchung.
- Engpasssyndrome: Engpasssyndrome, wie das Karpaltunnelsyndrom am Handgelenk oder das Kubitaltunnelsyndrom am Ellenbogen, können ebenfalls zu einem eingeklemmten Nerv im Arm führen.
- Fehlhaltungen und Überlastung: Chronische Fehlhaltungen, z. B. durch schlechte Ergonomie am Arbeitsplatz oder muskuläre Dysbalancen im Rücken oder Nacken, können über längere Zeit zu einer Nervenirritation führen - ganz ohne konkrete Verletzung. Auch Über- oder Fehlbelastungen der Schultergürtelmuskulatur oder der Muskulatur des oberen Rückens z.B. Sportverletzungen können Ursachen sein.
- Systemische Erkrankungen: Auch systemische Erkrankungen wie Diabetes oder Engpasssyndrome wie das Karpaltunnelsyndrom können Nervenkompressionen auslösen.
Symptome eines eingeklemmten Nervs in Schulter und Arm
Die Symptome eines eingeklemmten Nervs können vielfältig sein und hängen von der Lokalisation und dem Ausmaß der Nervenkompression ab. Typische Anzeichen sind:
- Schmerzen: Stechende, brennende oder bohrende Schmerzen im Nacken, in der Schulter, im Arm oder in der Hand. Die Schmerzen können plötzlich auftreten oder sich langsam entwickeln. Sie können sich bei bestimmten Bewegungen verstärken und in andere Bereiche ausstrahlen.
- Empfindungsstörungen: Kribbeln, Taubheitsgefühle oder ein Gefühl von "Ameisenlaufen" in den Fingern, im Arm oder in der Schulter.
- Muskelschwäche: Schwäche oder Lähmungserscheinungen in den Muskeln des Arms oder der Hand. Dies kann sich durch Schwierigkeiten beim Greifen von Gegenständen oder beim Heben des Arms äußern.
- Bewegungseinschränkungen: Eingeschränkte Beweglichkeit der Schulter, des Arms oder des Nackens.
- Weitere Symptome: In seltenen Fällen können auch Schwindel oder Erbrechen auftreten, insbesondere wenn empfindliche Nerven im Bereich der Halswirbelsäule eingeklemmt sind. Auch Ohrenschmerzen können in Zusammenhang mit Nackenschmerzen auftreten.
Diagnose eines eingeklemmten Nervs
Die Diagnose eines eingeklemmten Nervs basiert in der Regel auf einer körperlichen Untersuchung und einer Anamnese des Patienten. Der Arzt wird nach den Symptomen fragen, die Krankengeschichte erheben und den Nacken, die Schulter und den Arm untersuchen, um die Ursache der Beschwerden zu ermitteln. Die erste Einschätzung der Beschwerden kann durch den Hausarzt erfolgen. Bei starken, wiederkehrenden Schmerzen sollte ein Orthopäde oder Unfallchirurg aufgesucht werden.
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Zur weiteren Abklärung können folgende Untersuchungen durchgeführt werden:
- Neurologische Untersuchung: Mit speziellen Funktionstests kann beurteilt werden, ob der betroffene Nerv sensible oder motorische Ausfälle zeigt. Auch Reflexveränderungen, Hautempfindlichkeit und Muskelkraft geben Hinweise auf die Ursache.
- Bildgebende Verfahren:
- Röntgen: Ein Röntgenbild kann Frakturen ausschließen und auch einen indirekten Bandscheibenvorfall-Nachweis erbringen. Des Weiteren eignet sich ein Röntgenbild der HWS vor allen Dingen dann, wenn ein Unfall vorausgegangen ist und man schauen will, ob Knochen verletzt oder gebrochen ist.
- MRT (Magnetresonanztomographie): Das MRT eignet sich am besten um Bandscheibenvorfälle und Kompression von Nerven, die daraus entstehen, zu diagnostizieren. MRT zeigt Weichteile wie Muskeln, Sehnen, Nerven und Bandscheiben.
- CT (Computertomographie): CT-Scans können detailliertere Bilder der Knochen liefern und helfen, knöcherne Veränderungen oder Verletzungen zu erkennen.
- Ultraschall: Ultraschall kann dynamische Beurteilung von Muskeln und Sehnen im Schultergelenk ermöglichen.
- Elektrophysiologische Untersuchungen:
- Nervenleitgeschwindigkeitstest (NLG): Dieser Test misst die Geschwindigkeit, mit der elektrische Signale entlang eines Nervs wandern. Er kann helfen, die Lokalisation und das Ausmaß der Nervenschädigung zu bestimmen.
- Elektromyographie (EMG): Unter der Elektromyographie (EMG) versteht man ein Verfahren zur Beurteilung der Funktion von Muskeln in Ruhe und unter Bewegung. Es dient im Wesentlichen der Feststellung von Erkrankungen der Muskulatur und deren Nervensystem.
Behandlung eines eingeklemmten Nervs in Schulter und Arm
Die Behandlung eines eingeklemmten Nervs richtet sich nach der Ursache und dem Schweregrad der Beschwerden. In den meisten Fällen kann ein eingeklemmter Nerv konservativ behandelt werden, d.h. ohne Operation.
Konservative Behandlung
- Schmerzlinderung:
- Schmerzmittel: Allgemein sollte eine ausreichende Schmerztherapie mittels NSAR wie Ibuprofen oder Paracetamol erfolgen, um langfristig Schon- und Fehlhaltungen vorzubeugen. Auch Schmerzsalben wie Voltaren können bei lokaler Anwendung zur Schmerzlinderung und Muskelentspannung beitragen.
- Entzündungshemmende Medikamente: Bei starken Schmerzen kann die Einnahme eines entzündungshemmende Medikamentes notwendig werden.
- Lokale Injektionen: Ist die Diagnose durch den behandelnden Arzt gesichert, kann der geschulte Arzt ein lokal wirksames Schmerzmittel mit einer Spritze mit feiner Kanüle vorsichtig direkt in die betroffene Region einbringen. Hierdurch kann der betroffene Nerv mittels Nervenblockade gezielt betäubt und somit die massiven, stechenden Schmerzen wirksam gelindert werden.
- Physiotherapie: Gerade bei einem leichten Bandscheibenvorfall oder einer Spinalkanalstenose können physiotherapeutische Maßnahmen und Rückenschule helfen, die Symptome zu lindern und die Mobilität zu verbessern.
- Manuelle Therapie: Spezielle Techniken, wie die Myofasziale Entspannung, Mobilisationen und Traktionen, können helfen, Blockaden und Verspannungen zu lösen.
- Wärme- und Kälteanwendungen: Wärme kann helfen, verspannte Muskeln zu entspannen, während Kälte eine entzündungshemmende Wirkung hat und Schmerzen lindern kann.
- Haltungs- und Bewegungsschulung: Eine Fehlhaltung oder ungünstige Bewegungsmuster sind häufige Ursachen für Nerveneinklemmungen.
- Ergonomie am Arbeitsplatz: Eine ergonomische Gestaltung des Arbeitsplatzes hilft, eingeklemmten Nerven vorzubeugen.
- Entlastung und Schonung: In den akuten Phasen sollten schmerzauslösende Bewegungen vermieden werden.
- Trainingstherapie: Ein gezieltes Training mit einem Sportwissenschaftler kann helfen, Muskelverspannungen zu lösen und die betroffenen Bereiche zu mobilisieren.
- Triggerpunktbehandlung: Bei Verspannungen der umliegenden Muskulatur kann die Behandlung von Triggerpunkten die Symptome lindern.
- Dehnübungen: Leichte, schonend durchgeführte und zunächst durch einen Physiotherapeuten angeleitete Dehnübungen der Schulter- und Nackenregion können dabei helfen, die Schmerzen durch einen eingeklemmten Nerven der Schulter zu lindern und erneuten Einklemmungen vorzubeugen.
Operative Behandlung
In einigen Fällen, besonders bei schwerwiegenden oder chronischen Nervenkompressionen, kann eine Operation zur Dekompression notwendig werden. Bei einem Bandscheibenvorfall kann beispielsweise ein minimalinvasiver Eingriff durchgeführt werden, um den Druck auf den betroffenen Nerv zu verringern und die Nervenwurzeln zu entlasten. Eine OP kommt nur infrage, wenn:
- der Nerv dauerhaft komprimiert ist,
- neurologische Ausfälle bestehen oder
- konservative Therapien nach 6-12 Wochen keine Wirkung zeigen.
Übungen bei einem eingeklemmten Nerv in der Schulter oder am Schulterblatt
Bei einem eingeklemmten Nerv in der Schulter oder am Schulterblatt können gezielte Übungen helfen, die Muskulatur zu entspannen, die Beweglichkeit zu verbessern und den Druck auf den Nerv zu verringern. Es ist wichtig, die Übungen langsam und kontrolliert durchzuführen und auf den eigenen Körper zu hören, um Überlastungen zu vermeiden.
Beispiele für Übungen:
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- Armkreisen: Kreisen Sie die Arme langsam nach vorne, anschließend nach hinten - jeweils 10 bis 15 Wiederholungen.
- Kopfneigung: Setzen Sie sich aufrecht hin. Neigen Sie den Kopf zur Seite, als würden Sie das Ohr zur Schulter führen, ohne die Schulter anzuheben.
- Dehnung im Türrahmen: Stellen Sie sich in einen Türrahmen, die Arme in Schulterhöhe angewinkelt auf den Rahmen legen. Lehnen Sie sich leicht nach vorne, um eine Dehnung in der Brustmuskulatur zu spüren.
- Katze-Kuh-Haltung: Gehen Sie in den Vierfüßlerstand. Machen Sie abwechselnd einen Katzenbuckel und ein leichtes Hohlkreuz.
- Seitliche Dehnung: Stellen Sie sich mit leicht gespreizten Beinen hin und stützen sich mit der gesunden Seite auf einem Tisch oder Stuhl ab. Neigen Sie den Oberkörper zur Seite, um eine Dehnung in der seitlichen Rumpfmuskulatur zu spüren.
- Plank: Gehen Sie in eine Plank-Position (Liegestütz-Position) oder auf die Knie. Halten Sie die Position für einige Sekunden und achten Sie darauf, dass Ihr Körper eine gerade Linie bildet.
- Rudern mit Theraband: Stehen Sie aufrecht und halten Sie ein Theraband mit beiden Händen fest. Ziehen Sie das Band auseinander, indem Sie die Arme nach hinten bewegen und die Schulterblätter zusammenziehen.
Was kann man selbst tun?
- Vermeiden Sie Fehlhaltungen: Achten Sie auf eine gute Körperhaltung, sowohl im Sitzen als auch im Stehen.
- Regelmäßige Bewegung: Körperliche Aktivität beugt Verspannungen vor und stärkt die Muskulatur.
- Stressmanagement: Muskelverspannungen können durch Stress begünstigt werden.
- Übergewicht reduzieren: Ein gesundes Körpergewicht entlastet die Wirbelsäule und verhindert zusätzlichen Druck auf Nerven.
- Vermeiden Sie wiederholte Bewegungen: Vermeiden Sie Haltungen oder wiederholende Tätigkeiten, bei denen es zu solchen Druckschäden kommen kann.
- Häufige Positionswechsel: Dauerhaftes, langes Sitzen in derselben Position sollte möglichst vermieden werden.
- Wärmeanwendungen: Zudem können Wärmeanwendungen und Schmerzmittel beziehungsweise Schmerzsalben akut Linderung verschaffen.
Wie lange dauert die Heilung?
Die Dauer der Beschwerden hängt von der Ursache der Nervenkompression ab. Bei Verspannungen heilt der eingeklemmte Nerv in der Regel von selbst. Bei schwerwiegenderen Ursachen, wie einem Bandscheibenvorfall oder einer Spinalkanalstenose, kann die Heilung länger dauern und eine intensivere Behandlung erforderlich sein. Im Durchschnitt dauert die Krankschreibung bei einem eingeklemmten Nerv im Schulterblattbereich etwa eine bis drei Wochen, kann aber je nach Verlauf variieren.
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