Schwindel ist ein weit verbreitetes Symptom, das viele Menschen betrifft. Es ist jedoch wichtig zu verstehen, dass Schwindel keine eigenständige Krankheit ist, sondern vielmehr ein Leitsymptom verschiedener Erkrankungen unterschiedlicher Ursachen. Diese Erkrankungen können ihren Ursprung im Innenohr, Hirnstamm oder Kleinhirn haben, aber auch psychische Ursachen können eine Rolle spielen.
Die Lebenszeitprävalenz von Dreh- und Schwankschwindel liegt bei etwa 30 %. Trotz seiner hohen klinischen Relevanz wird das Leitsymptom Schwindel oft unter- und fehlversorgt. Dies betrifft sowohl die Diagnose als auch die Therapie. Es werden oft zu viele, meist unwirksame und rein symptomatische Medikamente eingesetzt.
Ursachen von Schwindel
Die Ursachen von Schwindel sind vielfältig. Einteilung in verschiedene Schwindelformen ist wichtig für die richtige Diagnose und Behandlung. Internistische Ursachen sind bei reinem Drehschwindel unwahrscheinlich, während Schwankschwindel eher auf orthostatische Dysregulation oder Nebenwirkungen von Medikamenten wie Antihypertensiva oder Antikonvulsiva hindeuten kann.
Häufige Ursachen von Schwindel sind:
- Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel (BPPV): Die häufigste Ursache für Schwindel.
- Phobischer Schwankschwindel: Eine psychisch bedingte Form des Schwindels.
- Zentrale vestibuläre Schwindelsyndrome: Schwindel aufgrund von Erkrankungen des Hirnstamms oder Kleinhirns.
- Vestibuläre Migräne: Eine Form der Migräne, die mit Schwindelattacken einhergeht.
- Morbus Menière: Eine Erkrankung des Innenohrs, die zu Schwindel, Tinnitus und Hörverlust führt.
- Neuritis vestibularis: Eine Entzündung des Gleichgewichtsnervs.
Weitere mögliche Ursachen sind:
- Schädel-Hirn-Traumen
- Längere Bettlägerigkeit
- Morbus Menière
- Vestibuläre Migräne
- Osteopenie, Osteoporose und/oder erniedrigte Vitamin-D-Serumkonzentrationen
- Verspannungen im Nacken- und Schulterbereich
- Kreislaufprobleme
- Psychische Belastungen
- Bestimmte Medikamente
Neuritis Vestibularis: Entzündung des Gleichgewichtsnervs
Die Neuritis vestibularis, auch Neuropathia vestibularis genannt, ist eine Entzündung des Nervs, der vom Gleichgewichtsorgan im Innenohr zum Gehirn verläuft. Sie macht etwa 7% der Diagnosen in einer Spezialambulanz für Schwindel aus. Die Erkrankung tritt am häufigsten bei Erwachsenen im Alter zwischen 50 und 60 Jahren auf, wobei Frauen öfter betroffen sind als Männer. Es wird vermutet, dass der Entzündung eine Infektion durch Viren zugrunde liegt, vermutlich Herpes-simplex-Virus Typ I, die zu einem inkompletten einseitigen, rein vestibulären Labyrinthausfall führt.
Symptome der Neuritis Vestibularis
- Akut einsetzender, über viele Tage anhaltender heftiger Drehschwindel mit Scheinbewegungen der Umgebung (Oszillopsien)
- Übelkeit, fast immer begleitet von Erbrechen
- Horizontal rotierender Spontannystagmus zur nichtbetroffenen Seite
- Gangabweichung und Fallneigung zur betroffenen Seite
- Unwillkürliche Bewegungen der Augen (Nystagmus)
- Schweres Krankheitsgefühl
- Die Intensität des Schwindelgefühls wird durch Lageänderungen und durch rasche Bewegungen noch gesteigert, die Beschwerden bleiben auch in Ruhe bestehen.
Das Gehör ist bei der Entzündung des Gleichgewichtsnervs nicht beeinträchtigt.
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Diagnose
Die Schilderung der typischen Symptome akuter Schwindel, Übelkeit und Fallneigung zu der betroffenen Seite sind wegweisend für die Diagnose. Es können unwillkürliche Augenbewegungen (Nystagmus) beobachtet werden. Eine körperliche Untersuchung inklusive neurologischer Befunderhebung wird durchgeführt, ebenso eine Untersuchung der Gehörgänge und des Trommelfells. Das Hörvermögen muss bei HNO-Ärzt*innen durch einen Hörtest abgeklärt werden, dort erfolgen auch ggf. weitere Tests. Bei einer Neuritis vestibularis ist das Hörvermögen normal. Andere Ursachen für einen Schwindel müssen ausgeschlossen werden, insbesondere ein Schlaganfall. Dafür sind teilweise zusätzliche Untersuchungen notwendig.
Differentialdiagnose
Andere Ursachen für Schwindel müssen ausgeschlossen werden, insbesondere ein Schlaganfall.
Mögliche weitere Ursachen sind:
- Gutartiger Lagerungsschwindel
- Morbus Menière
- Labyrinthitis
- Akustikusneurinom
- Hörsturz
- Verletzungen
- Schwindel durch Medikamente
- Multiple Sklerose
- Migräne
Therapie
Die Therapie der Neuritis vestibularis zielt darauf ab, die Symptome zu lindern, den Krankheitsverlauf zu verkürzen und bleibende Folgen zu verhindern.
- Medikamentöse Therapie: In den ersten Tagen können Antiemetika (Medikamente gegen Übelkeit) und Antivertiginosa (Medikamente gegen Schwindel) in Kombination mit Kortison sinnvoll sein. Bei schwerer Übelkeit und Brechreiz können innerhalb der ersten Tage zur symptomatischen Therapie Antivertiginosa verabreicht werden. Eine prospektive, randomisierte, placebokontrollierte Studie zeigte, dass eine Monotherapie mit Methylprednisolon zu einer signifikanten Verbesserung der Erholung der peripheren vestibulären Funktion führte.
- Physiotherapie: Anschließend ist es wichtig, frühzeitig ein Rehabilitationsprogramm zu beginnen: Mobilisierung mit Schulung der Gleichgewichtsfunktion im Stehen und Gehen auf ebenen und unebenen Flächen, Training der Fähigkeiten zur Blickfixierung. Diese Aktivitäten verursachen zu Beginn erhöhtes Unwohlsein und Müdigkeit, werden aber auf längere Sicht die Symptome reduzieren, die Funktionsfähigkeit verbessern und zu einer schnelleren Heilung beitragen. Die Wirksamkeit einer Physiotherapie mit dynamischen Übungen zur Gleichgewichtsregulation und Blickstabilisation zur Verbesserung der zentralen vestibulo-spinalen Kompensation ist durch Studien belegt.
- Gleichgewichtstraining: Regelmäßige Bewegung, um die Koordination und das Gleichgewicht quasi neu einzuüben.
Verlauf und Komplikationen
Die Beschwerden klingen meist nach etwa ein bis zwei Wochen wieder ab. Dabei lässt sich der Heilungsprozess durch rasche Mobilisation mit gezieltem Gleichgewichtstraining und Medikamenten beschleunigen, anfangs ist Bettruhe angeraten. Rückfälle (Rezidive) sind glücklicherweise sehr selten. Im Verlauf liegt die Erholungsrate der peripheren vestibulären Funktion zwischen 40 und 60 % in Abhängigkeit von einer frühen Behandlung mit Kortikosteroiden. Etwa 15 % der Patienten mit Neuritis vestibularis entwickeln innerhalb von Wochen bis wenigen Monaten auf dem betroffenen Ohr einen „postinfektiösen BPPV“, weil nicht nur der Nerv, sondern auch das Labyrinth von der Entzündung betroffen ist.
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Benigner Paroxysmaler Lagerungsschwindel (BPPV)
Der BPPV entsteht in den meisten Fällen durch eine sogenannte Canalolithiasis. Diese wird durch vom Utriculus abgesprengte Otokonien (Calcitkristalle) ausgelöst, die sich frei im Bogengang bewegen. Leitsymptom sind Sekunden dauernde, zum Teil heftige Drehschwindelattacken, die durch Kopf- oder Körperlageänderung gegenüber der Schwerkraft (Umdrehen oder Aufrichten im Bett, Hinlegen oder Bücken) ausgelöst werden.
Diagnose
Diagnostisch beweisend ist bei diesem Subtyp ein nach Kopflagerung in der Ebene des betroffenen Bogengangs zum unten liegenden Ohr rotierender und zur Stirn schlagender erschöpflicher Lagerungsnystagmus.
Therapie
Beim pc-BPPV liegen die Erfolgsraten der Befreiungsmanöver nach Sémont oder der sogenannten Repositionsmanöver nach Epley nach mehrmaliger Behandlung bei über 95 %. Bei starker Übelkeit sollten 30 Minuten vor Beginn der Befreiungsmanöver Antivertiginosa, zum Beispiel Dimenhydrinat, verabreicht werden. Die meisten Patienten können nach sorgfältiger Anleitung durch Demonstration und Bildmaterial die Befreiungsmanöver auch allein erfolgreich zu Hause als Selbstbehandlung durchführen.
Bilaterale Vestibulopathie (BVP)
Leitsymptome der BVP sind bewegungsabhängiger Schwankschwindel mit Gang- und Standunsicherheit, verstärkt in Dunkelheit und auf unebenem Grund (vestibulospinale Funktionsstörungen), sowie Wackeln der Umwelt (Oszillopsien) und unscharfes Sehen beim Gehen sowie bei Kopfbewegungen (Funktionsstörung des vestibulo-okulären Reflexes). Die betroffenen Patienten sind im Sitzen und Liegen typischerweise beschwerdefrei. Es kommt außerdem zu Störungen des räumlichen Gedächtnisses und der Navigation mit einer umschriebenen Hippocampusatrophie.
Vestibularisparoxysmie
Die Vestibularisparoxysmie ist charakterisiert durch plötzlich auftretende Drehschwindelattacken, die Sekunden bis Minuten anhalten und bis zu einhundert Mal am Tag auftreten können. Ursache der Beschwerden ist ein krankhafter Gefäß-Nerven-Kontakt, der zu einer Reizung des Gleichgewichtsnervens führt. Attacken können teilweise durch Kopflageänderung ausgelöst werden.
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Phobischer Schwankschwindel
Der phobische Schwankschwindel zeichnet sich durch ein wiederkehrendes Schwindelgefühl mit subjektiver Stand- und Gangunsicherheit aus. Die Patient:innen berichten von einer Fallangst, zu einem Sturz kommt es aber nie. Es besteht außerdem Angst sowie teilweise Herzrasen und Schweißausbrüche. Ausgelöst werden die Attacken durch typische Situationen wie Menschenansammlungen oder weite Plätze. Alle Untersuchungsbefunde zeigen sich unauffällig.
Somatoformer Schwindel
Der somatoforme Schwindel ist durch einen diffusen (unklaren) Schwindel charakterisiert. Er kann in primär und sekundär somatoform eingeteilt werden. Therapeutisch kommen je nach Bild der Störung und psychischen Begleitsymptomen verschiedene verhaltenstherapeutische Ansätze infrage.
Schwindel durch Verspannungen
Muskelverspannungen im Kopf-, Nacken- und Rückenbereich können Schwindel verursachen. Langes Sitzen, kalte Zugluft, häufiger Stress, Fehlhaltungen oder auch ein Unfall können diese empfindliche Region aus dem Gleichgewicht bringen und Symptome wie Kopfschmerzen und Schwindel entstehen lassen. Wenn Muskeln dort verspannen, können Sie Druck auf die Nerven in Hals und Nacken ausüben. Das führt dazu, dass falsche Informationen über die Lage des Kopfes an das Gleichgewichtszentrum gesendet werden. Als Folge können neben Schwindel auch Übelkeit und Ohrgeräusche auftreten.
Was hilft bei Schwindel durch Verspannungen?
Als erste Akutmaßnahmen helfen lockernde Massagen und Wärmepackungen, um die Verspannungen zu lösen und Beschwerden zu lindern. Langfristig sind Krankengymnastik und regelmäßiges Training wichtig, um Fehlhaltungen zu beheben und ungünstige Belastungen auszugleichen.
Psychosomatischer Schwindel
Schwindel kann auch psychisch bedingt sein. Experten sprechen dann von einem somatoformen oder psychosomatischen Schwindel. Nach dem gutartigen Lagerungsschwindel ist er die zweithäufigste Schwindelform. Am häufigsten ist der phobische Schwankschwindel im Rahmen von Angsterkrankungen.
Therapie
Beim psychosomatischen Schwindel sind die Gleichgewichtsorgane unversehrt. Daher lassen sich die Beschwerden in den meisten Fällen erfolgreich behandeln. Entscheidend ist, die Betroffenen über die psychischen Hintergründe und die Mechanismen der Schwindelentstehung aufzuklären. Im Rahmen von Psychotherapien, kognitiven Verhaltenstherapien und unterstützenden physiotherapeutischen Therapien lernen die Betroffenen, das Schwindelgefühl zu beherrschen.
Allgemeine Tipps bei Schwindel
- Suchen Sie einen Arzt auf: Eine genaue Diagnose ist wichtig, um die richtige Behandlung zu erhalten.
- Vermeiden Sie Stress: Stress kann Schwindel verstärken.
- Achten Sie auf eine gesunde Lebensweise: Ausreichend Schlaf, eine ausgewogene Ernährung und regelmäßige Bewegung können helfen, Schwindel vorzubeugen.
- Trinken Sie ausreichend Wasser: Dehydration kann Schwindel verursachen.
- Vermeiden Sie Alkohol und Nikotin: Diese Substanzen können Schwindel verstärken.
- Bewegung: Regelmäßige Bewegung, um die Koordination und das Gleichgewicht zu trainieren.
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