Grundsätzlich ist Sport für alle Menschen gesund - auch für Epilepsie-Patienten. Es gibt keine Sportart, die frei von Unfalls- oder Verletzungsrisiko ist, so zum Beispiel, wenn die Gefahr besteht, abzustürzen oder zu ertrinken. Dieser Artikel beleuchtet die Aspekte der Sicherheit beim Schwimmen für Menschen mit Epilepsie und gibt Empfehlungen für einen sicheren Umgang mit dieser Sportart.
Epilepsie und Sport: Ein Überblick
Epilepsien gehören zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen. Fünf Prozent aller Menschen weltweit erleiden einmal in ihrem Leben einen epileptischen Anfall. Lange Zeit wurde Menschen mit Epilepsie davon abgeraten, Sport zu treiben. Die International League Against Epilepsy (ILAE) veröffentlichte 2016 ein Konsensuspapier, in dem das sichere Sporttreiben für Patienten mit Epilepsie empfohlen wird.
Jérôme Becher: Ein Vorbild
Jérôme Becher aus Köln ist einer von 700.000 Menschen, die in Deutschland unter Epilepsie leiden. Er ist Physiotherapeut und lebt mit einem Risiko, doch es geht ihm gut - dank des Sports. Nach seinem ersten Anfall erhielt Jérôme Becher von seinem Neurologen ein Verbot, Sport in der Schule und im Verein ist fortan Tabu. Er schwimmt, läuft, fährt mit dem Rad. Mit 12 Jahren bestreitet er seine ersten Wettkämpfe, bald darauf gewinnt er Medaillen, im Schwimmen und Triathlon. Seit drei Jahren ist er als Botschafter aktiv, um Klischees über Epilepsie aufzubrechen.
Risikobewertung und individuelle Faktoren
Personen muss bei der Wahl der Sportart bedacht werden. Aktivitäten zu risikoreichen Tageszeiten nach Möglichkeit zu meiden. ist bei Medikamentenumstellung oder Absetzen der Medikamente geboten. Entstehen. Sportarten mit einem moderaten Risiko, wie beispielsweise alpines Skifahren, Gymnastik und Schwimmen, oder solche mit einem hohem Risiko, wie etwa Klettern, Motorsport und Surfen, sollte unbedingt eine individuelle Gefahrenbeurteilung erfolgen. Bei der individuellen Beratung zur Sicherheit beim Sporttreiben kann man sich näherungsweise an der Fahrtauglichkeit orientieren. Ebenso wie bei der Fahrtauglichkeitsbeurteilung sollte man bei der Empfehlung einer bestimmten Aktivität und Intensität (zum Beispiel Laufen oder Radfahren) folgende Faktoren berücksichtigen:
- Sportart
- Wahrscheinlichkeit eines Anfalls
- Anfallsauslöser (zum Beispiel anstrengende Aktivität)
- Art und Schwere der Anfälle
- übliche Anfallszeitpunkte
- Einstellung der Person.
Schwimmen: Besondere Vorsicht geboten
Eine australische Auswertung bestätigt, dass Kinder, die unter Epilepsie leiden, nur unter Aufsicht schwimmen sollten, denn sie haben ein erhöhtes Ertrinkungsrisiko. „Ein epileptischer Anfall im Wasser kann tödlich enden. Eltern sollten mit dem Kinder- und Jugendarzt besprechen, ob das Risiko zu ertrinken bei ihrem Kind evtl. zu hoch ist, um schwimmen zu dürfen. Sind Kinder mindestens sechs bis zwölf Monate anfallsfrei, können sie i.d.R. schwimmen, wenn ein Erwachsener in der Nähe ist“, erklärt Dr. Grundsätzlich sollten sich kleine Kinder beim Planschen immer in Reichweite eines Erwachsenen befinden. Auch ältere Kinder sollten immer mit einem Partner schwimmen.
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Gehen Sie niemals alleine schwimmen, tauchen oder baden - die Ertrinkungsgefahr ist sehr groß! Je nach Anfallsform und -häufigkeit sollten individuell nur so wenige Einschränkungen wie erforderlich überlegt werden.
Warum Schwimmen riskant sein kann
Der Auftrieb im Wasser lässt nach und die Betroffenen sinken schneller ab, was zum Ertrinken führen kann. Rettung bei Krampfanfällen in offenen Gewässern ist meist unmöglich, trotz Begleitung durch eine im Rettungsschwimmen geschulte Person: Zu Anfallsbeginn stoßen Betroffene stoßartig die Luft aus den Lungen aus. Beim Tauchen sind auch bewusst erlebte fokal beginnende Anfälle lebensgefährlich, weil z.B. Tauchen ist ggf.
Sicherheitsmaßnahmen
- Beaufsichtigung: Kinder mit Epilepsie sollten immer unter Aufsicht schwimmen.
- Anfallsfreiheit: Sind Kinder mindestens sechs bis zwölf Monate anfallsfrei, können sie i.d.R. schwimmen, wenn ein Erwachsener in der Nähe ist.
- Partnerschwimmen: Auch ältere Kinder sollten immer mit einem Partner schwimmen.
- Vermeidung von Risikosportarten: Auch von Risikosportarten und Tätigkeiten über einem Meter Absturzhöhe ist abzuraten.
- Medizinische Beratung: Eltern sollten mit dem Kinder- und Jugendarzt besprechen, ob das Risiko zu ertrinken bei ihrem Kind evtl. zu hoch ist, um schwimmen zu dürfen.
- Information der Bezugspersonen: Wichtige Bezugspersonen wie z. B. der Partner/die Partnerin, die Kinder oder auch Lehrkräfte und Kollegen/Kolleginnen sollten bei einer aktiven Epilepsie über die Erkrankung informiert werden, damit sie bei einem Anfall entsprechend Erste Hilfe leisten können.
- Erste Hilfe Kenntnisse: Am bekanntesten sind die sogenannten "grand mal" Anfälle, bei denen Betroffene umfallen und deren Arme und Beine krampfartig zucken. Bei einem "grand mal" Anfall ist es wichtig, die Ruhe zu bewahren. Der Kopf des Betroffenen sollte z. B. durch ein Kissen vor Verletzungen geschützt werden. Sobald wie möglich sollte die betroffene Person in die stabile Seitenlage gebracht werden. In der Regel hören diese Anfälle nach drei bis fünf Minuten von alleine auf.
- Aura nutzen: Bei manchen Menschen mit Epilepsie tritt kurz vor dem Anfall ein Vorgefühl eine sogenannte „Aura“ (z. B. Wärmegefühl aus dem Magen, das nach oben aufsteigt) auf. Betroffene können diese nutzen, um sich in Sicherheit zu bringen (z. B.
Sportliche Aktivität und Anfallsfrequenz
Insgesamt untersuchten 21 Studien den Einfluss von körperlicher Aktivität oder einmaliger Belastung auf die Anfallsfrequenz. Zwei Studien berichteten keine Anfälle während einer einmaligen Belastung (22, 23) (Evidenzklasse „2−“). In drei Studien konnte eine Reduktion der epileptischen Entladungen während des Belastungstests bewirkt werden (2, 24, 25) („2−“ n = 1; „3“ n = 2). Allerdings fanden zwei dieser Studien einen Rebound-Effekt mit einer höheren Anzahl an Entladungen in der Erholungsphase im Vergleich zur Ruhephase (24, 25). Zwei Interventionsstudien („1−“) ermittelten eine statistisch signifikante Reduktion der Anfälle durch das absolvierte Trainingsprogramm innerhalb der Epilepsietrainingsgruppen (p < 0,01; p < 0,001) (26, 27).
Drei Befragungsstudien berichteten ein heterogenes Bild bezüglich der Beeinflussung von Anfällen durch körperliche Aktivität, wobei Sport bei einigen Patienten Anfälle auslöste und bei anderen Patienten nicht („2−“ n = 2; „3“ n = 1) (6, 8, 28). In vier Interventionsstudien war der Einfluss auf die Anfallsfrequenz ebenfalls nicht einheitlich („1−“ n = 1, „2−“ n = 3) (29-32). So nahmen, zusammenfassend betrachtet, insgesamt 49 Patienten (mit fokalen und oder generalisierten Epilepsien) an drei dieser Studien teil (29-31). Bei zwölf Probanden änderte sich die Anfallsfrequenz infolge der Intervention nicht. Bei 25 Probanden nahm die Frequenz während/nach dem Training ab und bei 12 Personen stieg sie an. Eine weitere Interventionsstudie stellte keine Veränderung der Anfallsfrequenz der Trainingsgruppe nach einem Kempo Karate Programm fest („2−“) (33). In vier Fallstudien wurden ausschließlich Personen beschrieben, bei denen Sport/körperliche Aktivität Anfälle triggerte („3“) (34-37).
Allgemeine Empfehlungen für Sport bei Epilepsie
- Sport ist auch bei Epilepsie zu empfehlen.
- Anfallsrisiko während des Sports: Bei mehrjähriger Anfallsfreiheit ohne erhöhtes Anfallsrisiko oder Anfällen nur im Schlaf ist es gering.
- Menschen mit Epilepsie müssen abwägen, welche Risiken sie beim Sport eingehen wollen.
- Erwachsene mit Epilepsie können Risiken für sich selbst beim Sport eingehen, wenn Ihnen die eigene Lebensqualität wichtiger ist als ihre Sicherheit. Allerdings müssen sie Fremdgefährdung durch Anfälle während des Sports vermeiden. Diese ist nicht nur moralisch verwerflich, sondern es drohen auch Schadensersatzforderungen und Strafen.
Reiseplanung mit Epilepsie
Menschen mit Epilepsie können Anfallsauslöser und Probleme mit Medikamenten im Urlaub durch gute Planung vermeiden. Sie sollten außerdem den internationalen Epilepsie Notfallausweis (IENA) bei Reisen mitnehmen.
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Tipps für die Reiseplanung
- Gute Planung eines Urlaubs bzw. einer Reise und eine gezielte Auswahl des Urlaubsorts und der Aktivitäten im Urlaub können bekannte Anfallsauslöser vermeiden.
- Schlafmangel vermeiden
- Rechtzeitig vor dem Urlaub bzw. der Reise einen Neurologie-Termin vereinbaren
- Medikamente immer in der Originalverpackung mitnehmen, wegen Zollkontrollen und um ggf.
- Krankenversicherungsschutz im Ausland ist immer wichtig, bei Epilepsie aber besonders.
- Bei Epilepsie ist es gut, den Internationalen Epilepsie Notfallausweis (IENA) mitzunehmen.
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