Die Sendung "scobel - Gehirn und Gene" befasst sich mit der Epigenetik und den Auswirkungen von Umwelteinflüssen wie Stress oder traumatischen Erlebnissen auf den Menschen. Diese Erfahrungen verändern nicht nur das Gehirn, sondern hinterlassen auch Spuren in den Genen.
Epigenetik: Mehr als nur die DNA-Sequenz
Die Epigenetik erforscht Phänomene und Mechanismen, die erbliche Veränderungen an den Chromosomen hervorrufen und die Aktivität von Genen beeinflussen, ohne die DNA-Sequenz zu verändern. Lange Zeit ging man davon aus, dass nur spontane Gen-Mutationen das Erbgut verändern können, jedoch nicht die direkte Interaktion mit der Umwelt.
Epigenetische Mechanismen beeinflussen die Aktivität der Gene, ohne deren Basenabfolge in der DNA zu verändern. Durch die Modifikationen an den Chromosomen werden Genvarianten ausgeschaltet, überschrieben oder anders abgelesen. Die wissenschaftliche Epigenetik untersucht nicht nur die Sequenz oder die Organisation der Gene, sondern wie, wann und warum sie ein- oder ausgeschaltet werden.
Schon 1999 gelang der Biologin Emma Whitelaw der Nachweis, dass epigenetische Marker von einer Säugetier-Generation auf die nächste übertragbar sind und also mit dem Tod eines Individuums nicht verloren gehen.
Umwelteinflüsse und ihre Spuren im Erbgut
Umwelteinflüsse wie Stress oder traumatische Erlebnisse können Menschen verändern. Sie verändern nicht nur das Gehirn, sondern hinterlassen auch Spuren in den Genen. Besonders gravierend wirken sich dabei Gewalterfahrungen auf die Genetik des Menschen aus: Tötungen, Folter, Misshandlungen. Sie führen zu schweren psychischen Störungen und hinterlassen Spuren im Erbgut. Auch Kinder, die in ihrer Entwicklung vernachlässigt werden, können im späteren Leben stressanfälliger und ängstlicher sein.
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Allerdings müssen die Einflüsse der Außenwelt nicht zwangsläufig negativ sein. Sport, Ernährung oder Therapien können sich positiv auf Erbinformationen auswirken. Die Epigenetik kann daher auch dazu beitragen, ein gesünderes Leben zu führen - in körperlicher wie in emotionaler und mentaler Hinsicht. So wie ein Gehirn auf Reize reagiert, so passen sich auch Gene den Umweltbedingungen an.
Bedeutung für Forschung und Therapie
Interessant sind Ergebnisse der Epigenetik vor allem für die Krebsforschung und die Therapie chronischer Krankheiten. Aber auch in Studien über Stress oder Trauma werden Einflüsse der Umwelt auf Zelleigenschaften und Aktivitätszustände von Genen untersucht.
Diskussion mit Experten
Gert Scobel diskutiert über neue Erkenntnisse der Epigenetik - mit besonderem Blick auf das Gehirn und unser Bewusstsein. Elisabeth Binder ist Direktorin am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München. Sie erforscht molekulare, zelluläre und systemische Veränderungen sowie psychiatrische Symptome, die durch Stress oder Trauma ausgelöst werden. Thomas Elbert ist Professor für Klinische Psychologie und Klinische Neuropsychologie an der Universität Konstanz. Seine Forschungsschwerpunkte sind u. a. durch Stress ausgelöste psychische Störungen sowie mentale Gesundheit in Konflikt- und Krisenregionen. André Fischer ist Professor für Epigenetik und Systemmedizin bei Neurodegenerativen Erkrankungen an der Universitätsmedizin Göttingen. In seinen Studien beschäftigt er sich mit Genom-Umwelt-Interaktionen, vor allem auf dem Gebiet der Alzheimer-Forschung.
Genetik und Krankheitsrisiken: Möglichkeiten und ethische Fragen
Der Blick in unsere Gene wird immer einfacher, preisgünstiger und schneller. Firmen bieten an, anhand einer Genanalyse Krankheitsrisiken vorherzusagen: Wie sieht es aus mit dem Risiko für Brust- oder Darmkrebs, für Diabetes, Alzheimer und Schlaganfall? Ethikerinnen und Ethiker betrachten diese Angebote mit großer Skepsis. Denn die Interpretation der Daten ist sehr viel komplizierter, als es oft dargestellt wird - und selten sind die Ergebnisse eindeutig. Und was dürfen und sollen zum Beispiel Eltern über das Genom ihrer Kinder wissen?
Prädiktive genetische Testverfahren
Eine allgemeine, aber auch detaillierte Übersicht über das gesamte Thema der Prädiktiven genetischen Testverfahren findet man auf den Seiten des Deutschen Referenzzentrums für Ethik in den Biowissenschaften. Ebenfalls eine breite, aber eine patientenbezogene Herangehensweise an das Thema bietet sich hier: „Das Deutsche Konsortium Familiärer Brust- und Eierstockkrebs ist ein deutschlandweiter Verbund von 17 universitären Zentren, mit dem Ziel, Ratsuchende bzw. Das Dt. Fachliteraturempfehlungen des Dt. Das Deutsche Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften (DRZE) setzte sich im aktuellen Online-Blickpunkt „Prädiktive genetische Testverfahren“ umfassend mit den medizinisch-naturwissenschaftlichen, den rechtlichen wie auch den ethischen Aspekten prädikitiver Gentests auseinander.
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Familiärer Brustkrebs und Gentests
Laut der Statistik des Zentrums für Krebsregisterdaten gibt es in Deutschland jährlich ca. 70 000 Neuerkrankungen an Brustkrebs. Wenn ein Verdacht auf erblichen Brust- oder Eierstockkrebs in der Familie besteht, kann ein Gentest von den Krankenkassen finanziert werden. Ein Risikotest kostet die Krankenkasse mind. 3000 und bis zu 6000 Euro.
Ab Seite 24 werden weitere Statistiken zu den Hochrisikogenen BRCA1 und -2 genannt und erläutert, dass leider nur „für rd.
Gendiagnostikgesetz und ethische Aspekte
Das sogenannte Gendiagnostikgesetz (kurz: GenDG) heißt offiziell „Gesetz über genetische Untersuchungen bei Menschen“ und trat am 31. Juli 2009 in Kraft. Es wurde Ende des Jahres 2016 das letzte Mal geändert. Eine gut verständliche Zusammenfassung der Inhalte findet man auf den Infoseiten des Bundesgesundheitsministeriums. Von dort wird auch weiter verwiesen zur Gendiagnostik-Kommission, die u.a. Die Gendiagnostik-Kommission wurde infolge des Inkrafttretens des Gendiagnostikgesetzes im Jahr 2009 berufen und ist interdisziplinär zusammengesetzt. Eine umfassende Betrachtung des deutschen Gendiagnostikgesetzes bietet das Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften. Unter Kapitel 3 und 4 wird sich z.B.
„Die GEKO hat in ihrer Richtlinie für die Anforderungen an die Inhalte der Aufklärung bei genetischen Untersuchungen zu medizinischen Zwecken gemäß §23 Abs.2 Nr.
„Es bleibt, wenn möglich im europäischen Konsens, zu klären, wie das Verhältnis der widerstreitenden Interessen des Rechts auf Wissen und des Rechts auf Nichtwissen, also das Verhältnis von Mitteilung von „Zufallsbefunden“ zum Verschweigen von „Zufallsbefunden“, zu sehen ist. Die GEKO wird sich weiter intensiv mit dieser Fragestellung befassen.
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Mit der Bedeutung des Schutzes des Einzelnen vor der Kenntnis seiner eigenen genetischen Disposition und vor der Verwendung seiner genetischen Daten und Proben durch Dritte beschäftigt sich das im der MedR Schriftenreihe Medizinrecht erschienene Buch von Cosima Vossenkuhl „Der Schutz genetischer Daten“ (2013).
Die Stellungnahme des Ethikrates „Die Zukunft der genetischen Diagnostik - von der Forschung in die klinische Anwendung“ aus dem Jahr 2013 enthält eine ausführliche Beschreibung der aktuellen Methoden für genetische Analysen, deren Aussagekraft sowie des rechtlichen Rahmens für die einzelnen Test-Szenarien. Ab Seite 112 werden die ethischen Aspekte und Herausforderungen behandelt. „Sie (die Herausforderungen) berühren drei zentrale ethische Problemfelder: erstens Fragen des Krankheits- und Gesundheitsverständnisses (vgl. Abschnitt 4.2.1), zweitens den Themenkomplex Autonomie, Selbstbestimmung und Verantwortung (vgl. Abschnitt 4.2.2), und drittens gesellschaftliche Aspekte, insbesondere Gerechtigkeit und Solidarität (vgl.
Wie die Vorgänge der rein medizinischen Gentest-Praxis auf ein Feld offener ethischer Fragen treffen, wird deutlich, wenn man die Involvierung des Deutschen Ethikrates betrachtet. z.B. „Als weitere Möglichkeit zur Erbringung genetischer Untersuchungen besteht auch hier die Möglichkeit des Abschlusses von Selektivverträgen, um Leistungen z.B.
Chorea Huntington: Eine genetisch bedingte Nervenkrankheit
Im Jahre 1872 beschrieb der Georg Huntington eine unheilbare Nervenkrankheit, die sich unter anderem in tanzartigen (chorea = griech.: Tanz) Verrenkungen der Extremitäten äußerte. Der krankheitsverursachende Gendefekt befindet sich im Huntingtin-Gen (HTT) auf Chromosom 4 (4 p 16.3). Das Huntingtin-Gen enthält einen Sequenzabschnitt, der nur aus Wiederholungen der Basen CAG besteht und für die Aminosäure Glutamin codiert (vgl. Bei gesunden Personen finden sich 5 bis 35, bei betroffenen Personen 36 bis über 100 Wiederholungen, die im Protein zu entsprechend langen Poly-Glutamin-Sequenzen führen. Die erkrankte Person besitzt normalerweise nur ein verändertes Huntington-Allel und ist somit auch Träger einer unveränderten Genkopie. Die Krankheit wird autosomal dominant vererbt, d.h. Nachkommen erkranken nur dann nicht , wenn das unveränderte Gen des Erkrankten vererbt wird.
Grenzen der Aussagekraft prädiktiver Gentests
Prädiktive Gentests sind nur bedingt aussagekräftig, was das tatsächliche Risiko des Auftretens der entsprechenden Krankheiten anbelangt.
Pharmakogenetik: Individualisierte Arzneimitteltherapie
„Die Pharmakogenetik untersucht den Einfluss unterschiedlicher genetischer Ausstattung von Patienten auf die Wirkung von Arzneimitteln. Sie erlaubt Vorhersagen über die fallspezifische Wirkung eines Arzneimittels, was eine näher an den individuellen Bedarf eines Patienten angepasste Dosierung ermöglicht und relative Überdosierungen vermeiden hilft. Forschungsziel ist, die genetische Variabilität der Arzneimittelwirkungen auf breiter Basis aufzuschlüsseln, um diese Erkenntnisse für die Arzneimittelentwicklung und zur Individualisierung der Pharmakotherapie einzusetzen“.
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