Die Behandlung von Epilepsie hat in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht. Neben medikamentösen Therapien rücken innovative Verfahren wie die Hirnstimulation immer stärker in den Fokus. Insbesondere der Hirnschrittmacher, auch bekannt als Tiefe Hirnstimulation (THS), bietet neue Perspektiven für Patienten, bei denen eine medikamentöse Anfallskontrolle nicht ausreichend erreicht werden kann. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte der Hirnschrittmachertherapie bei Epilepsie, einschließlich der Kostenübernahme durch Krankenversicherungen und anderer innovativer Behandlungsmethoden.
Nicht-invasive Hirnstimulation: Eine Übersicht
Die Klinik für Neurologie und Anästhesiologie bietet eine Vielzahl von Behandlungsoptionen an, darunter auch innovative Verfahren zur gezielten Beeinflussung der Hirnaktivität. Die nicht-invasive Hirnstimulation umfasst Methoden, bei denen das zentrale Nervensystem von außen über Magnet- oder elektrische Felder beeinflusst wird. Diese Verfahren haben sich in der Behandlung neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen als wirksam erwiesen.
Transkranielle elektrische Stimulation (tDCS)
Bei der transkraniellen elektrischen Stimulation (tDCS) werden Elektroden an der Kopfhaut befestigt, durch die ein kurzer Stromimpuls geleitet wird. Ziel ist es, die Gehirnaktivität in den oberflächlichen Regionen zu beeinflussen.
Repetitive Transkranielle Magnetstimulation (rTMS)
Die repetitive Transkranielle Magnetstimulation (rTMS) verwendet eine Magnetspule, um gezielt auf den fokalen Gehirnbereich unter der Spule einzuwirken. Sie ist ein effektives und gut verträgliches Verfahren zur Behandlung neurologischer Erkrankungen wie Migräne, chronische Schmerzen und kognitive Störungen.
Ablauf und Effekte der Stimulationsbehandlung
Die Stimulationsbehandlung erfolgt in der Regel über einen Zeitraum von zwei bis vier Wochen, meist von Montag bis Freitag. Eine reguläre Sitzung dauert etwa 30 Minuten, die erste Sitzung kann jedoch 60-80 Minuten in Anspruch nehmen. Die positiven Effekte der Stimulationstherapie können vielfältig sein und reichen von der Linderung von Krankheitssymptomen bis hin zu mehr Lebensenergie und verbessertem Schlaf.
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Mögliche Nebenwirkungen
In seltenen Fällen können Müdigkeit oder leichte Kopfschmerzen auftreten, die jedoch meist schnell abklingen. Bei der TMS können lokale Muskelkontraktionen und eine Reizung der Kopfhaut auftreten, die als Kribbeln und Ziehen beschrieben wird.
Kostenübernahme für Hirnstimulation
Die Verfahren der transkraniellen Stimulation werden in der Regel nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen, da sie als individuelle Gesundheitsleistung (IGEL) gelten. Die Kosten müssen daher selbst getragen werden. Ob sich eine Therapie lohnt, kann nicht sicher vorhergesagt werden, weshalb ein umfassendes Erstgespräch zur individuellen Therapieempfehlung wichtig ist.
Klinisch-wissenschaftliche Evidenz
Weltweit gibt es über 400 publizierte Studien, die den Erfolg der tDCS- und TMS-Therapie bei neurologischen Erkrankungen belegen.
Tiefe Hirnstimulation (THS) bei Epilepsie
Die Tiefe Hirnstimulation (THS), im anglo-amerikanischen Raum als Deep Brain Stimulation (DBS) bezeichnet, ist eine etablierte Behandlung von Bewegungsstörungen und fokaler Epilepsie. Seit ihrer Erstanwendung in den späten 1980er Jahren wurde die THS weltweit bei etwa 85.000 Patienten durchgeführt.
Wirkungsweise der THS
Die THS arbeitet über eine kontinuierliche hochfrequente elektrische Stimulation von Kerngebieten des Gehirns. Es wird angenommen, dass diese Stimulation eine Hemmung des Kerngebietes bewirkt, die sich auf das gesamte Netzwerk der Basalganglien auswirkt. Die THS ist eine symptomatische Behandlung, die die Symptome reduziert, aber keinen Einfluss auf das Voranschreiten der zugrunde liegenden Erkrankung hat.
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Indikationen der THS
Die THS ist zur Behandlung vieler neurologischer Erkrankungen zugelassen, darunter Morbus Parkinson, Dystonie und fokale Epilepsie. Bei Epilepsie wird im anterioren Thalamus stimuliert, um die Anfallshäufigkeit zu reduzieren.
Wirkung der THS auf klinische Symptome
Die zu erwartende Wirkung auf die klinische Symptomatik ist von dem Zielpunkt und der zugrunde liegenden Erkrankung abhängig. Bei fokaler Epilepsie reduziert die Stimulation des anterioren Thalamus die Anfallshäufigkeit.
Notwendige Abklärung vor dem operativen Eingriff
Aufgrund möglicher Nebenwirkungen ist eine ambulante oder stationäre Abklärung zur Selektion der geeigneten Patienten notwendig. Dabei werden die klinische Symptomatik, Bildgebung des Gehirns, neuropsychologische Testungen und das Ansprechen auf Medikamente dokumentiert. Die Entscheidung für eine THS-Operation ist ein interdisziplinärer Konsens.
Ablauf einer stereotaktischen Operation zur Tiefen Hirnstimulation
Die THS-Operation dauert etwa 6 Stunden und wird durch die Ärzte der stereotaktischen Neurochirurgie durchgeführt. Zunächst wird ein stereotaktischer Ring am Schädelknochen befestigt, der der Planung und Navigation dient. Anschließend werden Bilddaten aus Computertomographie und Kernspintomogramm zusammengeführt, um den Zugangsweg zu planen. Nach örtlicher Betäubung wird ein Loch in die Schädeldecke gebohrt und Mikroelektroden in das Gehirn eingeführt, um elektrische Ableitungen und Teststimulationen durchzuführen. Der optimale Stimulationsort wird detektiert und die endgültige Stimulationselektrode platziert. In Vollnarkose erfolgt die Implantation der Kabel und des Stimulators unter der Haut.
Komplikationen und Nebenwirkungen
Komplikationen können durch den chirurgischen Eingriff oder durch technische Defekte des Systems entstehen. Mögliche Komplikationen sind Gehirnblutungen, Dislokation der Elektrode, Infektionen und Ausfall des Impulsgebers. Nebenwirkungen können Sprechstörungen, Gefühlsstörungen, Verkrampfungen oder psychiatrische Symptome sein.
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Kostenübernahme für Tiefe Hirnstimulation
Die gesetzlichen Krankenkassen tragen in der Regel die Therapiekosten für die Tiefe Hirnstimulation in Höhe von etwa 30.000 EUR. Bei einer privaten Krankenversicherung ist entscheidend, ob der Tarif über einen offenen Hilfsmittelkatalog verfügt.
Der offene Hilfsmittelkatalog der privaten Krankenversicherung
Ein offener Hilfsmittelkatalog in der privaten Krankenversicherung ist von großer Bedeutung, da er die Erstattung von neu entwickelten und oft sehr aufwändigen Hilfsmitteln ermöglicht. Im Gegensatz dazu nennt ein geschlossener Hilfsmittelkatalog konkret alle Geräte, deren Kosten erstattet werden, wodurch der technische Fortschritt weniger Berücksichtigung findet.
Beispiele für Hilfsmittel im offenen Hilfsmittelkatalog
- Defibrillatorweste: Eine mobile Kombination aus EKG und Defibrillator zur Verhinderung des plötzlichen Herztodes.
- Exopulse Mollii Suit: Ein Anzug zur Behandlung neurologischer Bewegungsstörungen, der über Elektroden Muskeln stimuliert und entspannt.
- Hirnschrittmacher: Ein Gerät zur Stimulation bestimmter Hirnregionen bei Erkrankungen wie Morbus Parkinson oder Epilepsie.
- Denkprothesen: Neuroprothesen zur Wiederherstellung verloren gegangener Fähigkeiten der Kognition.
Transkranielle Magnetstimulation (TMS)
Die transkranielle Magnetstimulation (TMS) ist ein nicht-invasives Verfahren, das seit 1995 erfolgreich therapeutisch eingesetzt wird. Es basiert auf dem physikalischen Prinzip der elektromagnetischen Induktion. Eine Magnetspule erzeugt ein pulsierendes Magnetfeld, das transkraniell elektrische Ströme im darunter liegenden Hirngewebe induziert.
Anwendungsbereiche der TMS
Zahlreiche klinische Studien belegen den Erfolg von TMS bei der Behandlung von neuropsychiatrischen und psychiatrischen Erkrankungen wie Angststörungen, Depressionen, Fibromyalgie, Long Covid-Syndrom, Posttraumatische Belastungsstörung, Schizophrenie, Tinnitus und Zwangsstörungen.
Transkranielle Pulsstimulation (TPS)
Die transkranielle Pulsstimulation (TPS) ist ein neues, nicht-invasives Verfahren zur Hirnstimulation mit fokussierten Stoßwellen mit relativ niedriger Energie. Erste klinische Studien deuten darauf hin, dass TPS bei der Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen die kognitiven Funktionen erhalten und verbessern kann.
Transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS)
Die transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS) ist ein nicht-invasives Verfahren, bei dem über Elektroden schwache kontinuierliche elektrische Ströme transkraniell in das Gehirn geleitet werden. Sie wird zur Behandlung von Depressionen, Fibromyalgie und chronischen Schmerzen eingesetzt.
Nicht-invasive Vagusnervstimulation (nNVS)
Die nicht-invasive Vagusnervstimulation (nNVS) ist ein nicht-invasives Verfahren, das durch gezielte Stimulation des Vagusnervs wirkt. Sie hat sich als wirksam bei der Behandlung verschiedener Kopfschmerzerkrankungen erwiesen.
Neuromodulation und Neuroplastizität
Neuroplastizität bezeichnet die Fähigkeit von Neuronen und neuronalen Netzwerken, ihre Anatomie und Funktion entsprechend ihrer Nutzung anzupassen. Neuromodulation wird eingesetzt, um durch gezielte Reize oder Medikamente die Nervenaktivität zu modifizieren und die Plastizität der Neuronen therapeutisch zu nutzen. Neurostimulation zielt darauf ab, neuronale Aktivität gezielt anzuregen oder zu hemmen.
Arten der therapeutischen Neurostimulation
Die Neurostimulation wird in invasive und nicht-invasive Formen unterteilt. Etablierte Verfahren sind die Elektrokonvulsionstherapie (EKT), die tiefe Hirnstimulation (DBS), die transkranielle Elektrostimulation (tDCS), die repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS), die Rückenmarkstimulation (SCS) und die Vagusnervstimulation (VNS).
Unterschied zwischen Neurostimulation und Hirnstimulation
Neurostimulation bezeichnet ein breites Spektrum von Verfahren, mit denen verschiedene Teile des Nervensystems stimuliert werden sollen, während Hirnstimulation eine spezifischere Kategorie der Neurostimulation ist, die sich ausschließlich auf das Gehirn konzentriert.
Unterschied zwischen invasiver und nicht-invasiver Neurostimulation
Nicht-invasive Neurostimulation stimuliert das Nervensystem, ohne dass chirurgische Eingriffe notwendig sind, während bei invasiven Verfahren die Stimulatoren unter Vollnarkose implantiert werden.
Innovative Therapieansätze bei Epilepsie
Für Patienten mit pharmakoresistenter Epilepsie, bei denen eine medikamentöse Anfallskontrolle nicht erreicht wird, bieten sich operative epilepsiechirurgische Behandlungen oder neuromodulatorische Behandlungen durch Hirnstimulation an.
Formen der Neurostimulation bei Epilepsie
Zur neuromodulatorischen Epilepsiebehandlung werden elektrische Hochfrequenzstimulationen und niederfrequente Stimulationen eingesetzt. Hochfrequente Reizungen können die Aktivität von Neuronen direkt beeinflussen und epileptische Entladungsmuster unterdrücken. Niederfrequente und Gleichstromstimulationen haben andere Wirkmechanismen.
Verfahren zur Neuromodulation bei Epilepsie
- Vagusnervstimulation (VNS): Reizung des 10. Hirnnervs am Hals, was zur Ausschüttung von Noradrenalin und Serotonin im Gehirn führt.
- Stimulation der anterioren Thalamuskerne: Störung der Ausbreitung der Anfallsaktivität über eine zentrale Schaltstelle im Gehirn.
- Stimulation des epileptischen Fokus: Direkte Stimulation des Ursprungsareals epileptischer Aktivität.
- Transkranielle Stimulation: Stimulation durch den Schädel hindurch, meist als transkranielle Magnetstimulation (TMS) oder als Gleichstrom-(DC-)Stimulation.
- Epikranielle Stimulation zur Langzeitbehandlung: Verwendung eines implantierbaren Geräts zur Langzeitstimulation des epileptischen Fokus.
Epikranielle Stimulation mit dem EASEE-System
Das EASEE-System ist ein implantierbares Stimulationsgerät zur epikraniellen Fokusstimulation, das verschiedene Reizformen kombinieren kann. Es verwendet eine spezielle Elektrodenkonfiguration, um eine höhere Eindringtiefe elektrischer Felder zu erreichen.
Klinische Studie „EASEE II“
In einer klinischen Studie wird die Langzeitsicherheit der epikraniellen Fokusstimulation mit dem EASEE-System untersucht. Patienten mit fokalen epileptischen Anfällen können an dieser Studie teilnehmen.
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