Elektromyographie (EMG) in der Neurologie: Definition, Anwendung und Risiken

Die Elektromyographie (EMG), ein Begriff, der sich aus den griechischen Wörtern "Elektro" (elektrisch), "Myo" (Muskel) und "Graphie" (Aufzeichnung) zusammensetzt, ist ein diagnostisches Verfahren in der Neurologie, das die elektrische Aktivität von Muskeln misst. Diese Messung erfolgt sowohl im Ruhezustand als auch während der Kontraktion und ermöglicht es Ärzten, die Funktion von Muskeln und den sie versorgenden Nerven zu beurteilen.

Was ist Elektromyographie?

Die Elektromyographie ist eine neurologische Untersuchungsmethode, bei der die elektrische Aktivität von Muskelfasern gemessen und in einem Elektromyogramm (EMG) aufgezeichnet wird. Diese Untersuchung ist ein wichtiges Instrument zur Beurteilung der Gesundheit von Muskeln und den Nerven, die sie steuern.

Arten der Elektromyographie

Es gibt hauptsächlich zwei Arten der Elektromyographie:

  • Oberflächen-EMG: Bei dieser nicht-invasiven Methode werden Messelektroden auf die Haut geklebt, um die elektrische Aktivität des darunterliegenden Muskels zu erfassen.
  • Nadel-EMG: Hierbei wird eine feine Nadelelektrode direkt in den Muskel eingeführt, um die Aktivität einzelner Muskelfasern zu messen.

Die Wahl der Methode hängt von der spezifischen Fragestellung und dem zu untersuchenden Muskel ab.

Elektrische Muskelaktivität verstehen

Um die Elektromyographie vollständig zu verstehen, ist es wichtig, die Grundlagen der elektrischen Muskelaktivität zu kennen. Wenn das Gehirn einen Muskel bewegen will, sendet es einen elektrischen Impuls über einen Nerv zur neuromuskulären Endplatte, der Kontaktstelle zwischen Nerv und Muskelzelle. An dieser Endplatte werden Botenstoffe freigesetzt, die Ionenkanäle in der Muskelmembran öffnen. Der resultierende Ionenfluss erzeugt eine elektrische Spannung, das Muskelaktionspotential (MAP), das sich über die gesamte Muskelzelle ausbreitet und eine Muskelzuckung verursacht. Die Elektromyographie erfasst diese Aktionspotentiale, die als Summenaktionspotentiale dargestellt werden.

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Wann wird eine Elektromyographie durchgeführt?

Die Elektromyographie dient zusammen mit der Elektroneurographie (ENG) hauptsächlich der genaueren Bestimmung und Diagnose von Nerven- und Muskelerkrankungen. Zu den Hauptanwendungsgebieten gehören:

  • Diagnose von Nerven- und Muskelerkrankungen: Die Elektromyographie hilft bei der Unterscheidung zwischen Muskelerkrankungen (Myopathien) und Nervenerkrankungen.
  • Beurteilung von Verletzungen und Lähmungen: Bei akuten Verletzungen oder Lähmungen kann die Elektromyographie Hinweise auf die Schwere und die Heilungschancen geben.
  • Überwachung des Therapieverlaufs: Sie kann zur Beurteilung des Behandlungsverlaufs von chronischen Muskelentzündungen oder Muskelverletzungen eingesetzt werden.
  • Biofeedback: In der Verhaltenstherapie wird die Elektromyographie im Biofeedback eingesetzt, um Patienten Informationen über Muskelspannungen zu geben, die sie selbst nicht wahrnehmen.

Häufige Gründe für eine Elektromyographie

Die häufigsten Gründe für eine Elektromyographie sind:

  • Muskelentzündung (Myositis)
  • Muskelerkrankungen (Myopathien)
  • Muskelschwäche (Myasthenie)
  • Krankhaft verlängerte Muskelanspannung (Myotonie)
  • Bandscheibenvorfälle mit Nervenwurzelschädigungen
  • Erbliche Nervenerkrankungen
  • Fehlfunktionen bestimmter Muskelgruppen (z.B. Kaumuskulatur bei Zähneknirschen)

Wie läuft eine Elektromyographie ab?

Der Ablauf einer Elektromyographie hängt von der Art der durchgeführten Untersuchung ab.

Nadel-EMG

Die Nadel-EMG beginnt mit dem Einführen der Elektrode in den Muskel. Dies kann im Elektromyogramm als kurzes ableitbares elektrisches Potential sichtbar sein. Das Fehlen eines Potentials kann auf Muskelschwund hindeuten, während ein verlängertes Potential auf eine Entzündung oder Muskelerkrankung hindeuten kann.

Anschließend wird die Muskelaktivität in Ruhe gemessen. In einem gesunden Muskel sollte im Ruhezustand keine elektrische Aktivität messbar sein, abgesehen von kleineren, sehr kurzen Potentialen. Eine dauerhafte Erregung des Muskels kann auf eine Unterbrechung der Verbindung zwischen Nerv und Muskel oder auf eine Schädigung des Nervs selbst hindeuten.

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Bei der Interferenzmusteranalyse wird die elektrische Aktivität des Muskels zunächst bei einer kleinen, gewollten Bewegung und dann unter starker Anspannung gemessen. Ein kleiner Ausschlag im Elektromyogramm deutet auf einen Muskelschaden hin, während ein größerer und längerer Ausschlag auf einen Nervenschaden hindeuten kann.

Oberflächen-EMG

Im Gegensatz dazu erfasst ein Oberflächen-EMG mit Klebeelektroden nicht die einzelnen Muskelfasern, sondern den gesamten Muskel bzw. die gesamte Muskelgruppe. Diese Art der Elektromyographie wird vor allem in der Sportphysiologie oder beim Biofeedback verwendet. Die Elektroden werden auf die Haut geklebt und die Potentiale bei Anspannung und in Ruhe gemessen.

Elektromyographische Untersuchungsschritte

Die Elektromyographie besteht typischerweise aus drei Untersuchungsschritten:

  1. Ruheableitung: Der Muskel wird im Ruhezustand untersucht, um Spontanaktivität zu erfassen.
  2. Leichte Willkürinnervation: Bei leichter Anspannung werden die Potenziale motorischer Einheiten (PME) analysiert.
  3. Maximale Willküranspannung: Das Interferenzmuster wird bei maximaler Anspannung aufgezeichnet, um die Rekrutierung und Aktivität der motorischen Einheiten zu beurteilen.

Welche Risiken birgt eine Elektromyographie?

Die Elektromyographie ist eine relativ komplikationslose Untersuchung.

  • Nadel-EMG: Da die Nadelelektrode für die Nadel-EMG dünner als eine herkömmliche Nadel ist, verspüren die meisten Menschen beim Einführen in einen Muskel nur einen kurzen Stich wie mit einer Akupunkturnadel. Das Anspannen des Muskels kann dann leichte Schmerzen verursachen. Muskeln oder Nerven werden durch die Elektromyographie nicht verletzt. In seltenen Fällen treten Infektionen oder Blutungen infolge einer Nadel-EMG auf. Deswegen sollte im Vorfeld eine Blutungsneigung ausgeschlossen werden.
  • Oberflächen-EMG: Klebeelektroden können Reizungen der Haut verursachen. Auch eine Pflasterallergie ist möglich.

Kontraindikationen

Es gibt bestimmte Situationen, in denen eine Elektromyographie nicht durchgeführt werden sollte:

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  • Störungen der Blutgerinnung
  • Entzündliche Haut in der zu untersuchenden Region
  • Einnahme stark blutverdünnender Medikamente (z.B. Cumarine, Heparin, moderne Antikoagulanzien) - in diesem Fall sollte eine Umstellung auf andere Blutverdünnungsmittel erfolgen, sofern medizinisch vertretbar.
  • Bekannte oder vermutete sympathische Reflexdystrophie

Was muss ich nach einer Elektromyographie beachten?

Nach der ambulanten Elektromyographie können Sie in der Regel nach Hause gehen. Sollten Rötungen oder Entzündungen im untersuchten Körperareal auftreten, benachrichtigen Sie bitte sofort Ihren Arzt.

Interpretation der Ergebnisse

Die Interpretation der Elektromyographie-Ergebnisse erfordert Fachkenntnisse und Erfahrung. Der Arzt beurteilt verschiedene Parameter, wie die Amplitude, Dauer, Form und Entladungsfrequenz der Muskelaktionspotentiale. Veränderungen in diesen Parametern können auf verschiedene Erkrankungen hinweisen.

Spontanaktivität

Das Vorhandensein von Spontanaktivität, also elektrischer Aktivität in Ruhe, kann ein Zeichen für verschiedene pathologische Zustände sein. Es gibt verschiedene Formen von Spontanaktivität, wie Fibrillationspotentiale, positive scharfe Wellen, Faszikulationspotentiale und myotone Entladungen, die jeweils auf unterschiedliche Ursachen hindeuten können.

Potenziale motorischer Einheiten (PME)

Die Analyse der Potenziale motorischer Einheiten (PME) bei leichter Willkürinnervation ist ein wichtiger Bestandteil der Elektromyographie. Der Arzt beurteilt die Amplitude, Dauer, Form (Polyphasie) und das Rekrutierungsverhalten der PME. Veränderungen in diesen Parametern können auf neurogene oder myopathische Veränderungen hinweisen.

Interferenzmuster

Das Interferenzmuster bei maximaler Willküranspannung gibt Aufschluss über die Rekrutierung und Aktivität der motorischen Einheiten. Ein gelichtetes oder reduziertes Interferenzmuster kann auf eine neurogene Läsion hindeuten, während ein rasch rekrutiertes Interferenzmuster mit kleinen, kurzen Potenzialen typisch für Myopathien ist.

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