Unser Gehirn ist ein bemerkenswertes Organ, das uns ermöglicht, Informationen zu speichern, Erfahrungen zu sammeln und uns an Vergangenes zu erinnern. Doch wie funktioniert dieser komplexe Prozess der Erinnerungsbildung und -abrufung? Welche Bereiche des Gehirns sind dafür verantwortlich und wie können wir unser Gedächtnis verbessern? Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte des Gedächtnisses und gibt Einblicke in die neuesten Erkenntnisse der Hirnforschung.
Die Schaltzentrale des Gedächtnisses: Der Hippocampus
Ein zentraler Akteur im Bereich der Gedächtnisbildung ist der Hippocampus. Dieses Areal, das im Schläfenlappen des Großhirns liegt, fungiert als Schaltstelle für die Verarbeitung von Gedächtnisinhalten und ist für das Langzeitgedächtnis von enormer Bedeutung. Der Hippocampus ist eine corticale Struktur, die sich aus verschiedenen Untereinheiten zusammensetzt und eine "Einrollung" dieser plattenartigen Cortices aufweist. Er erinnert unter der Lupe betrachtet an einen längs liegenden Topfenpalatschinken.
Der Hippocampus empfängt Informationen aus dem entorhinalen Cortex, der mit allen Assoziationsgebieten des Neocortex verbunden ist. Auf diese Weise bekommt der Hippocampus stets mit, was im Bewusstsein vor sich geht.
Forscher haben herausgefunden, dass der Hippocampus eine entscheidende Rolle für das Abrufen kontextbehafteter Erinnerungen spielt. Bei der Erzeugung von Bekanntheitsempfindungen ist er jedoch nicht beteiligt. Dies konnte durch Gedächtnistests mit Probanden belegt werden, bei denen der Hippocampus aufgrund einer Vorerkrankung geschädigt war.
Die Funktion des Hippocampus bei der Gedächtnisbildung
Der Hippocampus ist nicht nur für die Speicherung von Informationen zuständig, sondern auch für die Verknüpfung von Informationen mit Kontext. Dies bedeutet, dass wir uns nicht nur an Fakten erinnern, sondern auch an den Ort, die Zeit und die Umstände, unter denen wir diese Fakten gelernt haben. Diese kontextbezogenen Informationen sind entscheidend für das Abrufen von Erinnerungen und ermöglichen es uns, uns an Ereignisse in unserem Leben zu erinnern.
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Ein Forscherteam um Emrah Düzel konnte nachweisen, dass der Hippocampus konkrete Erinnerungen wachruft, an der Entstehung eher diffuser Bekanntheitsempfindungen jedoch nicht beteiligt ist. Dieser Befund gibt Hinweise darauf, wie das Erinnerungsvermögen durch die Alzheimerkrankheit beeinträchtigt wird.
Der Hippocampus und die Alzheimer-Krankheit
Der Hippocampus ist eine der ersten Hirnregionen, die von der Alzheimer-Krankheit betroffen sind. Die Schädigung des Hippocampus führt zu Gedächtnisverlust und Schwierigkeiten beim Erlernen neuer Informationen. Bei Alzheimer-Patienten ist die Fähigkeit, sich an den Kontext von Ereignissen zu erinnern, besonders beeinträchtigt.
Eine Studie des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) hat gezeigt, dass bei Mäusen mit Alzheimer-ähnlichen Hirnschädigungen die für das Erinnerungsvermögen zuständigen Zellen immer noch Aktivität zeigten. Allerdings wurden diese Signale durch andere Nervenzellen gestört, die für neue Erfahrungen zuständig sind. Durch die gezielte Beeinflussung dieser Nervenzellen konnten die Forscher das Störfeuer im Gehirn beseitigen und das Gedächtnis der Mäuse wiederherstellen.
Weitere Gehirnbereiche, die am Gedächtnis beteiligt sind
Neben dem Hippocampus sind auch andere Gehirnbereiche an der Gedächtnisbildung und -abrufung beteiligt. Dazu gehören:
- Amygdala: Die Amygdala ist für die Verarbeitung von Emotionen zuständig und spielt eine wichtige Rolle bei der Speicherung von emotionalen Erinnerungen. Emotionale Momente werden über das limbische System gefiltert, das aus Hippocampus und Amygdala besteht. Deshalb können wir uns so gut an die erste große Liebe erinnern.
- Großhirnrinde (Kortex): Die Großhirnrinde ist für die langfristige Speicherung von Erinnerungen zuständig. Während der Bildung einer Erinnerung werden Informationen von der Großhirnrinde zum Hippocampus geleitet. Beim Abrufen einer Erinnerung läuft dieser Informationsfluss umgekehrt ab.
- Kleinhirn: Das Kleinhirn ist für das prozedurale Gedächtnis zuständig, das Fähigkeiten wie Fahrradfahren oder Autofahren speichert.
Wie unser Gehirn Informationen speichert
Unser Gehirn speichert täglich unzählige Informationen. Die Speichereinheiten für diese Informationen finden sich in den Synapsen, also in den feinen Verästelungen, über die sich die Nervenzellen im Gehirn miteinander vernetzen. Jede einzelne Zelle verfügt über bis zu 10.000 dieser winzigen Äste. Sobald wir Informationen verarbeiten, verändern sich diese. Wenn bestimmte Informationen nun in das Langzeitgedächtnis überschrieben werden sollen, bedeutet das, dass sich die entsprechenden Synapsen dauerhaft verändern müssen.
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Synaptic Tagging: Ein Mechanismus zur gezielten Verstärkung von Synapsen
Ein wichtiger Mechanismus bei der Langzeitpotenzierung (LTP) ist das synaptic tagging. Dabei produzieren die betroffenen Bereiche der Synapsen einen Marker ("tag"), der dafür sorgt, dass die notwendigen Proteine nur an eben diesen markierten Synapsen wirksam sind. Durch das "synaptic tagging" müssen Proteine aus dem Zellkern nicht mehr gezielt an die richtige Stelle transportiert werden, sondern sie können in eine größere Funktionseinheit "geschickt" werden. Ihre Wirkung entfalten sie nur an der richtigen Stelle.
NogoA: Ein Protein zur Stabilisierung von Nervennetzen
Ein weiteres wichtiges Protein bei der Gedächtnisbildung ist NogoA. Dieses Protein stabilisiert die Funktion und die Struktur von Nervennetzen und hilft auf diese Weise, Erinnerungen zu speichern. Es schreibt also in bestimmten Stellen des Gehirns die Funktionalität von neuronalen Netzen fest und schützt sie vor weiteren Änderungen.
Die verschiedenen Arten des Gedächtnisses
Das Gedächtnis lässt sich nach der Dauer der Informationsspeicherung in drei Bereiche einteilen:
- Sensorisches Gedächtnis (Ultrakurzzeitgedächtnis): Speichert Informationen wie Gerüche, Töne oder Bilder für Millisekunden bis Sekunden.
- Arbeitsgedächtnis (Kurzzeitgedächtnis): Speichert Informationen für etwa 20-45 Sekunden.
- Langzeitgedächtnis: Das dauerhafte Speichersystem des Gehirns speichert Informationen über Jahre, teilweise sogar lebenslang.
Wie man sein Gedächtnis verbessern kann
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, sein Gedächtnis zu verbessern. Dazu gehören:
- Regelmäßige Bewegung: Bewegung fördert die Durchblutung des Gehirns und verbessert die Gedächtnisleistung.
- Ausreichend Schlaf: Schlaf ist wichtig für die Konsolidierung von Erinnerungen.
- Gesunde Ernährung: Eine gesunde Ernährung versorgt das Gehirn mit den notwendigen Nährstoffen.
- Gehirnjogging: Gehirnjogging kann helfen, die kognitiven Fähigkeiten zu verbessern.
- Neues lernen: Das Erlernen neuer Fähigkeiten und Informationen hält das Gehirn fit und aktiv.
Erinnerungen sind nicht immer zuverlässig
Es ist wichtig zu wissen, dass Erinnerungen nicht immer zuverlässig sind. Unser Gehirn ist fast so etwas wie ein Foto Shop. Was wir uns irgendwie versuchen zu merken, das wird dann, wenn wir es wieder aufrufen, wenn wir versuchen, uns zu erinnern, neu zusammengesetzt. Es wird ergänzt durch das, was wir später gelernt haben. Unsere Wahrnehmung ist selektiv und unsere Erinnerungen werden durch neue Erfahrungen, Informationen und sogar unsere Vorstellungskraft beeinflusst.
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