Neue S2k-Leitlinie zur Sekundärprophylaxe ischämischer Schlaganfälle und transitorischer ischämischer Attacken – Teil 2: Fokus auf Lebensstil, Begleiterkrankungen und -medikationen

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) haben eine neue, konsensbasierte S2k-Leitlinie zur Sekundärprophylaxe ischämischer Schlaganfälle und transitorischer ischämischer Attacken (TIA) herausgegeben. Diese löst die bisherige S3-Leitlinie zum gleichen Thema ab. Die neue Leitlinie besteht aus zwei Teilen, wobei der erste Teil sich mit Plättchenhemmung und Antikoagulation sowie der Therapie von Hypercholesterinämie und Hypertonie zur Vermeidung von Folgeschlaganfällen befasst. Der zweite Teil der Leitlinie konzentriert sich auf weitere Risikofaktoren, darunter Lebensstil, Diabetes mellitus, Hormonersatztherapie und Schlafapnoe.

Bedeutung der Sekundärprophylaxe

Laut einer Analyse aus dem Jahr 2019 im Deutschen Ärzteblatt müssen fast 20 % aller Patienten, die einen Schlaganfall erleiden, innerhalb der nächsten 5 Jahre mit einem Folgeschlaganfall rechnen. Nach einer TIA ist das Schlaganfallrisiko vor allem in den Tagen unmittelbar nach der Attacke deutlich erhöht. Daher ist die Rezidivprophylaxe von besonderer Bedeutung.

Teil 1: Medikamentöse Therapie

Blutdrucksenkung

Der Blutdruck sollte nach einem Schlaganfall oder einer TIA gemäß der Leitlinie langfristig strikt unter 140/90 mmHg gesenkt werden. Je nach Alter der Betroffenen, Verträglichkeit der Blutdrucksenker und Vorerkrankungen kann sogar eine Senkung auf systolisch 120 bis 130 mmHg in Betracht gezogen werden. Dabei hat das Erreichen der Zielblutdruckwerte einen höheren Stellenwert als die Wahl des Arzneimittels.

Cholesterinsenkende Therapie

Als Zielwert der cholesterinsenkenden Therapie gilt ein LDL-Wert von unter 70 mg/dl. Bei sehr hohen Initialwerten kann alternativ eine Reduktion um mehr als 50 % des Ausgangswerts erfolgen.

Thrombozytenaggregationshemmung und Antikoagulation

Zur Thrombozytenaggregationshemmung werden in der Leitlinie ausschließlich Acetylsalicylsäure (ASS), Clopidogrel und Ticagrelor empfohlen. Patienten mit ischämischem Schlaganfall oder TIA können alternativ zu ASS mit Clopidogrel behandelt werden, wobei keine der beiden Substanzen der jeweils anderen sicher überlegen ist. Eine Monotherapie mit Ticagrelor kann ebenfalls in Betracht gezogen werden.

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Ausgewählte Patienten mit einem leichten nichtkardioembolischen ischämischen Schlaganfall oder einer TIA mit hohem Rezidivrisiko, die nicht mit i.v. Thrombolyse oder endovaskulärer Schlaganfalltherapie behandelt wurden, können innerhalb von 24 Stunden nach Symptombeginn mit einer dualen Plättchenhemmung behandelt werden. Hierfür stehen die Kombinationen von ASS und Ticagrelor (für 30 Tage) und die von ASS und Clopidogrel (für etwa 21 Tage) zur Verfügung.

Bei Betroffenen mit Vorhofflimmern sollte immer eine orale Antikoagulation mit direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) oder Vitamin-K-Antagonisten erfolgen. NOAKs sollen zur Sekundärprävention eines ESUS (embolic stroke of undetermined source) nicht zum Einsatz kommen, solange keine ESUS-unabhängige Indikation zur oralen Antikoagulation fehlt.

Teil 2: Fokus auf Lebensstil und Begleiterkrankungen

Der zweite Teil der Leitlinie konzentriert sich auf Modifikationen des Lebensstils, Begleiterkrankungen und -medikationen. Laut Prof. Dr. Dr. med. Tobias Kurth, Charité Berlin, sind insbesondere die Informationen zum Lebensstil von hoher Relevanz, da Betroffene ihren Lebensstil und damit das Risiko eines erneuten Schlaganfalls selbst beeinflussen können.

Lebensstilmodifikationen

Körperliche Aktivität und Ernährung

Die Leitlinie rät zu regelmäßiger körperlicher Aktivität. Der regelmäßige Verzehr von Obst und Gemüse oder eine mediterrane Diät senken zudem das Risiko eines Schlaganfallrezidivs und vaskulärer Folgeereignisse. Der Salzkonsum sollte reduziert werden.

Nikotin- und Alkoholkonsum

Betroffene sollten auf das Rauchen verzichten und den Alkoholkonsum reduzieren.

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Begleiterkrankungen

Diabetes mellitus

Diabetiker sollten nach einem Schlaganfall in jedem Fall auf eine gute Blutzuckereinstellung achten.

Schlafapnoe

Nach einer Schlafapnoe als zusätzlichem Risikofaktor sollte gezielt gesucht werden.

Weitere Aspekte

Die Leitlinie behandelt auch die Indikationen zur oralen Antikoagulation jenseits des Vorhofflimmerns, die Therapie von Dissektionen der hirnversorgenden Arterien, die Behandlung intrakranieller Gefäßstenosen und die Hormonersatztherapie.

Thrombozytenfunktionshemmer (TFH)

Bei behandlungsnaiven Patienten mit TIA oder leichtem Schlaganfall kann am ersten Behandlungstag eine erhöhte TFH-Initialdosis mit ASS („loading“) mit 300-500 mg erwogen werden. Eine generelle Umstellung auf einen anderen TFH als Monotherapie kann aufgrund fehlender Studiendaten nicht empfohlen werden.

Bei einer Unterbrechung der TFH-Behandlung ist von einem erhöhten Schlaganfallrisiko, aber auch anderen kardiovaskulären Ereignissen auszugehen. Daher sollte vor einer Operation oder einem invasiven Eingriff eine individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen, bei der das mit dem Eingriff verbundene Blutungsrisiko und das Risikoprofil des Patienten unter Berücksichtigung der Art der notwendigen TFH-Behandlung gegeneinander abgewogen werden.

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Ein großzügiger Einsatz von PPI bei Patienten unter TFH ohne gastrointestinale Probleme sollte vermieden und die Indikation kritisch gestellt werden. Bei Komedikation von NSAR sollte die reduzierte Wirksamkeit des ASS berücksichtigt werden. Es wird eine zeitlich versetzte Gabe der NSAR in Betracht gezogen.

Aktuelle RCT zeigten kein erhöhtes Blutungsrisiko durch Komedikation mit Fluoxetin. Angesichts früherer Hinweise auf eine Zunahme des Blutungsrisikos (insbesondere gastrointestinaler Blutungen) durch Komedikation von TFH und SSRI sollte bei einer Indikation für einen SSRI Fluoxetin anderen SSRI daher vorgezogen werden.

Bei Patienten mit stabiler KHK und/oder stabiler pAVK (inklusive asymptomatischer ≥ 50 %iger Karotisstenose oder nach operativ oder interventionell revaskularisierter Karotisstenose) und ohne vorangegangenen lakunären oder hämorrhagischen Schlaganfall kann eine Kombinationstherapie aus niedrig dosiertem Rivaroxaban, 2,5 mg 2‑mal/Tag, und ASS, 100 mg/Tag, erwogen werden.

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