Gürtelrose, verursacht durch die Reaktivierung des Varizella-Zoster-Virus (VZV), äußert sich meist durch schmerzhafte Hautveränderungen. Die systemische antivirale Therapie zielt darauf ab, die Dauer und Ausdehnung des Zoster-Exanthems zu reduzieren und Komplikationen zu verhindern. Die Leitlinie zur Therapie von Herpes Zoster wird derzeit überarbeitet, dennoch gibt sie wichtige Empfehlungen zur Behandlung und Beratung von Patienten.
Grundlagen der Varizella-Zoster-Virusinfektion
Das Varizella-Zoster-Virus (VZV) kann zwei unterschiedliche klinische Krankheitsbilder ausbilden: Varizellen (Windpocken) bei exogener Erstinfektion, die zumeist im Kindesalter stattfindet, und Herpes Zoster (Gürtelrose; zoster, altgriechisch für Gürtel) bei endogener Reaktivierung. Nach einer Primärinfektion mit Windpocken verbleibt das Virus in den sensorischen Spinal- und Hirnnervenganglien. Normalerweise hält die körpereigene Immunabwehr das Virus in Schach. Lässt diese jedoch nach, kann sich das Virus erneut vermehren und Gürtelrose verursachen. Eine Reaktivierung des Varizella-Zoster-Virus tritt ebenfalls bei geschwächtem Immunsystem, unter immunsuppressiver Therapie oder bei reduzierter zellulärer Immunität auf, wie etwa bei malignen Lymphomen und einer HIV-Infektion. Auch eine Chemotherapie erhöht das Risiko für Gürtelrose.
Die Latenz der VZV-Infektion wird durch eine effektive Immunabwehr sichergestellt. Wenn eine ausreichende Kontrolle infolge eines geschwächten Immunsystems nicht mehr gewährleistet werden kann (z. B. im Rahmen von natürlichen Alterungsprozessen oder HIV-Infektion), kann es zu einer Reaktivierung der Virusreplikation kommen. Herpes Zoster tritt vor allem bei älteren und/oder immungeschwächten Menschen auf. Das Krankheitsrisiko nimmt allgemein mit dem Lebensalter zu.
Wann ist eine Therapie indiziert?
Laut Leitlinie sollte Herpes zoster bei allen Patienten ab 50 Jahren mit einer systemischen antiviralen Therapie behandelt werden, ebenso bei jüngeren Patienten mit Immunsuppression, prädisponierenden Hauterkrankungen (Neurodermitis), bei mittelschweren/starken Schmerzen sowie im Kopf-Hals-Bereich. Bei Patienten ohne Risikofaktoren verläuft Herpes zoster in der Regel selbstlimitierend. Unabhängig vom Wirkstoff soll eine antivirale Therapie laut Leitlinie schnellstmöglich und innerhalb von 72 Stunden nach Symptombeginn eingeleitet werden. Wurde das Zeitfenster versäumt, kann ein späterer Therapiebeginn trotzdem noch indiziert sein. Dies betrifft insbesondere immunsupprimierte Patienten, Betroffene von Zoster ophthalmicus (Gürtelrose, die das Auge betrifft) und solange neue Bläschen entstehen.
Therapieansätze bei Gürtelrose
Ziele in der Akutphase sind neben einer adäquaten Schmerzlinderung, die Dauer und Ausdehnung des Zoster-Exanthems zu reduzieren und Komplikationen zu verhindern. Dafür wird die systemische, antivirale Therapie mit einer konsequenten Schmerztherapie kombiniert.
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Antivirale Therapie
Für die systemische antivirale Therapie kann Aciclovir entweder oral oder intravenös verabreicht werden. Zur oralen Anwendung stehen außerdem Valaciclovir, Famciclovir und Brivudin (Zostex®) zur Verfügung. Bei kompliziertem Herpes zoster oder Risikofaktoren für komplizierte Verläufe wird laut Leitlinie die intravenöse Gabe von Aciclovir bevorzugt. Bei allen Patienten ohne Indikation für eine intravenöse Therapie entscheiden Kontraindikationen, Komorbiditäten, Arzneimittelinteraktionen sowie die Berücksichtigung der Einnahmefrequenz über die Wahl des Wirkstoffs.
Aciclovir wird als Tablette standardmäßig fünfmal täglich alle vier Stunden dosiert. Da Aciclovir oral nur schlecht resorbiert wird, soll die Einnahme vorzugsweise nach dem Essen erfolgen. Valaciclovir ist ein Prodrug (Vorstufe) mit drei- bis fünffach höherer Bioverfügbarkeit und wird nach peroraler Gabe vollständig zu Aciclovir umgesetzt - das umgeht die schlechte Bioverfügbarkeit. Im Apothekenalltag spielen jedoch fast nur Aciclovir und Brivudin eine Rolle. Im Gegensatz zu Aciclovir müssen Patienten Brivudin nur einmal täglich über sieben Tage einnehmen, da es eine lange intrazelluläre Verweildauer hat. Es ist zudem bei Niereninsuffizienz Mittel der Wahl, sofern keine intravenöse Therapie indiziert ist. Nehmen Patienten dopaminerge Wirkstoffe zur Behandlung von Parkinson ein, gibt es laut Fachinformation Hinweise, dass in Kombination mit Brivudin möglicherweise Chorea (Dyskinesien) ausgelöst werden kann.
Schmerztherapie
Eine frühe analgetische Therapie kann einer Chronifizierung vorbeugen. Sie erfolgt entsprechend der Schmerzintensität nach WHO-Stufenschema mit nicht steroidalen Antiphlogistika oder mit Opioiden. Co-Analgetika wie Antidepressiva und Antikonvulsiva können ergänzend gegeben werden. Zusätzlich kann lokal eine antiseptische Therapie erfolgen.
Spezielle antivirale Wirkstoffe im Detail
Aciclovir
Aciclovir wird als Tablette standardmäßig fünfmal täglich alle vier Stunden dosiert. Da Aciclovir oral nur schlecht resorbiert wird, soll die Einnahme vorzugsweise nach dem Essen erfolgen. Bei Niereninsuffizienz ist eine Dosisanpassung erforderlich. Patienten sollten auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten.
Brivudin
125 mg Brivudin wird in der Standard-Dosis einmal täglich für sieben Tage eingenommen. Der Wirkstoff ist bei Niereninsuffizienz Mittel der ersten Wahl und bei einer Komedikation mit 5-Fluorouracil (auch topisch), Tegafur, Flucytosin, Capecitabin für vier Wochen absolut kontraindiziert. Die einmal tägliche Einnahme kann ein Vorteil sein, da hierdurch die Therapieadhärenz gefördert wird. Anders als bei Aciclovir sowie anderen Virustatika zur Therapie des Herpes Zoster muss die Brivudin-Dosierung auch bei eingeschränkter Kreatinin-Clearance nicht angepasst werden.
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Wichtiger Hinweis: Brivudin ist jedoch nicht für alle Patienten geeignet: Anlässlich eines aufgetretenen Todesfalles wies bereits 2006 die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) auf die potenziell tödliche Interaktion mit 5-Fluorouracil und Derivaten hin. Die Prodrugs Capecitabin, Tegafur (Hartkapseln) und Flucytosin (Antimykotikum) werden zu 5-FU metabolisiert und sind damit ebenfalls kontraindiziert.
Bei irrtümlich gleichzeitiger Anwendung soll der Patient stationär aufgenommen werden und laut Fachinformation alle Maßnahmen zur Verhütung systemischer Infektionen und Dehydratation ergriffen werden. Eine sofortige Beratung über die Giftnotrufzentrale wird empfohlen, von einem spezifischen Antidot ist nicht die Rede. Symptome einer Intoxikation seien Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö und in schweren Fällen Stomatitis (Entzündung der Mundschleimhaut).
Valaciclovir
Valaciclovir ist ein Prodrug (Vorstufe) mit drei- bis fünffach höherer Bioverfügbarkeit und wird nach peroraler Gabe vollständig zu Aciclovir umgesetzt - das umgeht die schlechte Bioverfügbarkeit.
Lokale Behandlung
Zur symptomatischen, lokalen Behandlung werden vor allem austrocknende, juckreizlindernde und antiseptisch wirksame topische Wirkstoffe und eventuell feuchte Umschläge (im Bläschenstadium) eingesetzt.
Post-Zoster-Neuralgie (PZN)
Halten die Schmerzen länger als drei Monate an, spricht man von einer Post-Zoster-Neuralgie. Diese kann die Lebensqualität massiv beeinträchtigen und als Folge einer fehlenden multimodalen oder nicht konsequent durchgeführten Schmerztherapie auftreten. Dabei wird differenziert zwischen nozizeptivem, neuropathischem und gemischt nozizeptiv-neuropathischem Schmerz. Die medikamentöse Erstlinientherapie besteht aus Antidepressiva oder Antikonvulsiva (Pregabalin oder Gabapentin). Gegebenenfalls kann auch eine topische Behandlung mit Lidocain- oder hochdosierten Capsaicin-Pflastern an erster Stelle stehen. Manche Betroffene profitieren von transkutaner elektrischer Nervenstimulation (TENS). Besonders bei chronischen Verläufen ist eine multimodale Therapie mit psychoedukativen und -therapeutischen Elementen angezeigt.
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Die PZN wird von den Betroffenen typischerweise als ein sehr schwerer brennender Schmerz beschrieben. Sie kann lange Zeit, eventuell sogar lebenslang, anhalten und stellt eine gravierende Belastung und Einschränkung der Lebensqualität für die Betroffenen dar. Medikamentöse Therapie der Wahl bei der Behandlung der PZN sind Antikonvulsiva wie Gabapentin oder Pregabalin oder trizyklische Antidepressiva. Schwache Opioide und topische Therapieoptionen wie Lidocain- oder Capsaicin-Pflaster stehen als Mittel der zweiten Wahl ebenfalls zur Verfügung.
Risikofaktoren für die Entwicklung einer PZN
Risikofaktoren für das Entstehen einer solchen Komplikation sind somit ein höheres Lebensalter, dermatomaler Schmerz, das weibliche Geschlecht, die Entwicklung von mehr als 50 Effloreszenzen, hämorrhagische Effloreszenzen sowie eine kraniale oder sakrale Lokalisation der Erkrankung.
Differenzialdiagnose und Diagnostik
Die Diagnose des Herpes Zoster erfolgt üblicherweise klinisch anhand der Symptomatik und dabei primär durch eine Inspektion der Haut einschließlich der Beachtung der Lokalisation der Effloreszenzen. Die rein klinische Diagnose weist abhängig von Ausprägung und Lokalisation eine Spezifität von etwa 60 bis 90 % auf. Bei einem typischen klinischen Bild eines Herpes Zoster kann in der Regel auf eine Laborbestätigung verzichtet werden. Allerdings sind auch atypische Manifestationen möglich (zum Beispiel bei Personen mit Immundefizienz), sodass im Einzelfall eine spezifische Labordiagnostik angezeigt ist.
Differenzialdiagnostisch müssen Herpes-simplex-Virusinfektionen (HSV1 vor allem im Kopf-/Halsbereich, HSV2 insbesondere im Lumbosakralbereich) sowie zosteriforme dermatologische Erkrankungen in Erwägung gezogen werden.
Der molekulare Nachweis von VZV-DNA aus Abstrichen gilt heute als Goldstandard für die Labordiagnostik der VZV-Infektion. Moderne Realtime-PCR-Methoden weisen bei korrekter Durchführung eine nahezu 100%ige Sensitivität und Spezifität auf.
Bei jüngeren Patienten gilt Herpes Zoster als Indikator einer HIV-Infektion.
Bedeutung der Impfung
Seit 2013 existiert mit Zostavax® ein attenuierter Lebendimpfstoff und seit März 2018 mit Shingrix® ein rekombinanter, adjuvantierter Subunit-Totimpfstoff in Deutschland zur Verhinderung des Herpes zoster und der Post-Zoster-Neuralgie. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt aufgrund der hohen Schutzwirkung auch in höheren Altersklassen und der längeren Schutzdauer ausschließlich die Impfung mit dem Totimpfstoff. Shingrix® ist zugelassen für Erwachsene ab einem Alter von 50 Jahren sowie ab einem Alter von 18 Jahren, sofern ein erhöhtes Risiko für Herpes zoster vorliegt. Das übliche Impfschema beträgt zwei Impfdosen im Abstand von zwei Monaten.
Laut Robert Koch-Institut (RKI) stellt die postherpetische Neuralgie (PHN) mit zwölf bis 20 % der Erkrankten die häufigste Komplikation dar. Ohne Impfung würden 33 von 100 Erwachsenen im Laufe ihres Lebens an Herpes zoster erkranken, im Vergleich zu nur drei von 100 Geimpften. Völlig vermeiden kann eine Impfung Herpes zoster nicht. Laut Hochrechnungen des RKI werden aber selbst bei einer Impfquote von nur 35 % bei Erwachsenen ab 60 Jahren immerhin 8 % der Herpes-zoster-Fälle und 9 % der PHN-Erkrankungen verhindert.
Die Rolle des pharmazeutischen Personals
Das pharmazeutische Personal kann beratend zur Seite stehen und die Therapietreue (Compliance) der Patienten fördern. Denn: Vielen Patienten ist nicht bewusst, dass eine frühe Therapie eine Chronifizierung der Schmerzen verhindern kann. Wenn Patienten über ein halbseitiges, umschriebenes Exanthem klagen, sollte das pharmazeutische Personal hellhörig werden. Bei Verdacht auf Gürtelrose sollte das Apothekenteam Betroffene unmittelbar an einen Arzt verweisen, um innerhalb von 72 Stunden eine antivirale Therapie zu ermöglichen.
Beratung auf einen Blick
- 800 mg Aciclovir wird in der Standard-Dosis fünfmal täglich alle vier Stunden für fünf bis sieben Tage zum Essen eingenommen. Bei Niereninsuffizienz ist eine Dosisanpassung erforderlich. Patienten sollten auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten.
- 125 mg Brivudin wird in der Standard-Dosis einmal täglich für sieben Tage eingenommen. Der Wirkstoff ist bei Niereninsuffizienz Mittel der ersten Wahl und bei einer Komedikation mit 5-Fluorouracil (auch topisch), Tegafur, Flucytosin, Capecitabin für vier Wochen absolut kontraindiziert.
Vorsichtshinweise für Brivudin
Die Bekanntgabe der Arzneimittelkommission wurde 2006 mit dem Beisatz „UAW - Aus Fehlern lernen“ publiziert. Kritische Arzneistoffkombinationen stellen vermeidbare Risiken dar, sodass im Verlauf der letzten Jahre mehrere Risikominimierende Maßnahmen ergriffen wurden: Einerseits weist die Gebrauchs- und Fachinformation von Brivudin-haltigen Arzneimitteln deutlich auf die Interaktion hin. Andererseits warnt auch die Tablettenschachtel von Zostex® auffällig davor. Zusätzlich hilft eine Patientenkarte. Patienten sollen darin Start- und Enddatum der Therapie eintragen. Die Karte sollen sie bis vier Wochen nach Ende der Behandlung ständig bei sich tragen und bei jedem Arzt- und Apothekenbesuch vorlegen. Die Karte informiert in kompakter Form über die kontraindizierten Wirkstoffe und mögliche Symptome einer Intoxikation. Ein spezieller Hinweis für den Arzt verweist zudem auf das Antidot und weiterführende Informationen.
Seit 2016 ergänzt die Blaue Hand die Rote und kennzeichnet behördlich angeordnetes und genehmigtes Schulungsmaterial, wie etwa Checklisten, Patientenausweise, Leitfäden oder Broschüren für Patienten. Dies wird immer dann erforderlich, wenn für die sachgerechte Anwendung zusätzliche Informationen erforderlich sind, die über die Fach- und Gebrauchsinformation hinausgehen.
Zusammenfassung
Die Post-Zoster-Neuralgie ist eine häufige und oft sehr schmerzhafte Komplikation nach einer Gürtelrose. Eine frühzeitige antivirale Therapie und adäquate Schmerzbehandlung sind entscheidend, um das Risiko einer Chronifizierung zu minimieren. Das pharmazeutische Personal spielt eine wichtige Rolle bei der Beratung der Patienten und der Förderung der Therapietreue. Die Impfung gegen Herpes Zoster stellt eine effektive Maßnahme zur Prävention der Erkrankung und ihrer Komplikationen dar.