Polyneuropathie der Füße: Ursachen, Symptome, Diagnose und Behandlung

Die Polyneuropathie ist eine Erkrankung, die viele Menschen betrifft, insbesondere im höheren Alter. Sie manifestiert sich als Schädigung der peripheren Nerven, also der Nerven außerhalb des Gehirns und des Rückenmarks. Dies kann zu einer Vielzahl von Beschwerden führen, insbesondere in den Füßen. Der Begriff Polyneuropathie stammt aus dem Griechischen und bedeutet übersetzt „Erkrankung mehrerer Nerven“.

Symptome der Polyneuropathie in den Füßen

Die Symptome einer Polyneuropathie beginnen häufig in den Füßen und können sich allmählich auf andere Körperteile ausbreiten. Die Art und Intensität der Symptome können je nach betroffenem Nervenabschnitt variieren. Vereinfacht gesagt, sind die Enden langer Nerven besonders anfällig für Schäden, zum Beispiel durch Nährstoffmangel. Deshalb beginnt eine Polyneuropathie oft weit entfernt vom Rumpf in den Füßen. Häufig zeigen sich die Symptome gleichmäßig auf beiden Seiten, sozusagen sockenförmig in beiden Füßen. Im Verlauf können sich die Beschwerden strumpfförmig auf beide Unterschenkel ausbreiten. Seltener oder erst im weiteren Verlauf sind Hände und Arme betroffen.

Zu den häufigsten Symptomen gehören:

  • Sensible Symptome:
    • Kribbeln und Ameisenlaufen: Viele Menschen beschreiben ein Kribbeln oder ein Gefühl von Ameisen, die unter der Haut laufen.
    • Taubheitsgefühle und Pelzigkeit: Betroffene klagen oft über Taubheitsgefühle oder ein Gefühl der Pelzigkeit in den Füßen.
    • Vermindertes Temperaturempfinden: Die Fähigkeit, Wärme und Kälte richtig zu spüren, kann beeinträchtigt sein. So dass beispielsweise die Badewassertemperatur in der Badewanne an den Füßen nicht mehr richtig eingeschätzt werden kann.
    • Schmerzen: Brennende, stechende oder schneidende Schmerzen sind häufig.
    • Überempfindlichkeit: Manche Menschen reagieren überempfindlich auf Berührungen.
  • Motorische Symptome:
    • Muskelschwäche: Die Muskeln in den Füßen und Beinen können schwächer werden.
    • Muskelkrämpfe: Muskelkrämpfe, insbesondere nachts oder bei Belastungen, sind nicht selten.
    • Muskelzucken: Unwillkürliches Muskelzucken kann auftreten.
    • Gangunsicherheit und Muskelschwund: Das Lageempfinden wird zunehmend gestört, so dass die akkurate Aufrechterhaltung des Standes leidet. Dies führt zu Schwanken, Schwindel und Gangstörungen. Parallel dazu kann es zunehmend zu Lähmungen, beispielsweise der Fußheber oder Zehenheber oder Fußsenker kommen, so dass Muskelschwund und Gangstörungen entstehen.
  • Autonome Symptome:
    • Kalte Füße: Viele Patienten klagen über kalte Füße.
    • Verdauungsstörungen: Probleme mit der Verdauung können auftreten.
    • Blasenentleerungsstörungen: Schwierigkeiten beim Entleeren der Blase sind möglich.
    • Störungen der Herzfunktion: Herzrhythmusstörungen können auftreten.
    • Schwindel beim Aufstehen: Schlechte Kreislaufregulation mit Schwindel beim (raschen) Aufstehen (Orthostase)
    • Schwellung von Füßen und Händen (Wassereinlagerungen)

Auch das Schmerzempfinden wird allmählich herabgesetzt, so dass Verletzungen am Fuß nicht oder nur zu spät wahrgenommen werden. Dies kann, z.B. beim Diabetes mellitus, zur Entstehung von Druckgeschwüren führen. Letztlich können auch die inneren Organe im Sinne einer autonomen Polyneuropathie betroffen sein. Dies führt beispielsweise zur Blasenlähmung, Darmträgheit oder zur mangelnden Regulation des Herzschlages bei Anstrengung.

Alle Symptome entstehen zumeist symmetrisch und nur seltener asymmetrisch mit Betonung auf einer Seite.

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Ursachen der Polyneuropathie

Die Polyneuropathie ist eine Erkrankung der peripheren Nerven, d.h. also nicht des Gehirns oder des Rückenmarks. Sie entsteht indem entweder der innere Strang des Nervs oder seine Umhüllung erkranken. Nerven arbeiten wie elektrische Leitungen. Vergleicht man den Nerv mit einem Kupferkabel, so können Störungen entweder durch eine Unterbrechung der Kupferleitung in der Mitte oder der umhüllenden Isolierung entstehen. Je länger ein Nerv ist umso eher erkrankt er an Polyneuropathie, weshalb die Erkrankung häufig an den Zehen und Füßen beginnt.

Es gibt über 300 bekannte Ursachen für Polyneuropathie. Zu den häufigsten gehören:

  • Diabetes mellitus: Etwa jeder dritte Diabetiker ist von Polyneuropathie betroffen. Ein dauerhaft erhöhter Blutzuckerspiegel kann die Nerven schädigen.
  • Alkoholmissbrauch: Chronischer Alkoholkonsum kann ebenfalls zu Nervenschäden führen.
  • Vitaminmangel: Ein Mangel an bestimmten Vitaminen, insbesondere B1, B2, B6, B12 und E, kann eine Polyneuropathie verursachen.
  • Nierenerkrankungen: Nierenversagen kann zu einer Ansammlung von Giftstoffen im Körper führen, die die Nerven schädigen können.
  • Schilddrüsenerkrankungen: Sowohl eine Über- als auch eine Unterfunktion der Schilddrüse können eine Polyneuropathie verursachen.
  • Lebererkrankungen: Bestimmte Lebererkrankungen können die Nervenfunktion beeinträchtigen.
  • Krebserkrankungen: Einige Krebserkrankungen und deren Behandlungen, wie z.B. Chemotherapie, können eine Polyneuropathie verursachen.
  • Autoimmunerkrankungen: Erkrankungen wie das Guillain-Barré-Syndrom oder Vaskulitis können die Nerven angreifen.
  • Infektionen: Bestimmte Infektionen, wie Borreliose, HIV oder Diphtherie, können eine Polyneuropathie verursachen.
  • Medikamente: Einige Medikamente, insbesondere Chemotherapeutika, Interferone und Virustherapeutika, können als Nebenwirkung eine Polyneuropathie verursachen.
  • Schwermetallvergiftung: Eine Vergiftung mit Blei, Arsen, Thallium, Quecksilber oder Gold kann die Nerven schädigen.
  • Genetische Faktoren: Es gibt auch genetisch bedingte Polyneuropathien.

Die Ursache von etwa einem Viertel aller Polyneuropathien bleibt auch nach ausführlicher Abklärung ungeklärt.

Diagnose der Polyneuropathie

Die Diagnostik und Therapie der Polyneuropathie fallen in das Fachgebiet des Neurologen. Am Anfang stehen eine genaue Erhebung der Vorgeschichte (Anamnese) und eine fachärztliche, klinisch-neurologische Untersuchung. Auch eine psychiatrische Untersuchung ist zur Abgrenzung notwendig.

Zur Diagnose einer Polyneuropathie werden verschiedene Untersuchungen durchgeführt:

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  • Anamnese: Der Arzt erfragt die Krankengeschichte und die genauen Beschwerden des Patienten.
  • Klinisch-neurologische Untersuchung: Der Arzt untersucht die Reflexe, die Sensibilität und die Muskelkraft des Patienten.
  • Elektrophysiologische Untersuchungen: Hierbei werden überwiegend die Nervenleitgeschwindigkeit und die Reizantwortstärke der betroffenen Nerven vermessen. Begleitet wird dies durch ein EMG (Elektromyographie- elektrische Untersuchung der betroffenen Muskeln mit einer Nadel). Diese Untersuchungen messen die elektrische Aktivität der Nerven und Muskeln und können helfen, die Art und das Ausmaß der Nervenschädigung zu bestimmen.
  • Laboruntersuchungen: Eine laborchemische Abklärung der wichtigsten Ursachen aus dem Blut. Klärt man die wichtigsten 35-40 Ursachen ab, so beinhaltet dies ca. 80 % aller betroffenen Patienten. Blut- und Urinuntersuchungen können Hinweise auf mögliche Ursachen der Polyneuropathie geben, wie z.B. Diabetes, Vitaminmangel oder Nierenerkrankungen.
  • Lumbalpunktion: Bei Verdacht auf eine entzündliche Erkrankung sollte das Nervenwasser (Liquor) untersucht werden.
  • Bildgebende Verfahren: Eine Kernspintomographie der Lendenwirbelsäule oder Halswirbelsäule ist erforderlich, wenn gleichzeitig dort eine zusätzliche Erkrankung z.B. ein enger Spinalkanal vermutet wird. In einigen Fällen können bildgebende Verfahren wie MRT oder CT eingesetzt werden, um andere Erkrankungen auszuschließen.
  • Genetische Untersuchungen: Die wichtigsten genetischen Ursachen lassen sich durch genetische Untersuchungen aus dem Blut heraus abklären. Diese Untersuchungen sind jedoch teuer. Sie werden von daher nicht routinemäßig durchgeführt.
  • Nervenbiopsie: Eine Untersuchung eines operativ entfernten Teils eines betroffenen Nervens (Biopsie) ist heutzutage nur in Ausnahmen notwendig. In seltenen Fällen kann eine Nervenbiopsie erforderlich sein, um die Ursache der Polyneuropathie zu bestimmen.

Behandlung der Polyneuropathie

Die häufig auch von Ärzten verbreitete Aussage: "Bei Polyneuropathie kann man nichts machen", ist falsch. Es gibt viele therapeutische Ansätze. Verbesserungen sind fast regelmäßig möglich. Auch eine Ausheilung ist nicht selten erzielbar.

Die Behandlung der Polyneuropathie zielt in erster Linie darauf ab, die Ursache der Erkrankung zu beseitigen oder zu behandeln.

  • Behandlung der Grunderkrankung: Das primäre Ziel der Behandlung ist die Ausschaltung der Ursache der Polyneuropathie. Die bedeutet z.B. einen Diabetes mellitus optimal mit Medikamenten einzustellen. Medikamente, die eine Polyneuropathie verursachen, müssen abgesetzt oder ausgetauscht werden, insofern sie nicht aus anderem Grund unabdingbar notwendig sind. Eine toxische Exposition, beispielsweise durch Schwermetalle oder Umweltgifte, muss beendet werden. Ist Alkohol die Ursache der Polyneuropathie, so muss vollständige, lebenslange Abstinenz eingehalten werden. Auch kleinere Mengen Alkohol können eine Verschlechterung herbeiführen oder eine Ausheilung verhindern, da das Nervensystem bereits vorgeschädigt ist. Alkoholabstinenz ist immer eine Voraussetzung für eine Verbesserung oder Ausheilung der Symptomatik.
  • Schmerztherapie: Für die Behandlung der Schmerzen oder unangenehmen Missempfindungen stehen mehrere Medikamente zur Verfügung. Schmerzen können mit Medikamenten wie Antidepressiva, Antikonvulsiva oder Opioiden behandelt werden.
  • Physiotherapie: Lähmungen und Muskelschwund, Gleichgewichtsstörungen und Gangstörungen können mit einer spezifischen Physiotherapie behandelt werden. Diese kann gegebenenfalls um elektrische oder magneto-elektrische Stimulationverfahren ergänzt werden. Physiotherapie kann helfen, die Muskelkraft und Koordination zu verbessern.
  • Ergotherapie: Ergotherapie kann helfen, die Selbstständigkeit im Alltag zu erhalten.
  • Neural-Akupunktur: Missempfindungen und Schmerzen können überdies mit einer Neural-Akupunktur behandelt werden.
  • Weitere Therapien: Liegt eine entzündliche Ursache der Polyneuropathie vor, so können Cortison-Infusionen, Plasmapherese (umgangssprachlich - Blutwäsche) oder die Gabe von Immunglobulinen zu einer Linderung oder gar Ausheilung führen. Die Notwendigkeit der Anwendung dieser Medikamente oder Verfahren zu beurteilen ist Sache des neurologischen Experten.

Zusätzlich zu diesen Behandlungen können auch folgende Maßnahmen helfen, die Symptome zu lindern:

  • Regelmäßige Fußpflege: Regelmäßige Kontrolle der Füße auf Druckstellen, Tragen von bequemem Schuhwerk, Meidung von Druck, Nutzung professioneller Fußpflege. Menschen mit Polyneuropathie sollten ihre Füße regelmäßig auf Verletzungen untersuchen und gut pflegen.
  • Bewegung: Regelmäßige körperliche Betätigung (150 min Ausdauersport/Woche z. B. Walking, Schwimmen oder Radfahren) kann helfen, die Durchblutung zu verbessern und die Muskeln zu stärken.
  • Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse und Vollkornprodukten ist wichtig für die Nervengesundheit.
  • Vermeidung von Alkohol und Nikotin: Alkohol und Nikotin können die Nerven schädigen und die Symptome verschlimmern.

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