Physiotherapie bei Nervenschmerzen: Behandlung, Übungen und Therapieansätze

Chronische und akute Schmerzen können durch viele Faktoren ausgelöst werden, wobei lokale Auslöser nur ein Teil des Problems sind. Die Physiotherapie bietet ein breites Spektrum an Behandlungsmöglichkeiten, um Nervenschmerzen effektiv zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Ein wichtiger Ansatz ist das Ebenenmodell, ein erfolgreiches Konzept zur Schmerztherapie.

Grundlagen der Nervenschmerzen

Unser Körper ist von einem Netzwerk aus Nervenbahnen durchzogen, das jede Bewegung ermöglicht. Diese Nerven müssen uneingeschränkt um die umliegenden Strukturen gleiten können. Verspannungen, Fehlhaltungen und andere Faktoren können die Beweglichkeit der Nerven einschränken und zu Irritationen führen.

Ursachen von Nervenschmerzen

Nervenschmerzen, auch neuropathische Schmerzen genannt, können vielfältige Ursachen haben. Dazu gehören:

  • Verspannungen: Ein verspannter Muskel kann die Beweglichkeit eines Nervs einschränken. So kann beispielsweise eine verspannte Gesäßregion den Ischiasnerv irritieren und zu Schmerzen im Gesäß und Bein führen.
  • Fehlhaltungen: Körperliche Fehlhaltungen können zu Muskelverhärtungen führen, die auf Nerven drücken und Schmerzen in benachbarte Körperbereiche ausstrahlen lassen.
  • Einseitige Belastungen: Einseitige Belastungen und Fehlhaltungen am Arbeitsplatz können ebenfalls Muskelverhärtungen verursachen.
  • Verletzungen: Verletzungen, Überreizung von Nervenstrukturen und Entzündungen können dazu führen, dass Nerven verkleben.
  • Erkrankungen: Bestimmte Erkrankungen wie Diabetes (Polyneuropathie), Gürtelrose oder Bandscheibenvorfälle können Nervenschmerzen verursachen.

Symptome von Nervenschmerzen

Nervenschmerzen können sich auf unterschiedliche Weise äußern. Typische Symptome sind:

  • Kribbeln und Taubheitsgefühle
  • Brennende oder stechende Schmerzen
  • Elektrisierende Schmerzen
  • Überempfindlichkeit gegenüber Berührungen (Allodynie)
  • Verstärkte Schmerzwahrnehmung (Hyperalgesie)
  • Muskelschwäche
  • Lähmungen (in schweren Fällen)

Physiotherapeutische Behandlung von Nervenschmerzen

Die Physiotherapie bietet verschiedene Ansätze zur Behandlung von Nervenschmerzen, die darauf abzielen, die Ursachen der Schmerzen zu beheben, die Symptome zu lindern und dieFunktion des Nervensystems zu verbessern.

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Ziele der Physiotherapie

Die wesentlichen Ziele der Physiotherapie bei Nervenschmerzen sind:

  • Schmerzlinderung: Reduktion der Schmerzintensität und -frequenz.
  • Verbesserung der Beweglichkeit: Wiederherstellung der normalen Beweglichkeit von Gelenken, Muskeln und Nerven.
  • Muskelkräftigung: Stärkung der Muskulatur zur Stabilisierung und Unterstützung des Körpers.
  • Verbesserung der Koordination und des Gleichgewichts: Förderung der Koordination und des Gleichgewichts zur Vermeidung von Stürzen und Verletzungen.
  • Erlernen eines neuen Bewegungsverhaltens: Unterstützung beim Erlernen eines besseren Bewegungsverhaltens, um Fehlbelastungen zu vermeiden.
  • Steigerung körperlicher Aktivitäten: Erhöhung der körperlichen Aktivität, um die allgemeine Fitness und das Wohlbefinden zu verbessern.
  • Verminderung von Bewegungsangst: Abbau von Ängsten vor Bewegung durch schrittweise Ausweitung von Bewegungsprogrammen.
  • Durchführen einer aktiven Bewältigungsstrategie: Vermittlung von Strategien zur aktiven Bewältigung der Schmerzen.

Behandlungsmethoden

Die Physiotherapie setzt verschiedene Behandlungsmethoden ein, um die genannten Ziele zu erreichen. Dazu gehören:

  • Manuelle Therapie:Spezifische Gelenktechniken zur Behandlung von Funktionsstörungen am Bewegungssystem (Gelenke, Muskulatur, Bindegewebe und Wirbelsäule). Ziel ist die Wiederherstellung normaler Gelenkfunktionen und des umliegenden Gewebes. Der Physiotherapeut zeigt dem Patienten geeignete Übungen zur Selbstmobilisation.
  • Neurodynamik (Neurale Mobilisation):Diese therapeutische Technik mobilisiert rhythmisch spezielle Bereiche des Nervensystems oder einzelne Nerven. Parallel dazu behandelt der Physiotherapeut auch Dysfunktionen des umliegenden Gewebes, um Schwellungen zu reduzieren und die Beweglichkeit des Nervensystems zu verbessern.
  • Massage:Klassische Massage zur Entspannung, Reduktion von Gewebswiderständen und Förderung der Durchblutung. Ergänzende Anwendung zur Verbesserung der Gewebsspannung und Schmerzlinderung. Die Bindegewebsmassage gehört zur Gruppe der Reflexzonentherapien und behandelt Veränderungen in den Gewebezonen, die mit Organstörungen in Verbindung stehen.
  • Elektrotherapie:Spezielle Stromformen zur gezielten Erwärmung des Gewebes, Reduktion von Schmerzen, Reizung von Nerven, Abbau von Gewebeschwellungen oder Aktivierung der Muskulatur. Die Dosierung erfolgt individuell nach Verträglichkeit. Das TENS-Verfahren (Transkutane elektrische Nervenstimulation) wird insbesondere bei chronischen Schmerzzuständen angewandt, um die körpereigene Schmerzhemmung zu aktivieren.
  • Thermotherapie:Wärmetherapie zur Verbesserung des Stoffaustauschs im Gewebe, Reduktion der Muskelspannung, psychischen Entspannung und Verbesserung des Schlafverhaltens. Kältetherapie zur Verminderung der Schmerzwahrnehmung und Reduktion von Schwellungen.
  • Gerätetraining:Einsatz von Trainingsgeräten zur Verbesserung der Ausdauer, Koordination und Muskelkraft. Ziel ist die Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit und Lebensqualität bei Schmerzen.
  • Bewegungsübungen:Gezielte Übungen zur Stärkung der Muskulatur, Verbesserung des Gleichgewichts und der Koordination sowie Förderung der Durchblutung. Beispiele sind Zehenstand, Fußkreisen, Ballrollen und Balanceübungen.
  • Faszientraining:Faszien sind Bindegewebshäute, die Organe, Muskeln und Muskelgruppen umhüllen. Das Faszientraining umfasst Dehnübungen, federnde Bewegungen, Körperwahrnehmungsschulung und Selbstmassage zur Verbesserung der Faszienstruktur und -funktion.
  • Triggerpunktmassage:Behandlung von Triggerpunkten (Verhärtungen in der Muskulatur), die Schmerzen in bestimmte Körperabschnitte ausstrahlen können.
  • Taping:Anwendung von elastischen Tapes zur Schmerzlinderung, Tonusregulierung, Entlastung von Bändern und Lösung von Verklebungen im Gewebe.

Die Rolle der Bewegung

Bewegung ist ein wichtiger Bestandteil der Physiotherapie bei Nervenschmerzen. Sie hilft, die Durchblutung zu fördern, die Muskulatur zu stärken und die Beweglichkeit der Nerven zu verbessern. Im englischsprachigen Raum hat sich der Spruch „Motion is lotion“ etabliert, der die Bedeutung von Bewegung für das Nervensystem verdeutlicht.

Individuelle Therapiepläne

Die Physiotherapie bei Nervenschmerzen ist immer individuell auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmt. Der Physiotherapeut erstellt einen Therapieplan, der die Ursachen der Schmerzen, die Symptome und die individuellen Ziele des Patienten berücksichtigt.

Was Patienten selbst tun können

Neben der physiotherapeutischen Behandlung können Patienten auch selbst aktiv werden, um ihre Nervenschmerzen zu lindern. Dazu gehören:

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  • Regelmäßige Bewegung:Regelmäßige körperliche Aktivität, wie z. B. Spaziergänge, Schwimmen oder Radfahren, kann helfen, die Durchblutung zu fördern, die Muskulatur zu stärken und die Schmerzen zu lindern.
  • Dehnübungen:Dehnübungen können helfen, Verspannungen zu lösen und die Beweglichkeit der Nerven zu verbessern.
  • Entspannungsübungen:Entspannungsübungen, wie z. B. Yoga oder Meditation, können helfen, Stress abzubauen und die Schmerzen zu lindern.
  • Wärme- oder Kälteanwendungen:Wärme- oder Kälteanwendungen können helfen, die Schmerzen zu lindern. Wärme kann Muskelverspannungen lösen, während Kälte Entzündungen reduzieren kann.
  • Selbstmassage:Selbstmassage mit einem Ball oder einer Faszienrolle kann helfen, Verspannungen zu lösen und die Durchblutung zu fördern.
  • Ernährung:Eine ausgewogene Ernährung kann helfen, Entzündungen im Körper zu reduzieren und die Nervenfunktion zu unterstützen.
  • Vermeidung von Fehlhaltungen:Achten Sie auf eine gute Körperhaltung im Sitzen, Stehen und Gehen.

Polyneuropathie und Physiotherapie

Polyneuropathie ist eine Erkrankung der peripheren Nerven, die häufig als Folge von Diabetes, Chemotherapie oder anderen Grunderkrankungen auftritt. Die Symptome reichen von Kribbeln und Taubheitsgefühlen bis hin zu Muskelschwäche und Schmerzen. Physiotherapie kann helfen, Sensibilitäts- und Bewegungsstörungen zu verbessern und den Alltag sicherer zu gestalten.

Gezielte Übungen bei Polyneuropathie

Ein zentrales Ziel der Physiotherapie bei Polyneuropathie ist es, die Muskulatur zu stärken, das Gleichgewicht und die Koordination zu verbessern und die Durchblutung zu fördern. Regelmäßige Bewegung kann nicht nur bestehende Symptome mildern, sondern auch das Fortschreiten der Erkrankung bremsen.

Einige wichtige Übungen für zu Hause sind:

  • Zehenstand: Stärkt die Fußmuskulatur und verbessert das Gleichgewicht.
  • Fußkreisen: Fördert die Beweglichkeit und Durchblutung der Gelenke.
  • Ballrollen: Aktiviert die Nerven und massiert die Fußmuskulatur.
  • Balanceübungen: Verbessert das Gleichgewicht.
  • Fingerübungen: Fördert die Beweglichkeit der Finger.

Ergänzend dazu können verschiedene physikalische Therapieformen wie Elektrotherapie, Bürstenmassagen, Akupunktur oder spezielle Entspannungsverfahren zur Linderung der Beschwerden beitragen.

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