Das Gehirn, oft mit einem Hochleistungscomputer verglichen, ist die Steuerzentrale für lebenswichtige Abläufe im Körper. Es steuert unsere Wahrnehmung, unser Empfinden, unser Wissen, unser Denken und unser Verhalten. Es stellt sicher, dass unsere Organe richtig arbeiten und steuert all unsere Bewegungen. Das Gehirn nimmt Sinneseindrücke auf, verarbeitet sie, speichert Informationen im Gedächtnis und ruft sie bei Bedarf wieder ab. Es besteht aus verschiedenen Teilen und Milliarden von vernetzten Nervenzellen.
Der Hirnstamm, der entwicklungsgeschichtlich älteste Teil des Gehirns, verbindet das Gehirn mit dem Rückenmark. Er besteht aus drei Hirnabschnitten: verlängertes Mark (Medulla oblongata), Mittelhirn (Mesencephalon) und Brücke (Pons). Der Hirnstamm ist u. a. für die Weiterleitung von Sinneseindrücken und Informationen vom Großhirn zu den Nervenzellen des Rückenmarks verantwortlich. Außerdem reguliert er lebenswichtige Systeme wie Herzschlag, Atmung und Blutdruck.
Das Mittelhirn (Mesencephalon), der kleinste Abschnitt des Gehirns, ist Teil des Hirnstamms und liegt zwischen der Brücke (Pons) und dem Zwischenhirn (Diencephalon). Es umgibt den Aquaeductus mesencephali. Das Mittelhirn ist eine wichtige Zwischenstation für aufsteigende Informationen zum Gehirn und absteigende Informationen zum Rückenmark. Störungen im Mittelhirn können daher schwerwiegende Folgen haben.
Anatomie des Mittelhirns
Das Mittelhirn besteht aus verschiedenen Teilen:
- Mittelhirndach (Tectum mesencephali) mit Vierhügelplatte (Lamina tecti oder quadrigemina): Dorsal gelegen, besteht aus vier Hügeln (Colliculi superiores und Colliculi inferiores). Zwischen den oberen zwei Hügeln liegt die Zirbeldrüse (Corpus pineale) des Zwischenhirns.
- Mittelhirnhaube (Tegmentum mesencephali): In der Mitte (ventral) gelegen, wird von der Vierhügelplatte und den Hirnschenkeln bedeckt. Sie ist gegen die Hirnschenkel durch einen dunklen Streifen, die Substantia nigra, abgegrenzt.
- Hirnschenkel (Crura cerebri): Vorne gelegen, zwei Wülste, zwischen denen sich eine Grube (Fossa interpeduncularis) befindet, in der der 3. Hirnnerv verläuft.
Die Vierhügelplatte
Die Vierhügelplatte ist durch eine Längs- und Querfurche in vier Hügel geteilt:
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- Colliculi superiores (obere Hügel): Erhalten über Sehnerv und Sehtrakt direkte Eingänge von der Netzhaut des Auges. Sie sind primär für Informationen über sich rasch ändernde Reize - also um Bewegung - zuständig.
- Colliculi inferiores (untere Hügel): Dienen als Umschaltstelle für die meisten Fasern der Hörbahn. Die Signale laufen von hier aus direkt zum Corpus geniculatum mediale des Thalamus und von dort weiter in den primären auditiven Cortex.
Die Mittelhirnhaube (Tegmentum)
Das Tegmentum wird von der Vierhügelplatte und den Hirnschenkeln bedeckt. Sie ist gegen die Hirnschenkel durch einen dunklen Streifen abgegrenzt, die Substantia nigra. Ein großer Teil vom Tegmentum wird von einer rötlichen Ansammlung von Nervenzellkörpern (Kerngebiet) eingenommen, die Nucleus ruber genannt wird.
Die Hirnschenkel
Die Hirnschenkel an der vorderen Fläche der Basis des Mittelhirns werden von Gefäßen durchbohrt und hier tritt ein weiterer Hirnnerv, der Nervus oculomotorius (3. Hirnnerv), aus.
Durchzogen wird das Mittelhirn vom Aquaeductus mesencephali, der dünnen, kanalartigen Verbindung zwischen der III. und IV. Hirnkammer (Ventrikel).
Blutversorgung des Mittelhirns
Die arterielle Versorgung des Mesencephalons erfolgt durch verschiedene Äste der A. cerebri posterior aus der A. basilaris:
- A. collicularis
- Aa. thalamoperforans anterior
- A. chorioidea posterior
Funktionen des Mittelhirns
Das Mittelhirn erfüllt vielfältige Funktionen, die für die Steuerung von Bewegungen, die Verarbeitung sensorischer Informationen und die Aufrechterhaltung des Bewusstseinszustandes wichtig sind.
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- Motorische Kontrolle: Das Mittelhirn ist Teil des extrapyramidalen Systems, das für die Steuerung der Bewegung zuständig ist. Es enthält wichtige Kerngebiete wie die Substantia nigra und den Nucleus ruber, die an der Planung, Initiierung und Ausführung von Bewegungen beteiligt sind.
- Augenbewegungen: Über den Nervus oculomotorius (III. Hirnnerv) steuert das Mittelhirn fast alle Augenmuskeln und ist somit für die Bewegung der Augenlider und die Koordination der Augenbewegungen verantwortlich.
- Hören: Die Colliculi inferiores dienen als Umschaltstelle für die Hörbahn und ermöglichen die Verarbeitung akustischer Informationen.
- Sehen: Die Colliculi superiores sind an der Steuerung von Augenbewegungen beteiligt, insbesondere bei der Verfolgung von sich bewegenden Objekten und bei der Auslösung von Schutzreflexen.
- Schmerzwahrnehmung: Als Teil des limbischen Systems spielt das Mittelhirn eine Rolle bei der Schmerzwahrnehmung und -empfindung. Die Substantia grisea periaqueductalis ist an der Schmerzunterdrückung beteiligt.
- Bewusstseinszustand: Die Formatio reticularis, die sich durch den gesamten Hirnstamm zieht, ist an der Aufrechterhaltung des Bewusstseinszustandes und des Schlaf-Wach-Rhythmus beteiligt.
- Reflexe: Das Mittelhirn ist an der Steuerung verschiedener Reflexe beteiligt, wie z.B. dem Pupillenreflex und dem akustischen Reflex.
Klinische Bedeutung: Erkrankungen und Störungen des Mittelhirns
Schädigungen des Mittelhirns, z.B. durch Tumoren, Entzündungen oder Durchblutungsstörungen, können zu einer Vielzahl von neurologischen Symptomen führen.
- Bewegungsstörungen: Läsionen der Substantia nigra können zu Parkinson-ähnlichen Symptomen führen, wie z.B. Tremor, Rigor und Akinese. Schädigungen des Nucleus ruber können zu Ataxie und Intentionstremor führen.
- Augenbewegungsstörungen: Schädigungen des Nervus oculomotorius können zu Doppelbildern, Ptosis (Herabhängen des Augenlids) und Pupillenstörungen führen.
- Hörstörungen: Schädigungen der Colliculi inferiores können zu einer Beeinträchtigung des Hörvermögens führen.
- Schmerzstörungen: Schädigungen der Substantia grisea periaqueductalis können zu chronischen Schmerzen führen.
- Bewusstseinsstörungen: Schwerwiegende Schädigungen des Mittelhirns können zu Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma führen.
Morbus Parkinson
Die Parkinson-Krankheit ist durch einen Verfall der Zellen in der Substantia nigra gekennzeichnet. Der Botenstoff Dopamin, der für die Reizweiterleitung notwendig ist, fehlt. Die Folge sind Fehlfunktionen und Störungen in der Motorik.
Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS) und Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS)
Veränderungen in der Substantia nigra des Mittelhirns sind auch verantwortlich für das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADS) und das Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS).
Tumoren im Mittelhirn
Ein ZNS-Tumor, der den III. Hirnnerv in seinem Ursprung- und/oder Verlauf behindert, kann zum Funktionsausfall führen. Dann überwiegen für die Bewegung des Augapfels diejenigen Augenmuskeln, die von den intakten Augenmuskelnerven versorgt werden, während die, für die der III. Hirnnerv zuständig ist, ausfallen. Dies führt zu einer typischen Schielstellung: Der Augapfel des betroffenen Auges ist nach außen und unten gerichtet und die Patienten klagen über Doppelbilder. Die Schädigung der Fasern für die Lichtreaktion führt zum Überwiegen des Muskels, der für die Pupillenerweiterung zuständig ist. Dadurch kommt es zu einer sehr weiten Pupille (Mydriasis). Wird der N. oculomotorius durch einen Tumor im Bereich der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) geschädigt, kann es zu ähnlichen Ausfällen kommen. Außerdem kann der Hirnstamm, zum Beispiel durch einen tumorbedingt erhöhten Druck in der Schädelhöhle, nach unten gegen den Schädelknochen gedrückt werden. Dies kann dazu führen, dass auch der III. Hirnnerv in seinem Verlauf gegen eine knöcherne Struktur im Bereich des Hirnstamms (Klivuskante) gedrückt wird.
Die Hirnnerven: Ursprung im Hirnstamm
Die Ursprungsorte (Hirnnervenkerne) der Hirnnerven I und II liegen im Großhirn beziehungsweise im Zwischenhirn. Die Ursprungsorte der übrigen Hirnnervenpaare befinden sich meist in Mittelhirn, Brücke oder verlängertem Mark, also im Hirnstamm.
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- III. Hirnnerv (Nervus oculomotorius): Entspringt im Mittelhirn und ist für die meisten Augenbewegungen verantwortlich.
- IV. Hirnnerv (Nervus trochlearis): Ist, ebenso wie der III. und der VI. Hirnnerv, an der Bewegung des Augapfels beteiligt. Er zieht etwas hinter und seitlich des III. Hirnnervs aus dem Hirnstamm aus.
- V. Hirnnerv (Nervus trigeminus): Ein großer Nerv mit vielen Aufgaben, dessen Nervenkern im Mittelhirn liegt und für die Sensibilität der Kaumuskulatur, des Kiefergelenks und der äußeren Augenmuskeln zuständig ist.
- VI. Hirnnerv (Nervus abducens): Seine Fasern entspringen in der Brücke.
- VII. Hirnnerv (Nervus facialis): Dieser große Nerv enthält alle Typen von Nervenfasern (für Gefühlsempfindungen, Muskelbewegungen, vegetative Funktionen). Sie entspringen in der Brücke.
- VIII. Hirnnerv (Nervus vestibulocochlearis): Der VIII. Hirnnerv ist aus zwei Komponenten zusammengesetzt: den Nervenbahnen für das Hörorgan und denen für das Gleichgewichtsorgan. Diese übertragen zum einen die Erregungen aus dem Innenohr zum Hirnstamm auf die Hörbahn und weiter zur Hörrinde des Großhirns, zum anderen auf die Gleichgewichtsbahn zum Kleinhirn sowie auch zu den Ursprungsorten der Augenmuskelnerven (siehe auch: III., IV. und VI. Hirnnerv).
- IX. Hirnnerv (Nervus glossopharyngeus): Entspringt im verlängerten Mark (Medulla oblongata) des Hirnstamms.
- X. Hirnnerv (Nervus vagus): Nimmt seinen Ursprung im verlängerten Mark des Hirnstamms.
- XI. Hirnnerv (Nervus accessorius): Führt nur absteigende (efferente) Fasern zu verschiedenen Schlund- und Halsmuskeln. Einige seiner Fasern entspringen im verlängerten Mark des Hirnstamms und verlaufen gemeinsam mit dem X. Hirnnerv.
- XII. Hirnnerv (Nervus hypoglossus): Ist wie der XI. Hirnnerv ein rein motorischer Nerv.
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