Fast jeder Mensch erlebt im Laufe seines Lebens gelegentlich Wadenkrämpfe. Mit zunehmendem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit, dass diese auftreten. In den meisten Fällen sind Wadenkrämpfe harmlos. Doch wann sollte man sie ernst nehmen und welcher Arzt ist der richtige Ansprechpartner? Dieser Artikel gibt Ihnen einen umfassenden Überblick über Ursachen, Symptome, Diagnose und Behandlung von Wadenkrämpfen.
Einführung in Wadenkrämpfe
Wadenkrämpfe sind plötzliche, schmerzhafte Kontraktionen der Wadenmuskulatur. Sie entstehen durch eine unwillkürliche Anspannung einzelner Muskeln oder ganzer Muskelgruppen, die sich anschließend nicht wieder entspannen. Die Muskulatur fühlt sich dadurch verhärtet an. Ein Wadenkrampf kann beim Sport oder im Schlaf auftreten und dauert in der Regel nur wenige Minuten.
Ursachen von Wadenkrämpfen
Wadenkrämpfe haben keine einheitliche Ursache. Man unterscheidet drei Kategorien:
- Paraphysiologische Krämpfe: Hier liegt meist ein Ungleichgewicht der Elektrolyte (Magnesium, Kalzium, Natrium) vor. Diese Krämpfe treten gelegentlich während der Schwangerschaft oder nach sportlicher Betätigung auf.
- Idiopathische Krämpfe: Die Ursache ist unklar. Betroffene können erblich dazu veranlagt sein oder es besteht eine noch nicht diagnostizierte Erkrankung wie Diabetes mellitus.
- Symptomatische Krämpfe: Unterschiedliche Erkrankungen von Nervensystem, Herz, Muskeln oder Stoffwechsel können als Begleitsymptom symptomatische Krämpfe auslösen. Ebenso können Vergiftungen oder Nebenwirkungen von Medikamenten die Ursache sein.
Elektrolyt- und Wasserhaushalt
Ein Ungleichgewicht im Elektrolythaushalt ist eine häufige Ursache für Wadenkrämpfe. Ein Mangel an Salzen wie Magnesium oder Natrium führt zu einer gestörten Erregbarkeit der Muskelfasern und damit zu unkontrollierbaren Verkrampfungen. Dies kann durch folgende Faktoren verursacht werden:
- Magnesiummangel (Hypomagnesiämie): Entsteht durch falsche Ernährung, Diabetes mellitus, Darm- und Nierenerkrankungen, Alkoholmissbrauch oder in der Schwangerschaft.
- Dehydrierung: Kann durch Durchfall, Erbrechen, Diabetes insipidus, entzündliche Darmerkrankungen, starkes Schwitzen oder entwässernde Medikamente (Diuretika) entstehen.
- Andere Störungen des Elektrolythaushaltes: Ungleichgewichte der Kalzium-, Kalium- oder Natriumkonzentration können ebenfalls Wadenkrämpfe verursachen.
Hormonhaushalt und Stoffwechsel
Hormonelle und Stoffwechselveränderungen können ebenfalls Wadenkrämpfe auslösen. Beispiele hierfür sind:
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- Diabetes mellitus: Zu Beginn der Erkrankung können Wadenkrämpfe ein Zeichen für einen gestörten Flüssigkeits- und Mineralstoff-Haushalt sein. Später können Nervenschäden (Polyneuropathie) die Ursache sein.
- Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose): Eine Unterfunktion der Schilddrüse kann zu Muskelkrämpfen führen, die vor allem nachts auftreten.
- Nebenschilddrüsenunterfunktion (Hypoparathyreoidismus): Da die Nebenschilddrüsen stark am Kalziumhaushalt beteiligt sind, kann deren Erkrankung zu übererregbaren Muskeln führen.
- Erkrankungen der Nebennierenrinde: Störungen der Hormonproduktion in den Nebennieren können den Wasser- und Mineralstoffhaushalt beeinträchtigen und Muskelkrämpfe verursachen.
- Nierenerkrankungen: Eine Nierenschwäche oder ein Nierenversagen kann zu Krämpfen führen, da die Nieren für die Regulation des Flüssigkeitshaushaltes wichtig sind.
Muskelerkrankungen (Myopathien)
Eine Muskelerkrankung kann zu einer Schwächung der Muskeln und krampfartigen Muskelschmerzen führen. Beispiele hierfür sind:
- Faszikulations-Crampus-Syndrom: Symptome sind starke Krämpfe, Kribbeln und Taubheitsgefühle, vor allem in den Beinen.
- Brody-Syndrom: Nach körperlicher Anstrengung treten starke Muskelkrämpfe auf und die Muskeln versteifen sich.
- Myotonia Congenita Thomsen: Es zeigen sich starke Muskel- und Wadenkrämpfe.
- Metabolische Myopathien: Eine Gruppe von stoffwechselbedingten Muskelerkrankungen, bei denen Wadenkrämpfe möglich sind.
- Ischämische Muskelschmerzen: Sie entstehen infolge einer verminderten Durchblutung, etwa in den Beinen.
Erkrankungen des Nervensystems
Eine gestörte Übertragung von Nervenimpulsen auf die Muskeln kann ebenfalls Wadenkrämpfe verursachen. Beispiele hierfür sind:
- Amyotrophe Lateralsklerose (ALS): Die unheilbare Krankheit wird von schmerzhaften Muskelkrämpfen begleitet.
- Crampus-Faszikulations-Syndrom: Das Syndrom kommt selten vor und bezeichnet unwillkürliche Muskelzuckungen. Muskelkrämpfe treten ebenfalls auf, zum Beispiel in den Waden.
- Dystonien: Störungen der normalen Bewegungsabläufe und Muskelspannung führen häufig zu Muskelkrämpfen an unterschiedlichen Skelettmuskeln.
- Multiple Sklerose: Ruckartige, unkontrollierbare Bewegungen sind typisch. Ebenso Fehlstellungen und Muskelkrämpfe, auch in der Wadenmuskulatur.
- Neuromyotonie (Isaacs-Syndrom): Kennzeichnend sind Muskelkrämpfe, Muskelsteifigkeit und -schwäche sowie Muskelzuckungen.
- Parkinson-Krankheit: Nervenzellen im Gehirn werden geschädigt, was die Bewegungen einschränkt und zu Muskelsteifigkeit (Rigor) führt.
- Polyneuropathien: Schädigungen der peripheren Nerven können unwillkürliche Muskelkrämpfe auslösen.
- Radikulopathien: Schädigung oder Reizung einer Nervenwurzel kann neben Taubheitsgefühlen und Lähmungen in den Beinen auch Wadenkrämpfe verursachen.
- Stiff-Person-Syndrom: Charakteristisch ist eine allmählich steigende Anspannung der Muskulatur, insbesondere in Rücken und Beinen. Dies führt zu Krämpfen und einer fortschreitenden Versteifung der Muskeln.
- Tetanus: Die Infektionskrankheit führt zu schweren Muskelkrämpfen.
Medikamente und Gifte
Einige Medikamente können Wadenkrämpfe hervorrufen. Auch Vergiftungserscheinungen äußern sich oft durch einen Krampf in den Muskeln. Auslöser können folgende Arzneien beziehungsweise Gifte sein:
- Cholesterinsenker mit dem Wirkstoff Fenofibrat
- Arzneimittel gegen Bluthochdruck wie Beta-Blocker, ACE-Hemmer, Diuretika oder Kalziumkanalblocker
- Hormonelle Verhütungsmittel wie die Pille oder die Spirale
- Sprays gegen Asthma, die Salbutamol enthalten
- Wirkstoffe wie Insulin
- Chemotherapeutika
- Gifte wie Pestizide, Strychnin oder das Gift der Tetanusbazillen
Symptome von Wadenkrämpfen
Ein Wadenkrampf äußert sich durch folgende Symptome:
- Plötzlicher, intensiver Schmerz: Der Schmerz tritt sehr plötzlich auf und ist oft stechend oder brennend.
- Verhärteter Muskel: Der betroffene Muskel zieht sich schlagartig zusammen, was zu einer extremen Muskelverhärtung führt.
- Bewegungseinschränkung: Während des Krampfes ist die Beweglichkeit des betroffenen Beins stark eingeschränkt.
- Abklingen des Krampfes: Sobald der Krampf nachlässt, verschwindet der Schmerz allmählich, aber der Muskel kann sich noch eine Weile steif oder empfindlich anfühlen.
- Nachfolgende Muskelschmerzen: Nach einem Wadenkrampf kann es zu Muskelschmerzen kommen, die sich wie Muskelkater anfühlen.
- Erhöhte Empfindlichkeit: Der betroffene Muskel bleibt nach dem Krampf häufig druckempfindlich.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
In den allermeisten Fällen sind Muskelkrämpfe harmlos und bedürfen keiner weiteren Diagnostik. Eine Untersuchung der Leber- und Nierenwerte, der Elektrolyte sowie der Schilddrüsenwerte kann durch Ihren Hausarzt erfolgen, um evtl. internistische Ursachen aufzudecken.
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Zum Arzt sollte man gehen, wenn:
- Die schmerzhaften Krämpfe sehr häufig auftreten.
- Die Krämpfe nachts den Schlaf rauben oder sich tagsüber bemerkbar machen.
- Die Wadenkrämpfe sich trotz Dehnen oder sanfter Massagen nicht auflösen.
- Weitere Symptome wie Taubheitsgefühle, Kribbeln oder Bewegungseinschränkungen hinzukommen.
- Es zu einer deutlichen Zunahme der Häufigkeit von Muskelkrämpfen kommt.
- Muskelkrämpfe in ungewöhnlichen Körperregionen außerhalb der Waden und Füße auftreten.
- Muskelkrämpfe durch körperliche Aktion selbst ausgelöst werden und nicht nur in Ruhe auftreten.
- Muskelkrämpfe zusammen mit Faszikulationen oder Muskelschwäche auftreten.
- Die Wadenkrämpfe die sportliche Leistungsfähigkeit einschränken.
Welcher Arzt ist zuständig?
Erster Ansprechpartner bei schmerzhaften Wadenkrämpfen ist in der Regel der Hausarzt. Dieser ist mit Ihrer Krankengeschichte, eventuell vorliegenden Grunderkrankungen und den Medikamenten, die Sie einnehmen, vertraut.
Möglicherweise wird er Sie an einen Facharzt überweisen, wenn eine weiterführende Diagnostik, also zusätzliche Untersuchungen notwendig sind. Dabei kann es sich um:
- Einen Facharzt für Neurologie handeln, wenn er eine Nervenstörung vermutet.
- Einen Orthopäden, bei Muskelerkrankungen oder Sportverletzungen.
- Einen Internisten, zur Abklärung von Stoffwechselerkrankungen oder Durchblutungsstörungen.
- Einen Phlebologen, bei Verdacht auf eine Thrombose oder Venenleiden.
Diagnose von Wadenkrämpfen
Um die Ursache von Wadenkrämpfen zu ermitteln, wird der Arzt verschiedene Untersuchungen durchführen:
- Anamnese: Der Arzt wird Sie ausführlich nach Ihren Beschwerden, Begleitsymptomen, Vorerkrankungen, Medikamenteneinnahme und Lebensgewohnheiten fragen.
- Körperliche Untersuchung: Der Arzt wird Ihre Beine und Füße genau ansehen, abtasten und Ihre Reflexe prüfen.
- Neurologische Untersuchung: Hierbei werden die Funktion Ihrer Nerven und Muskeln überprüft.
- Laboruntersuchungen: Eine Blutuntersuchung kann Aufschluss über Ihren Elektrolythaushalt, Blutzucker, Nieren- und Leberwerte sowie Schilddrüsenhormone geben.
- Bildgebende Verfahren: Je nach Verdacht kann der Arzt Ultraschalluntersuchungen, Röntgenaufnahmen, Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) veranlassen.
- Elektrophysiologische Untersuchungen: Elektromyografie (EMG) und Elektroneurografie (ENG) können helfen, Muskel- und Nervenerkrankungen zu diagnostizieren.
- Dopplersonografie: Um beispielsweise Thrombosen nachzuweisen, kann eine Dopplersonografie sinnvoll sein.
Behandlung von Wadenkrämpfen
Die Behandlung von Wadenkrämpfen richtet sich nach der Ursache.
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Akute Behandlung
Beim akuten schmerzhaften Muskelkrampf hilft sofortige Dehnung. Dazu zieht man die Zehen nach oben und drückt währenddessen die Ferse fest in den Boden. Auch eine Massage des verkrampften Muskels kann Linderung bringen.
Vorbeugende Maßnahmen
- Regelmäßiges Dehnen: Regelmäßiges Dehnen der betroffenen Muskeln, z.B. abends vor dem Zubettgehen, kann die Neigung zu Muskelkrämpfen reduzieren.
- Ausreichend trinken: Trinken Sie ausreichend, mindestens anderthalb bis zwei Liter pro Tag, insbesondere nach dem Sport, nach körperlicher Arbeit und an warmen Tagen.
- Ausgewogene Ernährung: Achten Sie auf eine ausgewogene Ernährung mit ausreichend Magnesium, Kalzium, Kalium und Natrium.
- Magnesium: Die Einnahme von Magnesium kann hilfreich sein, häufig sind allerdings höhere Dosen erforderlich.
- Alkohol und Koffein meiden: Reduzieren Sie Ihren Alkohol- und Koffeinkonsum.
- Medikamente überprüfen: Falls Sie regelmäßig Medikamente einnehmen, überprüfen Sie diese auf Muskelkrämpfe als mögliche Nebenwirkung und besprechen Sie mit Ihrem Arzt, ob diese pausiert werden können.
- Wärme: Gegen nächtliche Wadenkrämpfe am besten eine kurze Fuß- oder Wadendusche nehmen.
- Kälte: Bei einigen Menschen kann Kälte die Krämpfe lösen. Dann hilft es, kalte Auflagen auf die harte Muskulatur zu bringen.
- Repetitive Elektrostimulation: Neuere Untersuchungen konnten zeigen, dass eine spezielle repetitive Elektrostimulation der zu Muskelkrämpfen neigenden Muskeln zu einer Verminderung von Muskelkrämpfen führen kann.
Medikamentöse Therapie
- Chininsulfat: Bei therapieresistenten Muskelkrämpfen kann Chininsulfat wirksam sein. Es ist jedoch rezeptpflichtig und birgt Sicherheitsbedenken, insbesondere bei Patienten mit Herzrhythmusstörungen.
- Andere Medikamente: Natrium- und Kalziumkanal blockierende Substanzen (Antiepileptika, Medikamente zur Behandlung neuropathischer Schmerzen) können hilfreich sein, bedürfen aber der regelmäßigen Einnahme und Begleitung durch einen Arzt.
- Vitamin D oder Kalzium: Wurde durch den Arzt eine Unterfunktion der Nebenschilddrüse diagnostiziert, können Vitamin D oder Kalzium verschrieben werden.
- Botulinum-Toxin oder Benzodiazepine: Ist eine Dystonie für die Krämpfe verantwortlich, können Medikamente wie Botulinum-Toxin oder Benzodiazepine (beruhigend und angstlösend) verordnet werden.
- Durchblutungsfördernde Arzneien: Liegt eine Erkrankung des Nervensystems vor, sorgen durchblutungsfördernde Arzneien häufig für eine Besserung.
Alternative Behandlungsmethoden
- Homöopathie: In der Homöopathie kennt man verschiedene Mittel, die bei Muskelkrämpfen entspannend und auch schmerzlindern wirken. Gegen Wadenkrämpfe werden bevorzugt folgende homöopathische Mittel empfohlen: Cuprum metallicum, Magnesium phosphoricum, Valeriana officinalis, Thuja.
- Akupunktur: Nach der Vorstellung der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) sind für eine ausgewogene Muskelfunktion vor allem die beiden Organe Leber und Milz zuständig. Können ernste Erkrankungen als Ursache der Wadenkrämpfe ausgeschlossen werden, kann ein Akupunkteur die Krämpfe meist innerhalb weniger Sitzungen behandeln.
Erste-Hilfe-Tipps bei Wadenkrampf
- Dehnen: Sofortiges Dehnen der Unterschenkelmuskulatur kann den Krampf beenden. Dazu zieht man die Zehen nach oben und drückt währenddessen die Ferse fest in den Boden.
- Massage: Ein leichtes Massieren des verkrampften Muskels bringt Linderung.
- Bewegung: Aufstehen und vorsichtig herumlaufen kann krampflösend wirken.
- Wärme: Eine warme Dusche oder eine Wärmflasche auf die betroffene Stelle legen.
- Kälte: Kalte Auflagen auf die harte Muskulatur bringen.
- Ausreichend trinken: Der Elektrolythaushalt muss gegebenenfalls ausgeglichen werden. Wichtig sind dabei unter anderem Magnesium, Kalium und Natrium
- Gewürzgurkenwasser: Laut einer Studie verkürzte die essighaltige Flüssigkeit die Krampfdauer.
Wadenkrämpfe in der Schwangerschaft
In der Schwangerschaft treten Muskelkrämpfe häufiger auf. Dies liegt an Veränderungen im Flüssigkeits- und Mineralstoffhaushalt sowie einem erhöhten Bedarf an Magnesium. Magnesiumpräparate haben sich bei Muskelkrämpfen in der Schwangerschaft vielfach bewährt.
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