Tiefe Hirnstimulation bei Parkinson: Kostenübernahme, Verfahren und Perspektiven

Die Tiefe Hirnstimulation (THS) ist eine etablierte Behandlungsmethode für neurologische Bewegungsstörungen wie Morbus Parkinson, essentieller Tremor und Dystonie. Sie kommt zum Einsatz, wenn die medikamentöse Therapie nicht mehr ausreichend wirkt oder mit starken Nebenwirkungen verbunden ist. Dieser Artikel beleuchtet die Kostenübernahme, das Verfahren selbst, die Anwendungsbereiche und die neuesten Entwicklungen in der THS.

Was ist Tiefe Hirnstimulation?

Die Tiefe Hirnstimulation (THS) ist eine operative Therapiemethode, bei der Elektroden in spezifische Hirnareale implantiert werden, um elektrische Impulse abzugeben. Diese Impulse können die Aktivität der Nervenzellen in diesen Arealen beeinflussen und somit die Symptome verschiedener neurologischer Erkrankungen lindern. Die THS ist keine Heilung, sondern eine symptomatische Behandlung, die darauf abzielt, die Lebensqualität der Patienten zu verbessern.

Anwendungsbereiche der Tiefen Hirnstimulation

Die THS findet vor allem Anwendung bei:

  • Morbus Parkinson: Hier zielt die Stimulation auf den Nucleus subthalamicus (STN) oder den Globus pallidus internus (GPi) ab, um motorische Symptome wie Tremor, Rigor (Muskelsteifigkeit) und Bradykinese (Verlangsamung der Bewegungen) zu reduzieren.
  • Essentieller Tremor: Die Stimulation des Nucleus ventralis intermedius (VIM) im Thalamus kann das Zittern deutlich verringern.
  • Dystonie: Die THS im Globus pallidus internus (GPi) kann unwillkürliche Muskelkontraktionen und abnormale Haltungen reduzieren.
  • Zwangserkrankungen und Tourette-Syndrom: In ausgewählten Fällen kann die THS auch bei psychiatrischen Erkrankungen wie Zwangsstörungen oder dem Tourette-Syndrom eingesetzt werden.
  • Austherapierte Depression: Auch bei therapieresistenten Depressionen wird die THS in Erwägung gezogen.
  • Alzheimer-Demenz: Die Forschung untersucht die Möglichkeiten der THS zur Behandlung der Alzheimer-Demenz.
  • Fokale Epilepsie: Hierbei wird im anterioren Thalamus stimuliert, um die Anfallshäufigkeit zu reduzieren.

Wann kommt eine Tiefe Hirnstimulation in Frage?

Die THS ist in der Regel die Therapie der letzten Wahl, wenn konservative Behandlungen wie Medikamente und Psychotherapie nicht mehr ausreichend wirksam sind oder zu unerträglichen Nebenwirkungen führen. Bei Bewegungsstörungen bedeutet dies, dass Patienten nicht mehr auf Medikamente reagieren, die Medikamentenwirkung unvorhersehbar geworden ist oder die Patienten zu sehr unter den Nebenwirkungen der Medikamente leiden.

Ablauf der Tiefen Hirnstimulation

Der Eingriff zur THS besteht aus zwei Phasen:

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  1. Implantation der Elektroden: Zunächst wird ein stereotaktischer Rahmen am Kopf des Patienten fixiert, um die exakte Position der Elektroden im Gehirn zu bestimmen. Durch ein kleines Bohrloch werden dann die Elektroden millimetergenau in das Zielgebiet implantiert. Während des Eingriffs erfolgt eine Teststimulation, um die optimale Position der Elektroden zu finden und mögliche Nebenwirkungen zu vermeiden.
  2. Implantation des Impulsgenerators (Hirnschrittmachers): In einem zweiten Eingriff, der meist unter Vollnarkose stattfindet, wird der Impulsgenerator unterhalb des Schlüsselbeins oder in der Bauchdecke implantiert. Dieser Generator ist über ein Kabel mit den Elektroden im Gehirn verbunden und sendet elektrische Impulse an die Zielgebiete.

Die Rolle der Telemedizin in der Nachsorge

Die telemedizinische Versorgung gewinnt zunehmend an Bedeutung, insbesondere bei der Nachsorge von THS-Patienten. Durch Fernanpassung der Stimulationseinstellungen können Patienten lange Anfahrtswege zu Spezialambulanzen sparen und eine flexiblere und komfortablere Behandlung erhalten. Die Universitätsklinik Tübingen hat hier Pionierarbeit geleistet und die erste europaweite Feinanpassung der Tiefen Hirnstimulation bei einer Parkinsonpatientin über eine räumliche Distanz hinweg durchgeführt.

Vorteile der Telemedizin

  • Erhöhte Effektivität und Komfort: Telemedizinische Konzepte ermöglichen eine zeitsparende und ortsunabhängige Anpassung der Stimulationseinstellungen.
  • Verbesserte Lebensqualität: Patienten mit Bewegungsstörungen, fortgeschrittenem Krankheitsstadium oder ältere Betroffene profitieren von der Reduzierung von Reise- und Wartezeiten.
  • Kurzfristige Kontrollen: Telemedizin ermöglicht kurzfristige Kontrollen außerhalb des stationären Rahmens.
  • Sicherheit: Moderne Softwarelösungen gewährleisten die Einhaltung aller Maßgaben zu IT-Sicherheit, Datenschutz und Einwilligungsmodalitäten.

Risiken und Nebenwirkungen der Tiefen Hirnstimulation

Wie bei jedem operativen Eingriff birgt auch die THS Risiken. Zu den möglichen Komplikationen gehören:

  • Hirnblutungen: Durch die Verletzung eines Gefäßes kann es zu einer Blutung im Gehirn kommen.
  • Infektionen: Es besteht ein Risiko für Infektionen im Bereich der Elektroden oder des Impulsgenerators.
  • Fehlplatzierung der Elektrode: In seltenen Fällen kann es zu einer Dislokation der Elektrode kommen, was zu Wirkverlust oder Nebenwirkungen führen kann.
  • Nebenwirkungen durch die Stimulation: Je nach stimuliertem Hirnareal können verschiedene Nebenwirkungen auftreten, wie z.B. Sprachstörungen, Gefühlsstörungen, Persönlichkeitsveränderungen oder Gangunsicherheit.

Kostenübernahme durch die Krankenkassen

Die Tiefe Hirnstimulation gehört in Deutschland zum Leistungskatalog der gesetzlichen und privaten Krankenkassen und wird bei der Behandlung von Bewegungsstörungen übernommen, sofern die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind. Dies umfasst die Kosten für die Operation, die Elektroden, den Impulsgenerator und die Nachsorge.

Wirtschaftlichkeitsbewertung der Tiefen Hirnstimulation

Eine Studie untersuchte die Kosteneffektivität der THS im Vergleich zu anderen Behandlungsverfahren für Morbus Parkinson. Die Ergebnisse zeigten, dass die THS als kosteneffektiv angesehen werden kann. Das inkrementelle Kosten-Effektivitäts-Verhältnis (IKEV) für Patienten mit später THS lag bei 14.300 EUR/QALY (Qualitätskorrigiertes Lebensjahr). Motorische Komplikationen und Medikamentenkosten hatten den stärksten Einfluss auf das IKEV.

Technische Neuerungen und Innovationen

In den letzten Jahren gab es bedeutende technische Fortschritte im Bereich der THS:

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  • Direktionale Elektroden: Diese ermöglichen eine gezieltere Stimulation in bestimmte Richtungen, wodurch Nebenwirkungen reduziert werden können.
  • MRT-Tauglichkeit: Fortschritte in der Materialentwicklung haben zu MRT-tauglichen Systemen geführt, die eine bessere Bildgebung des Gehirns ermöglichen.
  • Brain-Sensing-Technologie: Neueste Implantate können nicht nur Strom abgeben, sondern auch die elektrische Aktivität im Gehirn ableiten. Dies ermöglicht eine bedarfsgerechte Stimulation, die sich automatisch an die Symptome des Patienten anpasst (adaptive oder Closed-Loop-Stimulation).
  • Wiederaufladbare Impulsgeneratoren: Diese haben eine längere Lebensdauer als nicht wiederaufladbare Geräte und müssen seltener ausgetauscht werden.

Langzeitwirkung und Studienergebnisse

Eine aktuelle Studie belegt, dass die positiven Effekte der THS auch langfristig anhalten. Selbst drei Jahre nach dem Eingriff war das Zittern bei einem Großteil der Studienteilnehmer noch deutlich verbessert. Auch Behinderungen und die Lebensqualität, die durch die chronische Bewegungsstörung vor dem Eingriff stark eingeschränkt war, hatten sich bei vielen Patienten noch gebessert.

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