Der begegnungsorientierte Ansatz in der Demenzpflege nach Sebastian Kraus

Einführung

Der Umgang mit Menschen mit Demenz stellt eine besondere Herausforderung dar. Sebastian Kraus hat mit seinem begegnungsorientierten Ansatz einen wichtigen Beitrag zur Diskussion um die Versorgung pflegebedürftiger Menschen geleistet. Dieser Ansatz betont die Bedeutung der zwischenmenschlichen Interaktion und versucht, neue Wege im Umgang mit situativen Verkennungen und sogenannten "herausfordernden" Verhaltensweisen zu finden.

Situative Verkennungen und herausforderndes Verhalten

Situative Verkennungen von Menschen mit Demenz, die oft zu "herausfordernden Verhaltensweisen" führen, ereignen sich oft in Pflegesituationen, in denen die Bedürfnisse und Begegnungsangebote von Menschen mit Demenz nicht erkannt, fehlgedeutet oder übergangen werden. Der begegnungsorientierte Ansatz geht davon aus, dass Verhaltensäußerungen von Menschen mit Demenz immer einen Sinn haben, auch wenn dieser sich nicht immer sogleich situativ erschließt.

Kraus betont, dass eine an den individuellen Handlungs- und Mitteilungsmöglichkeiten von Menschen mit Demenz orientierte Perspektive zu einer anderen Interpretation und Bewertung von bestimmten Verhaltensäußerungen führt.

Grundlagen des begegnungsorientierten Ansatzes

Verhalten hat immer einen Sinn

Ein zentraler Aspekt von Kraus' Ansatz ist die Annahme, dass jedes Verhalten von Menschen mit Demenz einen Sinn hat. Auch wenn dieser Sinn nicht immer sofort erkennbar ist, gilt es, ihn zu suchen und zu verstehen.

Verhalten ist Ausdruck von Bedürfnissen

Verhalten wird als Ausdruck von Bedürfnissen verstanden. Es gilt, die Bedürfnisse hinter dem Verhalten zu erkennen und darauf einzugehen.

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Verhalten ist Kommunikation

Verhalten ist Kommunikation, auch wenn keine sprachliche Verständigung mehr möglich ist. Es gilt, die nonverbalen Signale zu deuten und zu verstehen.

Die drei grundlegenden psychischen Basisbedürfnisse

Kraus geht von drei grundlegenden psychischen Basisbedürfnissen bei Menschen mit Demenz aus:

  • Emotionale Zuwendung: Liebe, Trost und Verbundenheit sind essenziell für das Wohlbefinden.
  • Alltagsnormalität: Selbstständigkeit, Sicherheit und Akzeptanz im Alltag sind wichtig, um ein Gefühl von Normalität zu bewahren.
  • Bedürfnis nach Identität: Selbstbewusstsein, "Personsein" und Selbstbestätigung tragen zur Stärkung der Identität bei.

Kritik am Ansatz

Trotz seiner positiven Aspekte gibt es auch Kritik am begegnungsorientierten Ansatz. Ein Kritikpunkt ist, dass die entwickelten Kategorien (Zuwendung, Alltagsnormalität und Identität) keinen Bezug zu den Symptomen und dem Verlauf der Demenz im Sinne einer Demenzspezifität haben. Es wird bemängelt, dass der Ansatz die Notwendigkeit eines empirischen Nachweises für das Nebeneinander von Erkrankung und "Lebensweise" vermissen lässt.

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass sich der Autor nicht den erforderlichen fachlichen und wissenschaftlichen Wissensstand über das komplexe Themenfeld Demenz und Demenzpflege angeeignet habe. Der Anspruch, eine innovative Konzeption im Bereich des Umganges mit Demenzkranken im fortgeschrittenen Stadium entwickelt zu haben, konnte aufgrund der angeführten Unzulänglichkeiten nicht eingelöst werden.

Begegnungsorientiertes Arbeiten in der Praxis

Wahrnehmung und Wirklichkeitskonzeption

Kraus betont, dass die Art und Weise, wie wir Realität wahrnehmen und interpretieren, von unseren eigenen Ansichten und Überzeugungen abhängt. Menschen mit Demenz orientieren sich möglicherweise an anderen Kriterien, z.B. an der Übereinstimmung zwischen Mimik und Gestik und der Art und Weise, wie wir sprechen. Glaubwürdigkeit und Echtheit sind daher wesentliche Faktoren in der Interaktion.

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Nähe und Distanz

Der bewusste Umgang mit Nähe und Distanz ist ein wichtiger Aspekt des begegnungsorientierten Ansatzes. Das Gebrauchen des Pronomens "Du" im situativen Kontext kann den Mitmenschen stärken.

Biografiearbeit

Biografiearbeit bedeutet, Alltagsnormalität, Identität und Person-Sein in der Alltagsbegleitung von Menschen mit Demenz erfahrbar zu machen. Dies kann auch die Arbeit mit der körperlichen Biografie bedeuten, die Erinnerung an den eigenen Körper durch Berührung oder den Umgang mit bestimmten Materialien.

Pflegekultur

Kraus definiert Pflegekultur als den Bereich, in dem eine bestimmte Kultur und Gesellschaft darüber übereinkommt, welchen Umgang mit pflegebedürftigen Menschen sie für angemessen hält. Eine Pflegekultur definiert, welche pflegerischen Handlungs- und Umgangsweisen als notwendig und richtig gelten und weist Pflegebedürftigen und Pflegenden in der Interaktion bestimmte Rollen und Handlungsräume zu.

Der Prozess des begegnungsorientierten Ansatzes

Kraus schlägt einen Regelkreis bzw. ein Prozessmodell vor, das aus den Elementen "Handlungsbasis entwickeln", "Wahrnehmen und Erproben" und "Erfahrenes Reflektieren" besteht.

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