Narben im Gehirn: Ursachen, Mechanismen und Folgen

Narben im Gehirn, auch bekannt als Gliosen, sind ein faszinierendes und komplexes Thema mit weitreichenden Auswirkungen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden. Sie entstehen als Reaktion auf verschiedene Schädigungen des Hirngewebes und können sowohl harmlose Begleiterscheinungen als auch Ursachen für neurologische Störungen sein. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Mechanismen und Folgen von Narben im Gehirn und gibt einen Einblick in aktuelle Forschungsansätze.

Was sind Narben im Gehirn?

Im Gegensatz zu Hautnarben, die durch Fibroblasten gebildet werden, bestehen Narben im Gehirn, sogenannte Gliosen, aus Gliazellen. Gliazellen sind das Stützgewebe des Gehirns, das die Nervenzellen einbettet und bei der Reizweiterleitung unterstützt. Sie "füllen" die entstandenen Lücken auf, um die Stabilität des Hirngewebes zu erhalten. Sie sind von der Konsistenz her derber als normales Hirngewebe und lassen sich in der Magnetresonanztomografie in der Regel gut abgrenzen. Neurone, die eigentlichen impulsgebenden Zellen, vermehren sich dagegen nicht und entstehen nicht neu.

Ursachen von Narben im Gehirn

Narben im Gehirn entstehen als Folge von Schädigungen des Hirngewebes. Zu den häufigsten Ursachen gehören:

  • Schlaganfall: Durchblutungsstörungen im Gehirn führen zum Absterben von Nervenzellen und zur Bildung von Narbengewebe.
  • Schädel-Hirn-Trauma: Verletzungen des Kopfes, beispielsweise durch Unfälle oder Stürze, können zu Hirnschäden und Narbenbildung führen.
  • Entzündungen: Entzündliche Prozesse im Gehirn, wie beispielsweise bei Multipler Sklerose oder Enzephalitis, können ebenfalls Narben verursachen.
  • Erkrankungen: Neurodegenerative Erkrankungen wie Morbus Alzheimer können ebenfalls zur Bildung von Narben im Gehirn führen.
  • COVID-19: Studien haben gezeigt, dass eine SARS-CoV-2-Infektion zu langfristigen immunologischen Veränderungen im Gehirn führen kann, die sich in Form von Mikrogliaknötchen äußern. Diese Ansammlungen von Immunzellen weisen auf eine chronische Immunaktivierung hin, ähnlich einer Narbe, die nicht vollständig ausheilt.
  • Explosionstraumata: Soldaten, die im Krieg Opfer eines Explosionstraumas werden, können später Glianarben im Hirngewebe entwickeln.

Mechanismen der Narbenbildung im Gehirn

Die Narbenbildung im Gehirn ist ein komplexer Prozess, an dem verschiedene Zelltypen und Signalwege beteiligt sind. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Gliazellen, insbesondere die Astrozyten und Mikroglia.

  • Astrozyten: Diese Zellen nehmen eine zentrale Rolle beim Schutz des umliegenden Gewebes ein. Ihr Schutzprogramm - die sogenannte reaktive Astrogliose - unterstützt die Narbenbildung und hilft so, die Verbreitung von Entzündungen zu verhindern und Gewebeschäden einzudämmen. Gleichzeitig können Astrozyten das Überleben von Nervenzellen in unmittelbarer Nähe zu Gewebsverletzungen sichern und die Neuausrichtung neuronaler Netzwerke unterstützen. Das Protein Drebrin spielt eine wichtige Rolle bei der Steuerung der Astrogliose. Es kontrolliert die Umorganisation des Aktin-Zellskeletts und beeinflusst die Entstehung langer Membranröhren, die für die schützenden Gegenmaßnahmen der Astrozyten notwendig sind.
  • Mikroglia: Diese Zellen sind die Immunzellen des Gehirns. Sie werden bei Schädigungen des Hirngewebes aktiviert und lösen Entzündungen aus, um die beschädigten Zellen zu beseitigen und die Heilung einzuleiten. Allerdings kann eine übermäßige oder anhaltende Aktivierung der Mikroglia auch zu chronischen Entzündungen und zur Bildung von Narbengewebe führen. Im Zebrafisch-Modell spielt Granulin eine wichtige Rolle. Dieses Protein trug dazu bei, die Lipidtröpfchen und TDP-43-haltigen Strukturen zu beseitigen, worauf die Mikroglia von der aktivierten Form in die Ruheform übergingen. Es kam zur narbenlosen Regeneration der Verletzung.

Folgen von Narben im Gehirn

Die Folgen von Narben im Gehirn hängen von verschiedenen Faktoren ab, wie beispielsweise der Größe, der Lokalisation und der Ursache der Narbe. In vielen Fällen verursachen Narben keine oder nur geringe Beschwerden. In anderen Fällen können sie jedoch zu erheblichen neurologischen Störungen führen.

Lesen Sie auch: Die Kraft der Walnüsse

Mögliche Folgen von Narben im Gehirn sind:

  • Funktionsbeeinträchtigungen: Abhängig vom Ort des geschädigten Hirngewebes kann es durch den Verlust von Nervenzellen zu Beeinträchtigungen der Funktionalität der betroffenen Hirnregion kommen. So kann es zum Beispiel bei Schädigung des linken Schläfenlappens zu Sprachstörungen kommen. Oder die Verletzung des rechten Scheitellappens kann zu einer Halbseitenlähmung der linken Körperhälfte führen.
  • Epilepsie: Narben im Gehirn können zu einer Störung des elektrischen Gleichgewichts des Hirns führen, was ein Epilepsieleiden zur Folge haben kann.
  • Kognitive Beeinträchtigungen: Narben in bestimmten Hirnregionen, wie beispielsweise dem Hippocampus oder dem Stirnlappen, können zu Gedächtnisproblemen, Aufmerksamkeitsstörungen oder Schwierigkeiten bei der Emotionsregulation führen. Studien haben gezeigt, dass Erwachsene, die als Kind Gewalt, Missbrauch oder Vernachlässigung ausgesetzt waren, ein erheblich höheres Risiko haben, an psychischen Erkrankungen wie Depression oder Angststörungen zu erkranken. Mittels MRT vermaßen sie zum einen Gehirnstrukturen der Probanden, also die Größe einzelner wichtiger Gehirnbereiche. Die Ergebnisse zeigten ein eindeutiges Bild: Über je mehr Gewalterfahrungen oder Vernachlässigung die Probanden berichteten, desto kleiner waren wichtige Gehirnstrukturen wie zum Beispiel der für Lernen- und Gedächtnis wichtige Hippocampus oder der für die Emotionsregulation zuständige Stirnlappen. Die Auffälligkeiten in den Gehirnen der als Kind misshandelten Probanden haben erhebliche Ähnlichkeiten mit jenen Veränderungen im Gehirn, die depressiv Erkrankte häufig aufweisen.
  • Neurologische Störungen nach COVID-19: Die anhaltende Aktivierung des angeborenen Immunsystems im Gehirn könnte zu den langfristigen neurologischen Beschwerden nach einer SARS-CoV-2-Infektion beitragen.

Diagnose von Narben im Gehirn

Narben im Gehirn lassen sich in der Regel gut mit bildgebenden Verfahren wie der Magnetresonanztomografie (MRT) darstellen. Die MRT kann die Lokalisation, Größe und Beschaffenheit der Narbe sichtbar machen.

Behandlung von Narben im Gehirn

Die Behandlung von Narben im Gehirn richtet sich nach der Ursache und den Folgen der Narbe. In vielen Fällen ist keine spezifische Behandlung erforderlich. Bei Epilepsie kann eine operative Entfernung des Narbengewebes in Betracht gezogen werden, um die Krampfanfälle zu reduzieren oder zu beseitigen. Bei Funktionsbeeinträchtigungen können Physiotherapie, Ergotherapie oder Logopädie helfen, die verloren gegangenen Fähigkeiten wiederzuerlangen.

Aktuelle Forschung

Die Forschung im Bereich der Narbenbildung im Gehirn ist sehr aktiv. Wissenschaftler arbeiten daran, die Mechanismen der Narbenbildung besser zu verstehen und neue Therapieansätze zu entwickeln. Ein vielversprechender Ansatz ist die Entwicklung von Medikamenten, die die Aktivierung der Mikroglia hemmen und die Regeneration des Hirngewebes fördern. Die Untersuchung verschiedener Zelltypen des angeborenen und erworbenen Immunsystems und das Zusammenspiel dieser Zellen stellt einen vielversprechenden Ansatz für künftige Forschungsprojekte dar, die über COVID-19 hinausgehen. Ein anderes Forschungsteam untersucht, ob sich bekannte niedermolekulare Verbindungen eignen, um Signalwege der Mikroglia-Aktivierung zu hemmen und damit die Heilung neuraler Läsionen zu fördern.

Narbenlose Regeneration beim Zebrafisch als Vorbild

Im Gegensatz zu Säugetieren ist das Zentralnervensystem (ZNS) von Zebrafischen außergewöhnlich regenerationsfähig. Bei Verletzungen entstehen unter anderem langlebige Neuronen aus neuralen Stammzellen. Darüber hinaus führen ZNS-Verletzungen bei Zebrafischen nur zu einer vorübergehenden Reaktivität von Gliazellen, was die Integration von Nervenzellen in verletzten Regionen des Gewebes erleichtert. Die Idee war, Unterschiede zwischen Zebrafischen und Säugetieren herauszuarbeiten, um zu verstehen, welche Signalwege im menschlichen Gehirn die Regeneration hemmen - und wie wir hier vielleicht eingreifen können.

Lesen Sie auch: Gehirnvitamine: Ein detaillierter Überblick

Lesen Sie auch: Walnüsse: Ein Superfood für Ihr Gehirn

tags: #narben #im #gehirn #ursachen #und #folgen