Der Rigor, auch Muskelsteifheit genannt, ist eines der Hauptsymptome der Parkinson-Krankheit und gehört zur sogenannten Parkinson-Trias (Akinese, Tremor, Rigor). Er beschreibt den Kontrollverlust über ganze Muskelgruppen und kann die Lebensqualität der Betroffenen erheblich einschränken.
Was ist Rigor?
Beim Rigor ist die Anspannung von Streck- und Beugemuskeln der Gliedmaßen dauerhaft erhöht. Da diese Gegenspieler gleichzeitig angespannt sind, wird die Ausführung von Bewegungen deutlich erschwert. Die Muskelsteifheit kann sich durch Missempfindungen und Schmerzen äußern, die durch eingeklemmte Nerven verursacht werden. Charakteristisch ist, dass die Symptome bei passiven Bewegungen zunehmen, also wenn ein Arzt oder eine andere Person den Arm oder das Bein des Betroffenen bewegt, ohne dass dieser selbst aktiv wird.
Ein wesentlicher Unterschied zur Spastik ist, dass beim Rigor der spürbare Widerstand durch die erhöhte Muskelanspannung unabhängig von der Geschwindigkeit der Bewegungsausführung besteht. Bei der Spastik nimmt die Muskelsteifheit erst mit der Geschwindigkeit einer Bewegung zu. Rigor tritt also sowohl bei langsamen als auch bei schnellen Bewegungen auf. Die englische Bezeichnung „lead-pipe rigidity“ (Bleirohrsteifheit) beschreibt die Steifheit wie das Biegen eines Bleirohrs.
Ursachen von Rigor
Morbus Parkinson ist eine Erkrankung des Gehirns, bei der es zu einem Mangel an Dopamin kommt. Dopamin ist ein wichtiger Botenstoff, der Informationen vom Gehirn zum zentralen Nervensystem überträgt. Wenn die Informationsübertragung gestört ist, erhalten die Muskeln keine oder falsche Signale, was auf Dauer zu einer Muskelsteifheit führen kann. Beim Rigor sind sowohl Beuge- als auch Streckmuskeln betroffen, was zu einer typischen gebeugten Haltung führen kann.
Die genaue Ursache des Rigors ist noch nicht vollständig verstanden. Möglicherweise liegt es daran, dass bestimmte Reflexe im Körper überaktiv sind, wenn sich ein Muskel schnell dehnt. Es wird vermutet, dass eine Überaktivität dieser langen Reflexbögen den Rigor verursacht.
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Diagnose von Rigor
Ein Rigor kann durch verschiedene Tests festgestellt werden. Beim Kopffalltest wird der Kopf des liegenden Patienten angehoben und anschließend losgelassen, um zu prüfen, ob er in das Kopfkissen fällt. Das Zahnradphänomen ist ein weiteres typisches Anzeichen für Parkinson im fortgeschrittenen Stadium. Hierbei versucht der Arzt, den Arm des Patienten zu bewegen. Durch den Rigor ist dies nur ruckartig und in kleinen Abständen möglich, als könnte die Bewegung jeweils nur bis zum Einrasten des Gelenks in der nächsten Kerbe eines imaginären Zahnrads ausgeführt werden.
Wenn man die Muskeln auf der gegenüberliegenden Seite jener Körperseite bewegt, auf welcher der Rigor bereits diagnostiziert oder zumindest vermutet wird, kann dies den Rigor verschlimmern oder überhaupt zeigen, dass er vorhanden ist (Froment-Manöver).
Behandlung von Rigor
Entscheidend für die Behandlung ist, dass die eigentliche Ursache identifiziert wird. Denn der Rigor kann auch bei anderen Erkrankungen als Morbus Parkinson auftreten. Zwar ist er nicht heilbar, jedoch kann eine zielgerichtete Behandlung der zugrundeliegenden Erkrankung die Symptome lindern.
Medikamentöse Therapie
Die medikamentöse Behandlung zielt darauf ab, den Dopaminmangel im Gehirn auszugleichen. Hierzu werden verschiedene Medikamente eingesetzt, wie z.B.:
- Levodopa (L-Dopa): Ersetzt den Botenstoff Dopamin. Es verbessert die typischen Parkinson-Symptome wie das Zittern, die verlangsamten Bewegungen und die Steifheit der Muskeln.
- Dopaminagonisten: Wirken wie Dopamin und können die Wirkung von Levodopa unterstützen. Vorteil ist, dass sie eher nicht zu anderen Bewegungsstörungen führen und auch die Wirkung länger anhält. Dennoch muss man sagen, dass diese Mittel insgesamt zu mehr Nebenwirkungen führen als das oben beschriebene Levodopa.
- COMT-Hemmer: Hemmen das Enzym Catechol-O-Methyl-Transferase und damit den Abbau von Dopamin.
- MAO-Hemmer: Hemmen das Enzym Monoamin-Oxidase und verlangsamen damit den Abbau von Dopamin. Sie helfen quasi, Dopamin zu recyclen, sodass der Körper es mehrfach verwenden kann
- NMDA-Antagonisten: Blockieren sogenannte NMDA-Rezeptoren und beeinflussen so die Beweglichkeit.
- Decarboxylasehemmer können mit Levodopa zusammen gegeben werden.
- Sogenannte Adenosin-Rezeptor-Antagonisten und COMT-Inhibitoren werden gegeben, um die oben beschriebene Wirklücke bei Levodopa bis zur nächsten Gabe zu überbrücken.
Die Medikamente müssen zu festgelegten Uhrzeiten eingenommen werden, damit sie richtig wirken können. Die Einnahme sollte zusammen mit dem Arzt auf die tageszeitliche Ausprägung der Symptome abgestimmt sein (Chronotherapie).
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Eine mögliche Behandlungsmethode ist das Injizieren von Botulinumtoxin, da es bei beiden Erkrankungen eine schnelle Wirkung zeigt und die Muskelanspannung reduziert.
Nicht-medikamentöse Therapie
Neben der medikamentösen Behandlung spielen auch nicht-medikamentöse Therapien eine wichtige Rolle bei der Behandlung von Rigor:
- Physiotherapie: Bewegungen werden großräumig und schwungvoll durchgeführt, um die Beweglichkeit zu erhalten oder zu verbessern. Dehnungsübungen vorab sind dabei wichtig. Eine weitere Möglichkeit der Physiotherapie ist die Vibrationstherapie, die auch zu Hause durchgeführt werden kann.
- Ergotherapie: Die Ergotherapie kann helfen, den Umgang mit Hilfsmitteln zu erlernen und somit die Selbstständigkeit zu erhalten. Ergotherapeutinnen beraten Betroffene auch in Bezug auf ihr Wohn- und Arbeitsumfeld und überdenken zusammen mit den Patientinnen tägliche Abläufe neu. Dazu gehört es etwa, Stolperfallen wie Teppiche und Schwellen zu entfernen und Haltegriffe im Bad, bei der Toilette oder vor Türen anzubringen.
- Logopädie: Eine Schlucktherapie wird für Patienten mit Parkinson-bedingten Schluckstörungen empfohlen.
- Sport und Bewegung: Ein aktiver Lebensstil und Sport haben positive Auswirkungen. Durch regelmäßiges Training und gezielte Übungen können die Missempfindungen und Verkrampfungen reduziert werden. Um den Alltag als Patient/in bzw. Angehörige/r gut zu meistern, ist es wichtig, sich fit zu halten.
- Weitere Tipps:
- Führen Sie ein Lockerungsprogramm am Morgen durch, das große Bewegungen und häufige Wiederholungen beinhaltet. Denn am Morgen ist die Muskelsteifheit oft besonders ausgeprägt.
- Geben Sie dem Körper gezielte Befehle, die große Bewegungen fördern. Zum Beispiel „Gehe große Schritte!“, also extragroße Ausfallschritte. Außerdem können Sie Ihre Arme in Schwung bringen und Treppen laufen.
- Verwenden Sie Reminder, um sich daran zu erinnern, die Muskeln zu lockern und große Bewegungen zu machen. Das können zum Beispiel Zettel oder andere Menschen sein, die Sie regelmäßig daran erinnern zu überprüfen, ob Sie "zusammengesackt" sitzen.
- Auch kleine Mikrobewegungen fördern die Durchblutung und Reduzierung der Grundanspannung. Zum Beispiel können Sie Ihre Muskulatur während einer Aktivität immer wieder gezielt anspannen und entspannen.
Tiefe Hirnstimulation
Bei der tiefen Hirnstimulation werden Elektroden in bestimmte Hirnregionen implantiert, die die Parkinson-Symptome beeinflussen. Ein Schrittmacher, der unter die Haut implantiert wird, steuert die elektrischen Impulse, die über die Elektroden abgegeben werden. Die tiefe Hirnstimulation kann die Symptome des Rigors und anderer Parkinson-Symptome deutlich reduzieren. Die Tiefe Hirnstimulation eignet sich für Parkinson-Patient*innen, die bereits längere Zeit behandelt werden und bei denen die Therapie Komplikationen hervorruft, die sich nicht ausreichend mit Medikamenten verbessern lassen.
Leben mit Rigor
Der Rigor ist eine direkte Folge der degenerativen Veränderungen im Gehirn, auf die man keinen direkten Einfluss hat. Eine aktive Lebensgestaltung und lockernde Übungen können dazu beitragen, Missempfindungen und Verkrampfungen zu reduzieren. Wenn der Körper aufgrund des hohen Ruhetonus ständig das Signal erhält, dass die Muskeln in ihrer vollen Länge nicht benötigt werden, verkürzt sich langfristig die Muskulatur. Um dies zu verhindern, ist es wichtig, große Bewegungen, lange und häufige Wiederholungen, sowie Sport und Bewegung in die tägliche Routine zu integrieren. Auch wenn die Muskulatur den Befehl erhält, angespannt zu sein, lockert jede gezielte Bewegung die Muskeln. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Auswirkungen nicht von heute auf morgen spürbar sein werden.
Es ist wichtig, sich mit der Erkrankung auseinanderzusetzen und den Umgang damit zu erlernen. Eine Psychotherapie bietet die Möglichkeit, mit einer außenstehenden und professionellen Person über die persönlichen Herausforderungen und Sorgen sprechen.
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Forschung
Die Forschung arbeitet stetig daran, die Ursachen und Mechanismen der Parkinson-Krankheit und des Rigors besser zu verstehen. Viele Bemühungen zielen aktuell darauf, Eiweißablagerungen in Gehirnzellen mit möglicherweise schädlichen Wirkungen zu verhindern oder wieder aufzulösen. Ein weiterer Forschungsbereich ist die Klärung eines möglichen Transports schädlichen Eiweiße von Zelle zu Zelle und damit von Gehirnregion zu Gehirnregion im Rahmen des Fortschreitens der Parkinson-Erkrankung.
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