Die Diagnose Demenz stellt Betroffene und Angehörige vor große Herausforderungen. Jedes Jahr werden in Deutschland mehr als 430.000 Demenz-Diagnosen gestellt. Aktuell leben hierzulande rund 1,8 Millionen Menschen mit einer Demenzerkrankung. Prognosen des Bundesfamilienministeriums zufolge wird diese Zahl bis zum Jahr 2050 auf 2,8 Millionen steigen. Dieser Artikel gibt Ihnen einen Überblick über Hilfsangebote, Beratungsstellen und praktische Tipps, um den Alltag mit Demenz besser zu bewältigen und die Lebensqualität von Betroffenen und Angehörigen zu erhalten.
Die Diagnose Demenz: Was nun?
Von der Diagnose Demenz sind meist auch die Angehörigen betroffen. Viele Fragen stehen im Raum: Wie erkläre ich dem geliebten Menschen seine Krankheit? Wie kann ich dem Betroffenen bestmöglich helfen? Was muss ich organisieren? Wo kann ich mir professionellen Rat holen? Wir haben Tipps für Sie zusammengestellt.
Für Angehörige gilt zunächst, sich nicht nur mit einer schweren, unheilbaren Krankheit eines geliebten Menschen auseinanderzusetzen, sondern auch Entschlüsse zur künftigen Versorgung und Pflege des betroffenen Familienmitglieds zu fassen. Wichtig, falls vom Arzt nicht direkt geschehen: den Erkrankten über die Diagnose aufklären. Auch wenn das unter Umständen eine große Belastung ist und mit Ängsten einhergehen könnte - Verschweigen kann ebenso zu erheblichen Belastungen, Ängsten und einer Depression führen. Besser ist, gemeinsam im Bewusstsein der Krankheit zu planen, wie man die Zukunft organisiert und das Beste draus macht. Als Pflegender ist es ebenfalls wichtig, seine eigenen Bedürfnisse nicht hinten an zu stellen. Holen Sie sich unbedingt Hilfe!
Gemeinsam entscheiden und planen
Nach der Diagnose Demenz sollten Betroffene und Angehörige gemeinsam entscheiden, wie es weitergeht. Wurde Demenz diagnostiziert, sollten Betroffene und Angehörige gemeinsam mit der Ärztin oder dem Arzt das weitere Vorgehen abstimmen. Solange es ihnen noch möglich ist, sollten Erkrankte festlegen, was geschehen soll, wenn sie nicht mehr selbst für sich sprechen können, wer sie in diesem Fall betreuen soll, wem sie die Vollmacht über ihre Finanzen geben wollen.
Frühzeitige Aufklärung und Akzeptanz
Es ist wichtig, den Erkrankten über die Diagnose aufzuklären, auch wenn dies eine große Belastung darstellen kann. Verschweigen kann zu erheblichen Belastungen, Ängsten und Depressionen führen. Besser ist es, gemeinsam im Bewusstsein der Krankheit zu planen, wie man die Zukunft organisiert und das Beste daraus macht.
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Medizinische Aspekte und Therapien
Demenzerkrankungen, die auf eine Schädigung der Nervenzellen zurückgehen, sind nach aktuellem Stand der Wissenschaft nicht heilbar. Das Fortschreiten etwa von Alzheimer lässt sich jedoch bis zu einem gewissen Grad verlangsamen. Daher ist eine frühe Diagnose wichtig. Die Gedächtnisleistung kann mit speziellen Tests geprüft, andere Krankheiten können ausgeschlossen werden - unter anderem mit Laboruntersuchungen und bildgebenden Verfahren wie Computer-Tomographie oder MRT.
Oft helfen nicht-medikamentöse Therapien, die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit zu stärken und die Lebensqualität zu erhöhen - darunter Gedächtnistraining, körperliches Training, Logopädie, Ergotherapie, Kunst- und Musiktherapie. Zudem können in manchen Fällen Medikamente helfen, etwa bestimmte Antidepressiva und Antipsychotika und spezielle Antidementiva wie Donepezil, Galantamin, Rivastigmin oder Memantin.
Neue Therapieansätze: Lecanemab
Moderne Therapien mit Antikörpern wie Donanemab und Lecanemab wecken große Hoffnungen, die ursächlich ins Krankheitsgeschehen eingreifen - darunter das Mittel Leqembi mit dem Antikörper Lecanemab. Es wird alle zwei Wochen per Infusion verabreicht und reduziert krankhafte Eiweißablagerungen im Hirn von Betroffenen. Die EMA erteilte für Lecanemab strenge Auflagen. Erhalten dürfen es nur Patienten, die an einem frühen Alzheimer-Stadium leiden und umfangreich untersucht wurden.
Die Behandlung mit Lecanemab ist sehr aufwendig. Patientinnen und Patienten bekommen alle zwei Wochen eine intravenöse Infusion. Sie müssen zudem Kernspintomografien des Kopfes erhalten. Falls es zu schweren Nebenwirkungen kommt, muss außerdem eine Überwachungsstation wie eine Stroke-Unit vorhanden sein.
Unbedingte Voraussetzung ist eine genaue Alzheimer-Diagnose, um die Eiweißablagerungen nachzuweisen und zu messen: entweder durch eine Lumbalpunktion oder eine Positronen-Emissions-Tomographie, kurz PET. Bei einem Teil der Patienten in den bisherigen Studien sind kleine Hirnblutungen- oder Ödeme aufgetreten.
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Unterstützung für pflegende Angehörige
Als Pflegender ist es ebenfalls wichtig, seine eigenen Bedürfnisse nicht hinten an zu stellen. Holen Sie sich unbedingt Hilfe! Die Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz erfordern Zeit und Kraft. Mit fortschreitender Krankheit verändert sich ihre Sicht auf die Welt um sie herum, ihr Erleben und in der Regel auch ihre Persönlichkeit. Wichtig ist es, die Bedürfnisse und Wünsche der Dementen wahrnehmen und darauf eingehen, Kritik und Zurechtweisungen dagegen vermeiden. Dabei spielt Geduld eine große Rolle - auch in der Kommunikation.
Auch wenn die Bereitschaft groß ist, sich um demente Angehörige zu kümmern: Viele unterschätzen, was das bedeutet und überfordern sich. Einen dementen Menschen zu begleiten, bedeutet meist einen schmerzhaften Abschied auf Raten hautnah mitzuerleben.
AOK Servicestelle Demenz und Pflegehotline
Für pflegende Angehörige von Demenzerkrankten hat die AOK Rheinland/Hamburg die Servicestelle Demenz ins Leben gerufen. Hier unterstützen Sie Spezialisten mit Informationen über spezielle Versorgungs- und Entlastungsangebote sowie bei allen Fragen zur Pflege. Sie erreichen die Servicestelle Demenz unter der Telefonnummer 0211 8791-58710.
Zu allen Fragen und Problemen bei der Pflege eines Angehörigen steht Ihnen zudem die Pflegehotline der AOK Rheinland/Hamburg 24 Stunden am Tag zur Verfügung. Ausgebildete Pflegefachkräfte helfen Ihnen kompetent weiter und leisten Unterstützung. Sie erreichen die AOK-Pflegehotline unter der Telefonnummer 0800 329 0 329.
Weitere Hilfsangebote
- Ambulante Pflegedienste: Können im Alltag zum Beispiel bei der täglichen Körperpflege unterstützen.
- Tagespflege oder Betreuungsgruppen: Können wenigstens zeitweise für Entlastung sorgen.
- Kurzzeitpflege: Bietet die Möglichkeit einer Kurzzeitpflege in einem Heim, damit pflegende Angehörige eine notwendige Auszeit nehmen können.
- Angehörigen- oder Selbsthilfegruppen: Bieten die Möglichkeit, sich mit anderen auszutauschen, Ängste und Sorgen loszuwerden.
- Pflegestützpunkte: Bieten Beratung und Informationen zur Organisation der richtigen Pflege und erläutern, welche finanzielle Unterstützung für pflegende Angehörige möglich ist. Wo sich der nächste Pflegestützpunkt befindet, können Sie bei der Pflegekasse erfragen.
Finanzielle Unterstützung
Der Ratgeber Sofort Hilfe im Pflegefall der Stiftung Warentest hilft bei der Organisation der richtigen Pflege und erläutert, welche finanzielle Unterstützung für pflegende Angehörige möglich ist.
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Alltag mit Demenz gestalten
Im frühen Stadium der Krankheit können Demenzerkrankte durchaus weiter zu Hause wohnen bleiben. Vorausgesetzt, die Gegebenheiten in der Wohnung oder im Haus werden so angepasst, dass sich die Kranken sicher und geschützt fühlen, aber nicht fremd. Räume deshalb möglichst nicht verlegen und Möbel nicht austauschen, sondern nur da Änderungen vornehmen, wo etwa Stolperfallen durch Türschwellen oder Teppiche lauern. Feste Schlaf- und Essenszeiten strukturieren den Tag und unterstützen das selbstständige Leben. Jahrelang gewohnte Routinen wie etwa das morgendliche Kaffeekochen sollten beibehalten werden.
Wohnsituation anpassen
Räume deshalb möglichst nicht verlegen und Möbel nicht austauschen, sondern nur da Änderungen vornehmen, wo etwa Stolperfallen durch Türschwellen oder Teppiche lauern.
Routinen beibehalten
Feste Schlaf- und Essenszeiten strukturieren den Tag und unterstützen das selbstständige Leben. Jahrelang gewohnte Routinen wie etwa das morgendliche Kaffeekochen sollten beibehalten werden.
Rechtliche Vorsorge
Irgendwann kommt oft der Zeitpunkt, an dem die pflegerische Versorgung zu Hause nicht mehr möglich ist. Das Vorsorge-Set der Stiftung Warentest informiert über all das: Patientenverfügung, Betreuungsverfügung, Vorsorgevollmacht und Testament.
Patientenverfügung, Betreuungsverfügung und Vorsorgevollmacht
Solange es ihnen noch möglich ist, sollten Erkrankte festlegen, was geschehen soll, wenn sie nicht mehr selbst für sich sprechen können, wer sie in diesem Fall betreuen soll, wem sie die Vollmacht über ihre Finanzen geben wollen.
Prävention: Was kann man tun, um das Demenzrisiko zu senken?
Der größte Risikofaktor für Alzheimer und Demenz ist das Altwerden - ein Prozess, der sich kaum aufhalten lässt. Doch ist geistiger Verfall keine unvermeidliche Folge des Alterns. Studien zeigen einen teilweisen Zusammenhang zwischen Demenz und ungesundem Lebensstil.
WHO-Leitlinie zur Risikoreduktion
Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat die Leitlinie Risk Reduction of Cognitive Decline and Dementia herausgegeben. Sie enthält Maßnahmen aus zwölf Bereichen, die laut Stand der Wissenschaft das Risiko für Demenzerkrankungen senken können. Eine Kernaussage: Was gut ist fürs Herz, ist auch gut fürs Hirn.
Empfehlungen für einen gesunden Lebensstil
- Viel bewegen: Körperliche Aktivitäten, wie Ausdauer- und Krafttraining, hilft laut WHO besonders, um der Krankheit vorzubeugen.
- Blutdruck kontrollieren: Körperliche Bewegung wirkt unterstützend auch gegen hohen Blutdruck - einem der Risikofaktoren für Demenz.
- Rauchen aufgeben: Die Expertinnen und Experten der WHO gehen mehrheitlich davon aus, dass die im Tabak enthaltenden Substanzen das Gehirn direkt schädigen.
- Alkoholkonsum einschränken: Alkohol hemmt die Übertragung von Informationen zwischen den Nervenzellen.
- Überschüssige Kilos loswerden: Übergewicht kann zu hohem Blutdruck, Typ-2-Diabetes und Fettstoffwechselstörungen führen, die wiederum Demenzerkrankungen begünstigen.
- Hördefizite ausgleichen: Wer andere nicht mehr versteht, läuft Gefahr, sich zunehmend zu isolieren und so keine geistigen Anreize zu bekommen.
- Gesunde Ernährung: Die Forschenden hatten auf Basis der Gesundheitsdaten von mehr als 29 000 Menschen ermittelt, dass die Kombination von mindestens vier der folgenden Lebensstilfaktoren hilfreich ist: gesunde Ernährung, kein Alkohol, keine Zigaretten, pro Wochen mindestens 150 Minuten mäßige Bewegung oder mindestens 75 Minuten starke Bewegung sowie zwei aktive Sozialkontakte und zwei kognitive Aktivitäten wie Kartenspielen.
- Soziale Kontakte pflegen: Durch soziale Kontakte macht man neue Erfahrungen, lernt Neues und tauscht sich intellektuell aus. Das alles wirkt sich positiv auf die geistige Regsamkeit aus.
Literaturtipps
- Die Weisheit der Demenz: Wegweiser zum würdevollen Umgang mit desorientierten Menschen. Von Hildegard Nachum; Kneipp Verlag (25 Euro)
- Demenz. Hilfe für Angehörige und Betroffene. Von Günter Niklewski, Heike Nordmann, Rose Riecke-Niklewski; Verlag Stiftung Warentest (19,90 Euro)
- Wie meine Großmutter ihr Ich verlor: Demenz - Hilfreiches und Wissenswertes für Angehörige. Von Sarah Straub, Kösel-Verlag (18 Euro)
- Aktiv trotz Demenz - Handbuch für die Aktivierung und Betreuung von Demenzerkrankten. Von Johanna Radenbach; Schlütersche Verlagsgesellschaft (26,95 Euro)
- Unterstützung im Umgang mit Demenz bietet auf 176 Seiten unser 2024 erschienener Ratgeber Demenz. Nicht jetzt! (20 Euro) - inklusive Infos zu neuen Medikamenten, kognitiven Übungen für die Gedächtnisfunktion und Anleitungen, um möglichst lange zu Hause leben zu können.
Hilfsangebote aus dem Netz
- www.deutsche-alzheimer.de: Die deutsche Alzheimer-Gesellschaft stellt auf ihrer Internetseite umfangreiche Informationen zusammen, unter anderem zum Krankheitsbild Alzheimer sowie zu rechtlichen und finanziellen Fragen.
- www.alzheimerforum.de: Das Alzheimer-Forum der Alzheimer-Angehörigen-Initiative e.V. bietet Infos für Angehörige.