Unser Gehirn ist ein bemerkenswertes Organ, das es uns ermöglicht, Sinneswahrnehmungen zu verarbeiten, Bewegungen zu koordinieren, Verhaltensweisen zu steuern und komplexe Informationen zu speichern. Die Fähigkeit zu lernen und sich zu erinnern ist jedoch nicht selbstverständlich. Wie funktionieren diese Prozesse also?
Die Vernetzung des Gehirns: Neuronen und Synapsen
Im menschlichen Gehirn sind etwa 86 Milliarden Nervenzellen (Neuronen) miteinander vernetzt. Diese Neuronen kommunizieren über spezielle Verbindungsstellen, die als Synapsen bezeichnet werden. Synapsen sind darauf spezialisiert, Signale elektrochemisch umzuwandeln und weiterzuleiten.
Lernen als synaptische Verstärkung
Lernen ist der Prozess, bei dem individuell erworbene Informationen aus der Umwelt im Gedächtnis gespeichert und bei Bedarf abgerufen werden können. Diese Speicherung kann kurzfristig oder langfristig erfolgen und auf früheren Erfahrungen aufbauen. Lernen basiert im Wesentlichen auf einer spezifischen Verstärkung bestimmter Synapsen, wodurch die Signalübertragung durch biochemische und strukturelle Veränderungen erleichtert wird. Schlüsselbegriffe in diesem Zusammenhang sind Langzeitpotenzierung (LTP) und synaptische Plastizität.
Plastische Synapsen sind dynamisch und verändern ihre Struktur und Übertragungseigenschaften. Diese Veränderungen bilden die Grundlage für Lern- und Gedächtnisprozesse. Beim Lernen können sich neue Synapsen bilden, während nicht mehr benötigte Synapsen abgebaut werden.
Faktoren, die das Lernen beeinflussen
Wie gut wir lernen und uns Dinge merken können, hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter:
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- Aufmerksamkeit: Die Fokussierung auf relevante Informationen ist entscheidend für die Speicherung.
- Motivation: Ein starker Anreiz fördert das Lernen.
- Belohnung: Positive Verstärkung festigt Gedächtnisinhalte.
Das Gehirn filtert Informationen und trennt Wichtiges von Unwichtigem. Es gibt keinen zentralen Speicherort für Informationen, aber der Hippocampus spielt eine wichtige Rolle als Schaltstelle für viele Gedächtnisinhalte.
Die synaptische Hypothese des Gedächtnisses
Eine zentrale Hypothese der Neurowissenschaften besagt, dass Erinnerungen in den plastischen Synapsen des Gehirns gespeichert werden. Tägliche Erfahrungen formen bestehende Verbindungen um, wodurch neue Erinnerungen entstehen, während ältere verändert oder gelöscht werden können.
Herausforderungen bei der Erforschung synaptischer Plastizität
Obwohl seit den bahnbrechenden Arbeiten von Donald Hebb im Jahr 1949 viele Ideen entstanden sind, wie und warum sich Synapsen verändern, gibt es noch keinen umfassenden Rahmen, der synaptische Veränderungen quantitativ beschreibt. Ein Grund dafür ist, dass Synapsen im lebenden Gehirn schwer zu beobachten sind, was unser Wissen über die zugrunde liegenden Prozesse einschränkt.
Aktuelle Forschungsansätze
Die aktuelle Forschung konzentriert sich auf zwei Schwerpunkte:
- Verständnis der synaptischen Plastizität auf Einzelsynapsen-Ebene: Hier werden Systeme aus zwei Neuronen untersucht, die durch eine Synapse verbunden sind und unterschiedlichen Stimulationsprotokollen unterzogen werden. Die Wirksamkeit der Synapse ändert sich je nach Zeitpunkt und Statistik der Stimulation, wodurch die Übertragungseigenschaften des Systems modifiziert werden.
- Untersuchung der Auswirkungen synaptischer Plastizität auf das Verhalten neuronaler Netze: Hier wird der Zusammenhang zwischen Spike-Timing-abhängiger Plastizität (STDP) und Verstärkungslernen untersucht.
Spike-Timing-abhängige Plastizität (STDP)
Die zeitliche Abfolge der neuronalen Aktivität spielt eine entscheidende Rolle für die Richtung und das Ausmaß synaptischer Veränderungen. Präsynaptische Spikes, die vor postsynaptischen Spikes auftreten, führen zu synaptischer Potenzierung, während die umgekehrte Reihenfolge zu synaptischer Depression führt. Dieses Phänomen wird als Spike Timing Dependent Plasticity (STDP) bezeichnet.
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Die gängige Umsetzung von STDP berücksichtigt jedoch oft keine nichtlinearen Effekte und verallgemeinert die Ergebnisse für Spike-Paare auf beliebige Spike-Züge. Dies kann zu Diskrepanzen zwischen experimentellen Daten und Modellvorhersagen führen. Daher werden explizite Modelle prä- und postsynaptischer Beiträge zur synaptischen Veränderung entwickelt, die eine Dynamik aufweisen, die der synaptischen Kurzzeitdepression ähnelt.
Funktionelle und strukturelle Plastizität
Plastizität ist die Fähigkeit einzelner Synapsen, Nervenzellen und ganzer Gehirnareale, sich in Abhängigkeit von ihrer Nutzung zu verändern und anzupassen. Sie umfasst verschiedene Ebenen:
- Funktionelle Plastizität (synaptische Plastizität): Veränderungen der Stärke der synaptischen Übertragung, d.h. der Menge des ausgeschütteten Botenstoffes oder der Rezeptordichte auf der Empfängerzelle.
- Strukturelle Plastizität: Veränderungen der synaptischen Kontaktfläche, Aufbau, Abbau oder Umbau ganzer Synapsen, Zurückziehen oder Ausstrecken von Axonen oder Dendritenbäumen.
Molekulare Mechanismen der synaptischen Plastizität
Donald O. Hebb gilt als Entdecker der synaptischen Plastizität, während Eric Kandel insbesondere die zugrunde liegenden molekularen Mechanismen erforscht hat.
Kurzzeitplastizität
Ein Beispiel für Kurzzeitplastizität ist die Wirkung von Serotonin auf eine Synapse:
- Serotonin wird freigesetzt und bindet an metabotrope, G-Protein-gekoppelte Rezeptoren an der Membran der Präsynapse.
- Dies führt zur Aktivierung des Enzyms Adenylatcyclase, das die Spaltung von ATP zu zyklischem AMP (cAMP) katalysiert.
- cAMP aktiviert die Proteinkinase A (PKA), die verschiedene Proteine phosphoryliert, darunter Kalium-Kanäle.
- Die Phosphorylierung führt dazu, dass sich die Kalium-Kanäle länger öffnen, was ein verlängertes Aktionspotential ermöglicht.
- Zusätzlich werden mehr Vesikel mit Botenstoff mobilisiert, so dass bei Erregung der Präsynapse vermehrt Botenstoff ausgeschüttet wird.
Langzeitplastizität
Bei länger anhaltender PKA-Aktivität wandert diese auch in den Zellkern und aktiviert dort verschiedene Proteine und Genexpressionsfaktoren, was zur Einleitung von Strukturveränderungen der Synapse (Vergrößerung/Verkleinerung der Kontaktfläche, Auf-, Ab- und Umbau von Synapsen) führt (Langzeitplastizität).
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Es gibt verschiedene G-Proteine (Gs, Go, Gq…), die unterschiedliche second messenger einbeziehen und damit unterschiedliche Signalkaskaden aktivieren.
Plastizität der Postsynapse
Bei der Plastizität der Postsynapse spielt der Botenstoff Glutamat eine entscheidende Rolle. Glutamat bindet an AMPA- und NMDA-Rezeptoren, beides ionotrope Rezeptoren. Unter „normalen“ Umständen ist ein NMDA-Rezeptor durch Magnesium (Mg2+) blockiert. Wird die Membran jedoch kurz hintereinander mehrfach depolarisiert, z.B. durch hintereinander eintreffende Reize, so löst sich die Mg2+-Blockade und zusätzliches Ca2+ kann einströmen.
Langzeitpotenzierung (LTP) in der Postsynapse
Der Einstrom von Ca2+ in die Postsynapse ist entscheidend für Prozesse, die als Langzeitpotenzierung bezeichnet werden. Da der AMPA-Rezeptor ein Ionenkanal gebundener Rezeptor ist, erlaubt er nach Bindung von Glutamat den Einstrom von Na+- und den Ausstrom von K+-Ionen. Neben Na+ und K+ gehört hierzu auch Ca2+. Ca2+ bindet in der Zelle nun an Calmodulin. Dieser Komplex aktiviert verschiedene Kinasen, wie die Ca-Calmodulin-Kinase, die Proteinkinase C (PKC) und die Tyrosinkinase (TK). Die Ca-Calmodulin-Kinase phosphoryliert AMPA-Rezeptoren, die damit empfindlicher für den Botenstoff Glutamat werden. Weiterhin regt sie die Bildung neuer AMPA-Rezeptoren an.
Um langfristige Veränderungen im Sinne einer Steigerung der Botenstoffausschüttung zu erreichen, wird die Adenylatcyclase aktiviert, die die Umwandlung von ATP in cAMP katalysiert, welches wiederum zum Kern wandert, um dort die Proteinbiosynthese zur Strukturveränderung der Synapse anzuregen.
Langzeitdepression (LTD)
Gäbe es nur LTP, wären die Zellen bald gesättigt. Daher gibt es auch Mechanismen der Langzeitdepression (long-term depression), die die Übertragungseffizienz mindert. Dies kann z.B. auftreten, wenn eine Aktivierung zu schwach ist, um zur Postsynapse übertragen zu werden.
Strukturelle Plastizität: Synaptogenese und Neurogenese
Neben der funktionellen Plastizität gibt es auch die strukturelle Plastizität, die die Bildung neuer Synapsen (Synaptogenese) und neuer Nervenzellen (Neurogenese) umfasst.
Synaptogenese
Bereits vorhandene Synapsen können sich aktivitätsabhängig teilen, um eine neue Synapse zu bilden. Wachstumskegel können die Bildung ganz neuer synaptischer Kontakte anregen. Im Gegenzug können nicht oder weniger genutzte Synapsen abgebaut werden.
Neurogenese
Schließlich gehört auch die Bildung neuer Nervenzellen zur strukturellen Plastizität. Im erwachsenen Säugergehirn ist diese Neurogenese auf zwei Regionen beschränkt: den Gyrus dentatus des Hippocampus und die Subventrikulärzone. Neue Nervenzellen können somit nur aus undifferenzierten Stamm- oder Vorläuferzellen hervorgehen, die im Gehirn ausschließlich in den beiden genannten Regionen vorkommen.
Die Entstehung neuer Nervenzellen aus Vorläuferzellen ist mehr als nur eine bloße Zellteilung. Sie beinhaltet Proliferation, Migration, Differenzierung und Integration der neu entstandenen Zelle in das vorhandene Nervennetz. Integration ist die Voraussetzung für das Überleben einer neuen Nervenzelle, denn wird sie nicht integriert, stirbt sie wieder ab.
Nach der Teilung beginnt die Zelle, ihre Dendriten in die Molekularschicht zu strecken und sendet ihr Axon in den Hippocampus proper. Die neue Zelle muss funktionell werden, d.h. Inputs erhalten und Outputs senden können, sonst wird sie untergehen und sterben. Nach etwa 4-10 Tagen nach der Teilung erreicht das Axon sein Zielgebiet im Hippocampus proper. Nach einigen Wochen verliert die Zelle ihre Teilungsfähigkeit und gilt als reifes Neuron. Die Zelle ist integriert und hat überlebt. Die genauen Mechanismen, die die Integration neuer Nervenzellen steuern, sind noch nicht abschließend geklärt. Forscher unterscheiden dabei Mechanismen, die die Zellproliferation steuern, und solche, die das Zellüberleben bedingen.
Somit erfüllen die neuen Nervenzellen höchstwahrscheinlich eine Funktion innerhalb der Langzeitgedächtnisbildung im Hippocampus. Experimentelle Studien haben gezeigt, dass eine Blockade der Neurogenese zu Gedächtnisstörungen führt und Lernen selbst ebenso wie eine anregende Umgebung das Zellüberleben neugebildeter Nervenzellen fördert. So verwundert es nicht, dass Störungen wie Depression und Burnout mit einer verminderten Neurogenese einhergehen.
Die Frage, ob eine erhöhte Neurogenese überhaupt physiologisch sinnvoll ist, ist noch nicht abschließend geklärt, da Krankheiten wie die Schizophrenie mit einer erhöhten Neurogenese einhergehen.
Synaptische Plastizität: Definition und Prinzipien
Synaptische Plastizität ist ein Teilgebiet der neuronalen Plastizität und beschreibt die funktionelle und strukturelle Anpassung des Gehirns an seine Nutzung auf Ebene der Synapsen. Je nach Intensität der Nutzung einer synaptischen Verbindung wird die Übertragungsstärke angepasst.
Die zentrale Theorie zur synaptischen Plastizität stammt von Donald Hebb, der 1949 postulierte, dass die wiederholte Erregung einer Nervenzelle durch eine andere zu einer verbesserten Signalübertragung zwischen den beiden führt und dass zeitgleich aktive Zellen miteinander verschaltet werden ("Cells which fire together, wire together").
Umgekehrt gilt das Prinzip „Use it or lose it“: Bei Nichtnutzung kommt es zur Verschlechterung der Übertragung oder zum Abbau von Synapsen.
Formen synaptischer Plastizität
Die Signalübertragung an Synapsen kann auf verschiedene Weisen beeinflusst werden, sowohl innerhalb einer Synapse als auch auf höherer struktureller Ebene.
Anpassung der Übertragungseffizienz
Signale werden dann besonders effizient auf die postsynaptische Zelle übertragen, wenn die synaptische Übertragungsstärke hoch ist. Die synaptische Übertragungsstärke beschreibt die Auswirkungen, die ein präsynaptisch eintreffendes Aktionspotenzial auf die postsynaptische Zelle hat. Dafür spielen vorrangig drei Faktoren eine wichtige Rolle:
- Transmitterfreisetzung (aus Vesikeln der Präsynapse)
- Anzahl und Art der aktivierten Rezeptoren (Membran der Postsynapse)
- Proteinsynthese, die auf optimierte Signalübertragung ausgelegt ist
Bei verminderter Nutzung einer synaptischen Verbindung können alle Prozesse auch in die andere Richtung ablaufen: Die Übertragungsstärke nimmt ab.
Das wichtigste Beispiel für einen Mechanismus synaptischer Plastizität, der direkt die Übertragungsstärke beeinflusst, ist die Langzeitpotenzierung (LTP).
Strukturveränderungen
Neben funktionellen Anpassungen kann das Nervensystem auch Veränderungen auf struktureller Ebene durchführen, meistens bezogen auf die Organisation von Synapsen untereinander.
- Entstehung von Synapsen: Je nach Notwendigkeit können komplett neue Synapsen entstehen, indem die Präsynapse Botenstoffe freisetzt und das postsynaptische Neuron mit Zellplasmaausstülpungen (Filopodien) reagiert.
- Elimination von Synapsen: Im Verlauf des Lebens werden immer wieder Synapsen eliminiert, was ein normaler Teil der dynamischen Weiterentwicklung des Nervensystems ist. Übrig bleiben langfristig nur die Synapsen, die ausreichend genutzt wurden und werden.
- Aktivitätsbedingte Neuordnung von Synapsen: Je nach Aktivität der Nerven können sich die Synapsen auch umsortieren, so dass verschiedene Neurone unterschiedlich viele Synapsen mit einer anderen Nervenzelle ausbilden.
- Veränderung der synaptischen Fläche: Die synaptische Fläche ist ein großer Einflussfaktor auf die Stärke einer synaptischen Verbindung. Eine Vergrößerung der Fläche bedeutet eine verbesserte Übertragung.
Langzeitpotenzierung (LTP): Ein molekulares Modell
Ein Modell dafür, wie die Steigerung der synaptischen Übertragungsstärke auf molekularer Ebene funktionieren kann, ist die sogenannte Langzeitpotenzierung (LTP).
Führt ein Aktionspotenzial an der Postsynapse zu einem EPSP, so hat dieses normalerweise stets die gleiche Amplitude. Nach abgelaufener Langzeitpotenzierung ist sie jedoch erhöht.
Dafür ist eine erhöhte neuronale Aktivität notwendig, die sich in schnellen Salven von Aktionspotenzialen an der Präsynapse bemerkbar macht. Durch sie werden verschiedene Veränderungen an der Synapse angestoßen, die man der frühen oder der späten Langzeitpotenzierung zuordnen kann. Während die frühe LTP schnell einsetzt, dafür aber auch nicht lange andauert, benötigt die späte LTP mehr Zeit und ist lang anhaltend.
Frühe Langzeitpotenzierung
Bei gewöhnlicher Nutzung sind in der postsynaptischen Membran nur die AMPA-Rezeptoren für Glutamat aktiv. Eine erhöhte Inanspruchnahme der neuronalen Verbindung aktiviert nun auch NMDA-Rezeptoren, die eine erhöhte Leitfähigkeit für Calcium haben. Das einströmende Calcium ist der Auslöser für diverse intrazelluläre Prozesse, die sich positiv auf die Effektivität der synaptischen Übermittlung auswirken, darunter:
- Erhöhung der Affinität der vorhandenen AMPA-Rezeptoren für Glutamat
- Einbau von neuen Rezeptoren in die postsynaptische Membran
- Herauszögern des Signalendes in der Präsynapse durch eine Reduktion der Öffnungswahrscheinlichkeit von Kaliumkanälen
So wird die Empfindlichkeit der Postsynapse gesteigert und es gelangen mehr Neurotransmitter in den synaptischen Spalt.
Späte Langzeitpotenzierung
Die späte Langzeitpotenzierung kann deshalb nicht sofort einsetzen, weil sie auf Ebene der Proteinbiosynthese angreift, wofür mehr Zeit benötigt wird.
Auch hier ist die durch die starke Nutzung erhöhte Calciumkonzentration wesentlich für die Vorgänge verantwortlich. Es wird ein Transkriptionsfaktor aktiviert, der die Genexpression von weiteren Synapsen und Kanälen fördert. So kann die Signalübertragung langfristig verbessert werden. Das Gegenteil von Langzeitpotenzierung nennt man Langzeitdepression. Dabei kommt es zur Reduktion der Übertragungsstärke. Wieder greift das Konzept “Use it or lose it”.
Synaptische Plastizität und Lernen
Die ständige Anpassung des Gehirns ist unverzichtbar für sämtliche Lernvorgänge, sowohl für die Abspeicherung von Faktenwissen als auch für das Erlernen von Bewegungen (Muskelgedächtnis).
Der Hippocampus spielt eine zentrale Rolle beim Lernvorgang, insbesondere bei der Übertragung von Informationen vom Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis (Gedächtniskonsolidierung). Er besteht aus verschiedenen Arealen, die über bestimmte Faserverbindungen eine Art Schaltkreis bilden. Die Erregungen können bestimmte Verknüpfungen immer wieder passieren und schließlich zur dauerhaften Speicherung in andere Hirnareale übertreten. Ohne den Hippocampus wäre die Neuaufnahme von Informationen nicht möglich.
Synaptische Plastizität im Lebenslauf
Synaptische Plastizität bleibt das ganze Leben lang bestehen, wobei die Lebensphasen mit den größten plastischen Veränderungen die Zeit vor und kurz nach der Geburt sowie die Pubertät sind.
Elimination von Synapsen
Zu Beginn der Entwicklung wird eine Muskelfaser noch über viele Synapsen von mehreren Neuronen zugleich innerviert. Es besteht ein Selektionsdruck, bei dem nur die am stärksten genutzte Synapse zurückbleibt. Auch die Elimination von ganzen Neuronen ist ein Aspekt der neuronalen Plastizität. Ein Neugeborenes verfügt über deutlich mehr Nervenzellen als ein Erwachsener, wobei die nicht notwendigen Neurone abgebaut werden.
Aktivitätsbedingte Neuordnung von Synapsen
Bei der neuronalen Entwicklung kommt es auch ganz regulär zur Umordnung von Synapsen, was ein Teilaspekt der Ausbildung einer spezifischeren Zuordnung bestimmter Neurone zu konkreten Hirnarealen ist. Ein Beispiel ist die augenspezifische Verschaltung im Thalamus, wo die Eingangsstellen der Impulse der zwei Augen voneinander getrennt werden.
Sensible und kritische Perioden
In der Entwicklung kann man zwischen sensiblen und kritischen Perioden unterscheiden. Während sensibler Perioden kann es ganz besonders gut zu prägenden Umwelterfahrungen kommen, die sich stark auf die weitere Entwicklung auswirken. Kritische Perioden hingegen sind alle Lebensabschnitte, in denen bestimmte Erfahrungen zwingend gemacht werden muss, damit bestimmte Fähigkeiten überhaupt entwickelt werden können. Ein Beispiel ist die Ausbildung des Sehsinns, wo eine mangelnde Stimulation der Nerven in den ersten vier Lebensmonaten zu Amblyopie führen kann.
Astrozyten: Aktive Mitspieler bei der synaptischen Plastizität
Sternförmige Gliazellen, sogenannte Astrozyten, sind mehr als nur Stützzellen des Gehirns. Sie wirken aktiv an Lernprozessen mit und interagieren dabei mit den Nervenzellen. Durch die Regulation des Neurotransmitters D-Serin können Astrozyten die Fähigkeit des Gehirns erleichtern, seine synaptischen Verbindungen effizient anzupassen und neu zu verdrahten. Eine Funktionsstörung der Astrozyten kann die Lernfähigkeit erheblich beeinträchtigen.
Das Gehirn als Baustelle: Lernen und Umbau bis ins hohe Alter
Das menschliche Gehirn ist ein dynamisches Organ, das sich bis ins hohe Alter ständig verändert und anpasst. Durch Lernen und neue Erfahrungen können sich unsere grauen Zellen umstrukturieren. Die synaptische Plastizität ist die Grundvoraussetzung für jegliches Lernen. Stärkung und Schwächung, Auf- und Abbau - die Stärke, mit der Signale zwischen Nervenzellen übertragen werden, wird laufend angepasst. Ohne die Plastizität würde dem Gehirn folglich etwas Fundamentales fehlen: seine Lernfähigkeit.
Die Rolle des Hippocampus bei Taxifahrern
Wie beim Sport wird eine bestimmte Fähigkeit umso effektiver, je mehr sie gefordert wird. Londoner Taxifahrer, die sich gut orientieren und Routen merken müssen, haben beispielsweise einen größeren Hippocampus - eine für das Ortsgedächtnis zentrale Region im Gehirn.
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