Die Behandlung von Verhaltensauffälligkeiten bei Demenz stellt eine besondere Herausforderung dar. Antipsychotika, darunter auch Haloperidol (Haldol), werden häufig eingesetzt, obwohl ihre Wirksamkeit begrenzt ist und erhebliche Risiken bestehen. Dieser Artikel beleuchtet die Wirkung von Haldol bei Demenz, geht auf die damit verbundenen Risiken ein und stellt Behandlungsalternativen vor.
Demenz und Verhaltensstörungen
Das Demenzsyndrom äußert sich durch eine Abnahme der kognitiven Fähigkeiten. Störungen des Affekts und des Verhaltens wie Apathie, sozialer Rückzug, Ängstlichkeit, Wahngedanken, Irritierbarkeit, Enthemmung, ständiges Umherlaufen, Aggressivität oder Handlungsstereotypien sind jedoch oft ebenso belastend für die Betroffenen und ihr Umfeld. Fast 90 % aller Demenzkranken entwickeln im Verlauf ihrer Erkrankung Verhaltensstörungen. Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Ursache für ein Demenzsyndrom, gefolgt von der vaskulären Enzephalopathie (vaskuläre Demenz).
Antipsychotika bei Demenz: Ein Überblick
Antipsychotika (AP) werden häufig zur Behandlung von neuropsychiatrischen Symptomen bei Demenz eingesetzt. Eine Erhebung in 30 deutschen psychiatrischen Kliniken ergab, dass 77 % der stationär behandelten Patienten mit Demenz am Stichtag Antipsychotika erhielten, wobei 49 % der Patienten gleichzeitig mehr als ein AP einnahmen. Im ambulanten Bereich erhalten etwa 10 % der Demenzkranken AP, überwiegend atypische. Zu den atypischen AP zählen Substanzen wie Risperidon, Olanzapin, Aripiprazol und Clozapin, die im Vergleich zu den klassischen AP wie Haloperidol seltener extrapyramidal-motorische Störungen verursachen.
Die Wirkung von Haldol bei Demenz
Haloperidol ist ein hochpotentes Antipsychotikum der Butyrophenon-Klasse, das primär durch die Blockade von Dopamin-D2-Rezeptoren im Zentralnervensystem (ZNS) wirkt. Diese Blockade führt zu einer Reduktion dopaminerger Neurotransmission, was besonders in den Gehirnregionen relevant ist, die mit der Pathophysiologie von Psychosen, wie dem mesolimbischen System, assoziiert sind. Darüber hinaus zeigt Haloperidol antagonistische Wirkungen an anderen Rezeptoren, einschließlich einiger Serotoninrezeptoren, was zu seinem breiten Wirkungsspektrum beiträgt.
Haloperidol kann bei der Behandlung von Wahnvorstellungen und Halluzinationen wirksam sein. Eine Studie aus dem Jahr 1998 zeigte, dass Haloperidol bei der Behandlung von Psychosen und Verhaltensstörungen bei Alzheimer-Patienten wirksam sein kann. Die Ergebnisse zu Aripiprazol sind in dieser Indikation widersprüchlich. Apathie ist der Behandlung mit AP nicht zugänglich. Für andere neuropsychiatrische Symptome bei Demenz wie ständiges Wandern, stereotype Bewegungsabläufe oder Schreien ist die Wirksamkeit von AP, von anekdotischen Mitteilungen abgesehen, nicht wirklich untersucht.
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Risiken und Nebenwirkungen von Haldol
Die Anwendung von Haloperidol bei Demenz ist mit erheblichen Risiken verbunden.
Extrapyramidalmotorische Störungen
Typische UAW der klassischen AP wie z. B. Haloperidol in höherer Dosierung sind extrapyramidalmotorische Bewegungsstörungen wie Akathisie, Parkinson-Syndrom sowie Dyskinesien.
Erhöhte Mortalität und zerebrovaskuläre Ereignisse
Eine erhöhte Mortalität aufgrund vermehrter zerebrovaskulärer Nebenwirkungen einschließlich Schlaganfällen wurde bekannt. Das Mortalitätsrisiko ist für Haloperidol am höchsten (NNH 26), gefolgt von Risperidon (NNH 27), Olanzapin (NNH 40) und Quetiapin (NNH 50). Die genannten AP erhöhen die Mortalität um 3,5 % bei höherer Dosierung.
Weitere Nebenwirkungen
Zu Beginn der Einnahme sind Müdigkeit und Krämpfe häufige Nebenwirkungen von Haloperidol. Nach längerer Einnahme stellen sich häufig parkinsonähnliche Symptome wie Bewegungsarmut, Muskelsteifigkeit oder Unruhe und Zittern ein. Grippeartige Beschwerden, ein akuter Fieberanstieg ohne Infektion, Herzrasen und starkes Schwitzen sowie Muskelstarre, Zittern, Grimassieren oder Verwirrtheitszustände in den ersten 4 Wochen bis 3 Monaten der Therapie mit Haloperidol können Symptome des malignen Neuroleptika-Syndroms sein.
Eine Studie der Universität Manchester, die Daten von über 173.000 Demenz-Patienten analysierte, zeigte, dass die Einnahme von Antipsychotika, einschließlich Haloperidol, mit einem erhöhten Risiko für venöse Thromboembolien, Lungenentzündung, akute Nierenschäden und Schlaganfälle verbunden ist.
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Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten
Haloperidol kann Wechselwirkungen mit einer Vielzahl von Medikamenten eingehen, darunter:
- Klasse-IA-Antiarrhythmika
- Klasse-III-Antiarrhythmika
- Bestimmte Antidepressiva
- Bestimmte Antibiotika
- Andere Antipsychotika
- Bestimmte Antimykotika
- Bestimmte Magen-Darm-Medikamente
- Bestimmte Arzneimittel zur Behandlung von Tumorerkrankungen
- Arzneimittel, die zu einem Anstieg der Haloperidol-Plasmakonzentration führen können
- Trizyklische Antidepressiva
Anwendung während der Schwangerschaft und Stillzeit
Es besteht ein erhöhtes Risiko für Nebenwirkungen wie extrapyramidale Symptome und/oder Entzugssymptome für Neugeborene, die während des dritten Trimesters der Schwangerschaft gegenüber Haloperidol exponiert waren. Haloperidol geht in die Muttermilch über.
Alternativen zu Haloperidol
Es besteht eine weitgehende Übereinstimmung, dass die Pharmakotherapie bei neuropsychiatrischen Symptomen bei Demenz nicht an erster Stelle steht. Der erste Schritt muss immer eine Verhaltensanalyse sein. Das Spektrum von auslösenden und aufrechterhaltenden Bedingungen reicht von schlechter Beleuchtung oder räumlicher Beengtheit über Harnverhalt und Schmerzen bis hin zu lange schwelenden Partnerkonflikten oder personellen Mängeln in Heimen. Bauliche oder pflegerische Mängel lassen sich nicht durch die Gabe von AP neutralisieren.
Nicht-medikamentöse Interventionen
Die meisten Leitlinien empfehlen, bei Verhaltens- und psychologischen Problemen mit agitierten, aggressiven oder psychotischen Patienten zunächst einen nicht-medikamentösen Therapieversuch zu unternehmen. Diese können umfassen:
- Anpassung der Umgebung (z. B. bessere Beleuchtung, Vermeidung von Reizen)
- Schmerzmanagement
- Behandlung von Grunderkrankungen (z. B. Harnverhalt)
- Psychosoziale Interventionen (z. B. Validationstherapie, Realitätsorientierungstraining)
- Angehörigenberatung
Medikamentöse Alternativen
Wenn nicht-medikamentöse Maßnahmen nicht ausreichend wirksam sind, können andere Medikamente in Betracht gezogen werden. Risperidon ist in Deutschland lediglich bei Demenz bei Alzheimerkrankheit in der Indikation a) schwere chronische Aggressivität, durch die die Patienten sich selbst und andere gefährden und b) psychotische Symptome, durch die die Patienten erheblich beeinträchtigt werden, zugelassen.
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Einige Studien deuten darauf hin, dass Atypika wie Risperidon, Olanzapin und Quetiapin möglicherweise ein geringeres Risiko für extrapyramidale Nebenwirkungen haben als Haloperidol. Allerdings ist auch bei diesen Medikamenten Vorsicht geboten, da sie ebenfalls mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko und anderen Nebenwirkungen verbunden sein können. Quetiapin gilt als relativ sicher, ist aber in den wichtigen Indikationen nicht wirksam.
In vielen Fällen wären Antidepressiva oder auch psychotherapeutische Ansätze besser geeignet als Neuroleptika, die aber natürlich viel aufwendiger sind als die Gabe von Medikamenten.
Praktisches Vorgehen bei der Behandlung mit Antipsychotika
Wenn der Einsatz von Antipsychotika bei Demenz in Erwägung gezogen wird, sollten folgende Punkte beachtet werden:
- Identifizierung der behandlungsbedürftigen Symptome: Am Beginn jeder Behandlung steht die Definition des Zielsymptoms. Die Behandlungsindikation wird gegenüber dem Patienten gestellt, nicht gegenüber Angehörigen oder professionellem Betreuungspersonal.
- Analyse der Bedingungen: Es besteht eine weitgehende Übereinstimmung, dass die Pharmakotherapie bei neuropsychiatrischen Symptomen bei Demenz nicht an erster Stelle steht. Der erste Schritt muss immer eine Verhaltensanalyse sein.
- AP unter strenger Therapiekontrolle: Die Definition eines Zielsymptoms ist nicht nur Voraussetzung der adäquaten Auswahl des Therapeutikums, sondern auch der effektiven Therapiekontrolle. Die Behandlungsdauer ist zeitlich zu begrenzen. AP helfen bei Symptomen, bei denen sie wirksam sind, rasch, in der Regel innerhalb von Tagen. Wird das definierte Zielsymptom nicht behoben, wird die AP-Gabe nicht fortgesetzt. Voraussetzung für die Beurteilung der Wirksamkeit im Einzelfall ist eine ausreichend hohe Dosierung. Diese liegt für die Behandlung von Demenzkranken deutlich unter denen jüngerer Erwachsener. Fast immer ist es sinnvoll und möglich, mit der niedrigsten Dosis zu beginnen und die Dosis dann langsam zu steigern. Aus pragmatischen Überlegungen heraus wird man bei fehlender Wirksamkeit des angesetzten AP einen Behandlungsversuch mit einer alternativen Substanz vornehmen. Wissenschaftlich begründete Rangfolgen von Medikamenten gibt es hier nicht. Die Kombination mehrerer Neuroleptika zur Behandlung von neuropsychiatrischen Störungen bei Demenz lässt sich nicht begründen und macht die Abschätzung von möglichen UAW schwieriger. Durch kurze Dauer der Behandlung können die Risiken gering gehalten werden.