Die Parkinson-Krankheit betrifft fast eine halbe Million Menschen in Deutschland und ist durch Symptome wie Muskelsteifheit, unkontrolliertes Zittern und verlangsamte Bewegungen gekennzeichnet. Obwohl die Krankheit derzeit als unheilbar gilt, gibt es Fortschritte in der Forschung, die neue Therapieansätze eröffnen. In diesem Zusammenhang rückt die modifizierte Aminosäure N-Acetyl-DL-Leucin, die unter dem Handelsnamen Tanganil® bekannt ist, in den Fokus. Tanganil® ist in Frankreich seit 1957 zur Behandlung von akutem Schwindelgefühl zugelassen. Jüngste Studien deuten auf eine potenzielle Off-Label-Wirkung bei Parkinson und anderen neurologischen Erkrankungen hin, was zu wachsendem Interesse und zur Durchführung von klinischen Studien führt.
Was ist N-Acetyl-DL-Leucin (Tanganil®)?
N-Acetyl-DL-Leucin ist eine modifizierte Aminosäure, die in Frankreich unter dem Handelsnamen Tanganil® (Pierre Fabre Laboratories) zur Behandlung von akutem Schwindelgefühl als Injektionslösung und Tablette erhältlich ist. Es besteht aus einer Mischung aus zwei Enantiomeren, Acetyl-D-Leucin und Acetyl-L-Leucin. Aktuelle Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass das L-Enantiomer, Acetyl-L-Leucin, die therapeutische Wirkung vermittelt und potenzielle klinische Vorteile gegenüber dem racemischen Gemisch aufweist.
N-Acetyl-L-Leucin ist derzeit weltweit für keine Krankheit zugelassen. IntraBio führt eine Phase-II-Studie durch, um die Wirksamkeit und Sicherheit von N-Acetyl-L-Leucin bei der Behandlung von Niemann-Pick-Krankheit Typ C (NPC) zu untersuchen.
Potenzielle Vorteile von Tanganil® bei Parkinson und anderen neurologischen Erkrankungen
Fallstudien und Forschungsergebnisse
In der Fachliteratur wurden Fallstudien veröffentlicht, die die Wirkung einer akuten Behandlung mit dem Razemat N-Acetyl-DL-Leucin bei NPC-Patienten [Bremova et al, 2015] sowie bei zerebellärer Ataxie beschrieben [Strupp et al, 2013; Schniepp et al., 2016]. Es wurde auch eine weitere Fallreihe in der Fachliteratur veröffentlicht, in der die krankheitsmodifizierende Wirkung einer Langzeitbehandlung mit N-Acetyl-DL-Leucin beschrieben wurde [Cortina-Borja et al, 2018].
Eine im September in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlichte Arbeit beschreibt zwei Fallberichte, in denen die modifizierte Aminosäure Acetyl-DL-Leucin erfolgreich das Auftreten einer manifesten Parkinson-Krankheit verhinderte. Wesentliche Krankheitsmarker gingen nach Gabe von Acetyl-DL-Leucin (ADLL) zurück.
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Wirkmechanismen
Zu den Wirkmechanismen von Acetyl-DL-Leucin gehören zwei Effekte:
- Effekt auf das lysosomale System: Störungen des lysosomalen Systems sind bei der Parkinson-Krankheit im Gehirn beschrieben worden.
- Effekt auf die "Zellatmung": Acetyl-L-Leucin erhöht die Produktion von Adenosin-Tri-Phosphat (ATP), dem entscheidenden Energieträger der Zelle. Ohne ausreichende Mengen von ATP können Zellfunktionen nicht aufrechterhalten werden.
Klinische Studien
IntraBio führt eine Phase-II-Studie durch, in der die Wirksamkeit und Sicherheit von N-Acetyl-L-Leucin zur Behandlung von NPC untersucht wird. Das primäre Ziel ist die Beurteilung der Wirksamkeit von N-Acetyl-L-Leucin auf der Grundlage des Bewerter-verblindeten Eindrucks der Veränderung des Schweregrads (clinical impression of change in severity, CI-CS) bei der Behandlung von NPC.
Mögliche Nebenwirkungen und Sicherheitsaspekte
In den veröffentlichten Studien wurde die Verbindung gut vertragen und es gab keine erkennbaren Nebenwirkungen. Die Sicherheitsprofile von sowohl N-Acetyl-DL-Leucin als auch N-Acetyl-L-Leucin wurden in präklinischen wie auch klinischen Studien charakterisiert.
In einer Studie mit einem Diabetes-Medikament (Lixisenatid) bei Parkinson-Patienten traten Nebenwirkungen wie Übelkeit bei fast der Hälfte und Erbrechen bei 13 Prozent der Teilnehmer auf. Es ist wichtig zu beachten, dass dies nicht direkt mit Tanganil® zusammenhängt, sondern mit einem anderen Medikament, das in der Parkinson-Behandlung untersucht wird.
Tanganil® auf dem "Alternativen Parkinsontag"
Inspiriert durch einen Hinweis auf eine mögliche Off-Lable-Wirkung von Tanganil® bei Parkinson haben sich viele an den Selbstversuch gewagt. Erste persönliche Rückmeldungen machen neugierig - Zeit, offen darüber zu sprechen. Auf dem "Alternativen Parkinsontag" am 28. März 2025 und 04. April 2025 in Berlin werden alternative Ansätze, Selbsthilfe-Erfahrungen und persönliche Berichte im Mittelpunkt stehen.
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High-Dose-Thiamin-Therapie als möglicher alternativer Ansatz
Die High-Dose-Thiamin-Therapie (HDT) ist ein therapeutischer Ansatz, bei dem Vitamin B1 in pharmakologischer Dosierung eingesetzt wird, um den zellulären Energiestoffwechsel zu stabilisieren. Bei Parkinson ist dieser Mechanismus relevant, weil die neuronalen Netzwerke der Subtanzia nigra nicht vollständig zerstört, sondern energetisch unterversorgt sein können. Die HDT zielt darauf ab, diese Blockade zu lösen und die Funktionsfähigkeit solcher Netzwerke wieder zugänglich zu machen.
Patientenperspektive und Bedarf
Dass seitens der Patientinnen und Patienten ein echter Bedarf an neuen therapeutischen Perspektiven besteht, zeigt sich daran, dass viele Betroffene Forschungsprojekte wie Acetyl-DL-Leucin sogar aus eigener Tasche unterstützen - oft ohne Aussicht, selbst noch davon zu profitieren.
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