Ein Taubheitsgefühl in Lippe und Zunge kann beunruhigend sein, ist aber oft harmlos. Es gibt vielfältige Ursachen für diese Empfindungsstörung, von denen viele vorübergehend und leicht zu behandeln sind. In manchen Fällen kann jedoch auch eine ernsthaftere Erkrankung dahinterstecken, die eine ärztliche Abklärung erfordert.
Ursachen für ein Taubheitsgefühl in Lippe und Zunge
Harmlos Ursachen
- Reizung durch Lebensmittel: Bestimmte Nahrungsmittel, insbesondere solche, die reich an Säuren oder Enzymen sind, können die Mundschleimhaut und Zunge reizen. Dazu gehören beispielsweise Ananas (enthält Bromelain), Kiwi, Kaki und Zitrusfrüchte. Diese Reizung kann zu einem Kribbeln, Brennen oder einem pelzigen Gefühl führen.
- Verbrennungen: Ein heißes Getränk oder eine heiße Speise kann die Zunge verbrennen und ein Taubheitsgefühl verursachen. In den meisten Fällen heilt eine leichte Verbrennung innerhalb von ein bis zwei Tagen von selbst ab.
- Zahnärztliche Eingriffe: Lokale Betäubungsmittel, die bei zahnärztlichen Eingriffen im Unterkiefer eingesetzt werden (z. B. bei Weisheitszahnentfernungen oder Wurzelkanalbehandlungen), können vorübergehend die Zunge taub machen. Auch eine Schwellung nach einer Weisheitszahn-OP kann auf die Nerven im Kiefer drücken und zu einer einseitigen Taubheit der Zunge führen.
- Medikamente: Einige Medikamente, wie z. B. Lidocain (ein örtlich betäubendes Mittel zur Schmerzlinderung bei Mundschleimhautentzündungen), können als Nebenwirkung Missempfindungen im Mundraum, einschließlich einer tauben Zunge, verursachen.
- Falsche Sitzposition: Wer lange in einer Position sitzt, bemerkt manchmal ein Kribbeln oder taubes Gefühl in den Beinen: Sie sind „eingeschlafen“. Das ist meist harmlos und geht durch Bewegung rasch wieder weg. Besonders viele Beschwerden macht das Sitzen mit gekreuzten Beinen, weil dies die Blutversorgung stört oder gar Nerven gequetscht werden. Wechseln Sie also immer wieder die Sitzposition und stehen Sie beim ersten Kribbeln sofort auf, damit das Blut wieder ungehindert fließen kann. Auch zu enge Schuhe schnüren die Blutzufuhr ab.
Mögliche ernstere Ursachen
- Nährstoffmangel: Ein Mangel an Vitamin B9 (Folsäure) oder Vitamin B12 kann ein Brennen oder Taubheitsgefühl auf der Zunge verursachen. Folsäure ist wichtig für die Bildung der roten Blutkörperchen, während Vitamin B12 für eine normale Funktion des Nervensystems benötigt wird.
- Schlaganfall (Apoplex): Ein Schlaganfall entsteht durch eine plötzliche Durchblutungsstörung im Gehirn, die zu einer Mangeldurchblutung und zum Absterben von Hirnzellen führt. Ein Schlaganfall kann sich durch verschiedene Symptome äußern, darunter auch eine plötzlich taube Lippe oder Zunge, oft in Verbindung mit anderen Symptomen wie Lähmungen im Gesicht, Sprachstörungen oder Sehstörungen. Es ist wichtig, bei Verdacht auf einen Schlaganfall sofort den Notruf (112) zu wählen, da jede Minute zählt. Manchmal äußert sich ein Schlaganfall nur durch eine kurzzeitige taube Lippe. In diesem Fall spricht man vom sogenannten stillen oder unbemerkten Schlaganfall. Er kann eine Vorstufe von schweren Schlaganfällen sein. Daher ist auch hier schnelles Handeln gefragt.
- Multiple Sklerose (MS): MS ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die zu Schädigungen bestimmter Bereiche des Gehirns führen kann. Dies kann sich unter anderem durch eine (vorübergehende) Taubheit der Zunge oder Sehstörungen äußern.
- Nacken-Zungen-Syndrom: Dieses seltene Syndrom wird durch eine rasche Drehbewegung des Kopfes verursacht, die einen starken, einseitigen Schmerz im Nackenbereich auslöst. Gleichzeitig kann es zu einer Empfindungsstörung auf der zugehörigen Seite der Zunge kommen.
- Burning-Mouth-Syndrom (Zungenbrennen): Dieses Syndrom äußert sich durch Empfindungsstörungen in der Mundhöhle, darunter Brennen, Kribbeln, stechende Schmerzen oder ein Taubheitsgefühl. Auch die Zunge kann davon betroffen sein.
- Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD): CMD ist eine Funktionsstörung des Kausystems, die sich durch vielfältige Symptome äußern kann, darunter auch Missempfindungen im Mundbereich.
- "Corona-Zunge": Im Rahmen einer Infektion mit dem Coronavirus wurden auch Veränderungen der Zunge beobachtet, die als "Corona-Zunge" bezeichnet werden. Diese können sich durch Schwellungen, Rötungen oder einen Belag auf der Zunge und im Mundraum bemerkbar machen.
- Kribbeln im Gesicht: Kribbeln im Gesicht, im Kopf und/oder in der Nase geht manchmal mit Jucken, Taubheitsgefühlen oder "Ameisenlaufen" einher. Folgende Ursachen können beispielsweise dahinterstecken: Bei beginnendem Erkältungsschnupfen sowie bei allergischem Schnupfen können neben Nasenlaufen, Niesreiz und behinderter Nasenatmung auch Jucken und Kribbeln im Kopf beziehungsweise in der Nase auftreten. Das Gleiche gilt beim sogenannten vasomotorischen Schnupfen, der etwa durch Kälte, Alkohol, heiße Getränke, Stress oder übermäßigen Gebrauch von Nasentropfen entstehen kann.Migräne: Wenn dieser starke Kopfschmerz zuschlägt, macht er sich bei einigen Betroffenen unter anderem durch ein Taubheitsgefühl oder Kribbeln im Gesicht bemerkbar.
- Kontaktallergie: Wenn auf größeren Schleimhautbereichen des Mundes oder im ganzen Mund eine Rötung, Brennen, Kribbeln und/oder Taubheitsgefühl auftreten, könnte dies auf eine Kontaktallergie (etwa auf Zahnpasta, Lebensmittelfarbstoffe oder Medikamente) hindeuten.
- Herpes simplex: Eine Herpesinfektion im Bereich der Lippen äußert sich in einem bläschenartigen Ausschlag. Noch bevor die Bläschen sich bilden, macht sich die Infektion meist durch ein Kribbeln oder Brennen der Lippen bemerkbar.
- Panikattacke: Bei manchen Betroffenen äußert sich eine Panikattacke unter anderem mit einem Kribbeln um den Mund herum - oft begleitet von einem Engegefühl in der Brust, schneller Atmung und großer Angst.
- Erkrankungen der Nerven: Polyneuropathie: Hier kommt es zu Schäden an den peripheren Nerven - also den Nerven, die weit entfernt von Gehirn und Rückenmark liegen. Vor allem die ganz kleinen Nervenenden an den Händen und Füßen sind häufig früh betroffen. Typische Symptome sind Kribbeln, Ameisenlaufen und Taubheitsgefühle. Die Missempfindungen breiten sich oft handschuh- oder sockenförmig an beiden Gliedmaßen aus.
- Restless-Legs-Syndrom (RLS): auch Syndrom der unruhigen Beine genannt. Das RLS äußert sich durch Missempfindungen wie schmerzhaftes Kribbeln, Ziehen und Brennen in den Beinen. Die Symptome bestehen oder verschlechtern sich in Ruhe, vor allem abends und nachts. Betroffene verspüren häufig den starken Drang, sich zu bewegen.
- Parkinson-Krankheit: Bei Parkinson sterben bestimmte Nervenzellen im Gehirn ab, die den Botenstoff Dopamin bilden. Durch den Zellabbau kommt es zu einem Mangel an Dopamin. In der Folge beeinträchtigt das die normalen Bewegungsabläufe: Es kommt zum Beispiel zu Muskelsteifigkeit (Rigor), Zittern (Tremor) und Bewegungsarmut.
- Migräne: Kribbeln und Taubheitsgefühle können eine Migräne-Attacke ankündigen. Die Missempfindungen treten zumeist im Gesicht auf oder einseitig an Armen oder Beinen.
- Guillain-Barré-Syndrom (GBS): Bei der seltenen Autoimmunerkrankung richtet sich das Immunsystem gegen die peripheren Nerven, greift sie an und zerstört sie. Zunächst äußert sich das häufig durch Kribbeln und Taubheitsgefühle in Händen und Füßen. Im Verlauf können Lähmungserscheinungen hinzukommen, die sich mitunter auf den ganzen Körper ausbreiten. Einem GBS geht oft eine Infektion voraus. Die meisten Erkankten erholen sich innerhalb von einigen Wochen bis Monaten.
- Bandscheibenvorfall: Die Bandscheiben liegen zwischen den Wirbelkörpern, die den Wirbelkanal bilden. Im Wirbelkanal verläuft das Rückenmark, darum herum liegen zahlreiche Nervenwurzeln. Die Bandscheiben bestehen im Inneren aus einer gelartigen Masse. Tritt diese bei einem Bandscheibenvorfall aus, kann sie auf die Nervenwurzeln drücken und Schmerzen verursachen. Je nachdem, wo der Vorfall auftritt, sind beispielsweise Kribbeln und Lähmungserscheinungen im Bein oder in Arm und Hand möglich.
- Karpaltunnelsyndrom: Der Karpaltunnel liegt im Bereich der Handwurzel. Darin verläuft der Mittelhandnerv. Wird dieser eingeklemmt, äußert sich das durch Kribbeln an Mittel- und Ringfinger, im Verlauf an Daumen und Zeigefinger.
- Ulnartunnel- und Ulnarrinnensyndrom: Zwischen Axel und Hand liegt der Ellen-Nerv (Nervus ulnaris). Hinten am Ellenbogen verläuft dieser Nerv durch eine Knochenrinne; an der Hand passiert er den Ulnartunnel. Gerät der Nerv etwa durch falsche Hand-Haltung beim Radfahren unter Druck, äußert sich das durch Taubheitsgefühle - vor allem am kleinen Finger und teilweise am Ringfinger („Radfahrerlähmung“). Ist der Nerv im Ellenbogen-Bereich eingeklemmt, ruft das ebenfalls Missempfindungen an den Händen hervor. Ursache sind zum Beispiel Unfälle oder Fehlbelastungen wie häufiges Arm-Aufstützen auf hartem Untergrund.
- Leistentunnelsyndrom: medizinisch Meralgia paraesthetica genannt. Durch Druck im Bereich des Leistenbands oder Leistenkanals wird der Oberschenkelhautnerv eingeklemmt. Mögliche Ursachen sind das Tragen zu enger Kleidung wie Jeans oder Übergewicht. Meist kommt es zu Schmerzen und Gefühlsstörungen am oberen und seitlichen Oberschenkel.
- Psychische Störungen: Angst-/Panikattacken und Angststörungen (Phobien): Missempfindungen wie Kribbeln oder Taubheitsgefühle können begleitend zu Panikattacken oder Angstzuständen auftreten.
- Hyperventilationssyndrom: In Stress-Situationen oder während einer Panikattacke kann es zu hektischem Ein- und Ausatmen kommen. In der Folge atmet man mehr Kohlendioxid aus, wodurch die Menge an Kohlendioxid im Blut abnimmt. Das führt dazu, dass die Nerven und Muskeln kurzfristig zu stark erregt werden. Damit einhergehen können Gefühlsstörungen und Verkrampfungen - etwa an Händen und Lippen. Die Konzentration auf die Atmung zu lenken und bewusst langsam ein- und auszuatmen sollte helfen, die Symptome zu lindern. Falls das nicht genügt, rufen Sie einen Arzt oder eine Ärztin.
- Somatoforme Störungen: Darunter verstehen Medizinerinnen und Mediziner körperliche Beschwerden, die keine körperliche Ursache haben. Müdigkeit, Muskelverspannungen, Zungenbrennen oder auch Kribbeln sind mögliche Symptome einer somatoformen Störung.
- Medikamente und Umweltgifte: Vergiftungen, zum Beispiel mit Schwermetallen, haben mitunter chronische Schäden an den Nerven zur Folge, die zu Missempfindungen führen. Kribbeln und Taubheitsgefühle treten bisweilen auch als unerwünschte, aber meist vorübergehende Nebenwirkung einiger Medikamente auf.
Risikofaktoren für einen Schlaganfall
Einige Faktoren erhöhen das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden. Dazu gehören:
- Alter
- Familiäre Vorbelastung
- Hoher Blutdruck
- Hoher Cholesterinspiegel
- Rauchen
- Diabetes
- Übergewicht
- Herzerkrankungen
Schlaganfall-Symptome
Ein Schlaganfall kann sich durch verschiedene Symptome äußern, die plötzlich auftreten. Dazu gehören:
- Plötzliche Lähmung oder Schwäche im Gesicht, Arm oder Bein (meist einseitig)
- Sprachstörungen (undeutliche Sprache, Schwierigkeiten, Worte zu finden oder zu verstehen)
- Sehstörungen (verschwommenes Sehen, Doppeltsehen, Gesichtsfeldausfälle)
- Plötzlicher starker Schwindel mit Gangunsicherheit
- Starke Kopfschmerzen (oft in Kombination mit anderen Symptomen)
- Taubheitsgefühl oder Kribbeln in Arm, Bein oder Gesicht (meist einseitig)
- Schluckbeschwerden
- Bewusstseinsstörungen
FAST-Test
Der FAST-Test ist eine einfache Methode, um einen Schlaganfall schnell zu erkennen:
- Face (Gesicht): Bitten Sie die Person zu lächeln. Hängt ein Mundwinkel herab?
- Arms (Arme): Bitten Sie die Person, beide Arme nach vorne zu strecken und die Handflächen nach oben zu drehen. Kann die Person beide Arme gleichmäßig heben?
- Speech (Sprache): Lassen Sie die Person einen einfachen Satz nachsprechen. Ist die Sprache verwaschen oder undeutlich?
- Time (Zeit): Wenn eines dieser Symptome auftritt, wählen Sie sofort den Notruf (112).
Was tun bei Verdacht auf Schlaganfall?
Bei Verdacht auf einen Schlaganfall ist schnelles Handeln entscheidend. Rufen Sie sofort den Notruf (112) und schildern Sie die Symptome. Je schneller die Behandlung beginnt, desto größer sind die Chancen, bleibende Schäden zu vermeiden.
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Diagnose und Behandlung
Um die Ursache für ein Taubheitsgefühl in Lippe und Zunge zu ermitteln, wird der Arzt zunächst eine ausführliche Anamnese erheben und eine körperliche Untersuchung durchführen. Je nach Verdacht können weitere Untersuchungen erforderlich sein, wie z. B.:
- Blutuntersuchungen: Zum Ausschluss von Nährstoffmängeln, Entzündungen oder anderen Erkrankungen.
- Neurologische Untersuchungen: Zur Überprüfung der Nervenfunktion.
- Bildgebende Verfahren (CT, MRT): Zur Darstellung des Gehirns und der Nervenbahnen.
- Allergietests: Zum Ausschluss von Allergien.
Die Behandlung richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache. Bei harmlosen Ursachen wie Reizungen durch Lebensmittel oder leichten Verbrennungen reichen oft einfache Maßnahmen wie das Meiden der auslösenden Substanzen oder das Kühlen der betroffenen Stelle aus. Bei Nährstoffmängeln können Nahrungsergänzungsmittel helfen. Bei schwerwiegenderen Erkrankungen wie einem Schlaganfall oder Multipler Sklerose ist eine spezifische medizinische Behandlung erforderlich.
Was kann man selbst tun?
- Beobachten Sie Ihre Symptome genau: Wann treten die Beschwerden auf? Gibt es Begleitsymptome?
- Vermeiden Sie mögliche Auslöser: Wenn Sie den Verdacht haben, dass bestimmte Lebensmittel oder Medikamente die Beschwerden verursachen, meiden Sie diese.
- Achten Sie auf eine ausgewogene Ernährung: Stellen Sie sicher, dass Sie ausreichend Vitamine und Mineralstoffe zu sich nehmen.
- Vermeiden Sie Stress: Stress kann die Beschwerden verstärken.
- Sorgen Sie für ausreichend Bewegung: Bewegung fördert die Durchblutung.
- Überprüfen Sie Ihre Sitzposition: Besonders viele Beschwerden macht das Sitzen mit gekreuzten Beinen, weil dies die Blutversorgung stört oder gar Nerven gequetscht werden. Wechseln Sie also immer wieder die Sitzposition und stehen Sie beim ersten Kribbeln sofort auf, damit das Blut wieder ungehindert fließen kann. Auch zu enge Schuhe schnüren die Blutzufuhr ab.
- Gefäße gesund halten: Gesunde Blutgefäße sind die Voraussetzung für eine gute Durchblutung. Einige Risikofaktoren, wie etwa eine genetische Veranlagung, lassen sich nicht beeinflussen. Viele Abnutzungsprozesse entstehen aber durch einen falschen Lebensstil - z. B. durch Rauchen, Übergewicht oder Bewegungsarmut.
- Körperbewusstsein trainieren: Entstehen Taubheitsgefühle im Rahmen von Panikattacken oder als Ausdruck einer psychischen Störung, helfen eventuell Übungen zur Verbesserung des Körperbewusstseins. Mit Techniken wie Yoga oder dem Body Scan trainieren Sie, Ihre Aufmerksamkeit auch über einen längeren Zeitraum auf Ihren Körper zu richten und sich intensiver zu spüren.
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