Die Temporallappenepilepsie (TLE) ist eine Form der Epilepsie, die ihren Ursprung im Temporallappen des Gehirns hat. Dieser Bereich spielt eine wichtige Rolle für das Gedächtnis, die Emotionen, das Hören und die Sprache. Anfälle, die in diesem Bereich entstehen, können sich daher auf vielfältige Weise äußern.
Ursachen der Temporallappenepilepsie
Die Ursachen der Temporallappenepilepsie sind vielfältig. Häufige Ursachen sind:
- Hippocampussklerose: Eine Verhärtung des Hippocampus, einer Struktur im Temporallappen, die für das Gedächtnis wichtig ist.
- Gliome, Astrozytome, Oligodendrogliome: Tumore, die im Gehirn entstehen.
- Arteriovenöse Malformationen: Abnorme Verbindungen zwischen Arterien und Venen im Gehirn.
- Cerebrovaskuläre Erkrankungen: Erkrankungen, die die Blutversorgung des Gehirns beeinträchtigen, wie z.B. Schlaganfälle.
- Enzephalitis: Entzündungen des Gehirns, die beispielsweise durch Viren verursacht werden können.
Oftmals bleibt die genaue Ursache jedoch unbekannt.
Symptome der Temporallappenepilepsie
Die Symptome der Temporallappenepilepsie können sehr unterschiedlich sein und hängen davon ab, welcher Teil des Temporallappens betroffen ist. Es wird zwischen mesialen und lateralen Temporallappenanfällen unterschieden, wobei die Unterscheidung anhand der Symptome (Semiologie) oft schwierig ist.
Aura
Viele Patienten mit TLE erleben eine Aura vor dem eigentlichen Anfall. Diese Aura kann sich auf verschiedene Weisen äußern:
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- Abdominelle Beschwerden: Ein aufsteigendes Gefühl im Bauchraum.
- Halluzinationen: Visuelle oder auditive Sinnestäuschungen.
- Vestibuläre Symptome: Schwindel oder Gleichgewichtsstörungen.
- Sprachstörungen: Schwierigkeiten beim Sprechen oder Verstehen von Sprache.
- Versive Kopfbewegungen: Unwillkürliche Drehungen des Kopfes.
- Psychische Symptome: Traumhaftes Erleben (Dreamy State), Déjà-vu (das Gefühl, etwas schon einmal erlebt zu haben), Jamais-vu (das Gefühl, etwas Vertrautes sei fremd), Angst, Freude oder Wut.
- Autonome Symptome: Übelkeit, Dyspnoe (Atemnot), Herzklopfen, Hungergefühl oder vermehrter Speichelfluss.
Anfallsverlauf
Typische Merkmale eines Temporallappenanfalls sind:
- Starrer Blick: Der Patient fixiert einen Punkt.
- Innehalten: Unterbrechung der aktuellen Tätigkeit.
- Pupillen zentral: Die Pupillen sind normal positioniert.
- Bewusstseinsstörung: Die Entwicklung der Bewusstseinsstörung ist langsam und klingt nach dem Anfall langsam ab. Es besteht eine Amnesie (Gedächtnisverlust) für die Zeit des Anfalls.
- Motorische Handlungen: Nesteln (unwillkürliche Bewegungen der Hände), Gestikulieren.
- Orale Automatismen: Lecken, Kauen, Schmatzen.
- Postiktale Phase: Nach dem Anfall können Desorientiertheit, Müdigkeit und Unruhe auftreten. In seltenen Fällen können fokale neurologische Defizite festgestellt werden.
Häufigkeit, Dauer und Generalisierung
- Häufigkeit: Die Anfälle treten meist mehrmals pro Monat bis mehrmals pro Tag auf.
- Dauer: Ein Anfall dauert in der Regel 1-3 Minuten.
- Generalisierung: Eine Ausbreitung des Anfalls auf das gesamte Gehirn (Generalisierung) ist selten.
Diagnostik der Temporallappenepilepsie
Die Diagnose der Temporallappenepilepsie basiert auf verschiedenen Untersuchungen:
- Anamnese: Eine ausführliche Befragung des Patienten und von Augenzeugen ist wichtig, um die Anfallssymptome genau zu erfassen.
- EEG (Elektroenzephalogramm): Eine Untersuchung der Hirnströme, bei der typischerweise einseitige oder beidseitige temporale Spikes oder Spike-Wave-Komplexe auftreten. Ein Langzeit-EEG kann notwendig sein, um die Diagnose zu sichern.
- MRT-Kopf (Magnetresonanztomographie): Eine hochauflösende Bildgebung des Gehirns, um strukturelle Veränderungen wie Hippocampussklerose, Tumore oder vaskuläre Malformationen zu erkennen.
- Weitere Abklärung: Bei Verdacht auf Vaskulitis oder Sinusvenenthrombose (SVT) können weitere Untersuchungen erforderlich sein.
Therapie der Temporallappenepilepsie
Ziel der Behandlung ist es, die Anfallsfrequenz zu reduzieren oder idealerweise Anfallsfreiheit zu erreichen.
Medikamentöse Therapie
Die medikamentöse Therapie ist dieStandardbehandlung der Temporallappenepilepsie. Es gibt verschiedene Antiepileptika, die zur Behandlung eingesetzt werden können. Die Wahl des Medikaments sollte immer individuell auf den Patienten abgestimmt sein und das Nebenwirkungsprofil berücksichtigen.
Mögliche Medikamente der 1. Wahl:
- Lamotrigin
- Levetiracetam
- Lacosamid
- Zonisamid
- Eslicarbazepin
Mögliche Medikamente der 2. Wahl:
- Carbamazepin
- Cenobamat
- Oxcarbazepin
- Topiramat
- Valproat
- Gabapentin
- Pregabalin
Operative Therapie
Bei Patienten, bei denen die medikamentöse Therapie nicht ausreichend wirksam ist, kann eine Operation in Betracht gezogen werden. Vor einer Operation ist eine umfassende Abklärung in einem Epilepsiezentrum erforderlich, um die genaue Anfallsursache zu lokalisieren und die Eignung für eine Operation zu prüfen. In manchen Fällen kann ein intrakranielles EEG notwendig sein. Die hirnchirurgische Methode behebt die Störung durch Entfernung kleinster Mengen zerstörter Hirnmasse.
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Spezielle Formen der Temporallappenepilepsie
Temporallappenepilepsie mit Komplikationen (TLE-x)
Die Temporallappenepilepsie mit Komplikationen (TLE-x) ist eine sehr seltene neurodegenerative Erkrankung, die vor allem Menschen mit Cyberimplantaten betrifft. Die vermutete Ursache ist neurologischer Stress, der von den Implantaten verursacht wird. Die Symptome manifestieren sich allmählich und werden oft durch Stress oder Verletzungen ausgelöst. Erste Symptome sind Gefühle der körperlichen Entfremdung und des Verlustes des Selbstgefühls, gefolgt von einer Verzerrung der Körper- und Entfernungswahrnehmung. Im Frühstadium ist TLE-x noch behandelbar, wird aber chronisch und ist dann schwer zu behandeln.
Transiente epileptische Amnesie (TEA)
Die transiente epileptische Amnesie (TEA) ist ein seltenes Phänomen bei Patienten mit Temporallappenepilepsie, das oft nicht als solches erkannt oder als transiente globale Amnesie (TGA) verkannt wird. Häufig wird die TEA nach dem Erwachen berichtet und dauert typischerweise über 15-60 min an. Die TEA ist durch eine gemischte anterograde und retrograde Gedächtnisstörung charakterisiert. Nicht selten werden Betroffene auch durch Stellen repetitiver Fragen auffällig. Patientinnen mit TEA sind meist im mittleren Lebensalter und haben darüber hinaus oft auch permanente Gedächtnisstörungen (v. a. akzeleriertes Vergessen, autobiografische und räumlich-topografische Gedächtnislücken), zeigen eine emotionale Labilität und sind depressiv verstimmt. Im Gegensatz zur TGA treten TEA regelhaft rezidivierend auf (durchschnittlich einmal pro Monat) und respondieren auf Antiepileptika. Klinisch lassen sich bei TEA-Patientinnen häufig auch andere Merkmale von Temporallappenanfällen eruieren und in weiterführenden Untersuchungen können typische Befunde erhoben werden (in etwa einem Drittel interiktale epileptiforme Aktivität über den Temporallappen, bei wenigen auch kernspintomographische Läsionen im Temporallappen).
Wichtige Hinweise für Patienten
- Patientenaufklärung: Es ist wichtig, dass Patienten über ihre Erkrankung, die Behandlungsmöglichkeiten und mögliche Risiken aufgeklärt werden.
- Fahrtauglichkeit und Arbeitstätigkeit: Die Fahrtauglichkeit und die Ausübung bestimmter Berufe können durch die Epilepsie eingeschränkt sein. Dies sollte mit dem behandelnden Arzt besprochen werden.
- Lebensführung: Bestimmte Faktoren wie Schlafentzug, Stress und Alkoholkonsum können Anfälle auslösen. Eine regelmäßige Lebensweise und der Verzicht auf diese Auslöser können helfen, Anfälle zu vermeiden.
- Vorstellung in einem Epilepsiezentrum: Im Verlauf der Erkrankung ist meist eine Vorstellung in einem spezialisierten Epilepsiezentrum erforderlich, um die Diagnose zu sichern, die Therapie zu optimieren und die Eignung für eine Operation zu prüfen.
Transiente epileptische Amnesie (TEA) im Detail
Eine Studie mit 10 Patient*innen mit TEA zeigte folgende Ergebnisse:
- Geschlecht: Neun von 10 Patient*innen waren männlich.
- Alter: Das Alter bei Erstmanifestation der TEA variierte zwischen 46 und 69 Jahren (59,1 ± 6,7 Jahre), 9 von 10 Patient*innen waren bei Erstmanifestation älter als 50 Jahre.
- Latenz: Die zeitliche Latenz zwischen Erstmanifestation und Diagnosestellung betrug 21,9 ± 26,3 Monate.
- Beruf: Interessanterweise hatten 5 von 10 Patient*innen einen technischen Beruf erlernt.
- Subjektive Beschwerden: Sieben von 10 Patient*innen berichteten über subjektive Gedächtnisstörungen, welche bei 2 Patienten zu Einschränkungen und Problemen im Alltag führten. Eine subjektive - teilweise mit einem Antidepressivum behandelte - depressive Störung wurde von 5 Patienten berichtet und war bei 4 Patienten leichtgradig und bei 1 Patienten mittelgradig ausgeprägt.
- Vorherige Diagnosen: Auswärtig wurde bei 3 Patienten bereits eine Temporallappenepilepsie vermutet, bei 1 Patienten wurden Vigilanzschwankungen diagnostiziert.
- Anfallshäufigkeit: Die Frequenz der berichteten Anfälle variierte zwischen 4 und 36 Anfällen pro Jahr (16 ± 9,9).
- Anfallsdauer: Die Dauer eines Anfalls lag meist zwischen 15 und 60 min (56 ± 37 min); bei Fall 10 wurde eine TEA mit einer Dauer von 150 min berichtet.
- Tageszeit: Bei 5 Patientinnen kam es zum Auftreten von Anfällen am Morgen. Insgesamt berichteten 6 Patientinnen über ein Auftreten der TEA direkt nach dem Erwachen. Von einem nächtlichen Auftreten aus dem Schlaf heraus oder nach nächtlichem Erwachen wurde von keiner Patient*in berichtet.
- Weitere Anfallstypen: Bei 9 Patientinnen ergab die Anamnese Hinweise auf weitere Anfallstypen bzw. auf weitere semiologische Elemente während des Anfalls. Drei Patientinnen erhielten bereits auswärtig die Diagnose einer Epilepsie.
- EEG: Der Nachweis epilepsietypischer Aktivität im Routine-EEG gelang in diesem Kollektiv nur selten. Bei 4 Patient*innen wurde eine unspezifische Thetaaktivität über der Temporalregion nachgewiesen.
- MRT: In kernspintomografischen Untersuchungen des Neurokraniums stellten sich bei 3 Patientinnen epileptogene Läsionen im Bereich der temporomesialen Strukturen dar, bei 2 Patientinnen links, bei 1 Patienten rechts.
- Video-EEG: In Video-EEG-Langzeitableitungen von mindestens 24 h Dauer wurde bei 6 Patientinnen eine im Schlaf aktivierte epilepsietypische Aktivität über der Temporalregion nachgewiesen, bei 4 Patientinnen über der linken Temporalregion, bei 2 Patient*innen temporal beidseits. Einmalig wurde ein Anfallsmuster temporal rechts während einer TEA nach dem Erwachen aufgezeichnet (Fall 6).
- Neuropsychologie: Die ergänzende neuropsychologische Untersuchung erbrachte bei 8 Patientinnen Hinweise auf temporale Funktionsstörungen, welche bereits auch subjektiv von den meisten Patienten wahrgenommen wurden. Bei 3 Patientinnen korrelierte die neuropsychologische Seitenlokalisation mit der Seite des spezifischen Herdbefunds mit Nachweis epilepsietypischer Potenziale (2 links, 1 rechts).
- Depression: Hinweise auf eine depressive Störung fanden sich bei 6 Patient*innen.
- Liquor: In einer ergänzenden Liquoranalyse war bei 3 von 10 Patientinnen eine Eiweißerhöhung nachweisbar. Bei 2 von 10 Patientinnen wurden identische Bandenmuster im Serum und Liquor als Hinweis auf eine systemische Immunreaktion nachgewiesen, davon einmalig mit Nachweis einer intrathekalen IgG-Synthese.
- Antikörper: Die ergänzende Antikörperdiagnostik ergab bei 1 von 10 Patientinnen den schwachen Nachweis von GAD65-Antikörpern. Zudem fielen bei 2 von 10 Patientinnen Bindungsmuster an Neuronen des Hippocampus sowie bei 1 weiteren Patientin Zusatzbanden im Western Blot auf.
- Tumorsuche: Eine ergänzende Tumorsuche wurde nur bei 4 von 10 Patient*innen durchgeführt und ergab dort jeweils keinen Hinweis auf eine Tumorerkrankung.
- Therapie: Bei 9 Patient*innen wurde Lamotrigin zur antiepileptischen Therapie eingesetzt. Dies verbesserte die Anfallskontrolle bei 5 Patienten. Eine Patientin profitierte nicht von der Lamotrigingabe. Diese Patientin erfüllte die Kriterien einer therapieresistenten Epilepsie (keine Anfallsfreiheit unter Anwendung von mehr als 2 Antiepileptika). Ein weiterer Patient erreichte mit dem Einsatz von Levetiracetam eine gute Anfallskontrolle. Die Anfallskontrolle eines Patienten stabilisierte sich schon zuvor unter Durchführung einer immunsuppressiven Therapie mit Kortison, Immunadsorption und Therapie mit Azathioprin. Die antiepileptische Therapie war danach überlappend von Levetiracetam auf Lamotrigin umgestellt worden, worunter schließlich Anfallsfreiheit erreicht wurde.
Die transiente epileptische Amnesie ist ein seltenes und wahrscheinlich häufiger übersehenes Phänomen, das vorwiegend bei Patient*innen mit Temporallappenepilepsien auftritt, und seltener auch bei Epilepsien mit extratemporal gelegenen Anfallsgeneratoren. Die Mechanismen, die zur TEA führen, sind nicht abschließend geklärt, aber es gibt Hinweise sowohl auf eine unmittelbare iktale Störung der Gedächtnisleistung als auch Hinweise auf ein postiktales Symptom als Ausdruck einer den Anfall überdauernden passageren Funktionsstörung gedächtnisrelevanter Netzwerke. Zumindest weist das Ansprechen auf Antiepileptika darauf hin, dass epileptische Anfälle ursächlich beteiligt sind.
Differenzialdiagnose
Es ist wichtig, die Temporallappenepilepsie von anderen Erkrankungen abzugrenzen, die ähnliche Symptome verursachen können. Dazu gehören:
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- Transiente globale Amnesie (TGA): Eine plötzlich auftretende Gedächtnisstörung, die sich jedoch von der TEA durch das Fehlen weiterer epileptischer Symptome und das Ausbleiben von epileptiformen Veränderungen im EEG unterscheidet.
- Psychogene nicht-epileptische Anfälle (PNES): Anfälle, die psychisch bedingt sind und nicht durch abnorme Hirnaktivität verursacht werden.
- Migräne: Kopfschmerzen, die von neurologischen Symptomen wie Aura begleitet sein können.
- Synkopen: Kurzzeitige Bewusstlosigkeit aufgrund von Durchblutungsstörungen des Gehirns.
Epilepsie im Allgemeinen
Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch das wiederholte Auftreten von unprovozierten Anfällen gekennzeichnet ist. Ein epileptischer Anfall ist definiert als ein vorübergehendes Auftreten von subjektiven Zeichen und/oder objektivierbaren Symptomen aufgrund einer pathologisch exzessiven und/oder synchronisierten neuronalen Aktivität im Gehirn. Die Symptome können je nach Ort und Ausmaß der Anfälle variieren und reichen von kurzen motorischen oder sensorischen Episoden bis hin zu komplexen Bewegungs- und Bewusstseinsphänomenen und klassischen tonisch-klonischen Anfällen.
Die Diagnose von Epilepsie wird anhand des Anfallgeschehens und zusätzlicher Befunde wie epilepsietypische Potenziale im EEG und/oder strukturelle Läsionen in der Bildgebung gestellt. Die Behandlung basiert in der Regel auf Medikamenten, kann aber auch nicht-pharmakologische Maßnahmen wie eine ketogene Diät oder Psychotherapie umfassen.
Klassifikation von Anfällen
Die Internationale Liga gegen Epilepsie (ILAE) hat eine Klassifikation von Anfällen entwickelt, die auf dem Beginn des Anfalls (fokal, generalisiert oder unbekannt), dem Vorhandensein von motorischen oder nicht-motorischen Symptomen und dem Bewusstseinszustand des Patienten basiert.
- Fokale Anfälle: Beginnen in einem begrenzten Bereich des Gehirns und können sich auf andere Bereiche ausbreiten. Sie können mit oder ohne Bewusstseinsstörung auftreten.
- Generalisierte Anfälle: Betreffen das gesamte Gehirn von Beginn an. Sie gehen in der Regel mit Bewusstseinsverlust einher.
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