Temporallappenepilepsie: Heilungschancen und moderne Therapieansätze

Die Temporallappenepilepsie (TLE) ist eine häufige Form der fokalen Epilepsie bei Erwachsenen. Sie entsteht meist im Temporallappen, oft in Strukturen wie der Amygdala und dem Hippocampus. Ursachen können vielfältig sein, darunter Hippocampussklerose, Gliome, arteriovenöse Malformationen, Astrozytome, Oligodendrogliome, zerebrovaskuläre Erkrankungen und Enzephalitis.

Charakteristika der Temporallappenepilepsie

Anfallsmerkmale

TLE-Anfälle sind oft komplex-fokal und treten mit einer Häufigkeit von mehreren Anfällen pro Monat bis zu mehreren Anfällen pro Tag auf. Eine Generalisierung der Anfälle ist selten. Die Anfälle dauern meist 1-3 Minuten. Die Unterscheidung zwischen mesialen und lateralen Temporallappenanfällen ist anhand der Symptomatik schwierig.

Auren und Symptome

Auren sind bei TLE häufig und können sich als abdominelles Gefühl (aufsteigendes Gefühl im Bauch), visuelle oder auditive Halluzinationen, vestibuläre Symptome oder Sprachstörungen äußern. Psychische Symptome wie traumhaftes Erleben (Dreamy State), Déjà-vu, Jamais-vu-Erleben, Angst, Freude oder Wut können ebenfalls auftreten. Autonome Symptome umfassen Übelkeit, Dyspnoe, Herzklopfen, Hunger und Speichelfluss. Während des Anfalls kann es zu einem starren Blick, Innehalten, Pupillenerweiterung, Bewusstseinsstörungen (mit Amnesie), langsam entwickelnd und sich nach Anfall langsam lösend, Nesteln, gestikulieren, orale Automatismen (Lecken, Kauen, Schmatzen…) und postiktaler Desorientiertheit, Müdigkeit und Unruhe kommen.

Diagnostik der Temporallappenepilepsie

EEG

Im EEG zeigen sich einseitig oder beidseitige temporale Spikes oder Spike-Waves. Ein Langzeit-EEG kann erforderlich sein.

MRT-Kopf

Ein hochauflösendes MRT des Kopfes ist notwendig.

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Weitere Abklärung

Bei Verdacht auf Vaskulitis, Sinusvenenthrombose oder ähnliches sind weitere Abklärungen erforderlich.

Medikamentöse Therapie

Die Wahl des Medikaments sollte patientenorientiert und am Nebenwirkungsprofil ausgerichtet sein. Daher sind die Empfehlungen insbesondere bei Antiepileptika nie allgemeingültig.

Medikamente der 1. Wahl

  • Lamotrigin
  • Levetiracetam
  • Lacosamid
  • Zonisamid
  • Eslicarbazepin

Medikamente der 2. Wahl

  • Carbamazepin
  • Cenobamat
  • Oxcarbazepin
  • Topiramat
  • Valproat
  • Gabapentin
  • Pregabalin

Epilepsiechirurgie als Therapieoption

Eine Operation ist bei therapieresistenten epileptischen Anfällen häufig erfolgreich. Dennoch wird sie meist erst nach vielen Jahren des Wartens erwogen, wenn sich der Zustand des Patienten bereits irreversibel verschlechtert hat.

ERSET-Studie

In der US-amerikanischen ERSET-Studie (Early Randomized Surgical Epilepsy Trial) wurden Patienten mit mesialer Temporallappenepilepsie (MTLE), die nicht länger als zwei Jahre an stark behindernden Anfällen gelitten hatten und bei denen zwei Versuche mit Antikonvulsiva erfolglos gewesen waren, randomisiert, entweder weiter Medikamente zu erhalten oder sich zusätzlich einer anteromedialen Temporallappenresektion zu unterziehen. Obwohl die Studie wegen schleppender Rekrutierung bereits nach Einschluss von 38 statt der geplanten 200 Patienten geschlossen wurde, sind die Ergebnisse bemerkenswert. Primärer Endpunkt war ein Ende behindernder Anfälle im zweiten Jahr nach Studienbeginn. Das erreichte in der Medikamentengruppe keiner der 23, in der chirurgischen Gruppe hingegen elf der 15 operierten Patienten (Odds Ratio ∞; 95-%-Konfidenzintervall 11,8-∞; p < 0,001). Auch bei der Veränderung des Quality of Life in Epilepsy 89 overall T-Score (QOLIE-89), war die Operation überlegen; signifikant war der Unterschied, wenn man die 7 Patienten der Medikamentengruppe, die später doch operiert worden waren, ausschloss (12,8 versus 2,8 Punkte; p = 0,01). Bei 4 Patienten in der OP-Gruppe trat Gedächtnisverlust auf, wegen der kleinen Zahlen aber waren die Unterschiede zwischen beiden Armen nicht statistisch signifikant. In der OP-Gruppe traten außerdem bei einem Patienten vorübergehend neurologische Defizite nach einem (MRT-gesicherten) postoperativen Schlaganfall auf und in der Medikamentengruppe drei Episoden von Status epilepticus.

Kommentar von Prof. Dr. med. Bernhard Steinhoff

„Es sollte endlich zu einem Umdenken unter Deutschlands Neurologen kommen, die in der Mehrheit immer noch zu nachlässig mit einem Problem umgeht, das man vielfach früher und vor allem ursachenorientiert lösen könnte“, kommentiert Prof. Dr. med. Bernhard Steinhoff, Leiter des Epilepsiezentrums in Kehl-Kork. Bereits 2001 sei in einer randomisierten Studie (NEJM 2001; 345: 311) bei therapieresistenter Temporallappenepilepsie belegt worden, dass die Chirurgie hier keine Alternative, sondern die Methode der Wahl sei. So stehe es auch in den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie: „Sie stellen klar, dass man bei sich abzeichnender Pharmakoresistenz frühzeitig an Epilepsiechirurgie denken und Patienten an ein spezialisiertes Zentrum überweisen sollte“, sagt Steinhoff.

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Operationsmethoden

Es gibt verschiedene Operationsmethoden, die bei Temporallappenepilepsie angewendet werden können:

  • Vordere Temporallappenresektion: Hierbei werden der vordere Teil des Temporallappens und die medialen Strukturen wie Hippocampus und Amygdala entfernt.
  • Selektive Amygdalohippokampektomie (SAHE): Bei dieser Methode werden Amygdala, Hippocampus und der angrenzende Kortex reseziert. Es gibt verschiedene Zugangswege für die SAHE, z.B. transsylvisch, transkortikal oder subtemporal.
  • Laserablation: Hierbei wird eine Lasersonde in das Gehirn eingeführt, um das epileptogene Gewebe zu abzutragen.

Wann sollte ein operativer Eingriff erwogen werden?

Studien und retrospektive Datenanalysen zeigen, dass die Chancen auf eine Anfallskontrolle bereits nach Versagen des zweiten Medikamentes sehr gering sind. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Patient mit dem dritten Medikament anfallsfrei wird, liegt laut einer neueren Studie mit mehr als 1 000 Patienten bei nur zwei Prozent (3). Daher sollten alle Patienten mit chronischer Epilepsie, die nicht auf zwei oder mehr Medikamente angesprochen haben, in spezialisierten Zentren beraten werden. Nur dort ist die technische und fachliche Kompetenz einer umfassenden Diagnostik gegeben, die klären kann, welche zugrundeliegende Erkrankung vorliegt, ob ein epilepsiechirurgischer Eingriff Linderung bringen kann und wie die Prognose einzuschätzen ist.

Vorteile der Epilepsiechirurgie

  • Verbesserung des Anfallsgeschehens und der Lebensqualität
  • Möglichkeit der Anfallsfreiheit bei therapieresistenter Epilepsie

Nachteile und Risiken der Epilepsiechirurgie

  • Gedächtnisverlust
  • Neurologische Defizite
  • Gesichtsfeldeinschränkungen

Minimal-invasive Techniken

Neben den offenen Operationen gibt es auch minimal-invasive Techniken wie die Laserablation. Diese Verfahren haben den Vorteil, dass sie weniger invasiv sind und möglicherweise ein besseres kognitives Ergebnis erzielen.

Gentherapie als neuer Therapieansatz

Forschungsgruppen der Charité - Universitätsmedizin Berlin und der Medizinischen Universität Innsbruck haben einen grundlegend neuen Ansatz zur Behandlung von Temporallappen-Epilepsie entwickelt: Eine Gentherapie soll ermöglichen, dass beginnende Krampfanfälle gezielt am Ort ihrer Entstehung und nur bei Bedarf unterdrückt werden. Die Methode erwies sich im Tiermodell als erfolgreich und soll nun für die therapeutische Anwendung bei Patientinnen und Patienten optimiert werden.

Funktionsweise der Gentherapie

Die neue Methode basiert auf einer gezielten Gentherapie, mit der ein spezielles Gen selektiv in die Nervenzellen jener Gehirnregion eingeschleust wird, von der die epileptischen Anfälle ausgehen. Das Gen liefert die Produktionsanweisung für Dynorphin, eine körpereigene Substanz, die vor übermäßiger neuronaler Erregung schützen kann. Sobald die Neuronen das Gen aufgenommen und gespeichert haben, produzieren sie dauerhaft den Wirkstoff auf Vorrat.

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Vorteile der Gentherapie

  • Gezielte Unterdrückung von Anfällen am Ort ihrer Entstehung
  • Keine Gewöhnungseffekte
  • Geringe Nebenwirkungen

Patientenaufklärung und Lebensführung

Patienten mit Temporallappenepilepsie sollten umfassend über ihre Erkrankung, Behandlungsmöglichkeiten und Risiken aufgeklärt werden. Themen wie Fahrtauglichkeit, Arbeitstätigkeit und Lebensführung sollten besprochen werden.

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