Die Vorstellung, den Tod zu überwinden und verstorbene Gehirne wiederzubeleben, fasziniert die Menschheit seit Jahrhunderten. Fortschritte in der Wissenschaft haben diese Idee in den Bereich des Möglichen gerückt und zu bahnbrechenden Forschungen geführt, die unsere Definition von Leben und Tod in Frage stellen. Dieser Artikel beleuchtet die neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet der Forschung zur Wiederbelebung des toten Gehirns, untersucht die ethischen Implikationen und wirft einen Blick auf die Zukunft dieses faszinierenden Forschungsbereichs.
Kryokonservierung: Eine Chance auf ein zweites Leben?
Tomorrowbio, ein europäisches Startup, bietet Kryokonservierung an, mit dem Ziel, Verstorbene für eine mögliche Wiederbelebung in der Zukunft zu erhalten. Das Unternehmen kühlt die Körper von Verstorbenen auf -196 Grad Celsius herunter, um den Zerfall der Zellen zu verlangsamen. Sobald ein Tomorrowbio-Kunde rechtlich für tot erklärt wird, versorgt ein Team von Ärzten, Kardiotechnikern und Kryo-Experten den Körper mit Sauerstoff und kühlt ihn herunter. Das Blut wird durch ein medizinisches Frostschutzmittel ersetzt, um die Bildung von Eiskristallen zu verhindern, die die Zellen zerstören könnten.
Die eigentliche Lagerung erfolgt in der Schweiz in vakuumdichten Tanks, die mit flüssigem Stickstoff gefüllt sind. Die Kühlung erfolgt durch den Stickstoff, der bei einer Temperatur von -196 Grad Celsius Enzyme und Bakterien inaktiviert und den Zerfall des Körpers stoppt.
CEO Emil Kendziorra gründete Tomorrowbio zusammen mit COO Fernando Azevedo Pinheiro im Jahr 2020. Drei Jahre später kryokonservierte das Startup die erste Person und das erste Haustier. Inzwischen hat das Startup laut Gründer 20 Menschen und zehn Haustiere kryokonserviert.
Die Kosten für eine Ganzkörperkonservierung belaufen sich auf 200.000 Euro, wobei 80.000 Euro auf das Kryokonservierungsverfahren und 120.000 Euro auf die Lagerung entfallen. Die Kryokonservierung des Gehirns allein kostet 75.000 Euro. Zusätzlich wird ein monatlicher Beitrag von 50 Euro erhoben.
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Kendziorra sieht die Kryokonservierung als Alternative zur Beerdigung und betont, dass es keine Garantie für eine Wiederbelebung gibt. Die Kunden des Startups sind hauptsächlich im Technologiebereich tätig, darunter Informatiker, Investoren und Startup-Gründer.
Reanimation von Schweinehirnen: Ein Durchbruch in der Neurowissenschaft?
Forschern ist es gelungen, die Nervenzellen von Schweinen vier Stunden nach deren Tod zu reanimieren. Sie starteten eine Maschine, die die isolierten Schweinehirne mit einer speziellen Lösung versorgte. Das von den Forschern entwickelte und „BrainEx“ getaufte System pumpte die Mixtur aus Kunstblut und Nährstoffen bei Körpertemperatur durch die Hirnarterien. Spätestens eine Stunde nach Beginn dieser Perfusion zeigten die Hirne wieder einen normalen Stoffwechsel und einzelne Zellen reagierten auf Reize und sendeten synaptische Signale.
Die Wissenschaftler besorgten sich die Schweineköpfe von einer Großschlachterei. Technisch gesehen blieben die Gehirne auch tot. Stattdessen hielt das neue System die Gehirne in einem deutlich besseren Zustand als eine Kontrollgruppe, die der Verwesung überlassen wurde. Es stellte sogar für bis zu sechs Stunden am Stück die Funktion zur Aufnahme von Glukose und Sauerstoff wieder her.
Nita Farahany vom National Institute of Neurological Disorders and Stroke bezeichnete dies als einen außergewöhnlichen und sehr vielversprechenden Durchbruch für die Neurowissenschaft. Sie fügte hinzu, dass es aber auch eine Menge grundlegender Annahmen der Neurowissenschaft infrage stelle, beispielsweise, dass ein Sauerstoffabfall im Gehirn unwiderruflich zum Tod eines Organismus führen werde.
Das Team hatte Maßnahmen ergriffen um sicherzustellen, dass die Gehirne während des Experiments nicht „aufwachen“ oder sich der Prozedur gar bewusst werden. Obwohl keines der Schweinehirne während des Vorgangs irgendein Anzeichen von Bewusstsein zeigte, standen Forscher bereit, um im Zweifelsfall ein Anästhetikum zu verabreichen oder die Temperatur des Gehirns abzusenken. Darüber hinaus hatte das Team der Lösung Stoffe zugesetzt, die neurale Aktivität blockieren sollten.
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Die Forscher bestätigten auch, dass die Blutgefäße des Gehirns gut genug erhalten waren, um sich unter Einfluss von Medikamenten zu weiten. Als nächstes untersuchten die Wissenschaftler, wie gut BrainEx die generelle Gewebestruktur des Gehirns erhalten konnte. Größtenteils waren mit BrainEx behandelte Gehirne mit den Hirnen lebender Tiere oder unbehandelten Hirnen eine Stunde nach dem Tod vergleichbar.
Christof Koch, der Leiter des Allen-Instituts für Hirnforschung, der an der Studie nicht beteiligt war, sagte, dass ihn dieses Ergebnis als Neurowissenschaftler am meisten überrascht habe. Er wies darauf hin, dass die Forscher immer noch solche Ausschläge erzeugen konnten, die als universeller Ausdruck schneller elektrischer Signalübertragung gelten.
Ethische Implikationen und die Definition des Todes
Die Forschung zur Wiederbelebung des toten Gehirns wirft eine Reihe ethischer Fragen auf. Eine der wichtigsten Fragen ist, wann ein Gehirn wirklich tot ist und ob die Definition des Hirntods überdacht werden muss.
Die BrainEx-Technologie wirft beispielsweise Fragen über die ethische Nutzung nicht menschlicher Tiere für Experimente auf. Derzeit gelten zwei Regelwerke - eines für Gewebe von toten Tieren und eines für lebende Tiere, die Schmerzen und Stress empfinden können. Farahany, ein Mitglied der Neuroethics Working Group, erklärte, dass es gewissermaßen eine Lücke in unserem Schutz tierischer Forschungssubjekte gebe, weil wir jetzt diese Kategorie von partiell wiederbelebtem, ein bisschen lebendigem Gewebe haben, welches das - bislang noch nicht umfassend erforschte - Potenzial einer funktionalen Wiederherstellung birgt.
Auch die Möglichkeit einer Wiederherstellung der Hirnfunktionen könnte die Organspende verkomplizieren, indem sie die Grenze zwischen Leben und Hirntod noch weiter verwischt, schrieben die Bioethiker Stuart Youngner und Insoo Hyun von der Case Western University in einem begleitenden Kommentar in „Nature“.
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Kevin Cmunt, der Geschäftsführer des größten Organspendenetzwerks der USA, Gift of Hope, sieht in BrainEx keinen großen Störfaktor. Er sagte, dass dieser Eingriff bei den allermeisten Fällen von hirntoten Spendern nicht von Belang wäre. Und falls BrainEx eines Tages in Kliniken eingesetzt wird, würde das System einfach zu jenen Möglichkeiten gehören, die man ausschöpft, bevor man Patienten für hirntot erklärt oder die Lebenserhaltungsmaßnahmen einstellt.
Bioquark und das ReAnima-Projekt
Das Unternehmen Bioquark in Philadelphia plant, hirntote Patienten vor dem endgültigen Tod zu bewahren und noch in diesem Jahr ein Experiment an 20 klinisch Toten durchzuführen. Wissenschaftler der Firma wollen für ihre Experimente die Körper von 20 Hirntoten verwenden und sie zum Leben erwecken.
Das Projekt hört auf den Namen "ReAnima". Das Ziel: Durch Stimulation des Nervensystems Hirnaktivitäten wieder herstellen und damit den menschlichen Körper prinzipiell wieder lebensfähig machen.
Innerhalb der Studie werden laut Bioquark-Chef Ira Pastor mehrere Injektionen durchgeführt, die das Nervensystem der hirntoten Patienten wieder aktivieren sollen. Zunächst werden Stammzellen aus dem Blut der Verstorbenen gewonnen und anschließend wieder in den Körper injiziert. Danach bekommen die Hirntoten eine spezielle Proteinmischung direkt ins Rückenmark gespritzt. Dies solle das Wachstum neuer Neuronen auslösen, heißt es in dem Bericht.
In der nächsten Stufe erhalten die "Patienten" in den darauffolgenden 15 Tagen eine Lasertherapie, dank der zwischen den Neuronen im Gehirn Impulse hergestellt werden sollen. Das Experiment werde pausenlos beobachtet und jede noch so kleine Änderung im Gehirn registriert, heißt es in dem Bericht weiter.
Andere Wissenschaftler stehen der Studie indes kritisch gegenüber. Einzelne Teile des Gehirns zu retten, könne sicherlich hilfreich sein, sagt Dean Burnett, Neurowissenschaftler am Centre for Medical Education der Cardiff University. Es sei aber "arg weit hergeholt", beim aktuellen Stand medizinischer Forschung schon die komplette Wiederherstellung eines toten Gehirns in den Raum zu stellen.
Neurologin Ariane Lewis und Bioethiker Arthur Caplan vom Nationalen Gesundheitsinstitut schrieben in einem Leitartikel, dass die Studie "Quacksalberei" sei und über "keine wissenschaftliche Grundlage" verfüge. Sie mache Familien eine "grausame, weil falsche Hoffnung auf Genesung".
Die Zukunft der Forschung zur Wiederbelebung des toten Gehirns
Die Forschung zur Wiederbelebung des toten Gehirns steckt noch in den Kinderschuhen, aber die Fortschritte, die in den letzten Jahren erzielt wurden, sind vielversprechend. Zukünftige Forschung könnte sich auf die Entwicklung neuer Technologien zur Erhaltung und Reparatur von Hirngewebe konzentrieren, sowie auf die Erforschung der ethischen und gesellschaftlichen Implikationen dieser Technologien.
Es ist wichtig zu beachten, dass es keine Garantie dafür gibt, dass die Wiederbelebung des toten Gehirns jemals möglich sein wird. Die Komplexität des Gehirns und die Herausforderungen bei der Wiederherstellung seiner Funktionen sind enorm. Dennoch ist die Forschung auf diesem Gebiet von großer Bedeutung, da sie unser Verständnis des Gehirns und des Todes erweitern und möglicherweise neue Wege zur Behandlung von Hirnschäden und -erkrankungen eröffnen kann.
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