Meningokokken-Impfung: Kritik, Kontroversen und aktuelle Empfehlungen

Die Meningokokken-Impfung ist ein viel diskutiertes Thema im Bereich der öffentlichen Gesundheit. Meningokokken sind Bakterien, die schwere Krankheiten wie Hirnhautentzündung (Meningitis) und Blutvergiftung (Sepsis) verursachen können. Obwohl Meningokokken-Infektionen in Deutschland selten sind, verlaufen sie oft rasant und können lebensbedrohlich sein.

Die Bedrohung durch Meningokokken

Meningokokken-Erkrankungen werden durch Bakterien der Art Neisseria meningitidis verursacht. Es gibt verschiedene Serogruppen, von denen A, B, C, W, X und Y die häufigsten Auslöser für schwere (invasive) Erkrankungen sind. In Deutschland sind Meningokokken der Serogruppe B (ca. 62 Prozent) und seltener die Serogruppen C, W und Y (jeweils 9 bis 16 Prozent) am häufigsten. Die Übertragung erfolgt durch engen Kontakt, beispielsweise über Speichel oder Nasensekret. Da Meningokokken außerhalb des Körpers rasch absterben, ist eine Ansteckung ohne engen Kontakt eher unwahrscheinlich.

Die Erkrankung kann in jedem Alter auftreten, besonders gefährdet sind jedoch Kinder im ersten und zweiten Lebensjahr sowie Jugendliche zwischen 15 und 19 Jahren. Die Zeit von der Ansteckung bis zum Ausbruch beträgt in der Regel 3 bis 4 Tage, kann aber auch zwischen 2 und 10 Tagen liegen. Zunächst treten grippeähnliche Symptome auf, gefolgt von plötzlichen Kopfschmerzen, Fieber, Schüttelfrost und Schwindel. Bei einem großen Teil der Erkrankten treten zusätzlich Hautveränderungen auf. Bei einer Meningitis kommen unter anderem Erbrechen und Nackensteifigkeit hinzu. Eine Sepsis kann sich durch Blutdruckabfall bemerkbar machen und bis zum Organversagen fortschreiten. Bei Säuglingen und Kleinkindern sind die Symptome oft schwer zu deuten.

Impfempfehlungen und -realität in Deutschland

Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt verschiedene Impfungen gegen Meningokokken. Seit Januar 2024 wird die Impfung gegen Meningokokken B für Säuglinge ab dem Alter von zwei Monaten empfohlen. Versäumte Impfungen sollen bis zum 5. Geburtstag nachgeholt werden. Zudem wird allen Kindern zu Beginn des 2. Lebensjahres die Impfung gegen Meningokokken der Serogruppe C (MenC) empfohlen. Nachholimpfungen gegen Meningokokken C sollen bis zum 18. Geburtstag durchgeführt werden. Bei erhöhtem Risiko wird für alle Altersgruppen die Impfung mit Meningokokken-ACWY-Impfstoff empfohlen, ebenso die Impfung gegen Meningokokken B, wenn diese im Säuglings- oder Kleinkindalter noch nicht erfolgt ist.

Trotz dieser Empfehlungen gibt es in Deutschland eine niedrige Impfrate gegen Meningokokken B. Nur etwa 33 Prozent der Kinder sind bundesweit geimpft, wobei es regionale Unterschiede gibt. Sachsen hat mit 94 Prozent die höchste Impfquote, während Bayern mit 21 Prozent das Schlusslicht bildet. Im europäischen Vergleich zeigt sich, dass andere Länder die Bedeutung der MenB-Impfung höher bewerten und sie in ihre nationalen Impfprogramme aufgenommen haben.

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Kritik und Kontroversen

Trotz der STIKO-Empfehlungen und der Verfügbarkeit von Impfstoffen gibt es Kritik und Kontroversen rund um die Meningokokken-Impfung:

  • Fehlende Impfempfehlung als Hürde: Eine fehlende Impfempfehlung durch die STIKO kann Eltern und Ärzte verunsichern. Viele Krankenkassen erstatten die Kosten für Impfstoffe erst, wenn eine STIKO-Empfehlung vorliegt. Dies führt dazu, dass zugelassene und wirksame Impfstoffe nicht genutzt werden.
  • Soziale Ungleichheit: Die Erstattungspraxis der Krankenkassen kann zu sozialer Ungleichheit führen. Selbst wenn die Kasse die Kosten übernimmt, müssen Eltern diese oft vorstrecken. Menschen mit Sprachbarrieren haben es zudem schwerer, sich über die Erstattung zu informieren. Dies führt dazu, dass sozial benachteiligte Familien schlechter vor Meningokokken-Infektionen geschützt sind.
  • Nutzen und Risiken: Einige Experten sehen den Nutzen der Meningokokken-Impfungen kritisch, da es an klinischen Daten zur Wirksamkeit fehlt. Stattdessen wird die Wirksamkeit anhand der Bildung von Antikörpern und mathematischen Modellen abgeleitet. Zudem gibt es Bedenken hinsichtlich möglicher Nebenwirkungen, wie Fieberkrämpfe oder allergische Reaktionen.
  • Voller Impfkalender: Der Impfkalender für Kleinkinder ist bereits sehr voll. Die Streichung der Impfempfehlung gegen C-Meningokokken für Kleinkinder soll den Impfplan entlasten und Raum für andere wichtige Impfungen schaffen.
  • Neue Impfempfehlung für Jugendliche: Die STIKO empfiehlt nun eine Kombinationsimpfung gegen Meningokokken A, C, W und Y für Jugendliche im Alter von 12 bis 14 Jahren. Diese Empfehlung basiert auf einer mathematischen Modellierung, wonach sich die Erkrankungslast in der Bevölkerung durch eine Mehrfach-Impfung im Jugendalter am besten senken lasse. Es gibt jedoch keine klinischen Daten zur Wirksamkeit dieser Impfung.
  • Impfkritische Tendenzen: Einige Krankenkassen raten ihren Versicherten von der Impfung gegen Meningokokken B ab und legen den Schreiben sogar eine Stellungnahme eines bekannten Impfkritikers bei. Dies führt zu Verunsicherung bei den Eltern und untergräbt das Vertrauen in die Impfempfehlungen.

Die Rolle der STIKO und die Krisenreaktionsreserve

Die STIKO ist ein unabhängiges Gremium, das Impfempfehlungen für Deutschland ausspricht. Die Mitglieder arbeiten ehrenamtlich, um frei von Einflüssen durch Politik, Kostenträger oder die Pharmaindustrie zu sein. Während der Corona-Pandemie war die STIKO jedoch stark mit der Bewertung von COVID-19-Impfstoffen beschäftigt, was dazu führte, dass andere wichtige Impfempfehlungen verzögert wurden.

Um solche Engpässe in Zukunft zu vermeiden, wurde die Idee einer Krisenreaktionsreserve entwickelt. Diese Reserve könnte die STIKO bei Bedarf um zusätzliche Experten erweitern, um auch in Krisenzeiten den Schutz vor impfpräventablen Erkrankungen zu gewährleisten.

Internationale Bemühungen zur Bekämpfung von Meningitis

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat einen Plan bis 2030 aufgestellt, um Meningitis, die durch Meningokokken ausgelöst werden kann, zu bekämpfen. Die "Meningitis Road Map" zielt darauf ab, Meningitis als globale Gesundheitsgefahr einzudämmen. Die Instrumente für die WHO Road Map sind vorhanden, um diese bakterielle Superinfektion einzudämmen. Deutschlands Beteiligung an diesem Plan scheint jedoch gering zu sein, was sich in einer niedrigen Impfrate von 33 Prozent widerspiegelt.

Impfstoffe im Überblick

Es gibt verschiedene Impfstoffe gegen Meningokokken, die sich in den abgedeckten Serogruppen und dem verwendeten Konjugat unterscheiden:

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  • MenC-Impfstoffe: Diese Impfstoffe schützen vor Meningokokken der Serogruppe C. Beispiele sind Neis-Vac-C und Menjugate.
  • ACWY-Impfstoffe: Diese Impfstoffe schützen vor Meningokokken der Serogruppen A, C, W und Y. Beispiele sind Nimenrix, Menveo und MenQuadfi.
  • MenB-Impfstoffe: Diese Impfstoffe schützen vor Meningokokken der Serogruppe B. Beispiele sind Bexsero und Trumenba.

Mögliche Impfreaktionen und Nebenwirkungen

Wie bei jeder Impfung können auch bei der Meningokokken-Impfung Nebenwirkungen auftreten. Häufige Impfreaktionen sind Rötungen, Schwellungen und Schmerzen an der Impfstelle, Fieber, Kopfschmerzen, Muskel- und Gelenkschmerzen sowie allgemeines Unwohlsein. Schwere Nebenwirkungen sind sehr selten. Bei Säuglingen und jungen Kleinkindern kann es zu einem Fieberkrampf kommen, der in der Regel jedoch ohne Folgen bleibt. Auch allergische Reaktionen sind möglich.

Fazit

Die Meningokokken-Impfung ist ein wichtiges Thema im Bereich der öffentlichen Gesundheit. Obwohl Meningokokken-Infektionen selten sind, können sie schwerwiegende Folgen haben. Die STIKO empfiehlt verschiedene Impfungen gegen Meningokokken, jedoch gibt es Kritik und Kontroversen rund um die Impfempfehlungen, die Erstattungspraxis und den Nutzen der Impfungen. Es ist wichtig, dass Eltern und Ärzte sich umfassend informieren und die individuellen Risiken und Vorteile der Impfung abwägen.

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