Das Headshaking-Syndrom ist ein komplexes und oft frustrierendes Problem bei Pferden, das durch unkontrolliertes Kopfschütteln gekennzeichnet ist. Dieses Verhalten, das bereits vor über 200 Jahren in der Literatur beschrieben wurde, ist in den meisten Fällen kein Zeichen einer Verhaltensstörung, sondern ein Symptom, das verschiedene Ursachen haben kann. Die Symptome können sich allmählich entwickeln oder plötzlich auftreten und so stark werden, dass das Reiten unmöglich wird und die Sicherheit von Pferd und Reiter gefährdet ist. Etwa 90 Prozent aller Headshaker leiden an einer Überempfindlichkeit oder einer Schädigung des Gesichtsnervs (Trigeminusnerv).
Ursachenforschung beim Headshaking
Die Ursachen für Headshaking sind vielfältig und oft schwer zu identifizieren. Es ist wichtig zu verstehen, dass das Pferd ursprünglich ein Herdentier ist, das den Großteil des Tages mit Grasen verbringt und ständig auf der Hut vor Raubtieren ist. Dieses natürliche Verhalten kann durch verschiedene Faktoren beeinträchtigt werden, die zu Headshaking führen.
Einige mögliche Ursachen sind:
- Zahnprobleme: Erkrankungen im Maulbereich können Schmerzen verursachen, die sich als Headshaking äußern.
- Idiopathisch: In vielen Fällen bleibt die Ursache des Headshakings unbekannt. Der Begriff "idiopathisch" stammt aus dem Griechischen und bedeutet "ohne Grund".
- Trigeminusneuralgie: Shara Sheldon, Forscherin an der University of California, beschreibt, dass Pferde mit Trigeminus-vermitteltem Headshaking unter neuropathischen Nervenschmerzen leiden. Der Trigeminusnerv, der das Gesicht mit Empfindungen versorgt, steht ständig am Rande des Feuers.
- Lichtempfindlichkeit (photisches Headshaking): Helles Sonnenlicht kann den Trigeminusnerv zusätzlich reizen und das sogenannte photosensitive Headshaking auslösen.
- Infektionen: Viren wie das Herpes-Virus und bakterielle Infektionen wie Borreliose können ebenfalls eine Rolle spielen. Borrelien können Nerven, insbesondere im Auge, angreifen und Schäden verursachen.
- Umweltfaktoren: Schwermetalle und andere Umweltgifte können Headshaking begünstigen.
Symptome des Headshaking-Syndroms
Von den Besitzern wird oft als erstes Symptom das Schlagen des Kopfes, meist in vertikaler, seltener in horizontaler oder rotierender Richtung, festgestellt. Als Ausdruck nasaler Irritation zeigen erkrankte Pferde typischerweise zusätzlich vermehrtes Schnauben, ein Reiben der Nase sowie intensives Lippen- und Zungenspiel. In hochgradigen Fällen versuchen die Pferde, mit den Vorderbeinen in Richtung der Nase zu treten, bleiben stehen, steigen oder laufen rückwärts. Charakteristisch sind die unwillkürlich und ohne sichtbaren Reiz auftretenden, vorwiegend vertikalen Kopfbewegungen, wodurch erkrankte Pferde mit hochgradiger Symptomatik nicht selten unberechenbar und sowohl für andere Pferde als auch Menschen gefährlich im Umgang werden können.
Viele Pferde zeigen die Symptome nur unter Belastung und erst in fortgeschrittenem Krankheitsstadium bereits in Ruhe. Zu Krankheitsbeginn kann es zu einer meist von Frühjahr bis Herbst stärker ausgeprägten Symptomatik und einem nahezu symptomfreien Winter kommen. Das Kopfschlagen beginnt gehäuft ab dem 9. Lebensjahr und kann sowohl schleichend als auch plötzlich eintreten.
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Diagnostischer Ansatz
Aufgrund der vielfältigen möglichen Ursachen und variablen klinischen Ausprägung ist es unerlässlich, einen ausführlichen Vorbericht zu erheben. Der Fokus sollte darauf liegen, sämtliche Hinweise für primäre Ursachen eines symptomatischen, vertebralen oder habituellen Headshakings zu identifizieren. Vorberichtlich sollten mögliche kausale Zusammenhänge zu der Art der Belastung sowie Sattel, Zaumzeug und reiterliche Ursachen ausgeschlossen werden.
Ziel der Diagnostik ist die Abgrenzung von idiopathischem gegenüber symptomatischem TMHS sowie der Ausschluss von vertebralem oder habituellem Headshaking, um eine zielgerichtete und möglichst erfolgversprechende Therapie initiieren und eine adäquate Prognose stellen zu können. Da es keine standardisierte Untersuchungsmethode gibt, um idiopathisches Trigeminus-mediiertes Headshaking direkt zu diagnostizieren, erfolgt die Diagnostik in Form einer Ausschlussdiagnostik.
Die Diagnostik umfasst in der Regel:
- Ausschlussdiagnostik:
- Labordiagnostische Untersuchungen
- Klinisch-neurologische Untersuchung
- Orthopädische Untersuchung
- Maulhöhlenuntersuchung inkl. Röntgen und Endoskopie
- Ophthalmologische Untersuchung
- Endoskopie der Atemwege
- Endoskopie der Ohren
- Röntgen von Kopf, Genick, Hals, bei Verdacht auch des Rückens
- Lokale diagnostische Anästhesien (je nach Verdachtsbefund N. maxillaris, N. infraorbitalis, lokale Infiltration)
- Computer- und magnetresonanztomografische Untersuchung des Kopfes
- Sensorische Nervenleitgeschwindigkeitsmessung: Bei der sensorischen Nervenleitgeschwindigkeitsmessung (SNLG) wird mittels Elektrodiagnostik die Reizschwelle und die Leitgeschwindigkeit des Trigeminusnerven bestimmt. Die Nervenleitgeschwindigkeit ist in der Regel unverändert im Vergleich zu gesunden Pferden, wohingegen die Reizschwelle bei erkrankten Pferden herabgesetzt sein soll.
Therapieansätze bei Headshaking
Die Therapie bei Headshakern kann man gut über die Fütterung unterstützen. Wie auch bei gesunden Pferden muss die Basisversorgung stimmen.
- Lichtschutz: Bei "photic Headshaking" kann eine Lichtschutzmaske mit UV-Schutz für Augen und/oder Nüstern Erleichterung schaffen.
- Nasennetz: Das Tragen eines Nasennetzes soll eine dauerhafte Stimulation der Oberlippe stattfinden, so dass der mechanische Reiz den Schmerzreiz lindert. Zusätzlich werden durch das Netz Pollen und Wind gefiltert.
- Gebisslose Zäumung: Da Kaubewegungen Schmerzen triggern können, kann eine gebisslose Zäumung oder Trense helfen.
- Fütterungsanpassung:
- Leinöl: Es ist reich an ungesättigten essenziellen Omega-3-6- Fettsäuren, die eine entzündungshemmende Wirkung haben, was sich positiv auf die chronische Reizung der Nerven und Schleimhäute auswirkt.
- Magnesium: Bei den betroffenen Pferden wurde vor Beginn der Fütterung ein ungewöhnlich niedriger Magnesiumspiegel im Serum festgestellt.
- Bor: Bor soll die Magnesiumabsorption verbessern, was die Blutkonzentration von ionisiertem Magnesium weiter erhöht und das Kopfschütteln weiter verringert. Ein natürlicher Borlieferant wäre z. B. Rote Bete.
- Tryptophan: Die essenzielle Aminosäure Tryptophan regt die Bildung der „Wohlfühlhormone“ (Serotonin und Melatonin) an.
- Hibiskusblüten: Hibiskusblüten werden wegen ihrer antibakteriellen Wirkung der Atemwege und Schleimhäute geschätzt.
- MSM (Methyl- Sulfonyl- Methan): Die zusätzliche Fütterung von MSM (Methyl- Sulfonyl- Methan), natürlichem Schwefel, trägt zudem zur Symptomlinderung bei. Es hemmt Entzündungen und Schmerzen und steigert die Widerstandskraft und körpereigenen Abwehr.
- Süßholzwurzel: Es hat sich gezeigt, dass Süßholz bevorzugt in gemahlener Form, als Futterzusatz bei Pferden sehr effektiv das Headshaken lindert und die Leistungsbereitschaft etwas erhöht. Die Süßholzwurzel hemmt Bakterien und Pilze, beugt Entzündungen vor und wird wegen ihrer antiviralen und antiallergischen Wirkung sehr geschätzt.
- Homöopathie: Homöopathische Ansätze finden sich in der Sensibilisierung mit Komplexpräparaten mit den Wirkstoffen Arsenum jodatum, Apis mellifica und Urtica urens.
Schlägt keine der genannten Maßnahmen an, kannst du auf Behandlungsmethoden zurückgreifen, die von einem Tierarzt durchgeführt bzw. begleitet werden müssen.
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- Akupunktur: Hierbei werden bestimmte Punkte mit Nadeln angesprochen und der Trigeminusnerv stimuliert.
- PENS (Perkutane Elektrische Nervenstimulation): Bei dieser Therapie wird der Nerv 25 Minuten lang mit wechselnder Frequenz und Spannung angeregt und stimuliert, damit er weniger sensibel wird.
- Coil-Embolisation: Dabei wird eine Metallspirale im Bereich des Trigeminusnervs eingesetzt, welcher durch den konstanten Druck geschädigt werden soll.
- Glycerol-Injektion: Teilweise bringt auch eine Injektion von Glycerol in den Nerv positive Ergebnisse.
- Medikamente: Spezielle Medikamente für Headshaking-Pferde gibt es keine, bei manchen Pferden helfen aber Wirkstoffe, die bei Menschen mit einem Trigeminus-Problem eingesetzt werden. Cyproheptadin ist ein Antihistaminikum und wird auch zur Behandlung von Allergien verwendet.
Management und Prognose
Da TMHS bislang nicht zuverlässig effektiv therapierbar ist und von einer Beeinträchtigung des Wohlbefindens der Pferde ausgegangen wird, ist das adäquate Management erkrankter Pferde besonders wichtig. Es sollte jegliche Art von Reizminderung erfolgen, die die Symptomatik reduzieren kann, wobei das Regime von den individuell zu identifizierenden Triggerfaktoren abhängig ist. Des Weiteren sollte eine effektive Insektenabwehr in Ruhe und beim Reiten durchgeführt werden, wenn diese als Trigger wirken.
Viele Pferde erfahren eine deutliche Erleichterung durch das Tragen eines Nasennetzes oder ‑fransen und/oder einer getönten Lichtschutzmaske.
Grundsätzlich ist die Prognose abhängig von der ätiologischen Diagnose und der gewünschten Nutzung. Liegt eine primär symptomatische Ursache vor, konnte in wenigen Fällen, nach erfolgreich therapierter Primärkrankheit, eine Symptomfreiheit erreicht werden. Handelt es sich um idiopathisches TMHS, ist die Prognose im Allgemeinen als sehr vorsichtig bis schlecht einzustufen. Häufig handelt es sich um eine progressiv verlaufende Krankheit, die nicht selten dazu führt, dass die betroffenen Pferde unreitbar werden und auch in Ruhe deutliche Symptome, sowie eine Wesensveränderung zeigen. Entscheidend ist ein Ansprechen auf die Therapie, wobei häufig eine Linderung der Symptome, seltener ein vollständiges Verschwinden erreicht werden kann. Sollte trotz optimiertem Management und Therapieversuchen keine überwiegend symptomfreie und damit schmerzfreie Haltung für das Pferd erreicht werden können, ist das Headshaking als dauerhaftes Leiden einzuordnen und stellt damit einen vernünftigen Grund für eine schmerzlose Tötung dar.
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